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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070108021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907010802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907010802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-08
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str L^dztg «d >««1« 8» d« H«ps- «stpeditio» oder der« UuZgabellelleu ak>- grhoU moaatltch: Ausgabe L. (I «al täglich) 70 Ls., «usgab« L (Smal täglich) « Pf„ bei Zustellung tu« Hau« Ausgabe SO -lutgabr S l Marl. Durch unser« aus- wärtigeu Ausgabestellen und durch Vie Post bezogen (1 mol täglich)tnnerbalbDeutschland« monatlich 1 Mark, sür Oesterreich-Ungarn 5 L 45 k vierteljährlich, die übrige» Länd« laut Leitung-Preisliste. Diese Nummer koste» ans 4e» allen Bahnhöfen und bet III 71dl den Zeitung«.BrrkSufern I* tztedattton und ttxpedtttou: JohauniSgass« L Telephon Nr. 153, Nr. Nr. 1173. Berliner AedaMoas-vurran: Berlin UV. 7, Prinz Louis tzervwaud- Strotze 1. Telephon l, Nr. SL7L. - Abend-Ausgabe L MpWrTllgMlck Handelszeituug. Amtsblatt -es Rates ««- -es Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. ««zetgea SO W filr Inserate von auswärts l» Ps. NrNamrn 7b Pf, answürt« 1 Mark. Vellage- gebühr 4 Mark p. Lausend rxkl. Postgebühr. VeschäftSauzrigeu an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarik. Für Iusrrate vom Ausland« besoaderer Taris. Anzeigen-««nähme: Aa-nftuSplatz 8, bei sämlltchru Filiale» n. all« Annoncen- Expeditionen des In. und Auslandes. Für daS Erscheinea an bestimmte» Tagen u. . Plätze« wird keine Garantie tberuommeu. Haupt-Filiale Verlttr: CarlDuu cker.HerzglBayr.tz^fbuchhauLlg, Lützomslratze Io (Telephou Vl, Nr. lOOS). Filtal-Srvedttiou: DreSd«r.M arienstr.34. Nr. 8. Dienstag 8. Januar 1907. 101. Vie preiirritche Ldronreäe. * Berlin, 8. Januar. Die vom Ministerpräsidenten Fürsten Bülow zur Eröffnung des preußischen Land tages verlesene Thronrede hatte folgenden Wortlaut: „Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtages! Seine Majestät der Kaiser und König haben mich mit der Eröffnung des Landtages der Monarchie zu beauftragen geruht. Besserung der Finanzen Bei anhaltender Steigerung der Einnahmen aus den direkten und indirekten Steuern, sowie aus den Erträgnissen der meisten Staatsbetriebe hat sich die Finanzlage des Staates fortgesetzt günstig gestaltet. Das Rechnungsjahr 1905 hat einen höheren Ueberschuß als das Vorjahr ergeben, und auch für das laufende Rech nungsjahr könnte ein noch günstigerer Abschluß erwartet werden, wenn nicht der größte Teil der Mehreinnahmen im Verkehrsinteresse zu einer schleunigen außerordentlichen Verstärkung der Eisenbahnbetriebsmittel verwendet werden müßte. Der Staatshaushalt für 1907 hält in Einnahmen und Ausgaben das Gleichgewicht. Entsprechend den gesteigerten Einnahmen sind für fast alle Zweige der Staatsverwaltung Mehraufwendungen in größerem Umfange in Aussicht ge nommen. Bei reichlicher Bemessung der Mittel zur Deckung dauernder Ausgaben haben die einmaligen und außer ordentlichen öffentlichen Bedürfnisse eine weitgehende Bc- rücksichtigung finden können. Gehaltsverbesserungen sind für mehrere Klassen von mittleren und unteren Be amten des