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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070102013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907010201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907010201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
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R.) * Eine große Versammlung der Ostmarkdeut sche» wird amö-Januar in Posen stattfiuden. * Dassermann hat zugunsten seiner Kandidatur in Rotenburg-HoyerSwerda auf die Kandidat»:: i» Ao bürg verzichtet. kine prognore. Zu de» Ausführungen deS Herrn Professors Dr. Lamprecht in Leipzig über Freiheit und Volkstum, die wir in der Nummer vom 25. Dezember abdruckten, gibt ihr geschätzter Verfasser in der „Londoner Finanzchronik" eine Fortsetzung unker der Ueberschrift „Prognose", die wir mit seiner Erlaubnis auch an dieser Stelle veröffentlichen: Die Reichstagsauflösung ist unerwartet gekommen. Aber ist sie nicht ganz nach der Psychologie — ja wessen, des Kaisers, oder deS Kanzlers, oder beider? Die deutsche Politik, sowohl die innere wie äußere, zeigt jedenfalls schon geraume Zeit den Charakter des Abwartens, Gehenlassens: und dann starken Folgenziehens, ja Zuschlagens. Man denke nur an den Verlauf der marokkanischen Angelegenheit. In Deutschland sind wir eine solche Politik noch nicht ge wöhnt; sie war nicht die Bismarcks. Bismarck war mehr für dos Prävenire; als Arzt würde er Hygieniker gewesen sein. Die neue Kunst erinnert etwas an Chirurgie. Wie dem auch sei: der Reichstag ist aufgelöst. Ten Kon flikt hat im Grunde die Negierung herbeigeführt, soweit der Anlaß in Frage kommt; die Ursache war die unerträglich, unpolitisch, ja gemeinschädlich gewordene Herrschaft des Zen trums. So lag allerdings etwas wie eine Ehrenfrage vor; man mußte brechen. Ob aber der Moment dafür günstig gewählt ist? Die Ansichten über diesen Punkt wider sprechen sich vollkommen, auch bis in die höchsten Kreise der Negierenden hinein: hier höchster Optimismus, dort Schwarzseherei. Tie Nation ist zweifelsohne willig. Aber hat man damit gerechnet, daß M.chel sich in politischen s Dingen nur langsam zurechtfindet — eben weil er nicht radikal, sondern gutmütig veranlagt ist? Wir wollen nicht inS Auge fasten, was geschehen würde, wenn der neue Reichs tag dem alte» gliche. Es ist die Frage, ob jemand dieses Problem vorher so ganz studiert hat. Verneint man sie, so trägt di« Auflösung ein wenig den Charakter des Toll kühnen. Malen wir lieber ein Zukunftsbild, wie es gut gehen könnte, wenn der Reichstag das beste uns Denkbare, eine volle Mehrheit nämlich der konservativen und liberalen Parteien, und wenigstens zunächst auch «ine taktische Einheit dieser gebracht haben sollte. Wer wird nicht an einem ersten Januar rosig sehen! Und läßt sich nicht auch aus Eventuali täten lernen, wenn man die Gegenwart gegen sie abwögt? Das Zentrum soll man auch in diesen Tagen ruhig beur- teilen. ES hat sich in seinen besten Tagen Mühe gegeben, eine große, einheitliche, ehrliche Reichspartei zu sein. So dachten wenigstens und wünschten die Führer. Man lese darüber die lehrreiche Biographie Liebers von Spahn jun., dem Straßburger Historiker. Aber von allen Machtarten demoralisiert keine so leicht wie die Parlamentsgewalt: das bat auch das Zentrum erfahren, und Deutschland wird den Namen Roeren so bald nicht vergessen. Man bedenke nur, wie Las entgegengesetzte Verhalten den Namen Lasker einst gehoben hat: in den Augen der Eintagsfliegen bis dicht neben Bismarck. Indes, was das Zentrum auf die Dauer immer daran hindern