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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070105026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907010502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907010502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-05
- Monat1907-01
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Kriegsminister Gebbas ist etwa 12 Kilo- Meter südlich von Tanger auf d»e von El-Asar kommende zweite Mahalla znmarschiert, die von Mulei Danri be fehligt w>rd, um sich mit ihr zu vereinigen und so Raisuli ledeu Rückzug abzuschneiden, wenn dieser versuchen sollte, 'ich südlich ins Gebirge zum Marabut von Äldelsalan bei dem Stamme der Beni Mruar durchzuschlagen. Die Stellung von Ziuat würde darnach zwischen die beiden Mahalla gebracht. Nach Westen gegen Arzilla, das von einem Teile der erste» Mahalla bewacht wird, dürfte Raisuli eben falls nicht durckbrechen können, ebensowenig nach Osten zum Riff, wo seine Feinde Hause». Abends 6 Uhr 30 Minuten meldete der Semaphor vom Kap Spartet, daß in der Richtung aus Ziuat DuarS brennen und Gewehrschüsse gehört Werden. — Di« französische Liigenfabrik in Tanger meldet außerdem: Es wird gemeldet, Raisuli habe seinen Anhängern in Arzilla den Befehl erteilt, alle Juden zu ermorden, bevor die Stadt übergeben würde. Raisuli selbst hat die Ortschaften iu der Umgebung von Arzilla geplündert und verbrannt. Die ge- faugenen Einwohner werden als Geiseln zurückbehalteu. Nach einer Meldung der „Dspäche Maroquaine" der größten Lügensabrik, nahm Raisuli den abtrünnigen Kaid der Fahsias gefangen und ermordete ihn (?). Raisuli, der mit 200 Mann seiner Getreue» von GebbaS in Zinat einge schloffen wurde, ist zu verzweifeltem Widerstande entschlossen. Ault«,anarchische Unruhen in Ctvitk Becchia. Iu CivitL Becchia sind ernste Unruhen ausgebrochen, sodaß Truppen herbeigezogen werden mußten, um die Ruhe wiederherzustellen. Daraufhin gab der gesamte Gemeinde rat, zum Zeichen des Protestes, seine Demission und setzte sich an die Spitze des Volkes, worauf man vor die öffent lichen Gebäude zog, deren Fenster einwarf und Schmähreden gegen den König und die Regierung auSstieß. Es wurde eine große Verwüstung angerichtet, so daß das Militär erneut emschreiteu mußte. Mehrere Personen wurde» dabei verletzt. Mcrrh del Val. In Bestätigung unserer heutigen Nachricht wird jetzt auch aus Paris gemeldet, daß die Stellung des Kardioat- staaiSsekretärs Merry del Val sehr schwierig geworben sei, weil viele Kardinäle seine Haltung gegenüber Frankreich nicht billigen und ihm vorwerfen, daß er den Papst zu einem schroffen Vorgehen aufstachle. 40 Arbeiter verschüttet. Der „Jrkf. Ztg." zufolge stürzte gestern beim Bahn- baa bei Lamscheid IHuusrück) ein Schacht ein. 40 Arbeiter wurden verschüttet. Bis znm Abend waren 3 To 1 e geborgen. Zu dem Unglück bei dem Bahn- bau bei Lamscheid wird ans Bingen weiter gemeldet: Der Unfall ereignete sich bei dem Bau der Hunsrückbahn Boppard-Kastellaun zwischen Lamscheid und Leiningen. in der Nähe von Sauerbrnnn. Gestern abend wurden zwei Arbeiter verschüttet. Um sie zu retten, wurde von der Banfirma eiligst eine Anzahl Arbeiter nach der Un glücksstelle gesandt. Als diese in den Hinteren Teil des ver schütteten Schachtes cinzudringen versuchten, stürzten große Erbmassen nieder und verschütteten 3V bis 40 Arbeiter. Die Firma Grün L Bissinge sandte sofort weitere Hilfszügc an die Unfallstelle. Abends wurde die Leiche eines Arbeiters geborgen: zwei andere Leichen konnten nur zum Teil freigelegt werden. Die verschütteten Leute