Suche löschen...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193002191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19300219
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19300219
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1930
- Monat1930-02
- Tag1930-02-19
- Monat1930-02
- Jahr1930
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1930
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Reden. Nachdem wurde noch mancher Schoppen und manches Maß geleert. Sächsische Gemütlichkeit und bay rische Treuherzigkeit hatten als einigende» Band die deut schen Brüder umschlossen. Am Sonnabend in der ersten Nachmittagsstunde spielte die Kurkapelle auf dem Mitten- waldbahnlwfe ihre Nbschiedslteder. Unter Wehen der Tücher und den Rufen „Auf Wiedersehn!" rollten die zwei Tono«r- züge zur Heimfahrt aus dem Bahnhofe hinaus. Acht Tage schönen Erlebens und guter Erholung waren vorüber. . . In Mittenwald wird's stille nunmehr sein. Für die Mitten walder und für uns Sachsen bleibt als Schönstes die Erinnerung. St./F. M NM -MWN Mdkll? Der Berus ist beim Manne so tief eingebettet in seine ganze Persönlichkeit, er ist so richtungweisend sür die Entwicklung des inneren und auch äusseren Menschen, daß eS für den Mann kaum eine zweite Entscheidung von gleicher Bedeutung für das ganze Leben gibt, wie die Entscheidung sür diesen oder jenen Beruf. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, — prüfe gründlich, bis in die lebten Einzelheiten, mache sich mit tiefem Ernst wirklich frei von jeder Modcpsvchose, sei gewissenhaft in der Selbstein- schähung, versäume auch ni^t, sich von erfahrenen Berufs kennern beraten zu lassen. Wie steht cs im »anfmannsberns ans? Darüber must völlige Klarheit herrschen: Die Zeiten, in denen der Kaufinannsberus von FreNlagschcr Soll- und Haben-Romantik umwoben, sind unwiederbringlich dahin. Die Entwicklung vom Klein- zum Großbetrieb, zum Kon- zern und Mammutunternehmen hat den Kausmannsgc- Hilfen — von ganz wenigen Ausnahme- abgesehen — den Weg zur Selbständigkeit abgeschnitten. Der Traum vom Handelsherrn, der über Waren, Schiffe, Pf anznngen, Häu ser herrscht, ist auSgeträumt. Was früher nur eine Ueber- gangszeit war, ist heute ein Berufsstand, aber ein junger, ausstrebender Stand mit neuen Zielsehungen und beson deren Lebenserfordernissen. Das besagt nun keineswegs, dah die Aufgaben des KaufmannSgehilfen eingeengt wären. Im Gegenteil. Nir ! wurde vom Kaufmann eine solche Gründlichkeit und Viel seitigkeit des Wissens in jedem Berufszweig verlangt wie heute. Für den, der vorwürtSkommen will — und wer wollte das nicht? — schließt die Lehre nie ab. Die kauf männischen Betriebe sind unter einander in Handelsbe triebe, Branchen, Verkehrsunternehmungen und kaufmän nische Hilf-Zbetriebe aufgeteilt, diese wiederum in Groß- und Kleinhandel, in Eisenindustrie, Chemische Industrie, Textil industrie undsoweirer, in Reedereien, Eisenbahngesellschai- ten, Kraftfahr- und Luftverkehrsgesellschaften, in Banken, VersichenmgsaeseUschaften, Speditionsfirmen, Auskunfteien, Druckereien. VerlagSanstaltcn und viele andere mehr. Schon ein flüchtiger Blick auf das Organisationsschema eines ein- , zigen Betriebes belehrt darüber, wie unendlich feingeglie dert und vielgestaltig das Arbeitsgebiet des Kaufmanns ! heute ist. Alle kaufmännischen Betriebe sind auf dem sogenann- ' ten „wirtschaftlichen Prinzip" aufgebaut, überall ist die Arbeit so zu gestalten, daß