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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070110010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907011001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907011001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-10
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Stelleu-Äuzeigeo. sowie La- und Berkaus« 20 Pj„ naanzrelle Anzeigen 30 Ps„ sür Inserate von au-wärtS 30 Pf. Reklamen 75 Pf., auswärts l Mark. Beilage gebühr 4 Mark p. Taufend exkl. Pvst,vbühr. Grschäftsauzeigru an bevorzugter Stelle im Preise erdicht. Rabatt nach Tarif. FürInIerote vom AuSlaude besonder« Tarif. »nzeigea-Ännadme; A«guftnS»latz 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen d«e und Auslandes. Für da» Erlchrinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. HaiUit-Ailiale Berlin: , CarlD » » cke r,Herzgl.Bayr.Hosbuchhandlg, Lützowltratze 10 kTelephoa VI, Nr. 4603). Filial-SrveI>tt1on:DreSden.MarIensir.A4 Donnerstag 10. Januar 1907. 101. Jahrgang. Var Wichtigste vom rage. * Die ehemalige Königin Marie von Hannover ist gestern im 89. LedruSjahre in Gmunden gestorben. (S. Dtschs. R.) * Durcb ein aus Windhuk eingegangenes Telegramm wird auSviücklick festgestellt, daß das von Oberst Deim ling am 24. Dezember 1906 gemeldete UnteiweriungS- ablommen von Oberstleutnant v. Estorfs mit ZokanneS Christian, dem Kapitän der BondelzwarlS, erst am 23. Dezember in llkama- abgeschlossen ist. Die vom „Vorwärts" verbreitete Nachricht, die Unterwerfung der Hottenloiten sei bereits am 2. Dezember in Windhuk dekanul gewesen, ist somit völlig unwahr. * Die „Nordd. Allg. Zrz." weist daraus bin, daß es zwar statthaft sei, ans den Namen des Direktors der Kolonialabteilnng Wahlzetiel abzugeben. da» aber die mebriache Ausstellung voa Zahlkancidaturen auf den Namen DernburgS weder mit seracm Wisse» noch Willen ersolgt seien. > * DaS „Militärwochenblatt" meldet die Ernennung deS Prinzen Friedrich Leopold zum Generalinspekteur der 1. Armeeinspcltion mit dem Standort in Berlin sowie die Stellung zur Disposition deS Generalleutnants Wollt» er, Juspelteur der 4. Zngenieuriaspektioa. * Die Unterosfizierschule in Neu-Breisach wurde auf kaiserlichen Beseht »ach Sigmaringen verlegt. * Als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Präsi denten Iungnickel der Eiseababndlretiion Altona ist der Eiten bah ndireltiousprasibent in Königsberg Göpel eraanut worden. * Auch in Dresden versuchten Sozialdemo, traten nationale Wählerversammlungen zu stören. sS. Letzte Dep.) * Der Schah vo» Persien ist gestorben. _(S. Leit- arrilel.) 5oriaiaemstrlaiischessampfermize. Tie beiden großen Versammlungen, im Zentraltheater am letzten Freitag mit Dr. Juncks Programmrede und rn der Alberthalle am Sonnabend mit Bebels Hilssrcde sür den sozialdemokratischen Neichstagskandldaten, hoben die eigentliche Wahlbewegung in Leipzig eingeleitet. Ader noch nicht sind acht Tage seit diesen Versammlungen vergangen, und schon hat die Kampsesweise der Leipziger Sozial- demokratie durch unwiderlegliche Tatsachen eine unzwei deutige, scharte Beleuchtung erfahren. Keine Partei wie die sozialdemokratische erhebt so un verfroren den Anspruch, einen nur sachlichen Kamps mit geistigen Waffen zu führen. Keine aber widerlegt sich selbst durch ihr Verhalten gegenüber dem politischen Gegner so schlagend, wie wiederum die Sozialdemokratie. Ein Blick in die „Leipziger Volkszeitung" und ein Rückblick aus das Verhalten der „Genossen" liefert dafür unumstößliche Beweise. Kaum batten die Freunde der