Außendienstes vorgesehen, bei welchen die an ihre dienstliche Tätigkeit und Verantwortlichkeit zu stellenden höheren Anforderungen eine Steigerung der Gehaltssätze be sonders dringlich machen. Die geringst besoldeten Unter- beamten sollen erhöhte einmalige und außerordentliche Unterstützungen erhalten. Auch werden zur Ver besserung der Wohnungsverhältnisse der in Ztaatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und gering besoldeten Beamten, wie in den Vorjahren, besondere Mittel von Ihnen erbeten. Die Verabschiedung der Reichs-Militärpensionsgesctze oom 31. Mai 1906 läßt gewisse Abänderungen der Zivil- pcnsionsgesetze erforderlich erscheinen und gibt erwünschten Anlaß zu einer entsprechenden Aufbesserung der den pen sionierten Beamten und den Hinterbliebenen verstorbener Beamten zu gewährenden Bezüge. Die hierzu bestimmten Gesetzentwürfe sind in der Ausarbeitung begriffen. Zur Erweiterung des Staatseisenbahnuetzes und zur Vervollständigung seiner Anlagen durch zwei gleisigen Ausbau verkehrsreicher Strecken, sowie zur Unter stützung von Kleinbahnunternehmungen wird Ihnen wieder um eine Vorlage zugehen. Im Anschluß an das Gesetz vom 5. Juli 1905 wird die Einbringung einer Vorlage beabsichtigt, welche die Vorschriften des allgemeinen Berggesetzes über das Muten und Verleiben nach verschiedenen Rich tungen abändert und insbesondere die Gewinnung der Steinkohle und der Salze fortan dem Staate vorbehält. Die gegenwärtige Lage in den östlichen Provinzen zeigt deutlicher denn je, daß Preußens geschichtliche Aufgabe der Stärkung des Deutschtums in diesen Landesteilen zu ihrer Lösung die ernstesten An strengungen erfordert. Die Königliche Staatsregieruug hält die kraftvolle und beharrliche Durchführung der zur Er füllung dieser Aufgabe eingeleiteten staatlichen Maßnahmen für unbedingt notwendig. Sie wird dem Landtage eine entsprechende Gesetzesvorlage unterbreiten. In ernster Zeit nimmt der Landtag seine Arbeiten wieder auf. Um so unerschütterlicher vertraut die Königliche Staatsregierung darauf, daß ihre auf die Festigung und Ent wicklung unserer Verhältnisse gerichteten Bestrebungen bei Ihnen, wie bisher, eine hingebende und tatkräftige Unter stützung finden werden. Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs er kläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet." Vas Neueste vsm Tage. (Die noch Schluß der Redaktion eiogrgaugene» Depeschen stehen auf der L Seite des HauptblatteS^ Amerikanische Zollverhaudlungen mit Deutschland. AuS Washington wird in Ergänzung der letzten Depesche telegraphiert, daß Präsident Roosevelt auf Grund der Ver handlungen der Tariskommission die Vorlage über daS ge plante Zolleinvc »nehmen mit Deutschland noch dem gegenwärtigen Kongreß vorlegen werden wird. Keine Bermindeuung der englischen Flotte. Die englische Admiraliiät dementiert die Nachricht, daß sie beschlossen babe, die Zahl der Kriegsschiffe zu vermindern. Es handle sich einiach um eine Umänderung in der Zu sammensetzung der Geschwader deS Kanals, deS atlantischen Ozeans und des Mittelmeers, denen eine größere Anzahl Schiffe entzogen werden soll, um die heimische Flotte zu- sammenzusetzen. die von der Admirclität in Shernrß stationiert werden wird. Tic Verfolgung Raisnlis. Gegen