02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070104024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907010402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907010402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-04
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Stellen-Anzeigeu, sowie ^lu- und Verkäufe 20 Pf- finanziell« Anzeigen 30 Pf^ sür Inserate von auswärts 30 Ps. RrNamen 75 Pf, auswärts 1 Mark. Beilago- gebübr 4 Markv. Tausend exkl. Postgebühr. Geschäftsanzrigen an bevorzugter Ltelle im Preise erköht. Rabatt nach Tarii. FürJnirrate vom Ausland« besonderer Tarif. Anzetgeu-Ännadme: AuguitttSpiay 8. bei sämtlichen Filialen n. allenAnnoncrn- Expeditionen des In- und Ausland»-. Für daS Erscheinen an bestimmten Lagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Hanvt-Filiale Berlin: CarlDuncker,Herzgl-Bat,r.Hosbuchhandlg.. Lützowstrabe 10 «Telephon VI, Nr. 4603V Filial-brvedition:TreSden.Marienstr.34. Nr. 4. Freitag 4. Januar 1907. 101. Jahrgang. Vas Neueste vom Tage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegaugenen Depeschen stehen auf der 8. Seite des HauvtblatteS.) Eine hochcrfrenliche Nachricht! Dir erhalten folgende offizielle Mitteilung: Die vereinigten MittelliandSgruppen können nicht billigen, daß die liberalen Parteien einseitig einen Kandidaten für beipzig-Sladt ausgestellt haben. Wegen der schwierigen Lage im hiesigen Wahlkreise setzen sie jedoch sür diesmal ihre besonderen Wünsche zurück. Sie empfehlen daher aus nationalen Gründen ihren Mit gliedern und Freunden, für den Kandidaten Dr. Jurick einzutreten. Leipzig, den 4. Januar 1907. Die Mittelstandsvereinigunq für Königreich Sachsen Deutscher Reform-Verein. Deutschsozialer Verein. Mit dieser hocherfreulichen Zustimmung zu der Kandi- datur des Herrn IustizratS Dr. Iunck ist die erhoffte Einigung aller bürgerlichen Parteien Leipzigs im Kampf gegen die Sozialdemokratie erreicht. Die Mittelstandsgruppen haben damit in anerkennenswerter Weise gezeigt, daß sie ge sonnen sind, die nationale Sache über alle Parteiinteressen zu stellen. DaS sei in rückhaltloser Dankbarkeit anerkannt. Und nun iu den frischen, frohen Kampf hinein, um Leipzig für eine nationale Vertretung im Reichstag wiederzuerobern! Dr. JunckS Wahlrede. Am heutigen Abend findet 8»/« Uhr im großen Saale des Zentraltheater« die öffentliche Wahlerversammlung statt, in der der Kandidat der bürgerlichen Parteien Herr Justiziar Dr. Iunck sein Wahlprogramm entwickeln wird. Dürfen wir auch annebmen, daß das Jutereffe für diese Vrrsamm- Irmg in den bürgerlichen Kreisen so groß ist, deß eS an einem starken Besuch der Versammlung nicht fehlen wird, so sei doch hiermit noch einmal auf die Wichtigkeit der Versammlung hingcwiesen. Der Charakter einer völlig öffentlichen Versammlung bringt es mit sich, daß der Zudrang schon in früher Stunde auch vou seilen politischer Gegner JunckS zahlreich sein dürfte. Um so mehr mögen die der Kandidatur Iunck freundlichen Wähler darauf bedacht sein, recht frühzeitig in dem Ver sammln» gSsaal zu erscheinen, damit sie sich gute Plätze sichern können und es nicht erleben, daß sie wegen Ueber- fülluuz deS Saales keinen Zutritt mehr finden. politisches. * Der Kaiser übermittelte dem aus dem Frontdienste scheidenden Groß - Admiral von Koester sein Oel- bildnis, das der Porträtmaler Schwartz gemalt hat: das Offizierskorps der Flotte überreichte einen silbernen Tafel aufsatz, der das Flottenflaggschiff . Kaiser Wilhelm II? dar stellt. Neue sächsische