Kandidatur Junck jene erste Versammlung im Zentraltbeoter bekannt gegeben, so erfolgte ein Massenaufgebot der Sozialdemokratie, um durch numerische Stärke den Erfolg dieser Versammlung sich zu sichern. Tas beißt, was man so unter Erfolg aus sozial demokratischer Seite versteht: Terrorismus der Masse gegenüber der Versammlungsleitung auf geg- uerischer Seite. Beileibe aber nicht Erfolg durch ein geistiges Uebergewicht. Wie hätte man sich sonst aus die ungeheuerliche Forderung versteift, dem ersten sozialdemo kratischen Diskussionsredner Stunde, dem zweiten min destens V? Stunde zu gewähren, und zwar in einer Versamm lung, bei der naturgemäß die verschiedenen bürgerlichen Par teien das Vorrecht batten, ihre Erklärungen zur Kandidatur Junck ahzugebcn. Man wußte, daß man mit einer solchen Forderung Ablehnung rinden mußte, man führte nur eine Komödie mit dem Recht aus Redefreiheit aus und hotte mit Hilfe der johlenden, schreienden, pfeifenden Masse sür den notwendigen Theaterdonner bei dieser Komödie gesorgt. Natürlich um dann in der „Volkszeitung" eine Posse der gekränkten Freiheitshelden weiterzuspielen und nun rn einer Flut von Beschimpfungen persönlichster Art zu zeigen, was man in der sür „eine höhere Kultur" s!> kämpfenden Sozialdemokratie unter geistigem Kampf versteht. Einige Beispiele dafür. Gleich die Ueberschrift des Schimviartikels enthielt das verheißungsvolle Wort „K n e i se r d a n d e", und daran reihten sich in trautem Verein die lieblichen Stilblüten sozialdemokratischer Geistes sülle: Schelmenstückchen, Infamie, Ordnungsbanditen, töl pelhafter und nichtswürdiger Gewaltakt, Heuchlerbrut, kurz- därmiges Geschlecht, politisches Kaschemmenviertel der Hurrakanaille, Demagogenrummel, listiger Köder, namenlose Niedertracht, Bande politischer Kipper und Wipper, Partei der organisierten politischen Prostitution, Jammerbrut usw. Kurzum »in feiner Auszug aus dem sozialdemokratischen Konversationslexikon, gepaart mit den persönlich gehässig sten Ausfällen gegen den Leiter der Versammlung, dessen Name zu verunglimpfenden Witzen mißbraucht wird. Und das alles, um den Akt terroristischer Willkür zu verdecken, den man veranstaltet hat, um einer von gegnerischer Seite einberusenen Versammlung eine Redefreiheit in dem Um fang auszuzwingen, wie ihn die üppig emporaeschossene Ueber- hcbung der Sozialdemokratie diktieren möchte. Der aber noch im Zweifel darüber war, daß es der Sozialdemokratie wirklich nich* um Redefreiheit, sonder» um Redemißbrauch zu tun war — den konnte, nein, den mußte die Versammlung des vorgestrigen Abends darüber belehren. Hier batte man der Sozial-1 demokratie nicht nur bereitwillig eine halbstündige Redezeit I für jedes Reba« gewährleistet. Hi« war die SozuAdemo-1 kratie auch darauf eingegangen, daß stets auf einen ihrer Redner einer der bürgerlichen Parteien folge. Und doch hat sie diesen Pakt schmählich gebrochen, hat sich als wortbrüchig erwiesen. Drei ihrer Redner hatte man von bürgerlicher Seite ruhig angehört. Zwei bürgerliche Dcbatteredner hatten auch die sozialdemokratischen Massen ruhig reden lassen. Als ihre eigene Rednerliste aber erschöpft war, hielt sie sich nicht mehr an den Pakt. Sie schrie den dritten Redner aus dem bürgerlichen Lager nieder und brachte damit den Dr. Junck um sein Schlußwort. So achtet die Sozialdemo, kratie die Redefreiheit. So offenbart sich die Partei, die für Freiheit und Gleichheit zu kämpfen vorgibt, als eine Partei des brutalen Terrorismus. Tie Entschuldigung, Dr. Henri« habe sie unerträglich gereizt, indem er auf sittliche