muß, Regierungspartei zu sein, ist doch ein anderes: etwas ihm Wesentliches, das außerhalb der Ge walt der Führer liegt. Tas Zentrum bildet, sub npooi« -atboUoisrni, ein kleines Parlament im Reichstag für sich: bat einen reckten, einen linken, einen feudalen, vielleicht so gar ein bißchen einen sozialdemokratischen Flüge'. Ist eine wiche Parteidildung in einem förderativen Staatswesen, wie es das Reich ist, auf die Dauer als Mehrheitspartei, ja als Partei überhaupt denkbar? Die geschichtliche Erfahrung verneint diese Fragg. Wohin wir blicken in Föderativ- Staaten, sehen wir durch allen Wechsel der Zeiten nur e^ne Parteibildung als stabil die von zentralistischen und födera- listischen, partikularistischen Parteien. So in den alten Niederlanden, dem Prototyp des modernen Bundesstaates, so in der Schweiz, in den V"reinigten Staaten. Und d't Vernunft stimmt diesmal mit der Erfahrung ganz überein. Wie soll in einem elliptischen Staatenbau nut de» beide» Brennpunkten zentraler und einzelstaatlicher Interessen die Parieibildung ander- verlaufen, als binär? Diese Staaten sind wie Elemente, die aus zwei Atomen, einem positiv nnd emem negativ elektrisch geladenen, zusammengesetzt sind: elementar ist ihnen die Parteibildung nach Föderalismus und Zentralismus. Das Besondere des Zentrums ist nun, daß eS im Reiche die Bildung dieser normalen Parteikonstellation verhindert. Es liegt wie ein unverdaulicher Block im Reichsmag.n; eS schwimmt wie ein Eisberg, der sich i» den allgemeinen Tzean nicht auflösen will, und ist gefährlich für die Passanten. Und da eS seinem Wesen nach nicht anders sei» kann, so muß eS beseitigt werden. DaS ist im Grunde die Lehre, welche die letzten Jahre ge bracht haben. Eine bis zum gewissen Grad« interne Lehre; der Papst kann da nichts ad- oder zutun; «ne Lehre, die auch besteht, gleichgültig, ob man das Zentrum für :m vul garen Sinne .reichstreu" hält oder nicht. Und da» ist am der Segen bei dieser Erfahrung. Ich wenigstens, viel- katholischen Areisen herumgekommen, kann mich nicht den nationalen Gefühlen deutscher Männer "Z.kinen funoamentalen Unterschied zwischen Katholiken -a- rr-t-olik« ,» »ach«-. Nun nehmen wir einmal an, die Uebermacht des Zen trums — und damit auch der Sozialdemokratie — wäre im Reichstag beseitigt, und konservative und liberale Parteien gingen in großen nationalen Fragen einig, wie Deutsche nicht zu fein pflegen, vorwärts. Was würde da geschehen? Natürlich müßten die Gesetzgebung Elemente beschäftigen, die geeignet wären, Konservative und Liberale zusammen zuhalten. Man müßte also solche Elemente suchen, am besten rückwärts gewandt in der Geschichte der Nation: da, wo ein Liberalismus frühe Ideale ins Leben führte, die dem Konservatismus heute, als geworden, nicht minder teuer sind. Glücklicherweise läßt sich in der deutschen Entwickelung eine solche Periode finden. Es ist die der Zeit der großen Steirischen Reformen von 1807 bis 1812. Denn das eben ist das Große an Stein, daß er, was an jungem politischen Tenken in dieser Zeit in der Nation vorhanden war. Keime später liberaler wie später konservativer Partei bildung, in seinem Aufbau zusammenfaßte und in einer genialen Gesetzgebung verlebendigte. Ein Anknüpfen an diese Zeit empfiehlt sich aber glück licherweise auch aus anderen, anscheinend „praktischen", in Wirklichkeit minder tiefen, aber doch wichtigen Gründen. Wer das deutsche Kulturleben von heute kennt, weiß, daß es gleichsam wie in Parallele zur Zeit des Klassizis mus und der Romantik verläuft, wenn auch um eine Ent- wicklungsphase geförderter: ein Politisä-es Anknüpsen