die Beni Msaur, bei deren Häuptling, dem Scheich Zellal, Raisult Zuflucht gesunden baden soll, rüstet Gebbas eine Expedition aus. Ein Verwandter RaisuliS, Habji Labbi Uavrassi, bat um die Erlaubnis, sich zum Beweiie seiner loyalen Gesinnung diesem Zuge anzuschließen. Die Expedition wird wie die Hegen Zinal von dem Kaid Bagdavi geleitet werben, der alle Stämme, die sich weigern, Zugtiere zu liefern und sonstige Unterstützung zu leisten, als Rebellen zu bestrafen drodt. DaS erbeutete Schlachtvieh wurde auf dem kleinen Sokkoplatze in Tanger versteigert. Ein Teil des in Zinst aufgefunvenen Mobiliars wurde zu ansehnlichen Preisen verkauft. poMischrs. * Der Kaiser «ritz Amerika. Der Kaiser hat nach der »Frankfurter Zeitung- sechs preußische Offiziere auf seine Kosten eine Reise nach Amerika machen lassen, um ihnen Gelegenheit zu geben, Land und Leute zu studieren. - Auszeichnung einer Gemeinde. Der Kaiser verlieh dem Vorsteher des pommerschen Dorfes Lunow das Allgemeine Ehrenzeichen mit dem ausdrücklichen Wunsche, es alz Aus zeichnung der ganzen Gemeinde zu betrachten, in diesem Sinne auch zn tragen. Die Gemeinde ist bereits vom König Friedrich Wilhelm III. wegen ihrer vor 100 Jahren be wiesenen patriotischen Gesinnung mit dem Zioilehrenzeichen I. Klasse bedacht worden. * Zur Feier des BtschofSjubiläumS des Kardinal-Fürst bischofs Dr. Kopp sind eine große Anzahl von Ehrengästen in BreSlau eingetroffen. Als Vertreter des Kaisers ist Kultus minister Dr. v. Stuot erschien; als Vertreter der österreichi schen RegierungLanbcSpräsident Heinold. Ferner sind erschienen: Der Kardinal-Fürstbischof von Köln, Fiicber, Bischof Korum- Trier, Bischof Rosentreter-Kulm, Bischof Sckneider-Paverborn, der Weihbischof und Kapitularvikar sür Gnesen und Posen, LikowSki, der apostolische Vikar von Sachsen Bischof Schäfer, Kapitularvikar Arenbold-Fulva, Bischof Doobrov-Königgrätz, Bischof Voß-OSnabrück, Bischof Bertram-HildeSheim, Armee- bstchof Vollmar und Bischof Schmidt-Fulda. * Sine witzernatürliche Verbrüderung. Wie uns ein Privattelegramm aus Bochum meldet, fordern mehrere evan gelische Arbeitervereine deS RubrgebietS in Flugblättern zur Unterstützung der Zentrumskandivaten bei den Reichstags wahlen ans. Wo bleibt da die nationale Gesinnung dieser Vereine? * Unerhörten Mißbrauch mit Religion und Kirche treibt dos Zentrum bei der Agitation. An der Berliner St. Sebastian-Kirche wurden den Gläubigen, die zum Gottesdienste erschienen waren, im Kirchenraum Flugblätter in die Hand gedrückt, in denen die Zcntrumsmänner aufze- fordert werden, Herrn Mathias Erzberger ihre Stimme zu geben und möglichst zahlreich in einer am Mittwoch, den 9. Januar stattfindcnben Zentrumswahlversammlung zu er scheinen. * Bau von Arbeiterwohuungen. Einem uns aus Dort mund zugehenden cä-Privattelegramm zufolge bewilligte die LandesversicherunzSanstalt der Provinz Westfalen drei Millionen Mark für den Bau von Arbeiterwohnungen und billigen Einfamilienwohnungen. * Die Hamburger Schornsteinfegergeselle» stellten die Arbeit ein, weil die von ihnen geforderte Lohnerhöhung von der Innung abgelehnt wurde, trotzdem die Branddirektion die Forderung der Gesellen für berechtigt erklärte. * Feuerbestattung. Ein Privattelegramm aus