Kandidaturen. Von testen des christlichen MelallarbeiterverbandeS sind in zwei sächsischen Wahlkreisen nationale Arbeiterkandidaten ausgestellt worden. Und zwar in Zwickau Sekretär Gropp und in Stollberg-Schneeberg G. Hartmann. Ferner ist in Siollberg - Schneeberg in der Person des Buchhändlers Gustav Troll aus Alberode bei Lößnitz ein freisinniger Kandidat ausgestellt worden. v. Deimling. Privaten Nachrichten zufolge soll, nach Rückkehr des Obersten v. Deimling, Oberstleutnant v. Estorfs zum Kom mandeur der Schutztruppe in Südwestafrika ernannt werden. Rückkehr aus Südwest. Drei Offiziere, 160 Unteroffiziere und Mannschaften aus Deutsch-Südwestafrika treffen am 16. Januar auf dem Postdampfer „Lulu Bohlen" in Kuxhafen ein. Marineübong. Die Ausklärungsschiffe haben unter dem Oberbefehl des Konteradmiral Pohl eine achttägige Uebung im Geschwader, verbände angetreten. Tie Braunschweiger Frage. eck. Der „Neuen Hamb. Ztg." meldet ein Privattelegramm auf Grund angeblicher bester Information aus Braun schweig: In den Verbandluugen zwischen dem Regent- schaftsral und der staatsrechtlichen Kommission des braun- Ichweigischen Landtage« ist ein Stillstand cuigetreten. Dec RegentichaftSrat trat einmütig für die Uebeeweisung des TbronsolgestreiteS an den BundeSrat ein, während die Landtagskommission den Regierungsantritt des jüngsten Sohnes deS Herzogs von Cumberland aufGrunv seines Verzichtes auf Hannover fordert, und zwar unter Umgehung des BundeSrateS. Die Verhandlungen werden formell noch fortgeletzt, doch ist es höchst wahrschein lich, daß einer der beiden Teile nachgibt. Battenbergische Thron-Kaudidatur für Serbien. Aus Wien wird mitgeteilt: Es scheint, daß die ser bischen Revolutionäre einen Battenberger auf den serbischen Thron erheben wollen. Der Plan soll besonders bei den hod^u Dam'n, daran! r der Königin von Spanien, Unterstützung finden. — Schon seit Wochen erzählt man sich in den politischen Kreisen Belgrads, in Scmlin, in den Serbenzirkeln von Wien und Pest, daß in den ersten Januartagen falten Stilsl eine Revolution in Belgrad dem Regime der Karageorgiewitsch ein Ende machen soll. Der König soll zur Abdankung und zum Verlassen L-erbiens mit allen Mitgliedern seiner Familie gezwungen werden. Manche wollen sogar wissen, daß Ministerpräsident Paschitsch der Verschwörung angehöre, da er den König gern um die versprochenen drei Millionen prellen möchte. Verschleppung der deutsch-amerikanischen Verhandlungen. Die Aussichten auf Abschluß eines deutsch-amerika nischen Handelsvertrages erscheinen durch eine neuer liche Entschließung Roosevelts in unbestimmte Ferne gerückt. Wie aus Washington gemeldet wird, versprach * Ein Dementi. Die Nachricht, wonach der Hilfsarbeiter der Kolonialabteilung Assessor Brückner vor einigen Tagen vom Kaiser empfangen und zum Regicrunasrat ernannt worden sei, ist, wie Herr Brückner selbst erklärt, unrichtig. * Ein preußisches Ministerium sür Wasserbau? Tic „Franks. Ztg", welche sür die Errichtung eines Wasserbau ministeriums für Preußen eintritt, kommt nach längeren Ausführungen über diesen Gegenstand zu dem Schluffe, daß der Einrichtung eines Wasserbanministeriums keine Schmie- rigkeiten entgegcnständen. Das Blatt glaubt zu wissen, daß diese Auffassung in der Wasscrbauabteilung des Mini steriums der öffentlichen Arbeiten durchaus geteilt wird. * Gegen die Flcischnot. Zahlreiche Städte Südhannovers und Hessens planen in Sachen der Fleischnot eine ganz energische gemeinsame Aktion in der Richtung, daß man für