an diese selbe Zeit würde also jene große Einheit des Verlaufes alles nationalen Geisteslebens herbeiführen, die stets große Zeiten gekennzeichnet hat. Noch wichtiger ist vielleicht ein Zweites. Tie Steinsche Gesetzgebung zog die politischen Konsequenzen großer sozialer und wirtschaftlicher Umwälzungen, die ihr in den letzten anderthalb Jahrhunderten vorausgegangcn waren, insofern, als sie die in diesen Wandlungen erwachsene neue Gesell schaft politisch als solche anerkannte und, zunächst auf dem Wege der Selbstverwaltung, moralisch-Politilch zu organi sieren suchte. Sind wir nun nicht in einem ähnlichen Falle? Die ungeheuren wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten beiden Menschenalter sind, soweit eS sich nm die Bildung neuer Formen des Wirtschaftslebens handelt, abgeschlossen. Nicht minder ist die aus diesen Umwälzungen hervorgehen.de Umbildung der Gesellschaft im Ganzen beendigt: wir haben den herrschenden und den dienenden Stand der neuen Ent wicklung, eine vierte blasst vn> ein neues,Bü gertum Wit haben die Rückwirkung».»-: Lieser Neuolldnngen auf die euren Stände: die Elemente eines neuen noch nicht entwickelten Staatslebens, einer neuen öffentlichen Sittlichkeit sind vor handen. Sollen sie nun nicht auch, wie die sozialen Elemente der Steinschen Zeit, politisch organisiert werden? Wahrlich: hier eben liegt die große Aufgabe einer neuen Zeit! Und schon hat die Vergangenheit den reichsten Kranz korpora tiver Bildungen verschiedener Art erscheinen sehen, deren Lebenssphäre nur des Hineinziehens in öffentliche Inter esse», einer neuen Art der Selbstverwaltung gleichsam, be darf, um dereinst politisch wirksam zu werden. Politisierung also der neuen deutschen Gesellschaft: das ist die Aufgabe. Nnd wäre sie nicht des Schweißes der Edlen wert? Könnten sich nicht eben in ihr Konservative und Liberale treffen? Treffen auch in der Form der Meinungsabweichung bei gleichwohl identischen höchsten Zielen? Ich will das Bild nicht ausmalen; es hieße schon in Einzelheiten cks ckerencka reden. Wohl aber können noch einige Politische Konsequenzen einer solchen eventuellen Entwicklung angedeutet werden, insoweit sie im Rahmen des diskutierten Gegenstandes liegen. Das Zentrum würde zerrieben werden, denn es würde zu der neuen Fragestellung kein Verhältnis finden. Die sozialdemokratische Partei als solche würde absterben: denn die Politisierung des korporativen Lebens des vierten Standes auf legalem Wege würde den politischen An sprüchen dieses Standes realistischere und realisierbare For men verleihen; und diese Ansprüche würden vermutlich auf anderem Wege als dem der Parteibildung, verfolgt werden. An der Verfassung will heute schon niemand rütteln. Es wäre auch, in dem von uns gesetzten Falle, ganz töricht, dies zu tun. Die Verfassung bleibe vielmehr erhalten: bis ein höheres politisches Leben aller politischen Parteien und sozialen Schichten sie allgemein in gewissen Punkten als un zeitgemäß und verbesserungsfähig zu empfinden beginnt. Weite Aussichten, wird man sagen. Aber Rom wird auch heute noch nicht an einem Tage erbaut. Träume, wer den andere lächeln. Aber wo wäre etwas Große» ohne Phantasie, ja Phantasmen geschaffen worden? Vie äSttirche LarMevirion. I» d«r dänischen ReichstagSarbrit dieser Session dreht sich da- hauptsächlichste Interesse »m das Schicksal eine- von der Regierung dem Reichstage vorgrlegten Gesetzentwürfe» zur Revision deS Zolltarife-. Tie Vorlage ist im Folkethlng bereits in erster Lri-ng behandelt und durchweg günstig ausgenommen worden: sie befindet sich augenblicklich in den