Verfehlungen, die auch bei Sozialdemokraten so gut wie bei Angehörigen oller Parteien vorkämen, hinwies, ist eine faule Aus rede. Einmal hat er damit nichts Unwahres ge sagt, und wenn er den Vorwurf erhob, so geschah eS in der Abwehr acgen die verzerrte Darstellung des Sozialdemo kraten Lange, der nur von den von allen Parteien verurteilten Schandtaten Deutscher in den Kolonien zu reden wußte, ohne auch den deutschen Beamten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Also mit dieser Entschuldigung ist es nichts. Mit ihr wird die Partei nicht von der Anklage frei gewaschen, daß sie die Redefreiheit aus das brutalste zu Nichte gemacht und ihren wahren Charakter als Partei des Terrorismus entlarvt hat, die einem sachlichen und geistigen Wahlkampf nicht gewachsen ist, die mit den Kampfmitteln einer schlecht erzogenen Gassen jugend kämpft. Daß die „Leipziger Volkszeitung" dieses Benehmen der Sozialdemokratie billigt, überrascht nicht. Denn gerade sie hat in jahrelangen Schimpfereien unflätigster Art die bürgerlichen Parteien und ihre Führer so schimpf- lich behandelt, daß die große Masse nur die praktische Kon- seauenz aus diesen Lehren ihrer „geistigen Führer" zieht, wenn sie meint, ein Rowdytum, wie es am Dienstag abend die Redefreiheit vernichtete, sei das „Kulturmittel", mit dem die „völkerbesreiende" Sozialdemokratie zu den „lichten Höben der Menschheit" vorschreite. Uns kann diese Entlarvung wahren Charakters der Leipziger Sozialdemokratie insofern nur recht sein, daß Ne zeigt, wie man unter den Roten die Kandidatur Junck fürchtet, und wie notwendig es für die bürgerlichen Parteien ist, fest zusammenzustehen und den nochmalipen Sieg einer Partei zu verhüten, die die Freiheit im Munde führt, aber die Herrschaft des Terrorismus auszupflan- zen sucht. So kann und so muß das vernichtende Urteil, das sich die Sozialdemokratie mit ihrem Verhalten in der Dienstag- Versammlung selbst gesprochen hat, nur ein Schritt weiter sein zum Sieg der bürgerlichen Parteien am 25. Januar! Der fall Letrsche. Zum Fall Zetzsche und den Feststellungen der „Nordd. Allg. Ztg. äußert sich unser Gewährsmann nach einer Unterredung, die er vor der Veröffentlichung der genann ten Zeitung mit Herrn Ingenieur Zetzsche hatte, folgender maßen: 1) es ist richtig, daß Herr Zetzsche vor Annahme der Stelle vom deutschen Konsul in Moskau gewarnt worden ist, da am Ural Unruhen herrschten. Herr Zetzsche hat daraus der Petersburger Gesellschaft abgeschrieben. Diese schrieb dann zurück: die Mitteilungen des Kon sulats wären unrichtig: es herrsche dort völlige Ruhe. Sie wolle ihm die Stelle sechs Monate ofsenhalten, damit er sich die Sache überlegen könne Weitere Erkundigungen, die Herr Zetzsche in Rußland ein zog, lauteten, wie er angibt, übereinstimmend beruhigend, so daß er schließlich die Stelle annahm. Bei seinem Ein- treffen und in den ersten Monaten seiner Wirksamkeit waren auch keinerlei Unruhen zu spüren. 2l Eine Ausweisung aus ganz Rußland ist zunächst nicht erfolgt, sondern nur aus dem Gouvernement Perm. Die von Herrn Zetzsche seinen Freunden gemachte Mitteilung war danach nicht buchstäblich richtig, was wohl durch die Aufregung entschuldbar ist. In der Praxis aber kommt es auf eins hinaus: denn der ersten Ausweisung folgen ge wöhnlich die anderen. 