stamme« zum größten Teil aus den benachbarten Orten. politisches. * Des Kaisers Geburtstag Durch eine Verfügung des preußischen Kultusministers ist angeorvnet wo:den, daß, va der diesjährige Geburtstag des Kaisers aus einen Sonn tag fällt, am Tage vorher der Schulunterricht auszusallen unv an Stelle desselben die gewohnte Kaisergeburtstagsfeier zu treten bat. Am Sonntag, den 27., darf keine offizielle Feier in Schulen für die Schüler veranstaltet werden. * Eambon. Der neu ernannte französische Botschafter in Berlin, IuleS Cambon, wird sich demnächst von Madrid nach Paris begeben, dann aber noch einmal nach Madrid zur Uebcrreichung seines Abderufungsschrelbcas znrückkehren. Das Eintreffen des Herrn Botschafters in Berlin dürfte erst im Februar zu erwarten sein. * Der Rabbinerverbaud in Deutschland tagte am 2. und 3. Januar im Hause der Gesellschaft der Freunde in Berlin. Dem Verbände gehören von den ungefähr 240 Rabbinern, die im Deutschen Reiche amtieren, 156 an. Die Versamm lung nahm auch Stellung zur Schächtsraae, insbesondere gegenüber den Beschlüssen der Nürnberger Tagung des Ver bandes der Deutschen Tierjchutzvereine. Man legte „nach drücklichste Verwahrung" gegen die fortgesetzte Verdächtigung der Erklärung der Rabbiner über den religionsgesetzllchen Charakter der Schächtvorschriften ein, und es wurde erneut ausgesprochen., daß die rituelle Schlachtmethode eine religiöse Satzung des Judentums ist, die im biblischen und nach biblischen Schrifttum ihre Begründung findet. Zu ent schiedener Abwehr der gegen das Schächten gerichteten Agi tation soll ein ständiges Bureau errichtet werden. * (litt« germnnu« «uw. Unser mit dieser Uebcrschrift versehene Leitartikel vom 3. Januar ist seinem wesentlichen Inhalt nach vom „B. T." übernommen worden. Diesem Blatt hat nun auch Herr Zetzsche von seinen Erlebnissen be richtet. Er bat erzählt, daß die betrunkenen Arbeiter, denen er auf Befehl seiner Direktoren den Lohn verkürzen mußte, ihn verfolgt und geschlagen, daß der Gouverneur, dessen Beistand er nachgesucht, ihn des Diebstahls beschuldigt, einen Lumpen genannt und von Kosaken habe abiühren lasten, und daß die Verwaltung des Hüttenwerkes ihm zwar schöne LobcSworte gewidmet, echer das rückständige Gehalt ver weigert. Der deutsche Generalkonsul in Petersburg, der kein Wort Russisch verstand, wies ihn achselzuckend ab, und der deutsche Botschafter Herr v. Schön wollte ihn nicht einmal empfangen und ließ ihn durch einen Sekretär mit einigen nichtssagenden Redensarten abspeisen. Das „B. T." fügt diesem Bericht hinzu, daß der deutsche Botschafter und sein wichtigster Mitarbeiter, der erste Sekretär, ebensowenig Russisch verstehen wie der Generalkonsul, was in diesen schwierigen Zeiten die Beurteilung der komplizierten russischen Verhältnisse einigermaßen erschweren dürfte. * Berliner Streikbewegungen. Eine Versammlung von über 1800 ausständigen Arbeitern d:r Siemenswerke in Berlin beschloß gestern albend, -en Streik abzubreckwn und die Sperre aufzuhebcn. — Die ausständigen Autodroschken- st'chrer beschloßen gestern einstimmig, -ie im Ultimatum -er Unternrbmer enthaltenen neuen Bedingungen abzulehnen und im Ausstand zu verharren. * Folgen des Stettiner Hafenarbciteransstandes. Wäh rend des Stettiner Hasenarbeiterausstandes wurden Ar beitswillige überfallen und schwer verletzt. Das Landgericht verurteilte die Angeklagten zu Gefängnisstrafen von zwei Wocben bis zu sechs Monaten. * * Tie österreichische Delegation setzte die Beratung des HeeresbudgetS fort. Reichskriegsminister Schönaicb erklärt gegenüber den Behauptungen