Händen einer Sommijsion dieses HauseS. Die Erwerb-oerhältaisse in Dänemark lieg«» rigrntümlich. Der tragend« Erwerb ist die Landwirtichait, di« auf einer in anderen Ländn» «»erreichten Hvh« steht. Für industrielle Untrrnrbmnngen mit größerer Anlage ist der dänische Markt zu klein. Dir Industrie ist darum, von spezielle» Zweigen abgesehen, in Dänemark nicht zur modernen Entwickelung gelangt und be- ichräukt sich wesentlich auf di« besonderen Bedürfnisse der ackerbau treibend«» Landbevölkerung. In der Ausfuhr de- Lande» spielt fie fast gar keine Roll«: etwa 93 Prozent de- Exvorte» fällt auf di« Landwirtschaft und ihr« Nebengewerb«. Li« Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkt« aber ist ein« sehr beträchtlich« und nimmt fortgesetzt za; ihren Markt bat die dänische Landwirtschaft vorzugsweise in England und an »weiter Stell, i» Deutschland. Der Absatz noch Deutschland ist durch die deutsch, Zollgrenze wesent lich erschwert und nicht atwähernd so leicht wi« di» Ausfuhr nach England. Es ergibt sich hieraus von selbst, daß die dänische Landbevölkerung grundsätzlich dem Freibank«! zuneigt und jeden Zollschuv verwirft, da sie eine Konkurrenz ausländischer Land wirtschaft nicht zu fürchten braucht. Der bisher geltende düniiche Zolltarif stammt aus dem Jahre 1863 und ist gemäßigt- vroleltionistifchen EdarakterS. Es dürfte ungewöhnlich sein, daß ein Zolltarif ein so hohes Aller err«icht. So sind denn auch im Laufe der letzten Jabre in Dänemark Versuche genug gemacht worden, den in manchen Stücken veralteten Zolltarif Lurch einen neuen, modernen zu rrsenen. Diese Bestrebungen gingen von der Landwirtschaft aus, führten trotz des ÜeberwiegenS der landwirtlck östlichen Bevölkerung aber doch nicht zu einem Resultate. Die die Landwirtschaft repräsentierende frei finnige Mehrheit im Folketbing und die die Industrie vertretende konservative Ma oriiäl iin Landsibing bildeten im Reichstage den jenigen Gegensatz, an welchem die Lurchtührung einer Zollresorm bisher schriNrie. Seitdem bat sich die allgemeine politische Lag« im Lande nicht nur zum Voiteil der Liberalen geändert, son dern auch in der Regierung des Landes ist ein System wechsel ringetreten, indem die Regierungsgewalt aus den Händen der konservativen in die der freisinnigen Parteien gelegt ist. In der Regierung Tänemarls ist da- parlamentarische Prinzip zur Anerkennung gelangt, so daß es augenblicklich die freisinnige Landbevölkerung ist, die in der Gesetzgebung den Ausschlag gibt. Nur natürlich ist es da, daß die Mehrheit ihre augenllickliche Machtstellung auszunutzen sucht, auch zum Vorteil einer R»Vision des Zolltariies in ihrem Sinne. Die Regierung legte darum einen Einwurf vor, der im großen und ganzen als ireihänNerisch bezeichnet werden kann, ohne dieses irr radikalem Sinne zu sein. Um sich bill-ge Jnduslrieprodukte zu verichasfen, lat man die Einfuhrzölle durchweg wesentlich erniedrigt; ganz ab- lchassen ließen sie sich natürlich mit einem Male nicht, La man ge wisse Rücksichten auf dw bestehenden Verhällwsse nicht umgehen konnte. Tie Durchführung des Emwurfes wiro also der Land bevölkerung einen wesentlichen Gewinn dringen, der industrie treibenden Bevölkerung der Städte aber fühlbaren Schaden zu- fügen. Dem nach Dänemark exportierenden Ausland ist mit dem Gesetze natürlich gut gedient. Tie Bedeutung der Reform sür die SiaalSlasie ist dabei nichr die erwartet große. Neben Taris- erlnäßigungkn weist der Entwurf nämlich auch Erhöhungen auf, und zwar für Luxuswaren, die vielfach aus dem Auslande Angeführt werden, !o kür Weine, Tabak und Seidenstoffe. Die beträcht liche Einfuhr deuticher Seide nach Dänemark wird nach Durch- lührung deS Geieses erschwert sein; auf zahlreichen anderen Gebieten aber wird der demsche Excort bedeutend begungigt. Dri ,-ick,Ä,al drr Vorlage ist vorläufig uoch ungewiß. T'vtz des 3.