3) Von einem Unterstützungsanerbieten im deutschen Generalkonsulat zu Petersburg wußte Herr Zetzsch«, trotzdem er dieses Besuches ziemlich ausführlich gedachte, nichts zu erzählen, sondern nur von dem Rate, nichts gegen die Petersburger Gesellschaft zu unternehmen, da bei den gegen- wärtigen Verhältnissen im Lande nichts für ihn zu erwarten sei. Wenn unter solchen Umständen den Rat- und Hilfe suchenden eine Visitenkarte an einen russischen Rechtsanwalt eingehändigt wurde lwir haben Herrn Zetzsche so verstanden, als sei dies aus der deutschen Botschaft geschehen!, auf der die Worte gestanden haben sollen „.... bittet den Heber- bringer dieser Karte zu empfangen", so liegt darin unseres Erachtens ein recht magerer „Schutz". Uebrigens würde es wohl angemessen sein, wenn Herr Zetzsche sich nun mehr über seine Petersburger Erlebnisse einmal selbst vor der Oefsentlichkeit äußerte, nachdem er doch selber diesen Weg beschritten hat. Raum würde ihm gewiß zur Verfügung gestellt. Wir könnten hierüber ja noch ver schiedene Mitteilungen veröffentlichen, wissen aber nicht, ob Herr Z. nicht nachträglich dem Auswärtigen Amte „sein Be dauern hierüber aussprechen" würde. 4) Nach Herrn ZetzscheS Darstellung ist erzweimal zu verschiedenen Zeiten im Auswärtigen Amt gewesen. Das erste Mal habe er den Eindruck empfangen müssen, daß nichts für ihageschehe« solleoder könne. Dar auf sei er zur Redaktion des „B.T." gegangen, um sich selber an die Oefsentlichkeit zu wenden. Inzwischen sei der Artikel im „Leipziger Tageblatt" erschienen. Als er noch einmal ins Auswärtige Amt gegangen sei, habe man ihm vorgehalten, daß seine Sache ja bereits in der Presse sei. Das wäre nichtgut. i!!) Im übrigen.-der sei man nun bereit gewesen, ihn anzuhören, und habe ihm, soweit dies möglich sei, Hilfe versprochen. Hierauf gab Herr Zetzsche die durchaus richtige Erklärung ab: er habe ienc Beröff-ntlichung nicht veranlaßt. Inhaltlich aber sei sie durchaus zutresfeud.und sage eher «och zu wenig als zu viel. Wir erkennen gern an, daß daS Auswärtige Amt sich der Angelegenheit Zetzsche nunmehr energisch angenommen hat, uno wollen auch gar nicht untersuchen, welchen Au - teil die deutsche Presse hterau hat. Wir können aber vorläufig noch nicht anerkennen, daß die diplo matischen Vertreter des Deutschen Reiches in Rußland alle- getan hätten, um den um Ehre und Stellung gebrachten Deutschen gegen russische Willkür wirksam zu schützen. Denn die Behauptung des Gouverueurs von Perm, er habe Zetzsche im Interesse von dessen persönlicher Sicherheit aus weisen müssen, ist d-ch gar zufadenschel- nig. Deshalb braucht man doch erneu ehr lichen Mann nicht öffentlich einen Dieb und Lump zu nennen, und ibn unter Kosakeneskorte sv'ort vom Platze weg abzuschieben! Deshalb braucht man doch dem Beschimoslen .richr zuzurmen: „Ich gebe Ihnen mein Wort: solange Sie Direktor dieser Werke sind, erhält Ihre Gesellschaft in Petersburg die bei der Regierung beantragte Subvention nicht!" War das auch etwa „zum persönlichen Schutze" erforderlich? Auf alle Fälle aber hat Herr Zetzsche jetzt selber einmal das Wort. Er wird nicht umhin können, sich zu äußern, da ja im „B. T." ein ungenannter Geschäftsmann ihm einige nicht bedeutungslose Vorwürfe macht, die zwar, wenn sie sich bewahrheiten sollten, seiner Ehre nicht zu nahe treten, wohl aber das Odium des Leichtsinns auf ihn laden. Lm steile vrrnburgr. . „An Sie, die Hüter der Kulturgüter unserer Nation, an i die Führer und Lehrer unterer Heranwachsenden Ge- I schlechter, geht im nationalen Interesse unsere Bitte, Helsen Sie uns, Leu Impuls zu erwecken, ohne den nach einem VlSrnarckscheu Worte tcrue Kotonlatpotltil Erfolg haben kann." Mit diesen Worten schloß Exzellenz Dernburg seine akademische Rede in einer Versammlung von „Intellek tuellen", wie der Pariser sagt. Ader diese