den Fall, daß eine Petition an die Regierung, wie bisher, fruchtlos bleiben sollte, durch eine Immediateingabe an den Kaiser auf die Notlage der Arbeiterschaft Hin weisen will. Eine Konferenz der Städte findet Mitte Januar in Göttingen statt. * Oberbürgermeister und Lordmayor. In einem Schreiben an den Lordmayor von London spricht, wie uns aus London gedrahtet wird, der Oberbürgermeister von Ber lin, Kirschner, seine herzlichsten Wünsche zum neuen Jahr aus, er gedenkt dabei des festlichen Empfanges, der den deut schen Stadtvertretern im vergangenen Jahre in London be reitet wurde, und spricht die Hoffnung aus, daß die freund lichen Beziehungen zwischen Deutschland und England an- dauern und immer fester werden. * In der deutschen Versammlung, die, wie erwähnt, für den 6. Januar vom Hauptvorstand des Deutschen Öst- s marken-Vereins als Protest gegen den Polentag nach Posen einberufen worden ist, wird Professor Dr. Hötzsch von der Posener Akademie die Hauptrcde halten. Außer den drei Vorsitzenden des Hauptvercins, Major a. D. v. Tiedemann- Seeheim, Justizrat Wagner und Gesandter a. D. Raichdan, werden Ansprachen halten der stellvertretende Vorsitzende der Ortsgruppe Posen, Assessor Dr. Herr, Professor Heiden- bain-Marienburg und Schulrat Kiesel-Breslau. * Uebersallene Sozialdemokraten. Nach der „RbeimZtg." wurden bei einer Wa hl ff ugb l at wer tei l u ng im Kreise Rhein bach eine Anzahl Bonner Sozialdemokraten überfallen und unter Anführung des Ortsvorftehers ihrer Flugblätter ge waltsam 'beraubt. Dem Dezirkskassierer wurden Kassenbuch und Marken aogenommen und vor dem Haufe des Orts- vorstchers verbrannt. Mehrere Genoffen wurden auch miß- hand.'lt. Don den Betroffenen soll Strafantrag wegen Raub nnd Mißhandlung gestellt werden. * Der Streik der Berliner Automobil-Droschkenführer dauert ungeschwächt fort, doA hat die Situation durch Be schlüsse, die in der gestrigen Sitzung des Vereins der Kraft- droschkenbesitzer gefaßt wurden, eine bedeutsame Ver schärfung erfahren. Die Arbeitgeber haben den Ausständigen ein Ultimatum gestellt: Diejenigen Leute, die bis zum 10. d. M. die Arbeit nicht zu den alten Bedingungen ausge nommen haben, dürfen von keinem Arbeitgeber des Der- Landes mehr beschäftigt werden. Eine beträchtliche Konven tionalstrafe ist sür jede Zuwiderhandlung unter den Fuhr- Herren vereinbart worden. Der Ausstand wird voraussicht lich im gesamten Berliner Verkehrsleben eine Störung Ker- dorrusin. Präsident Roosevelt dem republikanischen Führer deS Unter hauses, Cannon, er werde weder dem gegenwärtigen Kongreß Vorlagen oder irgendwelche Tariffragen zugeheu lassen, noch den neuen Kongreß im Frühjahr sür solchen Zweck zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen. — DaS Provisorium läuft aber bloS bis zum l. Juli; seine Verlängerung ist sehr zweifelhaft und auf alle Fälle von der Zusammensetzung unseres noch angeborenen Reichstages abhängig. Wes Geistes Kind der aber sein wird, weiß kern Mensch. Die russische Jinanz-Krisis. Zwischen dem Kriegsminister Generalstabschef Palyzin und dem Finanzminister ist em ernster Konflikt wegen Ge währung großer Extrakredite zur Reorganisation der Armee ausgebrochen. Wenn die Kredite nicht aus dem außer ordentlichen Budget beschafft werden, ist der Rücktritt des Finanzministers sicher. — Es hilft alles nichts mehr: wenn das Ausland fürder nicht so töricht sein wird, Milliarden in den russischen Schlund zu werfen, muß eben Rußland, bis es sich erholt hat, einstweilen auf seine Großmachts stellung verzichten, und zu einer Herabminderung von Heer und Flotte sich herbeilassen. Zinat und Arzilla. Die Truppen, welche nach Arzilla abgcgangen sind, sollen die Stadt nach ihrer Einnahme besetzen, wahrend ein anderer Teil der Truppen nach Zinat weiter marschieren soll. Die Tore von Arzilla sind aus Befehl Naisulis er- neuert worden. Der Dampfer „Saldi" ist mit 150 Mann und 1 Kruppgeschütz nach Arzilla gegangen, um die Stadt, wenn nötig, zu beschießen. 