Nürnberg meldet unS, daß der dortige Magistrat ebenso wie der Münchner unter Hinweis auf frühere Eingaben bei der bayerischen Staatsregierung wegen der Einführung der sakulativeu Feuerbestattung in Bayern vorstellig werden wird. * * Kein Kolonientausch. Das australische Ministerium sür Auswärtige Angelegenheiten erklärt, es habe keinerlei Nachrichten erhalten, durch die das in Melbourne verbreitete Gerücht über einen Eintausch von Tahiti gegen englisch« Konzessionen in Birma oder Indien bestätigt würde, Die Sache sei schon angesichts des neuerdings erfolgten Schrift wechsels über die Süd-seeinseln unglaubhaft. Der Premier. Minister für Neuseeland Sir I. G. Ward verneint ebenfalls daß bei ihm Mitteilungen eingeganoen seien, die sich aus Tahiti bezögen. Die Urheber des Gerüchtes sind angeblich Missionare. — England wird auch nichts Io einfältig sein, sich die Franzosen in Indien noch näher auf den Lcrd rücken zu lassen. * Konflikt am Simplon. Nach einem Telegramm aus Bellinzona ist ein Konflikt zwischen Italien und der Schwei, wegen des Simplontunnels ausgebrochen. Die Schweizer Regierung will die ausschließliche Kontrolle über den Tunnel, während Italien seinerseits einen Teil der Kon trollen beansprucht. Die Verhandlungen werden fortgesetzt. * Die Deutschen in Marokko. Der „Temps" läßt sich aus Tanger melden: „Die deutschen Kaufleute und Finanziers entwickeln eine lebhafte Tätigkeit angesichts der in der Kon vention von Algeciras vorgesehenen Vergebung von Berg werken und öffentlichen Arbeiten. Der deutsch« Gesandt« in Tanger unterstütze sie, indem er für sie Erleichterungen für Jnspektionsarbeiten verlangt. Der Vertreter einer großen industriellen Gesellschaft ist in Begleitung deS Geo logen Steinwachs angekommen, der besonders das Bergwesen kennt und bereits als Vertreter der Mendelssohngruppe, die den deutschen Anteil einer Anleihe sür die marokkanisch« Staatsbank übernommen hat, fungiert. Alle diese Herren stehen in enger Beziehung zu der deutschen Gesandtschaft." — Den Franzosen wäre natürlich lieber, die Deutschen ver- kneipten in ihrem Heimatslande die Zeit, während die Gallier sich der ganzen Welt bemächtigten. * Zum französischen Kirchenstreit. Das Interview deS früheren Kabinettschefs Combes mit dem Vertreter der Wiener „Neuen Freien Presse" wird im Vatikan als ein un glücklicher Versuch betrachtet, die Politik Combes' gegen die Kirche zu rechtfertigen. Der „Osservatore romana" vejtreitel die Behauptung Combes', daß die französische Regierung d«n Katholiken Frankreichs Wohlwollen entgsgenbrlnge. * Das Koalitionsrecht. In Frankreich versuchen letzt auch die Polizisten, ein K oa l i t i o n S r e ch t in An spruch zu nehmen. Aus Tours wird gemeldet: Polizeibeamte, die zu einer freundschaftlichen Vereinigung sich -usam-men- yeschlossen hatten, erhoben durch öffentlichen Anschlag ver schiedene Beschwerden. Die Gendarmerie besetzte die Polizeibureaus. Etwa 50 Polizisten wurden entlassen. — Wenn sic unter Clemenceau ihren Willen nicht durchsetzen, wird es wohl nie geschehen. * Ein Dementi. Die gestrige Nachricht von einer mili tärischen Meuterei in einer Pariser Kaserne erfährt heute folgendes lahme offiziöse Dementi: Gegenüber den stark übertriebenen l?) Meldungen