Intellektuellen haben einen an sich ganz vernünftigen Gedanken gefaßt, sie wollen als „Koloniales Aktionskomitee" in die Wählerschaft des Reiches das Verständnis tragen, das dem kleinen Mann bis heule sür die bisher befolgte Praxis deutscher Kolonial politik gefehlt hat. Der Wille ist gut. Fragt sich nur, ob die Herren Akademiker, die in das Komitee gewählt wurden, die richtigen Wege finden, dem Wähler beizukommen. Leicht ist das gewiß nicht. Die Deutsche Kolonralgejelljchaft, die bei ihren Zielen und Bestrebungen das neue „Aktions komitee" wahrscheinlich in der Stille des Herzens für nicht gerade notwendig halten wird, hat es in Jahrzehnten ihrer Arbeit erfahren. Sie ist bis zu einer gewissen Schicht unseres Volkes durchgedrungen, darüber hinaus stellte sich ihr, trotz Versammlungen, Vorträgen und Lichtbildern, ab- solut sprödes Gestein entgegen, das allen Bohrveriuchen widersteht, und das neue Komitee wird es nicht leicht haben, hier durchzudringen. Die große Masse unserer Wähler hat leider unter der Fuchtel der Parteipolitik, besonders der Rothcmdcn, die Frage nachbeten gelernt: 6ui Kairo? Wem und was bringt die Kolonialpolitik ein?, und Exzellenz Dernburg hat sich redlich bemüht, hier eine hübsche und runde Antwort zu geben. Herr Dernburg hat vor allem recht, wenn er auf das nationale Moment in unserer Kolonialpolitik hinweist. Wir haben in unserer Betrachtung über die Kolonialpolitik und das nationale Krastbcwutztsein vor Herrn Dernburg einen ähnlichen Ge danken ausgesührt. Vielleicht aber ist der neue Kolonial- dircktor der Mann, der trotz allem Geschreis, das sich er heben würde, den Kollegen vom Kultus nachdrücklich ein schärfte, daß das Verständnis für alle Ueberseepolitik bei uns ein kümmerliches Pflänzlein bleiben wird, solange wir nicht beginnen, schon in unseren Schulen die Unterwei- sungin kolonialen Dingen zu einem Gegen- stande des obligatorischen Unterrichtes zu machen. Die Forderung ist längst von verständigen Leuten gestellt, aber noch n,e erfüllt worden. Die englischen Lernanianger haben kleine Atlanten, in denen sämtliche Plätze der Welt, wo Engländer leben, rot unterstrichen sind, und darunter steht der lakonische Satz: „Alles, was rot, ist englisch." Zur Schwächung des Nationalbewußtseins dienen solche kleine Hilfsmittel gewiß nicht. Die Generation von heute, die die Geschicke des Reiches bestimmt, ist für das volle Verständnis für den Wert der Ueberseepolitik meist verloren, sie steht mit beiden Beinen meist noch auf der Ueberzeuaung, daß mit dem Frankfurter Frieden das eigentliche Werk des territorialen Ausbaus unseres Reiches abgeschlossen sei. Selbst für den Besitz Helgolands fehlte ihr die Würdigung. Wenn wir nicht mehr in kümmerlich ausgesparten Stunden ein paar spärlich« Brocken unserer kolo nialen Wissenschaften Hinwersen müssen, wenn wir erst plan- mäßig hier das Notwendige zum Gemeingut des Volks wissens machen, so werden die „Kanoniere der Kolonial skandale" umsonst ihre Kartuschen abbrennen. Wer weiß heute in Wählerversammlungen etwas von den Dingen, die die Kolonalpolitik sür ihr Verständnis als bekannt vorans- setzen muß? Wer kennt die Sturm- und Drangperiode der holländischen, französischen, englischen Kolonialarbeit? Wer weiß etwas von AdventurerS Companies, wer von dem wirk- lichsn Gang der Entwicklung Indiens und Nordamerika«? Wer kann nachprüsen. ob Herr Dernburg mit seinem Lob gesang auf Südwestafrika Recht bat? — Unter tausend nicht zebn. Herr Dernburg möge also auf diesem Gebiete den Pionier spielen, e« ist keine verlorene Arbeit. Mit den