für den einzelnen Betrieb wie für die Volkswirtschaft ein „Mehr"', ein Gewinn heraus kommt. Somit ist der Kaufmann der Sachwalter in der Verwaltung der volkswirtschaftlichen Güter. Je mehr er in dieser Stellung eine sittliche Verpflichtung dem Volks ganzen gegenüber empfindet, umso weniger wirb er sich burch rein eigennützige Motive de« Geldverdiener,« letten lassen und um so mehr wird er jene» tief«, sittliche Ver hältnis zu seinem Berufe finden, ohne da» niemand Kauf mann werden sollte Wer kann Kauf»»«« »erbe»? Ein Berliner Berufsberatungsamt hat darüber 10 Ge bote »usammengestellt, die in der Schrift de» Deutsch nationalen Hanolungsgehilfen-Berbandes „Wer kann Kauf mann werden?" enthalten sind: 1. der geistig beweglich ist und schnell aufsaßt 2. der fehlerlos schreibt und sicher rechnet 3. der eine schöne Handschrift besitzt 4. der aufmerksam und pünktlich ist 5. der schnell und sicher antwortet 6. der ein sauberer Junge ist 7. der ein flinker, fixer Kerl ist, 8. der ehrlich und zuverlässig ist 9. der ein anständiges, höfliches Wesen hat 10. der mit offenen Augen durch die Welt geht. Wer diese 10 Bedingungen erfüllt, wer Lust un» Lieb« zum Kaufmannsberuf mitbrtngt und wer — vor allem! — fleißig ist, der kann Kaufmann werden. Er wird, trotz der gegenwärtig miserablen Lage im Kaufmannsberuf und trotz der wirklichen Not der älteren Angestellten, es „zu etwas bringen". Daneben soll er aber auch gesund sein. Das Arbeiten tm vorwiegend geschlossenen Raum, da« Tempo der Arbeit, die ost fehlende körperliche Ausarbei tung stellen hohe Anforderungen an Körper- und Nerven kräfte: leicht können Lungen-, Darm-, Augen- und Nerven leiden eintreten. Es ist ein unverzeihlicher Irrtum der öffentlichen Meinung, daß schwächliche Jungen am besten im Kaunnannsberuf aufgehoben seien. Borsicht bei der Wahl der Lehrstelle. Die Not der älteren Angestellten hat viele Jugendliche davon abgeschreckt, Kaufmann zu werden. Daher werden heute bedeutend mehr Lehrstellen angeboten, als besetzt werden können. Aber nicht alle Lehrstellen können empfoh len werden. Da ist es nicht immer leicht, eine Lehrstelle zu finden, in der die besonderen Talente des Lehrlings sich entfalten können. In jedem Falle ist dringend zu empfehlen, sich vor der «suche nach einer Lehrstelle an die Berufsberatungsstelle zu wenden, wie sie zum Beispiel der Deutschnationale Handlungsgehjlfen-Vcrband in jedem größeren Ort sür die jungen Berufsanwärter kostenlos unterhält. Eine ungeeignete Lehrstelle kann für das ganze Leben von Nachteil sein. Unbedingt ist auch darauf zu achten, daß ein schriftlicher Lehrvertrag, der Zeit der Lehre, Entschädigung. Urlaub undsoweiter festlegt, abgeschlossen ivird. Es sei da noch einmal auf die Schrift „Wer kann Kaufmann werden?" hingewiesen, in der eine Hülle nütz licher Ratschläge zusammengetragen ist. In der Schrift, die vom Deutschnationalen HandlungSgehilfcn-Verband, Ham burg 36, Holstenwall 1—5, an jeden Berufsanwärter abge geben wird, heißt es zum Schluß: „Das Bild des Kauf« mannSberufeS ist groß und sclwu. Der Beruf bleibt immer Aufgabe- Nirgends gibt es ein Rasten in ihm. Die Besten gehören vor die Front des Kaufmannsberuses. Keiner stelle sein Licht unter den Scheffel, keiner traue aber auch blind auf eigene Kraft. Wählet nüchtern, aber verzichtet nicht aus die Begeisterung nach der Wahl. Der Berus des Kaufmanns ist es wert." W a l t e r P r e u ß. aus »ao i alle« Schicht«» der Einwohnerschaft »»» Niesa und U»g gern gelesene Riesaer Tageblatt »«» VeRtt nehme« seberzeit entgegen für voberse«: L. Förster Boberien Nr. 67 Glanbitz: Frau Hesse Nr. 6 GohliS: E. Kühne, Nr. 57 Gröba: A. Haubolb. Strehlaer Str. 17 „ M. Heidenreich. Slllccstr 4 „ O. Niebel, Oschatzer Str. 2 „ Frau Knlke, Kirchstr. iS Grbdel: K. Vetter Gröbel Nr. l Jahnishausen-Böhlen: F Steinberg, Pausitz Rr. I Kalbitz: F. Steinberg, Pausitz Nr. 8 Laugenberg: Otto Scheuer, Bäckermeister Leutewitz bei Riesa: Frau Schlegel, Veutcwitz Nr. 174. Mergendors: L. Schumann, Poppitz 1» Merzdorf: O. Thiele. Gröba, Oschatzer Str. Itz Moritz: K. Vetter, Gröbel Nr. l Nickritz: F. Steinberg, Pausitz Nr. 8 Nünchritz: Marte Thränitz, Wiesentorstr. S Oelsitz: M. Schwarze, Nr 11 Pausitz: M. Schwarze, Oelsitz Nr. 41 Poppitz bei Riesa: L. Schumann, Nr. 18 Prausitz: F. Steinberg, Pausitz Nr. 8 Riesa: Alle ZeitungSträger und zur Vermittlung «t diese die Tageblatt-GeschäftSstelle Goethestr. W lTeleson Nr. 20s Röderau: M. Schöne, Grundstr. 16 Sageritz: Fran Hesse, Glaubitz Nr. 6 Seerhausen: F. Steinberg, Pausitz Nr. 8 Weida sAlt-s: Fr Kluge, Lange Str. 11d Weida sNeu-s: F. Pöge, Langestr. 26. Zeithain-Dors: S. Sandholz. Teichstr. 18 Zeithain-Lager: Richard Scbönitz. Buchhändler ben werden. — Sie werden den gewaltigsten Filmgewalti« gen um den kleinen Finger wickeln können — nämlich den Direktor. Sie werden Ihre Kolleginnen vor Neid -um Rasen bringen. Und zu allem brauchen Sie nur schön, schön und nochmals schön zu sein — und außerdem -u be- sitzen: Von keiner Phantasie beschreibbare Toiletten und Hüte von verrücktmachender Kleidsamkeit. Daneben be dürfen Sie eines wetterfesten Herzen» — und Mut. Viel Mut. Zu rücksichtslosem Durchsetzen, womit jedoch nicht gesagt sein soll, daß die Anschaffung der berühmten Diva launen durchaus unerläßlich und im großen Maßstabe nötig ist." Regkow lehnte sich zurück. Insgeheim mußte er über seinen Filmvortrag lächeln. Er bot Wera eine Zigarette. Sie rauchte mit lang samen, eleganten Bewegungen. „Die Geste haben Sie famos heraus," sagte er. Sie sah ihn etwas verstört an. „H./e ich Ihnen bange gemacht," fragte er. „Bange?" Sie hob verächtlich die Schultern. „Ich habe ganz genau gewußt, was ich tat, Herr Doktor." „Na, na. So ganz genau" „Solche Kenntnisse wie Sie, besitze ich allerdings nicht. Aber daß ich kämpfen und vielleicht mal hungern muß — da» weiß ich." „Letzteres kommt ganz auf Sie an. Ich möchte da» Gegenteil vermuten." „Anfangs werde ich doch gewiß nicht viel verdienen." Sie blickte ihn so ruhig und offen an. Er sprach nicht weiter. Ms der Zug nachts in die Berliner Bahnhofshalle ein- lief, pries Wera im stillen ein gütige» Geschick, da» ihr den Reisegefährten zugesührt hatte. Gerade unter seinem Schutz ward sie sich ihrer ganzen Unerfahrenheit bewußt. Geborgen saß sie neben ihm im Auto. Wie berauscht tranken ihre Blicke das rastlose Treiben der taghellen Straßen. Wie von fern hörte sie Marfas Stimme: „Das ist die Jugend, das ist das Leben." In ihren freudetrunkenen Augen stand das Gelöbnis: Alles werde ich erobern. Denn ich habe die Jugend und den Willen und die Schönheit. Dr. Regkow beugte sich zu ihr, faßte ihre Hand und sagte leise: „Eroberin durch Schönheit." Hatte sie laut gedacht? War ihr Gesicht denn immer lesbar? Für ihn? Ihre Hand blieb in der seinen, bi» da» Auto vor dem Hause in der Sternstraße stand. Krau Krause war noch auf. Unten in ihrem kl. men Schreib- zimmer saß sie und rechnete in Büchern. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid, auf dem schon ergrauten Haar ein kleines Spitzenhäubchen. Sie wandte den beiden Ein- tretende - ein verständiges gutes Gesicht zu, über da» bei RegkowS Anblick ein freudiges Lächeln zog. „Ach Herr Doktor l Wieder einmal da. Da» ist aber eine Freude." Sie nahm respektvoll seine Hand. . . Ein fragender Blick ging zu Wera hinüber. „Ja, liebe Frau Krause. Außerdem bringe ich Ihnen einen Schützling mit. Hoffentlich haben Sie Platz für die Dame." Frau Krause überlegte. Ihre Augen ruhten forschend auf Weras Gesicht. „Oben das kleine Zimmer der Stu dentin ist frei geworden." „Sckzön, da» genügt vorläufig. Später," fügte er lächelnd hinzu, „wird Fräulein Lenz vielleicht Ihre besten Zimmer benötigen." Er ging zur Tür. „Bei mir drüben MM itt Ordnuna?" „Wie immer.'Herr Doktor" „Post gekommen?" „Ziemlich viel. . . Alles drüben auf dem Schreib« tisch" - „Schön!" Er reichte Wera die Hand. „Nun schlafen Sie wohl, Fräulein Lenz. Im Schutze der Frau Krause sind Sie sicher, wie in Abrahams Schoß Alles weitere wird sich finden." Wera hatte kein Wort gesprochen. Sie fand sich zwar sehr bevormundet — aber es war allmählich so manches Stücklein ihres Selbstvertrauens abgebröckelt, dazu kam eine plötzliche Abspannung, ein Erschlaffen der Nerven — So ließ sie gern alles über sich bestimmen. Das Zimmermädchen brachte mit dem Pförtner da« Gepäck hinc:f. Frau Krause begleitete sie. Und dann war Wera allein. In dem kleinen einfachen Zimmer. Sie reckte die Arme und griff nach ihren Kopf. . . Herrgott! War denn dies alles Wirklichkeit? Sie ver suchte ruhiger zu werden — Vergeblich, die wild flattern- oen Gedanken ließen sich noch nicht sammeln. Vergeblich, sich vorzustellen: Was wird morgen, was übermorgen sein. Nun es geschehen, war es wie ein — Traum. Und halb im Traum in die Kissen ausgestreckt, dachte sie: Morgen will ich den Ettern Nachricht geben, sie sollen sich nicht ängstigen. Unten in ihrem kleinen Schreibzimmer saß wohl noch eine Stunde lang Frau Krause über ihren Büchern. Draußen rollt und tobt noch immer das Großstadtleben. Auto rasseln und tuten. — Der Pförtner öffnet noch einmal die Haustür. Ein Paar Nachtschwär! er suchen halblaut plaudernd ihr Zim mer auf. — Heute wie gestern und wie morgen. Frau Krause versank in Nachdenken. Wie manchen Namen hatte sie im Laufe der Zeit in ihren Büchern ver zeichnet. Wieviele waren gekommen und gegangen. Wie- viele hatten ihr Ziel erreicht? Und wieviele waren vom Sturm der Großstadt ver weht. — Und nur Frau Krauses Rechenbücher nannten noch in verblaßter Schrift ihren Namen. Dreißig Jahre Zimmervermieten. Gar manches Men schenschicksal zieht da vorüber mit seinem Wechsel an Hoss- nunä und Enttäuschung, in seinem Auf und Nieder. Doktor Regkow, ja, das war eine gesicherte Existenz. Als Sohn des Besitzers eines Hüttenwerkes in fchlesischem Industriegebiet konnte er sich den Luxus einer eleganten Junggesellenwohnung, die nur vorübergehend benutzt wurde, wohl erlauben. Er hatte schon bei ihr gewohnt, bevor er vor einiger Zeit ins Ausland ging. Nachdem er in Berlin mehrere Semester studierte. Immer blieben ihm seine Zimmer reserviert. Er kam und ging nach Berlin und fand alles bereit. Meistens war seine ein zige Anmeldung der Eingang von Postsachen an sein« Adresse. Bon diesem ihrem treusten uno besten Mieter gingen Frau Krauses Gedanken zu Wera Lenz. Wa» hatte dieses schöne Geschöpf hierher