der Blätter über einen Zwischenfall, der sich am 1. Januar in der Kaserne der Garde N-'puvlicaine ereignet hat, stellt die „Agence Havas" folgendes fest: Mannschaften, die das Neujahrsfest in der Kantine feierten, nahmen den Befehl, sogleich einen Extraarbeits- dienst zu leisten, mit Lachen und Gesängen auf. Sie taten jedoch die Arbeit, trotzdem es gerade regnete, ohne irgendwie gegen die Disziplin zu ver stoßen. — Eine herrliche Manneszucht, daß im französi schen Heere über einen dienstlichen Befehl gelacht wird! Aber das Schönst« ist, daß nach französischer Auffassung sie damit noch nicht „irgendwie gegen die Disziplin verstoßen" haben. Köstlich ist auch der Satz: „trotzdem es gerade regnete". Auch Feuilleton. Lier ist so charakterfest, clasi ihn nichts verfahren kann? Ltiakelpeare. In jeckes ääenschen Charakter sitzt etwas, ckas sich nicht brechen läßt — ckas kaochengedäucie ckea Charakters, vlctitenderg. Der Charakter ist ein kelr, an welchem gestranckete Schiffer lancken unck anflürmencke scheitern. ?,ul. Oer Charakter Ist der grösste ääultiplikator mensch licher Fähigkeiten. kono Mchrr. Da raffte der Äufzeforderte seine Handschriften zusammen und brach mit solcher Hast auf, daß es eher einer Flucht als «.-r. ^en ,Jphi- mer Goethe zur Zeit de» Lass». II. Von Hermann Graef (Leipzig). Als die Zeit, in der „Tasso" entstand, kann nun nach ein leitender Betrachtung über die Zeiten vor dieser Dichtung im Zusammenhänge überblickt werden. Am W. August 1786 wurde Goethes 37. Geburtstag in Karlsbad von einem geist reichen Kreise auf bedeutungsvolle Art gefeiert. ES wurden ihm nämlich Gedichte im Namen seiner unvollendeten Poesien überschickt, worin ihn diese um endliche Vollendung baten. Herder, auf dessen Urteil Goethe damals noch ängstlich hielt, ermunterte ihn in seiner ironischen Weise: er solle statt taubes Gestein zu klopfen, lieber lebendige Werke schaffen. Da raffte der Äufzeforderte seine Handschriften zusammen einer Reise glich. Unter den Manuskripten li g«nia". „Egmont", „Tasso" im Entwürfe. Ein a ., ... Leser der italienischen Briefe wird in ihnen ein eigentüm liches Seelengemälde, eine Art von Roman finden, denn wir sehen ihren Verfasser vor uns werden, d. h. aus einer Durch» uangsperiode mit endlicher klassischer Klarheit hervorgehen. Die ersten Briefe verraten einen Geist, der infolge einer döhercn Inspiration geaen alle Hindernisse ankämpfend eine bestimmte Richtung nach einem Orte einschlägt, ohne eigent lich zu wissen, was er dort will. Zwischen je zwei Zeilen steht immer das stumme Geständnis, der Verfasser schwanke in der Auffassung seines Berufes, ja, habe sich verloren. Wir lind durch seine eigenen, im Eingänge als Motiv an- gc'ührten Worte berechtigt, unS dieses starken Ausdruckes zu bedienen. Gleich der erste Brief ist charakteristisch: da sieht man das planlose Beobachten deS Wetters, der Stein«, deS ^andbaueS, der Jesuiten und in einem Eckchen auch d«S Steine erdrücken die Poesie, sie steht noch be- iwubt im Hintergründe. In der Bildergalerie zu München uhlt er sich unbe,misch, er hat den Sinn für Gemälde ver- lassen ihn kalt. „Aue« läßt er rechts uno Unt- lieg«», um dm einen Gedanken au»zu)ühr«n, der fast zu alt in seiner Seele geworden ist." Er meint