SteinS, es sei ganz aus geschlossen, daß Erzherzog Franz Ferdinand in irgendwelcher ungesetzmäßigen Form über einen einzigen Mann des Präsenzslandes verfügen könne; im Vorjahre leien allerdings dem Erzherzog auf seiner Besitzung Konopischt Pioniere beigestellt worden; es hätte sich aber um eine Wasserkatastrophe gehandelt, in welchem Falle jeder Gemeinde die notwendige militärische Hilfe geleistet werde. (Zustimmung.) Fast sämtliche Redner sprechen sich auf das entschiedenste gegen die den Ungarn auf allen Ge bieten des Heerwesens fortgesetzt gewährten Konzessionen ans. Steiner unv Kozlowski protestieren gegen die die religiösen Gefühle verletzenden Aeußcrungen SteinS über den katholischen Katechismus. KozlowSkr stellt hinsichtlich der von Stein zwischen den Rulhenen in Galizien und den Polen in Posen gezogenen Parallele fest, das in Galizien eine genügende An zahl ruthenischcr Schulen aller Art bestehe, während e« in Preußisch-Polen keine einzige Volks- oder höhere Schule mit polnischer Unterrichtssprache gäbe. Die Polen in Preußisch- Polen w'iren glücklich, wenn sie d»c gleichen Rechte hätten, wie die Ruthencn in Galizien. * Erste Reise der „Dreadnought". Haute Morgen hat das Schlachtschiff „Dreadnought" Portsmouth zu einer drei monatlichen Ucbungsscchrt verlassen. Mehrere Haupt beamte der Admiralität sind mitgesayren, andere werden sich in Gibraltar anfchlietzen. * Der englische Sonntag. Die Bemülmngen seitens ver schiedener Krcffe, die Sonntagsruhe in England durch Ver anstaltung von Festlichkeiten und Vergnügungen weniger eintönig zu machen, stoßen bei den protestantischen Bischöfen aus großen Widerstand. Die Erzbischöfe von Canterbury und von Westminster haben einen Ausruf an die Bevölkerung gerichtet, der gegen diese Strömung protestiert. * Die französischen Manöver »m Jahre 1W7 werde» unter dem Oberbefehl des Generals Hagron im Südwesten stattsinden und 10 Tage dauern. An ihnen beteiligen sick das 12. und das 18. Korps sowie die 5. Kolonialinsanterie- brigade. Das 1. Armeekorps wirv Korpsmanöver abbalten, desgleichen das 7. Armeekorps. Im 5., 6., 9., 10., 11., 14. und 20. Armeekorps werden uur Dtvisionsmanöver, im 2., 3-, 4., 8., 13., 15. unv 17. Armeekorps nur Brigavemanöver stattsinden. Die 8 Kavalleriedivisionen werden 4 besondere Kavalleriemanöver von achttägiger Dauer veranstalten. Ie 1 s,Baiaillon der Jnsantcrieregimenter wird für die Manöver mit den neuen Munitionswagen ausgerüstet werden. * Inventur. Der Präfekt des Departements Seine-et- Oise hat bei der Inventnraufnahme in dem Versailler Theologen-Seminar einen Betrag von 250 000 Francs in französischer StaatSrente und Eisenbahnobligationen vor gesunken. Diese Summe wird, da keinerlei Erklärung über die Gründung einer Kultusvereinigung vorliegt, den Wohl tätigkeitsanstalten von Versailles überwiesen werden. * Die marokkanische Polizeifrage. Der schweizer Bun desrat beschäftigte sich mit der Note der spanischen Regie rung über die Beschlüße der Konferenz von Algeciras. Der Vorschlag einer Persönlichkeit zum marokkanischen General polizeiinspektor, welcher dem Sultan unterbreitet werden muß, wurde dem politischen Departement überwiesen, daS dem Bundesrat Vorschläge zu geben hat. Die Frage der dem Bundesrat zu erteilenden Mission wurde dem Justiz- und Polizeidcpartemcnt zur Berichterstattung und zur An- tragstellung überwiesen. Die Beschlußfassung soll voraus sichtlich erst nach einiger Zeit erfolgen. Inzwischen darf man, wie die schweizerische Depeschcnagentur bemerkt, die namentlich in der avswärtigcn Preße verbreiteten Mel dungen