^/eS der indu»r,el.Äruj»»outive>>" aber schere mau überall geneigt, dem Gesetze ein günstiges Horostop zu stellen. pariser Vries. Von Karl Eugen Schmidt. Eine Pariser Zeitung hat ihren Lesern die Frage vorge- legr, wer die zehn größten Männer des neunzehnten Jayr- dunderts feien. Narürtrch hcu das Blatt dieie Frage nrcht ausgedacht, nur um einen fo überaus wichtigen Punkt fest- zustellen, sondern die Hauptsache war für den Zettungs- vesrtzer, viele neue Leser rare?: lassen, wieviel« Weizenkörner eine im Tepefchensaal ausgestellte Lrlerflasche enthielt. Ter Mann, der die richtige Arbeit fand, erhielt eine scheußliche Menge Geldes, ich weiß nicht mehr, war es eine Viertel million oder nur hunderltauseno Franken. Jedenfalls träumte hack Frankreich mehrere Wochen lang von Weizen körnern, und es gab kaum ein Haus im Lande, wo man nicht am Abend um de» Tisch herum ge; eß en und Weizenlörner gezählt hätte. Denn selbstverständlich begnügte man sich nicht damit so ins Blaue hinein eine Zahl anzugeben. Man wollte seiner Sache möglichst sicher sein, kaufte eine Flasche, die ge nau die nämlichen Dimensionen der Zeitungsflasche hatte, füllte sie mit Weizen von der gleichen Sorte, und dann leerte man den Inhalt auf den Tisch und zählte. Die Sache erwies sich fo probat, daß alsbald mehrere andere Blätter den Witz nachahmten, und eines davon war so klug, gleich den Verkauf von gleichen Flaschen und von Weizen in seiner Ex. pedition einzurichtcn, also daß cs damit allein schon genug verdiente, um nachher die versprochenen Preise zahlen zu können. Bei der gegenwärtigen Preisfrage handelte es sich darum diejenigen zehn Männer zu nennen, die von den Teilneh mern an der Abstimmung die meisten Stimmen erhalten würden. Und wer das richtig oder annähernd richtig getan hat, der erhält eine mehr oder weniger stattliche Geldsumme, ein Landhaus, ein Automobil, ein Piano, eine Uhr oder sonst etwas erfreuliches zum Lohne für seine Intelligenz. Die Abstimmung ist jetzt fertig, und wir wissen, wer die größten Männer des letzten Jahrhunderts sind. Selbstverständlich sind alle zehn Franzosen. Darüber darf man sich nicht Wundern. Hätte man in England abge stimmt, fo wären es zehn Engländer geworden, die Ameri kaner batten zehn Amerikanern die Palme zuerkannt, und in Deutschland hätte man höchstwahrscheinlich ebenfalls zehn Landsleute für die tüchtigsten gehalten. Das Sprichwort von dem Propheten, der nichts gilt >m Vaterlande, hat zwar seine Berechtigung, aber es geht ihm wie allen andern Sprichwörtern. Fast immer gehen diese Aussprüche der Volksweisheit paarweise, und was der eine behauptet, ver wirft der andere. Und wenn der einheimische Prophet nichts gilt, so will dafür der Bauer nichts wissen von Dingen, die er nickt kennt, und das Hemd ist uns näher als der Nock, und zehn oder fünfzehn andere Dinge könnte ich anstihreu, wenn ich den Sprichwörterschatz Sancho Panlas befasse. Aber sonst ist die Abstimmung wirklich sehr merkwürdig. Wenn ich meinen Lesern die gleiche Frage vorlegte und sie auf die Franzosen beschränkte, würde die Antwort sicher ganz anders ausfallen. Man hätte dann höchst wahrscheinlich zum Beispiel LessepS berücksichtigt, der doch wirklich eine unge heuer folgen- und segenreiche Tat vollbracht bat und eine zweite, kaum weniger gewaltige Tat vollbracht hätte, wäre ,hm daS neidische Schicksal nicht dazwischengekommen. In Frankreich aber würde man ebensogern für den Satan selbst als sür Lesseps stimmen, denn bei seinem Namen denkt man nicht mehr an den Suezkanal, sondern an die schönen Spar groschen, die in Panama auf Nimmerwiedersehen verschwun den sind. Folglich ist LessePS für den Franzosen kein großer Mann mehr. Wer sind die großen Manner nun? Nur ein einziger von ihnen ist schon so lange tot, daß man von einem Urteil d«r Nachwtlt sprechen kann, und doch geh« di« Urteil» üb« ihn immer noch weit auseinander. Indessen mag man Napoleon doch sür einen großen Mann gelten lassen, denn große Männer sind ja nicht nur solche, die der Menschheit nützen. Auch große Räuberhauptmänner sind in ihrer Art große Männer. So lange man also nicht nach den größten Wohltäter der Menschheit, sondern nach den größten Män nern schlechthin fragt, verdient Napoleon jedenfalls einen hervorragenden Platz. Uebrigens steht er auf der Liste nicht an der ersten, sondern an der vierten Stelle. Er wird von Pasteur geschlagen, den so ziemlich alle Franzosen sür den größten Gelehrten des neunzehnten Jahhundcrts halten, von Victor Hugo, der für die große Masse des französischen Vol kes der größte Dichter und Denker aller Zeiten und Völker ist, von Gambetta, den man als großen Staatsmann preist. Erst nach diesen dreien kommt Napoleon, und dicht auf de» Versen folgt ihm sein Historiker, der erste Präsident der dritten Republik, Thiers. Jeder von diesen fünfen hat über eine Million Stimmen erhalten, und ich frage mich, ob eine Abstimmung im Aus lande auch nur einen von ihnen zu den zehn größten Män nern des neunzehnten Jahrhunderts zählen würde. Napo leon allenfalls, der merkwürdigerweise in Deutschland beute noch ebenso warme Bewunderer hat wie zur Zeit, als Heine eine zwei Grenadiere und Zedlitz seine nächtliche Heerschau lichtete. Ein französischer Freund, dem ich einst erzählte, >aß ich an einem deutschen Stammtisch fast Streit bekommen ßatte, weil ich Napoleon einen Näuberhaupttnann nannte, wußte sich darüber vor Staunen nicht zu fasse» und rief ei» über das andere Mal: „Xluis, o'ätuid rur us-uusürl OStnit rui sssassin!" Das glaube ich auch, alber er war ein Massenmörder, ein grandioser Massenmörder und somit ein großer Röann. Wer einen einzigen Menschen umbringt, gehört a» den Galgen oder ins Zuchthaus, wer aber Hundertausende, ja Millionen von Menschenleben vernichtet, dem jauchzen wir als einem gewaltigen Helden zu. Napoleon verdient asso leinen Platz unter den zehn, ebenso wie Rockeseller den seinen unter den großen Amerikanern verdient. Denn er ist ein grandioser Spitzbube, ein gewaltiger Gauner, ein höchst genialer Räuber. Er ist mindestens so groß wie Napoleon, wen» auch auf anderem Gebiete. Leider sind wir Menschen sehr unlogisch: wenn ein Genie kommt, das uns erschlägt, schreien wir ,,Hurra!", kommt aber eins, das uns nur de» Geldbeutel nimmt und das Leben läßt, so finden wir das schäbig und verächtlich. Deshalb wird Napoleon als großer Mann bewundert, Rockeseller dahingegen wird schwerlich jemals auf di« Liste der großen Männer kommen. Um zu entscheiden, wi« groß Pasteur ist, müßt« ich Fach mann sein. Ich weiß nur, daß ick ihn mit vielen Million«» seiner Zeitgenossen f.ir den Vertilge der Tollwut gehalten habe, vis eines Tages «in Bekannter von mir von einem vermeintlich tollen yund gebissen und in das nach Pasteur benannte und bei Lebzeiten von ihm geleitete Institut ge schasst wurde. 