Italien, oas er schon als Kind vom Vater preisen gehört hatte, und dem er auf den Schweizerreisen schon so nahe war. Beim Heranrücken der Gebirge geht ihm eine Welt auf, er glaubt an eine glücklichere Zukunft, und in der Tat spricht bald sein Genius -um „crecio" des Dichters ein beglückendes Amen. Unaufhaltsam vorwärts eilend — Venedig, wo er Tassos Strophen beim Mondschein von seinen Schiffern singen hört, und Florenz ziehen ihn nur flüchtig an — gelangt er Ende Oktober nach Rom. Wie durch einen Zauber fühlt er sich beruhigt, als er unter der Porta del Popolo sich gewiß war, Nom zu haben. Nun ruft er'am 1. November seinen Freunden in Weimar zu: „Endlich kann ich den Mund auf tun und meine Freunde mit Frohsinn begrüßen. Nun bin ich ruhig und, wie es scheint, auf mein ganzes Leben be- ruhigl." Erschöpft von Schauen und Staunen, wird er in den nächstfolgenden Briefen wortkarg, denn man müßte „mit tausend Griffeln schreiben", um alle die Eindrücke der Kunst, des Volkes, der Natur wiederzugeben. Der Weg seiner Rettung als Dichter war bereits angebahnt. Die bildende Kunst, welche ja von der Natur den Stoff, von der Poesie die Idee entlehnt, sollte die Vermittlerin zwischen Natur und Poesie sein, ihn von jener durch sich -u dieser führen. Sein erster Brief im neuen Jahre (2. Januar 1787) zeigt die Beschäftigung mit den bildenden Künsten an und denkt offenbar an Herder. ,Hhr habt mich ost aus- aespottet und zurückziehen wollen, wenn ich Steine, Kräuter, Tiere betrachtet; nun richte ich meine Aufmerksamkeit aus den Baumeister, Bildhauer und Maler und werde mich auch hier finden lernen." Die Wiedergeburt wirkte immer fort. Von Bedeutung war schon der Vorteil, daß der Kampf -wischen Kunst und Poesie nun einmal bis zur Entschieden- heit durchgekämpst wurde. Das Studium der Antike führte ihn seiner „Jphigenia" wieder näher, die nun auf NomS klassischem Boden, im Anblicke der plastischen Schönhmt alter tümlicher Kunstwerke, vollendet ward. Dieses Drama Kat fast eine allegorische Bedeutung für den damaligen Goethe: auch er kam wie ein -Weiler Orest in ein fernes Land, um endlich die verloren« Ruhe wiüxerzufinden; auch er ging nicht mit der klaren Ansicht dessen auS, waS er firchen sollte; auch er fand wie Orest ein« verloren geglaubte Geliebte: Goethes „Jphigenia" war die Poesie. Am Tage vor seiner Abreise nach Neapel ruft er voll Ahnung: „Auch ich steure auf einem leidenschaftlich be wegten Meere dem Hafen -u und halte die Glut deS Leucht- turmcS mir scharf im Auge: wenn sie mir auch den Platz zu verändern scheint, so werde ich doch zuletzt am Ufer genesen." DaS Manuskript des „Tasso" begleitete ihn nach Neapel. Einmal ruft er aus: „Tat ich nicht besser, „Jphigenia" anj Delphi »u schreiben, als mich mit den Grillen des „Tasso'' herumzufchlazen, — und doch habe ich dahinein schon zu viel deS Eigenen aeleat, als daß ich «« fruchtlos aufgeben sollte." Ein andermou schreibt er nach Weimar: „Wüßte ich nur, was Ihr zu „Jphiaenia" sagt, so könnte mir Lies »ur Leitung dienen; denn eS ist doch «in« ähnliche Arbeit, der Gegen- stand fast noch beschränkter als jener und will im einzelnen r.czr auSgearoeiter sein; w«» ich noch nicht, was cs werden kann; das Vorhandene muß ich ganz zerstören, das