Pflästerchen und Pillen, die hin und wieder verabfolgt werden, ist nicht- geholfen, bier muß eine Radikalkur ein- setzen, und wir halten Er»ellenz Dernburg wohl für den Mann, der sie durchsetzen ko» nie. Die Eingeborenen s^ag« behandelt Herr Dein- bürg als vornchtiger Monn i— denn das ist er trotz der forschen Suite mit Roeren, nhd der Gedanke, baß die Ein- aebo reuen nicht über Locht Zu Kuirullvesjche» gvsacht werden können, ist nicht neu: der Hinweis: „Nicht zuviel Vorschriften" wird vielen und großen Beifall finden, aber wir fürchten, Herr Dernburg wird den idealen Kolonial- beamten, wie er ihn schildert und wünscht, verflucht dünn gesät finden. Der Missionar ist in dem Bilde auch nicht vergessen, aber Herr Dernburg wird wohl daran tun, Missionsarbeit und offizielle Kolonialpolitik als zwei sehr scharf gesonderte Gebiete anzusehen. Er, der sich mit südwestasrikanischen Verhältnissen besonders zu beschäftigen scheint, wird vielleicht gerade bei dieser Gelegenheit Material sür diese Behauptung finden. Die Mission geht ihre eigenen Wege, wir wollen nicht leugnen, daß sie von ihrem Stand punkt aus ost Grund haben mag, mit den Vertretern der weltlichen Obrigkeit in den Kolonien in scharfe Dlnerenz zu geraten, aber Herr Dernburg wird sich ein Verdienst er werben, wenn er beiden Teilen klar zu machen weiß, daß ihr Wege wohl parallel lausen können, aber si-*> nicht kreuzen müssen, wie eS leider heute — siehe Togo! — der Fall »u sei» scheint. Der Kernpunkt der Dernburgschen Rede ist die Tbeie: Die Kolonialfrage ist eine Geldfrage. Wir sind die letzten, welche gegen die Ausgaben einer Politik, die bisher noch im Stadium der Experimente stank, Zeter schreien wollen. Aber Dernburg soll nicht der- aessen, daß die Beibehaltung unserer Kolonien, die Opfersreudigkeit für unfern „überseeischen Besitz" beute noch nicht eine Probe auf den nationalen Vorteil, sondern auf die national« Ehre ist. Und in oiesem Punkte ist unser Volk Gott sei Dank noch immer empfindlich. Aber wir hätten diesen Punkt von Herrn Dernburg noch schärfer be tont gewünscht. Vielleicht tut er's am Freitag im deutschen Handelstag. - — - vom stSnig arr stönige. Bescheiden sind die Potentaten deS Orient! eigentlich nicht. Der Tenno von Japan ist schon mehr Gott als Mensch in den Augen des Volkes, und eigentlich ist es em Gnadenwunder, wenn er am Feste der Kirschblüte sich im Parke seines Palastes unter den Sterblichen sehen läßt, Tee trinkt, Cercle hält und wieder in Unnahbarkeit ver schwindet. In China ist der Sohn des Himmels noch himm lischer als sein Kollege in Tokio. Nicht nur die Mauer., der geheiligten Kcme'fttadt, sondern die weit festeren Boll werke des Zeremoniells trennen ihn zeitlebens von seinen Untertanen, die ihn eigentlich nur von Hörensagen kennen. Und wenn die allmächtige Kaiserinwitwe den europäischen Diplomaten Audienz erteilen muß. so ist das eben eine Aus geburt der Zeit, und auf chinesisch wird die Sache wohl jo erzählt werden, daß die „roten Teufel" winselnd im Staube vor der Allmacht Ihrer Majestät gelegen und um ihr arm seliges Hundeleben gebettelt haben. Auch der Schab in Schah, der „König der Kö.'