600 berittene Truppen umgeben die Stadt. Aus der Landseite in der Richtung auf Zinat sind 1200 Mann mit 3 Geschützen postiert. Der Angriff wird unverzüglich erfolgen. Epilog zur Roburitkatastrophe. Die Noburitkatastrophe von Witten hat in den letzten Tagen noch zwei weitere Opfer gefordert. — Es steht ein Rattenkönig von Prozessen zu er warten. Bisher haben 22 Fabrikbesitzer, unter ihnen auch Krupp, vereinbart, die entstandenen Schäden — in einem Fülle beträgt die Forderung Million Mark — ein- zu klagen. Die Klage wird sich zunächst gegen die Roburit- gesellschaft, sowie die Stadt Witten richten, dann gegen die Feu er ver sichern nosgeiellschasten, bei der Katastrophe zuerst Feuer aasgebrochen ist und daun erst die Explosionen erifvmten. Bezüglich der an der Unfall stelle nusgeifundeneu Dynamitpatronen ist jetzt fest gestellt, daß die Patronen aus dem Jahre 1897 von der Zeche Hamburg stammen. Die Patronen sind also lange in unerlaubtem Besitze gewesen. Feuilleton. Venn wie cker Mngling ln cker Zukunft lebt, 8c> lebt cker lttsnn mit cker Vergangenheit; Vie Qegonwsrt weist keiner recht ru leben. Srlltpneree. IVer genießt, cker grüble nicht euviel. Der Oenust ksan selten Vicht vertragen. 8. 6. SÄmiiSl. Vie Qeyenwsrt allein ist wahr unci wirklich. S^iopenkmiec. kein Oenust cker (legenwart ist vollkommen, ckem nicht Lrinnruog unci Hoffnung rursiolle ckienen. Zakobr. V»n »«ssischev Rrrnst. ifAur russischen Kunstausstellung bei Schulte.) Die Geschichte der russischen Kunst war den West europäern bisher ein mit vielen Siegeln verschlossenes Buch. Man sah hin und wieder moderne Bilder junger im Aus» ianld erzogener Maler, erfuhr auch manches über Miniatu ren und kostbare Handschriften, über das Fortlcben byzan- tinischer Traditionen in der Kirchenkunst, aber ein zusam menhängendes Bild der Entwickelung konnte daraus un möglich gewonnen werden. In Rußland selbst achtete man wenig dessen, was die Vergangenheit geschaffen. Unge wöhnlich reiche Kunstfchätze lagen vergessen und der Zer störung anhcimycgcben, bis ein tatkräftiger und um die moderne Kultur Rußlands hochverdienter Mann, Sergei Diagilew, systematisch alles, was von der alten Kunst noch übrig war, zu inventarisieren und zu sammeln ansing. In verfallenen Speichern der großen Grundbesitzer, in längst verlassenen Bädestuben und Gemäuern entdeckte er Bilder fremder und einheimischer Maler von holiem Wert. Junac KünKler, z. B. der feinsinnige Igor Grabar, wurden aur die stolzen Denkmäler der Vergangenheit aufmerksam, und 'o entstand mitten in den Unrul-cn und Revolutionen, die das russische Riesenreich erschütterten, der Gedanke, dem Ausland Kunde zu geben von der jungen Größe und der gefunden Urkraft dieses Volkes. Es ward eine Sammlung von Werken russischer Kunst zusammengebracht, die von den Anfängen bis zur alleriüngsten Gegenwart führte, zuerst in Paris das allergrößte Aussehen erregte und nun auch einem deutschen Publikum im Salon Schulte .zugänglich gemacht worden ist. Di« lange Reihe schweigender Jahrhundert«, während deren Rußland in der Umarmung des Orients den Schlaf der Unkultur und Barbarei schlummerte, reden am Anfang m einer GammLuna alter HeiliaenbiLer au» dem 15. bi» 17. Jahrhundert. Es sind nur ine Werke einer Pri-oatfamm- lung, die von der Größe und Bedeutung dieser Kirchen kumt keine rechte Vorstellung erlauben, aber d"ch lebhaft interessieren. Di« Heutigen, die ent zückt vor sru!