hat zu lange gelegen, und weder die Personen, noch der Plan, noch der Ton haben mit meiner fetzigen Ansicht die mindeste Verwandtschaft." Diese merkwürdige Stelle zeigt so recht deutlich, wie sehr Goethes Gestalten, lelbst die histo rischen, aus seiner Subjektivität heroorsproßten und Re präsentanten seiner Entwicklungsstufen waren. Das Histo rische unseres Dramas hatte sich doch während der zehn Jahre nicht verändert, der geschichtliche „Tasso" war derselbe geblieben, aber nicht Goethe. Nicht bloß der Ton, nicht bloß der Plan, selbst die Personen waren ihm nicht mehr ver wandt, sie mußten seinem jetzigen Seelenzustand nähcrgerückt werden. Frau von Staöl tut in ihrem Werke: „Ueber Deutschland" den gewiß merkwürdigen Ausspruch: „Goethe hätte das Leben Rousseaus zmn Muster für den Kampf zwischen der Gesellschaft, wie sie ist, und derjenigen, die ein poetischer Kaps sieht und wünscht, wählen können, aber das Leben Rousseaus bot natürlich weniger Stoff der Phantasie dar als Tassos Leben u. s. f." In der Tat war Goethe dem Genfer Philosophen zu jener Zeit ebenso verwandt wie seinem Tasso. Wen muß es daher nicht als bedeutungsvoll überraschen, wenn Goethe in Neapel folgendes Bekenntnis nieoerschreibt: „Manchmal gedenke ich Rousseaus und seines hypochon drischen Jammers, und doch wird mir begreiflich, wie eine so schöne Organisation verschoben werden konnte. Fühlt' ich nicht solchen Anteil an den natürlichen Dingen und säh' ich nicht, daß in der scheinbaren Verwirrung hundert Beob achtungen sich vergleichen und ordnen lassen, wie der Feld messer mit einer vurchgezoaenen Lime viele einzelne Messungen probiert, ich hielt mich ost selbst für toll." Auf der Fahrt nach Sizilien ist „Tasso" abermals GoethcS Gefährt«. Auf dem Schiffe: „Montag, den 2. April, früh 8 Uhr, fanden wir uns Palermo gegenüber. Dieser Morgen erschien für mich sehr erfreulich. Der Plan meines Dramas war diese Tage daher rm Walfischbauch« gediehen." Trotz dem läuft neben der Poesie noch immer Mineralogie, die Idee der Urpflanze, die Geschichte Caaliostros einher; noch hat keines der kÄzekte, die sein« Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ein entscheidendes Uebergewicht; ihm fehlt ruhiger Vorsatz, Sich«vheit d«S Zieles. Mit eben diesem planlosen Treiben und dabei doch ruhigen Erwarten de- da Kommen- den widmet er sich, nach Rom heimgekchrt. Studien und Ver suchen in der Malerei. Vielleicht bewog iyn diese Stimmung, den wahlverwondten „Egmont" hervorziimchen und zu voll enden. Weder der antiken Hoheit der „Jphigenia", noch des südlich - romantischen Dsttes deS „Tasso" teilhaftig, behielt ^Egmont" sein prosaisches Kleid in der Mitte -weier Jambenttagodie». Wer erkennt nicht Goethes damalige Lebensphilosophie in folgender Stelle? Könnte man nicht auf die ganz« italienische Reise Egmonts Glaubensbekenntnis alS Motw schreiben? Gab sich nicht der reisende Dichter selbst zu jener Zeit so zuversichtlich dem Laufe feines Schick sals hin? Man vergleiche die obige Stell« vom „Leucht-> türm" mit den Worten des grenzenlos auf sich und andere bauenden Niederländers: „Wie von unsichtbaren Geistern ««peitscht gehen di« Sonnenpstrd« der Zeit nut uustr»! Schicksals leichtem Wagen durch, und uns bleibt nichts, als