.ige", der Persiens Geschicke lenkt, ist mit seinem Titel echt orientalisch: an Bescheidenheit kränkelt der nicht. Aber auch in anderer Weise ist er der echte Orientale. Sein Vater Nasr-ed-Tin sowohl wie er selbst haben bekanntlich immer gern auf ihren kostspieligen Europaspritztouren den abendländisch an- gehauchten Kosmopoliten gespielt, den modernen Kultur- mcnschcn, der sich nur noch in Lack und Frack wohlfühlt. Auch in Berlin gab es genug naive Menschen, welche dem „König der Könige" mit den haselnußgroßen Brillanten an der Lammsellmütze über den müdablickenden Augen und dem melancholisch herabgcstrichenen Schnurrbart seine Bildung giaubten. Aber die Hosbcamten wußten manchen Zug von dieser Bildung zu erzählen, der nicht genau in den Knigge für Prinzenerziehung paßte. Daß er bei Tafel statt deS Champagners nur Brauselimonade getrunken habe, braucht man nicht ohne weiteres zu glauben. Das war wob! mehr für seine gutgläubigen Untertanen berechnet' denn der sidelr König der Könige, der auf der Promenade die Berliner Damenwelt mit ourchaus unverhülltcm Wohlgefallen recht deutlich auszeichnete, wird wohl gewußt haben, daß Heidsieck und Pomrnery noch lange nicht die schlimmsten Plagen der Men'cbbeit bilden. Man glaubt, der brave Nasr-ed-Din habe doch hin und wieder nebenden Pfaden des Temperen-- lers Mohammed gewandelt. So streng sonst der Koran ist. für den Aufenthalt der Gläubigen rn den Ländern der Christenhunde gibt es allerlei Lizenzen. Die türkischen Offi ziere, welche in Deutschland Watten abnehmen, haben oft einen sauber geschriebenen Ferman in der Tasche. Man glaubt, daß die Herren OLmanir auf Grund dieses Schrei- bens des obersten Musti in Stambul Eisbein essen und ein Münchener ausrotten dürfen, was sie ohne Zweitel ruck ohne Ferman tun würben, so lange sie in Deutschland weilen. In der Türkei hört die Sünde von selber aus, denn der willigste Sünder findet da eben keinen Siechen oder Weiben- stephan. Der .Hammel spielte bei den Schabbesuchen in Ber- lin eine große Rolle. Die Hammel mußten rituell geschlachtet werden, und die persischen Gäste konnten nicht beqrei'en, daß man in preußischen Kvnigsschlössern den blökenden Fest braten für aewöhnüch nicht auf Parkettböden und Teppichen ausbluten läßt, und daß die Gardinen und Portieren eigent- lich nicht dazu aufgehängt sind, damit man sich die blutbe- subeltcn Schlächtcrhände daran obwischt. Ülker die edlen Söhne Irans socht es wenig an, ivas diese ungläubigen Hunde dachten, denen man die <A>re des Besuches antar. Auch sonst verrichteten sie ungeniert mancherlei Menschliches nach beimjschem Brauche in den gastlichen Räumen, und der Herr Kastellan und die Lakaien mchen oewiß noch lange nach der Abreise ihrer werten Gäste „gewittert" — vorausgesetzt, daß die Herren Schloßoeamten nicht an chronischem Schnupfen litten. Ganz modern waren die hohen Gäste aber im Einkans bei den teuersten Geschäften in Berlin. Sie kauften, was ihnen gefiel und fragten durchaus nicht nach den Preisen. Ma» erzählt sich allerdings, daß daS preußische Oberhosmarichallantt reckt eigenartige Freuden empfand, als ibm hinterdrein allerlei Rechnungen präsen tiert wurden. Na, Gäste sind eine Gabe deS Himmels, und der liebe Himmel läßt es auch bi» uad wieder selbst einem hoben Hofiuarschallamte „in d,e Bude reg»««". Am gemütlichsten wird es de» Geiolg« des Schab ru Berlin wohl gewesen «ein, weil bier einer vo« der intim sten Umgebung deS Schad nicht seines Annes walte» durfte: der Henker. Der „König der Könige" soll trotz ferner europäische» Reisen und Schslde« ein ganz übler Morgen- länder sei«, Ker manchem arme« Teufel. Ker ibm bei Tafel aufwartete, zmn Lohne das geschorene Haupt mit der Para- dieseSlocke vor die flöße legen ließ. Bei den Mahlzeiten, die in versiegelten Schüsseln ausgetragen werden, und zwar aus dem Teppich, steht der Henker hinter dem Schab. Weun einer der Eunuchen durch Ungeschicklichkeit oder unpassende»
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