'Das erste, was man dort mit ihm tot, war, daß man die Bißwunde nach dem guten alten Brauch auS- brannte. Daraus folgerte ich, daß Pasteur selbst und seine Leute so wenig überzeugt waren und sind von der Kraft chres Heilmittels, daß sie nach wie vor die alten Mittel anwenden. Das vermindert den Wert der Forsckergrößc Pasteurs nicht um ein Jota, aber vir Menschenkinder sind nun einmal so beschaffen, daß nur der Erfolg maßgebend für uns ist. Wär« Napoleon auf seinem Thron fitzen geblieben, geböten seine Nachfolger und Erben heute noch über den halben Kontiueal, dann würde ich ihn vermutlich nicht für einen Räuber hauptmann halten. Da nun Pasteur die Tollwut nicht ge heilt hat, muß er um eine Stufe hinabsteigen. Daß Victor Hugo der größte Dichter und Denker aewÄeu sei, glaubt außerhalb Frankreichs wohl kein Mensch. Ja diesem Punkte machen wohl selbst die Magyaren, Pore» und Tschechen, die sonst gerne den Franzosen zu Gefallen r^ea, den Nuurm«l nicht mehr mit. Uno Gambetta! Vor ei» paar Jahren wollte ich seine Reden lesen: Herr Gott, war das ein Schwätzer, ein Phrasenmacher, ein hohl dröhnendes Erz. Leere Fässer schallen lauter als volle, darum war Gambettas Stimme so vernehmlich. Schon Jaurös kommt dem Deutschen und Engländer wie ein Phrasen- und gesten machender Schauspieler vor, ober die Reden des sozia listischen Führers kann man doch wenigstens lesen, man findet wirklich Gedanken darin, klar nnd schön ausgesprochene Ge danken. Freilich übt die Lektüre dieser Reden nicht de» hundertsten Teil der Wirkung aus, wie das Anhören oder vielmehr wie das Ansehen. Denn wenn der Deutsche mit den Ohren sieht, so hört dagegen der Franzose mit den Augen, nnd der flatternde Nockschoß, das rollende Auge, der ausgestreckte Arm zünden mehr bei ihm als der richtigste und erhebendste Gedanke, der nicht von dem Brimborium des Schauspielers begleitet ist. Gambetta nun stak ganz im wehenden Haar, Bart und Nockschoß, in der flatternden Fahne, im Hurra und Hoch! Außer den fünf genannten großen Männern sind noch Lazare Carnot, der Großvater des Präsidenten, der verun glückte Chemiker Curie, der Erfinder des Radiums, Alexan der Dumas der Aeltere, der gegenwärtige Leiter des Pasteur-Jnstituls Dr. Roux und der Kartoffelverdretter Parmcntier zu den zehn größten Männern des neunzehnten Jahrhunderts gerechnet worden. Der Kartofselmann hat die allerwenigsten Stimmen erhalten, und das ist nicht recht. Wüßte ick Mm Beispiel, wer das Sauerkraut, die Leber klöße, die Makkarom, den Plumpuddina, die Olla Podria erfunden hat, und nähme ick an seiner Abstimmung Teil, ich würde mich keinen Augenblick besinnen, die Erfinder dieser ebenso nützlichen wie angenehmen Dinge weit über alle Kriegshelden, parlamentarische Schwätzer, Bücherschreiber und Bazillensuchcr zu stellen. Was besonders diese letztern anlanat, von denen man seit einem Menschenalter fo viel Aufhebens macht, möchte ich wohl wissen, inwiefern sie die Erdkugel bewohnbarer und freundlicher gemacht habe». DaS Gegenteil haben sie getan: Man zittert, wenn man ein GlaS Wasser trinkt, wenn man eine Cousine küßt, wenn man eine Lebcrwurst an^chneidet, denn überall lauern die Mikroben! Unsere Großväter wußten nichts von dielen Gefahren, sie aßen und tranken, küßten und liebten und kümmerten sich den Teufel um Bazillen und Mikroben. Und sie wurden gerade so alt oder eher älter als wir! Und vorher lebten sie vergnügter, fröhlicher, unbesorater. WaS haben «n» also die Bazillensucher genützt? Meiner Ansicht nach sind sie schlimmer als die Doktoren deS Gil BlaS, die mit Purgieren und Aderlässen ihre Patienten schnell »öd gründlich peilt« refp. umbracht«».
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