mutig die Zügel festzuhalten und bald rechls, bald links, vom Steine hier, vom Sturze dort die Räder abzulenken. Wohin es geht, wer weiß es?" Im September bezog Goethe eine Villeggiatur in Fräs- cati. Da verlor er an eine „schöne Mailänderin", seine Schülerin in der englischen Sprache, die Rübe seines Herzens. Plötzlich vernahm er, sie sei Braut. Gewaltsam riß er sich los, um nicht einen zweiten „Wertherroman" zu erleben. Mitten im Treiben des von ihm später so meisterhaft beschrie benen römischen Karnevals sah er die Mailänderin zum ersten Male wieder. Ihr Bräutigam hatte ihr durch einen Treu bruch ein heftiges Fieber zuaezvgen, kaum genesen, fuhr sie nun mit der Malerin Angelika Kaufmann in der Wagen reihe. „Ihr Blick durchdrang Goethe bis ins Innerste." Sprachlos blieben sie einige Augenblicke einander gegenüber. Ein Händedruck — und das Maskenaetümmel trennte sie. Am 6. Februar 1788 legte Goethe seinen Freunden fol gendes wichtige Geständnis ab: „Ich bin recht still und rein und fedem Rufe ergeben und bereit. Zur bildenden Kunst bin ich zu alt; ob ich also ein bißchen mehr oder weniger pfusche, ist eins. Mein Durst ist gestillt, auf dem rechten Wege bin ich, der Beobachtung und des Studiums." Endlich am 22. Februar kommt es zum Durchbruche: „Täglich wirs mir's deutlicher, daß ich eigentlich zur Dichtkunst geboren bin und daß ich die nächsten zehn Jahre, die ich höchstens noch arbeiten darf, dieses Talent «Volieren und noch etn-as Gutes machen sollte, da mir das Feuer der Jugend manches ohne großes Studium gedeihen ließ. Von meinem längeren Aufenthalt in Rom werde ich den Vorteil ziehen, daß ich aus das Ausüben der bildenden Kunst Verzicht me." In dieser Stimmung wurden jene zwei kleinen, aber trefflichen Dich tungen: „Künstlers Erdenwallen" und Künstlers Apotheose" geschrieben. Der kier auftrctende Kunstjüngcr, voll redlichen Willens, aber unklaren Strebens, ist Goethe selbst. „Tasso" erfuhr abermals bedeutende Umgestaltungen, vorzüglich in Hinsicht des Schlusses. „Tasso" muß umgearbeitet werden; was da steht, ist nicht zu brauchen, ich kann weder so endigen, noch alles verwerfen." Aber immer mehr ging eS ihm auf, daß er nunmehr diesen Stoff unmittelbar ergreifen müsse, zu dem sich denn auch alle seine Gedanken binwendeten, er war ein willkommener Gesamte seiner bevorstehenden Reise. Denn da die Zeit der Heimkehr nun herannahte, ergriff iyn eine süß-schmerzliche Wehmut. Wie kur- vorher von der bildenden Kunst, sollte er nun auch von Italien scheiden. „Es ist immer ' — rief er — „eine sonderbare Empfindung, eine Bahn auf einmal zu verlassen. In jeder großen Trennung liegt ein Keim von Wahnsinn; man muß sich hüten, ihn nachdenklich auszubrüteu und -u pflegen." Auch von der unS dem Namen nach unbekannten Mailänderin nahm er Abschied. Das letzte Gespräch Hst er in der Scheu, es -u «ntweiben, uns nicht WitAeterlt. „ES war ein wunder bares, zufällig eingeleiteteS, durch inneren Drang abgcnötia- teS Schlutzbekenntnis der unschuldigsten und zartesten w«chs«l- stitigen Gewogenheit, da» mir auch deshalb nie auS Sin, und Seele gekommen ist." In einer schönen Vollmondnacht macht« Loelöe Kuren letzten Gang durch Rom, durchwand«,»«
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