als zum mindesten verfrüht betrachten. — Der spanische Minister des Innern hat bestimmt, daß die neue marokkanische Gendarmerie bei der Unterdrückung von Ruhestörungen innerhalb der Städte ein Gewehr von ge- ringer Tragweite gebrauchen soll. * Mintfterwechsel in Serbien. Der serbische Justiz- Minister Dr. WeSnitsch bat seine Entlastung eingereicht, welche vom König angenommen wurde. Dr. WeSnitsch wurde zum Vertreter Serbiens in Paris ernannt. DaS Instizministerium übernimmt der Deputierte Marko Trisko- witsch. Der Minister der öffentlichen Arbeiten Staukowitsch wird durch Jovan Jovanowitsch ersetzt. * Der Ausstand in Bulgarien. Der allgemeine Anssland der Eisenbahnangestellten dauert an. Bisher ist es nur ge lungen, den Personenverkehr herzustellen: der Güterverkehr stockt vollständig. Der Schilden, den die Handelskreise »er leiden, ist erheblich. Es heißt, daß den Ausständigen Geü» Unterstützung von ausländischen Arbeiterverbänden zuge- komwen sei. * Die Fürstin von Montenegro krank. Die Fürstin Milena leidet seit drei Monaten an Entzündung des Nierenbeckens. In der letzten Zeit ist eine Besserung ein- getr.'ten, die Schmerzen haben nachgelassen, die Patientin verläßt bereits zeitweise das Bett. * Das neue Flcischbcschaugesetz in den Vereiuigte« Staaten erfordert eine solche große Anzahl von Tierärzten und Flcischinspektoren, daß der Nachfrage nicht genügt wer- den kann. Um den Export von Schlachtcreiprodukten aus der Höhe zu halten, haben jetzt einige Schlachtereibesitzer der Feuilleton. Ns gibt Kains Oemein schäft, clie leichter ru sprengen zvSre, al« eine clie rein auf berechnender Klugheit auf gebaut ist. vrmvenscgueL. Ls ist ckss Schicksal aller guten Maximen, einmal trivial ru wercien. vuuveimcgueL. Vas erscheint mir als rier vornehmste Zug in unserer dlslur, ciast vir uns so leicht kies Oeciankens an eine größere Vollkommenheit ent schlagen. vsuvenurgveL. Giofuö LarSrrcci. Die Erteilung des Nobelpreises an Gioslw Carducci ist niemandem unerwartet gekommen. Als der Geistesheros oes italienischen Volkes, als Bildner der Jugend und des Landes größter Dichter bedeutet Carducci eine nationale Macht, der höchstens die Stellung Tolstois in Rußland ver glichen werden kann. In ihm gipfelt das geistige Leben Italiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: durch ihn haben die wichtigsten Ideen dieser Zeit, die die Gemüter im Innersten bewegten, einen pathetischen und getvaltigcn Ausdruck erhalten. Die schwedisclzc Akademie, der so unver mutet das Weltrichtcramt über kirnst und Wissensclnrst zu gefallen ist, konnte daher, nachdem sie lokale Größen, wie Prudhomme und Sicnkicivicz, mit den, Preise bedacht hatte, an dieser greisen Dichtergestatt nicht mehr vvrübergehen. Die Italiener hatten schon vor zwei Jahren diese Ehrung erwartet. Damals kam der bekannte schwedische Kritiker Holger Nyblom im Auftrag der schwedischen Akademie nach Bologna, um Studien zu einer Arbeit über Carducci ,zu machen: allgemein brachte man das mit der Preisvcrteilung in Zusammenhang und glaubte sogar, Nvbloms Urteil sei un- aünstig ausgefallen, als zn aller Enttäuschung die Hoff nungen sich nicht erfüllten. Doch der Kritiker hat in der ..Nordisk Tidskrist" eine sehr gerecht abwägendc, von Ber- chrung erfüllte Würdigung des Dichters veröffentlicht, die nun wenigstens ihre Früchte trägt. Denn allgemeine An erkennung und Ruhm braucht sich Carducci heute nicht mehr zu erkämpfen: sie sind ihm ebenso wie Haß und Tadel schon vor fast 40 Jahren in reichem Maße zuteil geworden. In Deutschland gebührt dem hochsinnigen Vermittler 'wischen germanischer und romanischer Kultur, dem damals 'chon in Florenz lebenden Karl Hillebrand, das Verdienst, werft die Aufmerksamkeit auf Carducci gelenkt zu haben. Er veröffentlichte in seiner Zeitschrift „Italia" Uebersetzun- äen von Carduccis Gedichten, sv der .Hymne an Satan", rnd schrieb 1873 einen schönen Essav, in dem er Carducci sicht mrr den bedeutendsten Dichter nannte, den Italien seit -euvardit Tod hervorgebracht, sondern sogar noch weiter ging und bemerkte: „Europa hat, seit es Heine verloren, nicht viele austreten sehen, welche ihm gleich kämen." Bald darauf trat auch Adolf Pichler warm für das neue Genie cin und Paul Heyse tat das Beste, indem er seine ehernen Rhythmen in gleich formvollendete deutsche Vcrie gou. -Lv haben die Deutschen dem Dichter, der ihrem Einfluß jo viel Dank schuldet und für die Verbreitung deutscher Dichtung durch Uebersetzungen Goethes, Platcns, Heines u. a., durch ästhetische Studien und Aufsätze so viel getan hat, das seine Verständnis unseres Wesens reichlich vergolten. Doch auch onst ist seine Größe, die für eine kurze Zeit der Ruhm eines Landsmannes d'Annunzio ein wenig zu verdunkeln chicn, allgemein, besonders bei der Feier seines 70. Geburts tages, anerkannt worden. Der jüngst verstorbene Richard Garnett, Wohl Englands bedeutendster Kritiker, 'eierte seine gesunde und reife Kunst; in Italien ober gibt es schon eine richtige Carducci-Forichung, deren reiche Literatur alle Einzelheiten seines Lebens sammelt, den sozialen Wert seiner Dichtungen preist und seine Weltanschauung mit der Nietzsches und anderer Größen vergleicht. Hillebrand bat Carducci bei seinem ersten Auftreten eine» „gebildeten Baudelaire" genannt, und so seltsam uns auch haute dieser Vergleich einer kraftvollen, klassisch emp findenden Poelennatur mit dem morbid perversen Dichter der „klocirs <iu mal" erscheint, damals mußte doch jein revo lutionärer unv wilder Aufschrei einen solchen Eindruck Her vorrufen. Seine „Hymne an Satan", deren 50 knappe zündende Strophen wie ein Kanonenschuß in die friedliche Eintönigkeit des Uebsäuselnden imiiengchea DichterwalLes krachten, verleugnet auch nicht in -er Anbetung eines dä monischen, das Böse wollenden und das Gute schassenden Prinzips den Zusammenhang mir den „jatnnrschen" Lich tungen der Romantik eines Byron und Shelley. Aber nicht der düstre Fürst der Finsternis, der das Grauen des Lasters und die Qualen der Reue in den Herzen weckt, der mittel- alterlick-c Beelzebub der baudclairijclzen Oden ist Carduccis gepriesener Held, sondern der Lucifer des Bvronschcn „Kain", der Prometheus des Shelleyscben Dramas, der Lichtbringer, der in die nächtige Welt des Aberglaubens und der Dumm heit die Flammenzeichen der Aufklärung, das Licht der Ver nunft hincinschlcudert. Seitdem die beißenden Spottlicder Giustis, die traucrvvllen und heroischen Klagen Lcopardis verklungen ivaren, hatte sich ein Geist der Müdigkeit und Süßlichkeit über die Literatur Italiens in den Jahren von 1850—60 gelegt. Wie ein reinigender Sturmwind fuhren nun die Gesänge Carduccis mitten hinein i« das schwüle Ge säusel der Traucrlieder von Prati und das monotone Ge klimper der pathetischen Elegien von Aleardi. Als ein wilder Revolutionär, ein unheiligcr Zyniker mußte dieser Jüngling erscheinen, der die alte mel'rcworüene Mme der Väter beiseite stieß und an ihre Stelle eine liebeglnhendc üppige Bacchantin setzte, der seinem Volke in wilder Ver achtung den Spiegel der eigxnen Schmach vorhielt und mit den Peitschenhieben seiner Satire alle anerkannten Größen vernichtete. Und doch lebte iu Carducci ein ganz anderer Geist, als der des sinnloien Umsturzes, des verhil'cnen Menskbenbelles, deS frechen Zynismus. Eine leidenschaftliche große Per sönlichkeit veroara hinter schonungslosen Anklagen, Kittern Verfluchungen und grellem Haffe «ine tief enttäuschte heilige Liebe zu Volk und Vaterland, eine heiße S-üakicht nach Ideal und Schönheit. Aus den fick, überstürzenden, wirr hinrasendcn Bildern einer barocken Phantasie, die wie der Phöbus Eugene Delacroix' ihr strahlenumglänztes Sonnen roß über verpesteten Niederungen aufsteigen ließ, schim merte doch ein Glanz echt antiker Formenklarhcit, der allmählich zu immer reinerem Leuchte» durchdrang. Der harmonisch Helle Geist der Renaissance-Dichtung, dem der junge Gelehrte seine erfolgreichen Studien iveihte, verließ auch sein Dichten nie ganz und waltete verklärend in den frühen Versen der „Juvenilis" und in den folgenden der „Decennali". Es ist besonders der Einfluß des tlasspch vollendeten Angelo Poliziano, dessen Werke Carducci in einer meisterhaften kritischen Ausgabe der Wissenschaft ge schenkt hak, dem wir auch in dem wundervollen Wohllaut mancher Gedichte begegnen. 'Daneben waltet in den satiri schen Gedichten der Geist Heines, dessen „Atta Troll" Car ducci vorzüglich übersetzt hat. ,'sum Teil sind diese bei aller klassischen Form maßlos heftigen Gedichte, die an die unter der Marmvrkältc des Metrums heiß glühenden Verse Platcns gemahnen, gegen einzelne Periönlich-teiten gerichtet, zum Teil werden sie gegen die ganze Nation geschleudert. Der junge Carducci ist radikaler Republikaner, der dem König Viktor Emanuel zuruft, „die Krone über den Po wegzu- werscn, sich zum bewaffneten Tribun der italienffchen äte» volution Zil-Machcn und das Nationalgelübdc in Nom zu erfüllen". Sein Ideal ist Garibaldi, dessen romantische Ge stalt auch in unseren Tagen wieder die Dichterin Ricarda Huch zu einem großen Werk begeistert, und manche seiner Hymnen lesen sich „wie versisizicrte Briefe" des Volkshelden. Er kält seinem Volke vor, aus welch klägliche Weise es die Freiheit erworben habe, durch Vorsicht und Diplomatie zwi schen Käppi und Pickelhaube sich hin- und herwindend und sich duckend, nicht durch eigene Tat, stolz und aufrecht mit Heldenmut und Kraft. Später hak sich Eardncci mit der savoyischcn Monarchie notgedrungen versöhnt; Italiens end liche Befreiung und Einigung standen ihm höher als irgend eine Regicrungsform. Von den schmaclwollen Bildern der Gegenwart aber wandte er früh schon den Blick in die Vergangenlwit. Als Gelehrter durchforschte er die vaterländische Literatur, un feine Arbeiten bilden einen wichtigen Grundstein der ita lienischen Literatur-Forschung, aus dem viele andere kvciter gebaut haben. Als Dichter wandte er sich der Schilderung historischer Ereignisse zu, in deren prachtvollen Versen majestätisch und eindrucksvoll besonders Bilder aus Italiens Geschickte an uns vorüberziehen. Am liebsten jedoch suchte er Einkehr und Frieden in frühen Erinnerungen der Kinder- zeit, in seiner melancholisch düstern, von ihm unsäglich ge- liebten Heimatslandschoit der Maremmen. Der Dichter ist in Va! di Castello geboren und hat in diesem ungesunden Küstenstrich Toskanas seine Jugendzeit verlebt- Der reife Mann, der in Bologna einen reichen Wir kungskreis als Lehrer der Jugend und geistiges Haupt der alten Universitätsstadt gesunden hat, nimmt wehmütig resig niert von den heimischen Zyvresien der Maremma Abschied. Er ist berühmt geworden, liest Lateinisch und Griechisch hat einen Großvaterstuhl und andere Tuaendcn, ist kein lustiger Knabe mehr. Dem Dichten muß er Valet sagen, denn daS sind Phantastereien, di« dem ernsten Gelehrten nicht ziemen; sein literarhistorischer Kolleg« würde ihm vorwersen, daß er den -Boden de» Reale« verlass«. Uad wie di« Zypressen der Heimat seinem Auge enteilen, „hastig und schattenhaft da hinziehend, wie ein nächtiger Leichenzug mit dunklem Murmeln", so entjchwevt ihm aucu sein Lichten, und dem Forscher, dem Redner, dem Erzieher, dem Kämpfer bleibt nur noch cin Erinnern an die jungen Zeilen des poetischen Schassens. Er Imt vor einigen Jahren selbst bekannt: „Meine dichterische Tätigkeit war ein Traum, gewoben aus wilder Leidenschaft und Liebe und Wchmul, von dem ich mir heilte keine Rechenschaft mehr geben kann". Ein Kämpfer ist er sein ganzes Leben hindurch gewesen, ein Streiter für Freiheit, Schönheit und Reckt, voll glühen der Vaterlandsliebe und Kampfesmut. Sein feuriges Tem perament ist krieaerffch, liebt den Siren, und an Gelegen heit dazu hat es ihm nie gefehlt. Sein „Hymnus an Satan" sand wütenden Widerspruch: er selbst Kat eine Bluinenlesc dieser Angriffe in seiner Schrift « poloauc-do Lachniccho" gesammelt und mit verächtlichem Hobn obge- sertigt. Im Ävrwort zu keiner Gedichtsammlung „Poesie", gegen deren „heidnische" Tendenz sich ein Sturm der Ent rüstung erhoben, jchreibl er: „Ick bekenne, daß ich nie ge- glaubt hätte, das schöne Toskana tonnte so viele faule Aepsel hervorbringcn, wie im Jahre 1857 aus den Händen meiner Mitbürger aus mich nieüerregneien, als ick zum ersten Dlalc diese Reime veröffentlichte, die ich nunmehr, wenig weg lassend und hinzufügend, von neuem uno für sich zu Anfang dieses Bandes unter dem Titel „Juvenilia" sammle. Alle stimmten darin überein, mich der Idolatrie bezüglich des Altertums und der,Form zu beschuldigen". Ja er wurde sogar 18W auf einige Zeit von seinem Amte suspendiert, weil er an einem rcpublikaniscken Feste teilgenommen und eine Adresse an Garibaldi und Mazzini unterzeichnet batte. Heute freilich sind alle Widersacher vor dem Weltrukm an der ehrnsiirdigen Persönlichkeit .des Dichters verstunnnt. Von der aui zwanzig Hön-e berechneten Gesamtausgabe sind bereits fünf,zehn erschienen^ eine letzte Sammlung seiner Prosaschrfften enthält 59 Ltuvicn und Vorträge literatvr- geschicktlichen, autobiographischen und kritisckren Inhalts. Sein Lebenswerik liegt vor uns und es bat durch die Ber- leilruug des Nobel-Preises nur eine verdiente Krönung er- fahren. pmrl l-nncknu vei?lr*ier Theater. Das neue Heim, daS Eharlottenburg. die reichste deutsche Stadt, zu Schillers Ehre baute, ist sicherlich Prunkvoll genug. Zugleich übrigens das dritte Berliner „Schiller-Tbc-ater . Man erreicht es in wenigen Minute» vom Charlottenknraer ..Knie", man Übersicht die breite, geschmackvolle Fassade nicht die die Herren Heilmann und Littmann gegen die Bismarck straße stellten, durchschreitet rasch das Gittertor, das kleine zierliche Vorgärtchcn, und freut sich der großen, bvben »zoyers, die voll Einfachheit und Helle sind. Man findet 'ich schneller zurecht, als in allen anderen Theatern Berlins. Von allen Seiten führen die Eingänge zu den „Ringen — dem Parkett —, man merkt bald, daß keinen sich seines Platzes beklagen darf. Amvhitheatraliskb. stift allzu deftig steiaen die Reihen emvor, die Ränge fehlen an den Flanken, nur an der Rückwand zieht sich geräumig ei» Balkon ciiklana, den rechts wie links zwei Logen — die einzigen — absckließe». Neber dem Balkon die Lichterkette, die allein den Raum be strahlt. Mattgetöute Farbe», »»aufdringliche- Grau geht
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