geführt? Und wa» würde ihr Schicksal sein? Sah sie nicht vollkommen so au», als wollte sie ganz Berlin im Sturm nehmen. Erobern, erobern. Jeder will es, der hierher kommt, und keiner kann warten. Wie lange würde sie den Tanz der Hoffnung mit tanzen, zu dem sich schon so Unzählige die Hände ge reicht, um sich eines Tage» grauenhaft allein zu sehen. In welchen Beziehungen stand sie ,u Doktor Regkow? Frau Krause neigte ihren glatten grauen Kops über die Büch« ... Fremder Leute Geschick, was ging e« sie an? Sie hatte keine Zett . . . Sie mutzte sich weiter Plagen für ihr eigen Fleisch und Blut, für Kinder und Enkelkinder, wie sie sich über 30 Jahre geplagt hatte, um für sich und die ihrigen Brot zu schaffen. 7. Kapitel. Wieviel Zeit war vergangen. Wera hatte Este Ta«, Wochen und Monate nicht gezählt. Sie lebte wie im Fieber. . . Sie wußte nur, jeder Atemzug, jeder Putt schlag hatte sich verhundertfacht. Es war wie ein rasender Tanz, und nun hatte sie es erreicht. Wera Lenz war eine Sensation geworden. Sie merkt» es an dem versteckten Haß, den Bissigkeiten der Kolleginnen, an der Hochachtung de» Direktors, der Be wunderung des Regisseurs, der Nachgiebigkeit ihrem Willen gegenüber, an der Zudringlichkeit der jungen und alten Lebemänner. An allem merkte sie, daß sie ihr Feld erobert hatte. — Daß sie wer war. Abend für Abend mutzte. Gott weiß wo überall, der Film gegeben werden, in dem sie ihre große Rolle hatte. Abend für Abend riß ihr leidenschaftliches, kokette» oder zartes Spiel, ihre unnachahmlich ausdrucksvolle Schönheit das Publikum vor dem kleinen weißen Feld der Leinewand hin. Und nun ging es los. Nun erfuhr sie, wa» e» heißt, Filmdiva und populär zu sein. Es regnete Blumen, Brief«, Einladungen . . . Gute und jämmerliche Verse baten um Liebe, sprachen von Liebe — strotzten von seelischer Zu dringlichkeit. Wera las alles. Die Beteuerungen und die Werbe briefe, die baten, baten —. Und sie lachte, lachte in wilder Lust. So war es ihr recht. So hatte es kommen sollen — kommen müssen. Wenn sie wüßten, sie alle, daß dies nur eine Vorbe reitung war auf Größeres, auf wirkliche Kunst, auf wirt lichen Ruhm. Ein unbezähmbarer Wille war in sie ge fahren. Sobald ihr Engagement abgeschlossen war, hatte sie sich ein paar Toiletten machen lassen, die in jedem Stück Stofs und Spitze ihren unfehlbaren Geschmack verrieten. Kühn und doch sein. Als Doktor Regkow sie zum ersten Male so sah, war selbst er, der Verwöhnteste der Verwöhntesten, hingerissen. Nun erst kam ihr ganze Schönheit zum Ausdruck. Sie war vollkommen. An diesem Tage fragte er sie, ob sie nicht das kleine Zimmer oben mit zwei hübschen Vorder stuben vertauschen wollte. Und ob er mit der Einrich tung dazu ihr eine kleine Freude machen dürfte? Sie bot ihm lächelnd die Hand. „Ich danke Ihnen — nehme es an." Weiter kein Wort. Kein Blick. Regkow stand verblüfft. Zuerst ärgerte er sich über sich. Dann brach er in ein herzhaftes Gelächter au« — wieder über sich selbst . . . Nun hatte sich Wera Lenz ganz gefunden. Sie saß in ihrem hübschen Zimmer mit eigener Einrichtung. Im Schreibtisch lagen die bezahlten Rechnungen über märchen hafte Toiletten und funkelnden Schmuck. Sie hatte ge- mußt, daß e» das Opfer der Freiheit zu bringen aalt, wenn kein Geld da ist für Garderobe und all die bun ten Fetzen, die dazu gehören. Sie hatte e« gewußt — und die Zähne zusammengebissen. Fortsetzung folgt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder