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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070107015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907010701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907010701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-07
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Var wichtigste vom rage. * Der Herzog von Cumberland dankte, wie uns ein Privattelegramm aus Hannover meldet, zahlreichen hannoverschen Welfenführern für ihre brieflichen Sympathiekundgebungen anläß lich seines Nichtverzichtes auf Hannover durch besonders herzliche Handschreiben, welche die Versicherung seiner „unwandelbaren Treue zu Hannover" enthielten. * Die Exkönigin Maria von Hannover mußte sich in Gmunden einer blutigen Opera- tion unterziehe». sS. Letzte Dep.) * Auf Grund des Artikels 6 der Verfassung des Deutschen Reiches ist von dem König von Württemberg der StoatSminister des Innern Dr. v. Pischek zum Be vollmächtigte» zum Bundesrat ernannt worden. * Die Nachsaison des bayerischen Land ¬ tages findet zwischen dem 1. Februar und 1. März statt. * Der brutsche Generalkonsul in London, Wirkl. Geh. Legationsrat Freiherr v. Lindenfels, tritt vom 1. April ab in den Ruhestand. * Der AuSbruch deS Kampfes in der Berliner Holz- l» dustrie steht für den 12. Januar zu erwarte». * Sämtliche Negertruppen der Vereinigten Staaten si»b nach den Philippinen geschafft. sS. Ausl.) * Zwischen König Peter von Serbien und dem Ministerpräsidenten Pa sic ist ein Konflikt über die Apanage deS Kronprinzen ausgebrochen. lS. Ausl-s * Das Match Robl-Demke, das gestern im Velo drom „Roter Baum" in Hamburg ausgefabren wurde, endete mit dem Sieg RoblS. Dieser legte 52,490 Kilometer zurück, während Demke nur 50 Meter zu- rückblieb. Zeine kigendrSOelei. Politische Wochenschriften sind notwendig. Sie er gänzen in nützlicher Weise di« journalistische Arbeit, können geruhiger urteilen und zusammentasie», sind überhaupt häufig in günstigerer Position als die Tageszeitungen. Manchmal freilich auch nicht, wenn rücksichtslose Ereignisse die schönsten Prophezeiungen zuschanden werden lassen, kaum daß die letzten Korrekturbogen vom Herausgeber ge lesen worden sind, der nun in schlimmer Pein den Druck maschinen seines Reiiffalles ihren Lauf lasten muß. Die politisch bedeutendste deutsche Wochenschrift ist neuerdings wieder, nach Ueberwindung einer sterilen Periode, die „Zukunft" Maximilians Hardens. Wir dürfen behaupten und können es belegen, daß wir die Arbeiten dieses glän zenden, fleißigen Publizisten stets ernsthaft zu würdigen ver sucht haben. Nach Verdienst übrigens, aber doch auch, ob wohl es Herr Harden Leuten von einigem Selbstgefühl oft schwer genug gemacht hat. DaS ist auch ein Verdienst, sozusagen. Auch beute stimmen wir nicht in die Der- urteilung der Hardenschen Tätigkeit ein, machen uns die Kritik derer nicht zu eigen, die in der „Zukunft" die vosi- tiven politischen Absichten vermissen. Wir erbl'cken näm lich auch in mancher Kritik an sich schon swenn auch manch mal vielleicht ungewollt) positive Arbeit. Wer politisches Werden, wie überhaupt die Historie, nicht von allzu niedrigem Standpunkte aus betrachtet, wird bald die Entdeckung machen müssen, daß die individuellen Tendenzen wenig bedeuten, daß sie oft das Gegenteil des Gewollten bewirken, daß im übrigen der physikalisch« Lehrsatz vom Parallelo gramm der Kräfte mit seiner diagonalen Resultante auch im Leben der Völker gilt. Um ein praktisches Beispiel zu geben: Wir halten die systematische Bekämpfung absolutistischer Neigungen und Betätigungen im neuen Deutschen Reiche für ein nationales, für ein patriotisches Werk Hardens und haben uns ebrlich gefreut, als endlich auch bürgerliche Poli- tiker von Rang und nationaler Unantastbarkeit die Geiahr für zu dringend hielten, um länger untätig an der heiklen Frage vorüberzugehen. Aber auch die Unbedenklichkeit der Politik hat ihr« Grenzen, zeitlich« und örtlich«. Wie eine Zeitung mit anderem Leserkreis, anderen Verhältnissen, anderen Wirkungen rechnen muß als eine Zeitschrift swas der sonst kluge Harden anscheinend nie begriffen hat), wie in einer Zeitung verwüstend wirken kann, was in einer Zeit schrift frommt, so auch gibt eS Zeitabschnitte, in denen bloße Kritik zur Sünde wirb. In Kampfzeiten an seinen Freunden Splitterrichterei zu üben, ist selbst dann nicht ratsam, nicht würdig, wenn eS in bester Absicht geschieht. Deshalb haben wir mit Besorgnis die ersten Artikel Hardens nach der Reichstagskrise gelesen, haben ihn von allen guten Geistern verlosten geglaubt und gefürchtet, Harden werbe in egoistischer Sorge um die Kontinuität seiner persönlichen Politik sich jedes politischen VerantwortlichkeitSgekühlS ent äußern. Inzwischen aber muß doch wohl der FrühttngS- iturm der Erlösung vom ultramontanen Eisjoch auch an seinen Fensterladen gerüttelt haben — Harden veröffeutlicht ein Wahlvrogramm. Mil diesem uns näher zu befassen, halten wir für nötig, um Verwirrung zu bekämpf«» und Unlust zu bannen. Harde» paßt di« Wahlparole „Gegen die ZentrumSherr- chaft" nicht, hält „fetzen, der dies« Parole darchs Land trägt. für einen Betrüger oder Betrogenen". Dabei schreibt er den Satz: „Wer dem Nus zur Hotz auf Schivarzwild nicht folgen will, jagt mit seiner Ablehnung noch nickt, daß er das Zentrum liebe." Ein Geständnis, das uns nicht überrascht, denn, trotz Harden, ein Kulturmensch mit Kämpserneigungen kann das Zentrum nicht lieben, auch ein Katholik nicht. Trotzdem paßt ihm die Parole nicht. Er hat Großes mit dem deutschen Volke vor. Er will, mit Lamprecht, die „Politisierung der neuen deutschen Gesellschaft", den alten Sammelvisa Miqu«ls auf modernem Fundament. Empfiehlt gleich uns, „die Religion, als die persönlichste Angelegenheit, dem Privatrechtsbezirk zuzuweisen". Will mit uns die tief innerlich liberale Forderung aufstellen, daß „die empörende Ungleichheit der Wafsenrüstung beim Beginn des Kampfes ums Dasein" beseitigt werde. Alles Forderungen, die uns baß erfreu«», denn es sind unsere eigenen, seit Jahren fort und fort gegen offenen Hohn und heimlichen Spott ver tretenen. Aber, so fragen wir, liegt in solchen weitgesteckten Zielen, die nur ein Narr in einem einzigen Wahlkampfe zu erringen hoffen kann, denn das geringste Hindernis, um diesen Wahlkampf mit aller Energie und unter der Parole „Gegen das Zentrum" auszutragen? Wird und muß nicht gerade das Zentrum, seiner Bestimmung, seinem Wesen nach, allen diesen großen Zielen aufs schärfste ovvon-eren? Ge wiß sind auch wir nickt ganz mit dem Verholten der Negre- rung zufrieden, hätten von ihr offenes Visier, größeres Augenmaß, weitergesteckte Ziele gewünscht. Aber ist es deshalb klug, ist es auch nur berechtigt, der Negierung des halb in dieser Kampfzeit den Fehdehandschuh Hinzuwersen, an alten Zwist, an alte Sünden zu erinnern? Wir fürchten, in diesem Falle ist Herr Harden der Kurzsichtige. Er möge erlauben, daß wir seine Blicke auf Frankreich lenken. Hat er vielleicht versäumt, das gewaltige Wachsen des Trennungsgebankens jenseits der Vogesen zu verfolgen? Er müßte doch sonst mit aller Welt das überraschende, lehrreiche Schauspiel mitgesehen, miterlebt haben, wie die gewaltige Idee sich selbst durchgesetzt hat, wie sie aus jedem Kampf« reiner und größer hervorgegangen ist. Noch Combes. der radikale Combes, dachte nicht entfernt an das, was Clemen- ceau vollenden konnte. Und liegen doch nur Monate da zwischen. Daraus laßt uns lernen und Hoffnungen ziehen. Ob die Regierung des Deutschen Reiches heute mit uns will oder nicht, ist gar nicht so wichtig. Aber daß sie dis Geister mit dieser Reichstagsauflösung revolutioniert, daß sie der Freiheit eine Gaste gebahnt hat, das ist wichtig. Deshalb muß die Parole lauten: Alle Mann hinter die Regierung! Eine Sorge späterer Tage wird es sein, die Regierung bei der Stange zu halten. Maximilian Harden kann beruhigt sein — der Liberalismus wenigstens wird den Kampf gegen ein absolutistisches Regiment zur gegebenen Zeit wieder aufnchmen, er muß es im eigenen Interesse. Aber was soll dieser Kampf heute? So viel Ver- stäncnis von der Mastenpsyche muß man einem Mann: von realprlitischen Aspirationen doch zutrauen, daß er die Un möglichkeit einsieht, mit einer solcher Parole Wahlgeschäfte in dieser ganz eigenartigen Krise machen zu können. Sollen wir mit Gewalt die Wähler verwirren, sollen wir sie mit Gewalt radikalisieren, unseren Gegnern in di: Arms treiben? Heute leben wir in einem der seltenen Zeitab schnitte, in denen auch die geistreichste Sonosrpolitik nicht soviel wert ist, wie der schlichteste instinktive Eintritt in d e Kampffront. Aus dieser Neberzeugung heraus sind diese Zeilen geschrieben. Nicht gegen Harden, sondern nir die ge schlossene Kampsordnunz. Und wenn Herr Harden will, auch für ihn. Wir möchten ihn vor einem neuen Temv.'rame it- fehler behüten. Wie es von ihm ein Temveramentf.hler war, als er die in Dresden so hoffnungsvoll beqonnnene Zersetzung der sozialdemokrati'chen Partei mit seinen Keulenschlägen gegen die Revisionisten zum ersten Stillstand brachte, so wäre es gleichermaßen falsch und schade, wenn er in diesem Wahlkampf um die höchsten politischen Ziele des deutschen Volkes, um seine Zukunft» nicht die Höhe des Standpunktes, die unpersönliche Anschauungsweise gewinnen könnte, die allein uns frommen kann. Das Nötigste zuerst, und das ist die ungebrochene Energie des Kampfes. Auch uns paßt dies und jenes nicht. Aber deshalb doch: Keine Eigenbrödelei. In den Kampf! Vie Lripriger kmgemeindungrttage »»a der rSchrirche Landtag. Nachdem die Vorkämpfer des Eingemeindungsprojekts ein mal so große Anstrengungen gemacht haben, um zu dem er sehnten Ziele der Einverleibung der Vorortsgemeinden Möckern, Dösen, Dölitz, Stötteritz, Probstheida und Stünz zu gelangen, war es eigentlich von vornherein selbstv.'r- ständlich, daß sie sich nicht bei der Entscheidung der in dieser Frage an vorletzter Stelle zuständigen Instanz beruhigen, scndern auch noch den letzten Trumpf, den Appell an den sä h» sischen Landtag, riskieren würden. Tatsächlich hat der Abg. Dürr, dem als Vertreter des Kreises Leipzig-Land in der Zweiten Kammer die Initiative wohl zusteht, bereits die einleitenden Schritte zu dieser letzten, wirklich entscheidenden Aktion getan, ja er ist nach dieser Richtung hin schon sehr tätig gewesen. DaS Schicksal der Eingemeindungsvorlage im Landtag« mit Bestimmtheit vorauSzusaqen, ist natürlich nicht möglich, da die Vorlage als Landtagsdrucklacke ^c>ch gar nickt existiert und der Landtag, der die Vorlage beraten wird, auch nicht, denn wir stehen bekanntlich vor LandtagSivahlen. So viel kann aber nach zuverlässigen Informationen schon jetzt gesagt werden, daß der Pessimismus, der sich in einem Teile der Preste bemerkbar macht, ganz unberechtigt ist. Die Majorität in der Zweiten Kammer kann sich den schwer wiegenden Gründen, die nicht Leip-ig. sondern die Boron« selbst geltend machen, keineswegs verschließen. DaS hat auch das Ministerium nicht getan — trotz seines schließ lich ablehnenden Entscheides. Das Ministerium ist sich darüber klar, daß die Vororte als selbständige Gemeinden schwer unter dem Wachstum der Großstädte zu leiden haben, daß es in vielen Fällen für die dem Namen nach iän-lichen, dem Charakter nach aber durclmus städtisch-industriellen Ge meinden bester ist, selbst ein Glied des großen Ganz:» zu werden, als sich von seinen Polypcnarmen erdrücken zu lasten. Es wird an maßgebender Stelle durchaus aner kannt, daß die Vorortsgemeinden schwer unter den Lasten seufzen, die ihnen dadurch aufgebürdet werden, daß die wenig steuerkrästige Arbeiterbevölkerung zu ihnen hinauszieht, von ihnen einen großen Verwaltungsapparat, teilweise ganz unverhältnismäßige Lasten auf dem Gebiete des Unter- richtswesens, des Polizeidienstes usw. fordert; — daß die Straßenbau- und Erhaltungskosten ungeahnte Höhen er reichen, und daß schließlich dadurch die Finanzen dieser Orte Schwierigkeiten bereiten, die eine Aenderung irgendwelcher Art gebieterisch erfordern. Das, wie gesagt, ist auch dem Ministerium selbstverständ lich kein Geheimnis, und es haben deshalb wohl bei der Herbeiführung der ablehnenden Entscheidung Gründe mit- gesvrochen, die als solche nicht offiziell genannt werden. Man hatte die alte Scheu vor dem wasserkopsartigen Anwachsen der Großstädte, die schließlich so eine Art kleiner Republiken im Staate werden, ja man fürchtet, daß, wenn die Rivalität der Großstädte in diesem dichtbevölkerten Staate so an dauert, Sachsen so ganz allmählich von ihnen aufgeteilt wird. Und wenn man den Unterschied der Regierung der meisten großen Städte, ihrer Parlamente besonders, mit der Landes regierung sich vergegenwärtigt, so kann man schließlich auch als Leipziger oder Dresdner die erwähnte „Scheu" ver stehen, ohne sie zu teilen. Bei der Bemerkung der Rivalität der großen Städte mag übrigens beiläufig erwähnt werden, daß das Argument, die sächsische Residenz müsse auch die größte Stadt des Lan des bleiben, bei dem Entschlüsse des Ministeriums nicht im geringsten mitgespielt bat. Die Dresdner Stadtverwaltung hat — wenn sie auch begreiflicherweise der schließlichen Ein gemeindung der Leipziger Vororte nicht gerade aus vollem Herzen zujubcln würde — ihre Hand gar nicht im Spiele gehabt. Sie ist weder gefragt worden, noch hat sie irgend welche Schritte nach dieser Richtung hin unternommen. Nach unseren Informationen läßt sich die Lage wie folgt kennzeichnen: Das Leipziger Eingemeindungsprojekt wird, so wie es jetzt vorliegt, kaum die Zustimmung der Majorität in der zweiten Kammer finden, ebensowenig wie man erwarten kann, daß das Ministerium sich zu einem Kompromiß bereit findet. Tie Entscheidung des Ministeriums, die in einer Gesamtsitzung erfolgte, ist für dieses endgültig. Dagegen wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Landtag anerkennen, daß in der Angelegenheit etwas geschehen muß und das Kom promiß wird sich vielleicht auf der Basis zustande bringen lassen, daß die Einverleibung der Leipzig örtlich am engsten verbundenen Vororte bewilligt wird. Tas zu erreichen, wird vermutlich den Bemühungen der in dieser Sache politisch am meisten interessierten Abgeord neten gelingen. Auf eine strikt ablehnende Haltung der zweiten Kammer braucht man sich jedenfalls nicht gefaßt zu machen. von der koftslel. Am Nenjahrstage prangten in langem roten oder blauen Rock mit silbernen Kugeiknöpfen. dem Dreimaster und Schnallenschuhen die „Salzwirkcr im Tale" im Berliner Schlosse, um nach altem, ehrwürdigen Brauche dem Kaiser paare bei Tafel aufzuwarten, ihren Wunsch zur Jahres wende zu iprechen, Loteier und Schlackwurst als Angebinde zu bringen und als Gäste des Kaisers ein paar vergnügte Tage in der Residenz zu verleben. Mein altes Studenten herz hüpft noch immer vor Wonne, wenn ich die Brüder aus dem Tale, mit denen sich der Höllische Studio Schwager und Du nennt, zufällig in der ersten Januarwoche im Straßcn- gewoge Berlins sehe. Denke ich doch an die ehrenfesten Ur bürger, die am Alten Markt in Halle in den ehrwürdigen Stätten der stuckten Ctudentensröhlichkeit früher ihren Sitz batten und dafür die akademischen Freunde zu ihrem Psingstbier im Ma, einluden. Ihre Zahl wird immer kleiner, der alte Zunftmeister, der einst auf der „Halle" beim Regierungsantritte Friedrich III. und Wilhelm II. das vom Könige geschenkte Roß bestieg, die Fahne nach den vier Himmelsrichtungen schwenkte, ist auch dahin, uki sunt, gni aut« nos. . . Aber es gibt noch iinmer genug aus den alten Salzsiedergeschlechtern, um dem Könige am Neujahrs tage aufzuwarten, und nach altem Brauche wählen König und Königin eine Wurst, während eine dritte in Scheiben zerschnitten und nebst den Soleiern an der Tafel herum- gereicht wird — ein Gang an fürstlicher Tafel, der nicht ost anzutrcncn sein dürste, denn die Speisesolge der Hostafeln sind, wenn man die Menüs verschiedener Höfe studiert, von ausfälliger Gleichförmigkeit, einerlei, ob das Prunkmahl in Athen oder Windsor abgehalten wird. Die Hühner von Brüssel oder Mans, der Rehrückcn. die Forelle und der Steinbutt, der ^at^au Italien uno die Käsestaneen kehren immer wieder, und der Inhalt eines Fcsttafelmenus variiert meistens nur durch die mehr oder minder große Zahl der Gänge. Besonders der Orient scheint durch die Fülle der Genüsse imponieren zu wollen, denn in Bukarest tut es der Herr Küchenchef bei einem fürstlichen Abendessen kaum unter 25 Gangen: auch der Sultan regalicrt seine Gäste trotz Ritus und Koran mit einem ganz stattlichen Schmause, und daß man in Petersburg, besonders unter Alexander II., viel Wert auf eine gutbcsctzte Tafel legte, weiß ,eder Gourmet. Am einfachsten pflegte Leo XIII. zu essen, besten Bedürfnisse ielbst tiir einen Greis höchst gering waren, und ich bezweifle, daß mancher Dechant und Propst mit den Genüssen der vontifikalen Tafel zufrieden gewesen wäre. Sehr fein zu- fammengcstellt waren die Diners des Königs Albert von Sachsen, der weniger aus das Viel denn auf das Gut lab. Die Speisekarten der Festesten, die der verstorbene Monarch 1889 am 8. und 7. September zu Ehren deS Kaisers gab, bc- weisen es. Natürlich bringt auch die Hoftastl gern Nationalgerichte, wenn sie etwas besonders Geschätztes sind. Jür Harle Polenta von Maismehl würde sich Viktor Emanuel III wohl bedanken, und selbst der bürgerliche Herr Präsiden! der Republik Frankreich schneidet sicher keine Brotschnitten in den Rot au Isu. Aber auch im Kaiscrpalast an der Newa schätzt man den Bortsch und di« Sakuska, ein türkisches Mahi ohne Pilaw wäre ein Torso in den Augen jedes Moslem, er fehlte auch nicht bei dem Abschicdsmahl in Dolma- Bagdjche, als Kaiser Wilhelm II. bei Mdul Hamid 1889 zu Gaste war; und eine Tafel ohne Roastbeef oder Noajr Mutlon wäre in den Augen Joy» Bulls ein Verbrechen wider den heiligen Geist Englands. Jener Krfelfrohe König, der das gebratene Ochjenstück zu:.: Ritter schlug, tat recht nach dem Herzen des echten Englislhman. Noch heute kann man es beobachten, daß der reisende Engländer eine lange Speisekarte aufmerksam studiert, um doch das geliebte Roast- bees zu bestellen. Auch da^ künstliche Menü weist dieses Prunkstück nationaler Kochkunst stets aus. Bei keinem „Rousssiolä Oiuusr" fehlt >w Schluß der Karte die bedeut- same Zeile: Liste« Dudle: Rosst Leek. Roast Lluttvu. Neuerdings tauchen aus Festtafeln auch Schau- g:richte auf, die sonst für mittelalterliche Ver irrungen menschlichen Geschmackes galten. Zwar brät man keinen Reiher oder Kranich, auch der Schwan Hal sich seinen Platz nicht wieder erc«>ern können, aber ver einzelt sieht man den gebratenen Pfau mit dem olaugrüne» Federschmuck lockend prangen. Die Herren Küchenchefs do» Nus sind natürlich gesuchte Größen, und jeder von ihnen hat den Ehrgeiz, seinen Namen durch irgend ein Ragout oder eine Sauce unsterblich zu machen. Nicht allen freilich ge lingt es. Im Gegenteil, mancher Obek äs suisius, der a» der Seine zu den Großen der Gastronomie zählte, ist in England ein evrlorener Mann, wenn er es nicht schnell lernt, dem Geschmack Old Englands Rechnung zu tragen. Und dieser Geschmack ist im allgemeinen schlecht, brutal, wird nur noch von dem gänzlich barbarischen Kollegen jen seits des Ozeans übertroffen. Man ist an der englische» Tafel entzückt über die Rücksicht, die jedes Glied d:r Familie aus das andere in Gestalt inner Kleidung nimmt. Nie er scheint die Dame des Hauses in brguemerem Hauskleide, auch der Frühstückstisch sieht kein Negligee. Aber weniger entzückt ist der Kontinentale, wenn er das englische Gnnüse — übrigens sind Kartoffeln vollgültiger Gemüssgan^ — fad in Wasser crbgekocht, serviert findet. Wenn er aber sieht, wie bei Beginn des Mahles jeder echte Sohn AlboinS zu nächst eine kleine Pyramide Salz auf den Tellerrand häuft «und dann jeden Bisten ohne Rücksicht auf die Kunst und Absicht des Koches mit Salz bestreut, der wird eS verstehen, wenn die Pariser Köche über den brutalen Ge'chmack Eng lands klagen und das Gemüse einfach in Master abkochen, um es nicht total versalzen zu lasten. Gegen diese nationale Untugend kann auch Eduard VII., der selbst ein großer Gourmet vor dem Herrn ist und sich selbst einen Gang in die Küche nicht verdrießen läßt, nichts ausrichten. Maa ist in England nirgends so konservativ wie bei Tafel. Alsa wird man auch weiter die sroßen Teller mit ansehnliche» Portionen füllen. Gibt es den geliebten Truthahn, so rrrht neben einem Stück des schmackhaften Vogels ein Häuflein Maronen, mit denen er gefüllt war, Bratwürstchen als Garnierung, Gemüse und Kartoffeln, da,zu zweierlei Tunk« — reichlich für einen einzigen Gang. Verschieden wie die Höfe sind auch die Speisekarten ihrer Tafeln. Die allereinsachste Ausstattung, und doch sehr wirk sam in der Form, weist die „Königliche Mittagstafel" mit ihrer einfachen Schrift in Steindruck, von goldenem Rand iimrabmt, auf, wie sie unter Wilhelm H. eingesührt wurde. Uebcr dem Ganzen die Wappen des Kaisers und der Kaise rin, die Schrift ohne jegliches Beiwerk, die Sprache stets deutsch: Es gibt nur Edelpilze, keine Champignons, Tunke verdrängt die „Sauce" die allerdings noch hin und wieder vorkommt. Der alte Kaiser hing allerdings bis an sein Lebensende an der Vorliebe für das französische Menu. Auch das letzte Festesten vom 19. Februar 1888 zeigt unter dem preußischen und wcimarischen Wappen noch sie Rotapco lie, den LauinoQ stii Rsiin, das Rcxmk sals bis zu den Osrrks a la nsires, planes und sornrrotss. Dem jungen Kaiser haben es viele Bundesfürsten in der Vorliebe für deutsche Speise karten nachgetan, in Oldenburg, beim heutigen König von Sachsen schon als Prinz Friedrich August, in Rudolstadt und Braunschweig, in Altenburg und beim Prinzen Heinrich spricht die Speisekarte deutsch. Der Orient zieht das Fran- zösischc vor, auch die Wiener Hofburg, Italien und Spanien. Die englischen Tischkarten weisen eine ausdrückliche Klassifi- zierung der Gerichte auf durch die Ueberschristen. Ta heißt es stets: Rotacces, poissons, sntrss», relevss, rvts, und die französischen Namen der Speisen stehen stets mit dem Ar- tikel: Do turbot, les ris äs VSLU, Isis stinstonoaux und les poulots. Englisch ist nur roast bssck, doch nimmt das eng lische Menu auch aus anderen als der französischen Sprache Einzelworte, „Waldcckische Nudeln" sind ost vertreten. Petersburg hat natürlich gleichfalls französische Speise karten. Die originellsten sind aber neuerdings die, welche zum Schluß des Tiners ausgegesten werden, wie das in Lon don aufkam. Ein Pfiffikus unter den Köchen Eduards VH. nahm feinsten Oblatenteich, schrieb mit Schokolade darauf die Namen der Gerichte, und wenn daS Dessert gegessen wurde, konnte der Gast als Maacnschluß noch die delikate Tischkarte essen. Der König war so vergnügt über diese Er findung, daß er sich höchstselbst in die Küche begab und sich die neue Kunst und ihren Meister -eigen ließ. Seitdem ist die eßbare Speisekarte an der Themse etwas ganz Feines. Aber das ist alles schon dagewesen, sagt Ben Akiba; unsere Schwarzen in Ostafrika haben, wie Hauvtmann Lene erzählt, gelegentlich die Ueberbringer unangenehmer Botschaften da mit geehrt, daß sie die Sendboten zwangen, das Schriftstück des Herrn Bezirksamtmanns zu verschlingen, woraus sich dann eine kleine Auseinandersetzung mit den Schießgewehren zu entipinnen pflegte, was bei Hoftafel nicht vorkommt. Wohl aber geht es dort auch nicht immer ohne Zwist ab, bei dem oft die alte Dame Etikett die Wurzel alles Uebels ist. Wir haben uns oft gewundert, daß die Königin Viktoria von England den Berliner Hof trcH naher Verwandtschaft so,ostentativ mied. Einer der Grunde war sicherlich der, daß bei dem Besuche, den sic mit dem Prinzgemahl als junge ,,ran bei Friedrich Wilhelm IV. machte, sie selbst zwar als louverane Fürstin an des Königs Seite sah, aber der Prinz von L-achfen-Koburg unter die Prinzen aus den kleinen Däusern an die Scitentafcl placiert wurde. DaS hat die Oueen sehr übelgenommen und nie vergessen. Auch heute noch spielt die Etikette ibre große Rolle. Als Alice Roose velt, das Prinzeßcken des großen Theodore, als junge Frau Lonaworth nach Deutschland kam, batte Speckie vertraulich angedentet, daß eine Einladung der jungen Mrs. Longworth zu Hose sehr xiut im Weihen Hause wirken würde. Also wollte der Kaiser das amerikanische Ehepaar ins Schloß ein laden, Aber da schüttelte die Etikette das Haupt. So wurde Kiel al« Ort deS Besuch- gewählt, wo man bei den Regatten
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