>byzantinischen Mosaiken stehen uns in der Starrheit mittelalterlich hieratischer Malerei die dekorative Geschlossenheit und seelische Innigkeit bewundern, werden in solchen russischen Abbildern byzantinischer Kunstübunq noch einen exotischen Reiz mehr goutieren. Zwar ist das Schema des griechisch-christlichen Kultes vielfach ebenso mißverstanden und roh übernommen, wie das Kirchenslawisch, das den Gläubigen den frommen Inhalt erzählt, aber dafür regt sich auch ein eigener originaler Geist und bisweilen überrascht eine Naturbeobachtung, die dem Wesen byzantinischer Kunst ganz fremd ist. Durch den verhängnisvollen Anschluß des russischen Reiches an den Glauben und die Kultur des Orients wurden auf lange Zeit alle Einflüsse westeuro päischen Fortschrittes unmöglich gemacht. Die Nacht tiefster Unwisse cheit, die aus Geistlichen und Laien lastete und ihnen le überkommenen Geistesgüter in Bild und Schritt gleich unverständlich machte, läßt es erklärlich erscheinen, daß in der russischen Kunst des 17. Jahrhunderts die mittelälter lickten Formen noch durchaus vorwalteten und ein Einfluß des Abendlandes und der Renaissance sich ebenso wie in der Literatur erst ganz allmählich bemerkbar machte. Wir seben unter den ausgestellten Bildern z. B. eine FußlvasckMng, die mit Von Bildern der Giottoschule viel Gemeinsames hat, ein Heiligenleben, das in der Art Memlings gegeben ist. Damit sind nun schon die fortschrittlichsten Tendenzen bezeichnet. Vorherrschend aber ist die mürrisch grämliche, düster trockene Manier des späten Byzantinismus, die in den steifen Ge wandfalten, den starren Gesten, der leeren Pose sich aus druckt. Mittelalterliche Höllen- und Weltgcricbtsvorstellun- gen wechseln mit exotisch phantastischen Gestaltungen slawi schen Aberglaubens ab, die wenigstens ein ikonographisches Interesse erregen. Kostbar umrahmte kleine Andachtsbilder stehen neben großlinig dekorativen Gewandfiguren starr stummer Greife. Uns interessieren vor allem die Ansätze zu künstlerischer origineller Darstellung, die sich bemerkbar machen. Ans der Klein- und Feinmalerei kommen einige zarte farbige Töne, ein Rosa an Frauengewändern, hervor leuchtend aus trübyrauem intergrund, das glühende Not auf dem schönen „Einzug in Jerusalem". Sc-elische Ver tiefung liegt in der innigen Gebärde der Madonna, der zar ten Neigung der Gestalt. Ornamental gesehen ist di« Dar stellung des russischen Nationalheiligen Georg, dessen ritter liche Gestalt in vrackstvollem Schwuncie mit dem slatternden Mantel und dem sich ringelnden Wurme zusammenklingt. Die genaue Beobachtung eines Steppern ohnes, der wilden Fohlen in ihren tollen Spielen manchen Tag zugeschaut hat, offenbart sich in den zahlreichen Studien sich bäumender, ungebärdiger, ons'chlaqender Psickde, die aus einem Bilde in wirrer Ausgelassenheit auf die Zähmung durch die Heiligen warten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts macht sich «me Entartung dieses KirckreustilS bemerkbar, obwohl ja auch noch heut« nach dem alten Schema gemalt wird. Nach den ver frühten Re-ormveriuchen unter Iwan und Demetrius brach mit Peter dem Großen der modern« Geist d«S Abendlandes ein in die Nacht der russischen Zurückgeblisbenhett nnd führte di« alten Inhalt« der Auslösung entgegen, schick Raum kür neue Formen. Ans einem Flügelaltar tritt dies« Dekadenz des allen Stiles in den übertrieben langgezerrten Körpern mit den kleinen Köpfen und spielerisch grotesken Unformen, in der unwahren Aufgeregtheit der Gesten, der Leerheit und Wirrnis der Komposition deutlich hervor. Indem man sich vom Byzantinismus befreit«, übersprang man vier Jahr hunderte europäischer Kunstentwicklung und fing an zu malen» wie man um 1700 in Europa malte. Es war die Kunst der späten Barockmeistier und des be ginnenden Rokoko, die den jungen von Peter ins Ausland geschickten Malern cntgcgentrat. Mit Allgewalt wollte der Zar in seinem Reich die Blüte eines reifen Geschmacks her- vorzaubcrn. Schlüters Kunst entfaltete sich mitten in der Wildnis des entstehenden Petersburg zu einem letzten früh erblaßten Glanz. Tüchtige Maler des Barocks, die in ihrer leichten Eleganz bereits das Rokoko vorbereiteten, wie TocgnL, Leprince, Notari, kamen ins Land. Peter setzte seinen Stolz darein, auch unter seinen eigenen Untertanen tüchtige Künst ler zu haben. Di« bedeutendsten unter diesen jungen Malern, die Peter heranbilden ließ, waren Nikitin und Matwejw. Wohl sind sie beide in der Nachahmung französischer Vor bilder besangen, aber bei beiden brickt ein starkes malerisches Empfinden durch. Bei Iwan Nikitin (1688—1741) in dem farbig glänzenden, an späte Vcnetianer erinnernden Bilde eines Hetman, bei A n dr c j M a t w e j e v (1701—1739) in dem Bildnis des Malers mit seiner Gattin. Locker und plastisch heben sich von dem dunkelrötlichen Hintergrund die beiden Figuren, deren kraftvoller Ernst, deren ruhige Sckiwerfälligkeit von den modisch spitzen Gesten, der er zwungen eleganten Haltung absticht. Matwejcvs Vorbilder waren Niederländer: aber es kam auch 'bald ein Künstler, der ohne fremde Muster mit den ibm durch sie russischen Maler überlieferten neuen Mitteln der Technik Vortreffliches schuf, der erste bedeutende neuere Maler, den russische Erde gebar und auch wachsen ließ. Es war ein Leibeigner Potemkins, Michael Schibanow. SciN-Bil>nis der Kaiserin Katharina ist als Malerei und als Schilderung einer Persönlichkeit schlechthin ein Meister werk. Mit großen, kühlen, verstaudesklaren und dabei be strickend liebenswürdigen Augen blickt uns die große Frau an, deren kraftvoll selbstbewußtes und eitel herrschsüchtiges Wesen auch in dem vollen Rot der goldbesitzten Jacke, dem feinen Spitzenkragen, der bewunderungswürdig gemalten Pelzmütze zum Ausdruck kommt. Die starke Sinnlichkeit, die völlig hingegebene Schöpferkraft eines noch jungen Vol kes, die be,zwingende Gewalt einer besonderen Schönheit gel>en von die»'em Bilde aus: all das lebt auch in den besten Bil dern deS größten Malers dieser Epoche Smitri Lewizki (1735—1822). Auch Lewizki ist nicht im Auslände gewesen, aber er l-at die Einwirkung siemder Malerei in verhängnis voller Weis« an sich erfahren; bei seinen späteren Bildern ist ein starkes Nachlassen an Originalität, Frische, Kraft zu konstatieren. Er wetteffertc damals mit den beiden Modc- -malern der Petersburger Gesellschatt, den virtuosen Ita lienern Lampi Vater und Sohn, die die ssott« Technik einer noch csit Brocken Hand-iertigkeit mit wienerischer Eleganz und Oberflächlichkeit verband«». So sind denn diele seiner Brider unsicher, bald platt und leer, bald schwerfällig ustd bunt, lasten di« Hröße seiner Begabung mir noch ahnen. Dxmtlicb «arm AnLdruck oder kommt dies« geniale Veran lagung in den früheren Bildern, besonders Porträts von adeligen jungen Stistsfräuleins aus dem Smolugschcn In stitut. Wie lebensvoll sind diese echt slawischen, nicht schönen, aber von Temperament und Eharinc leuchtenden Gesichter, wie unübertrefflich die farbige Bewältigung ihrer unför migen Toiletten, wie kühn und in ihrer momentanen Beweg lichkeit anschaulich sind di« einzelnen Stellungen! Man denkt vor diesen Bildern an die besten Werke Goyas, der nicht viöl später eine ähnliche Kraft und Kühnheit offenbarte. Die tüchtigen Porträts von Rokotvr, die in der Eleganz an Pesnc und LargilliSre sich anlchnen, die gntgemalten Bilder von Borowikowski, die man manctMial, wie das große Porträr Pauls I., direkt für Lainpis lmlten möchte, können daneben nicht anfkommen. In der »Sphäre ganz »hoher Kunst be hauptet sich neben Lewizki nur noch FeodosiStschedrin (1757—1825), dessen Büste Pauls I. die ärgsten Verhöhnungen des Heriffchcrtnms in den Bildnissen Goyas durch ihre er barmungslose Objektivität in den Schatten stellt. Eine Ab schilderung des Cäsarenwahns, wie sie furchtbarer kein Bild hauer der römischen Kaiserzcit gesehen! Ein Gesicht grinst aus dem Marmor, in dem jeder Funke menschlichen Fühlens erloschen, in dem alle Harmonie grauenvoll zerstört und ver wüstet ist. Der unerbittliche Realismus der russischen Kunst ist hier zu einem ewigen Typus gesteigert. Neben diesen ureigensten Schöpmngen dominierte aber freilich die Nach ahmung der Fremden: Der Landschafter Alexejew malte die Prospekte an der Newa, wie wenn sic das Venedig Calanettos wären; der ältere Stschedrin matte den Park von Peters- Hof im Watteaugeichmack und mit der nüchternen Anmut unseres Hackcrt. Die russischen Damen trugen ibr Empire etwas weniger elegant, als aus den Bildern Davids, und die Uniformen der Herren saßen etwas schlechter als bei Lawrence. 'Bei dem tüchtigen Bildlnrucr Schubin (1740 bis 1805) ringt mit der großen Pose der Houdon-Sckyrle schon «ine bürgerliche Einfachheit, die an unfern Schadoio erinnert, und aucki in der russischen Romantik machen sich bald rea listische, bürgerliche, intime Elemente neben den erotischen geltend. Der Hauptmeister der ruffisckun Romantik ist Karl Brüllow <1799—1852), wieder eine ganz erstaunliche Er scheinung, der wir überhaupt in der Zeit nicbts an die Seite stellen können und die nur durch Delacroix übertroffen wird. Briillow ist ein Zeichner ersten Ranges, der bisweilen an Kriiger und Blechen, aber auch an Oldach in seinen seinen Porträts erinnert. Darüber lunaiis sedoch ist er noch ein glänzender Kolorist, dem ein inuudervolles, unvergeßliches Rot, eine satte, tiesi Farben Wirkung gelingt. Weniger blen dend, aber nicht minder eigenartig und interessant erscheint Alexej Wenezianow, ein seltsamer Träumer unb rührender Naturheobackster, der in seiner „Toilette" einen weiblichen Akt mit der»elben. innigen Natur Wahrheit, wenn auch nickst mit der gleichen Schönlsiir wie Manet, darsteltte. Impressionistische An schnitte der Natur stehen bei ihm neben »Schwindschen Märcbenvffionen. Seltsame Bindungen und Mischungen charakterisieren auch Orest K i p r e n s k i, der bald an die deutschen Nazarener, bald an Gc'ricanll denken läßt. Reizende Biedermeierstimmungen klingen in dieser russischen Romantik neben den welschmerzlichen Melancho lien Lermontowscher Abenteuerlust an. Der allgemein« verkauf der russischen Knickt im 19. Jähr-
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