14 Maike Günther Genossenschaftliche Prinzipien im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit Auch wenn das deutsche Genossenschaftsgesetz auf 1898 datiert, sind genossenschaft liche Prinzipien nicht an das Industriezeitalter gebunden, sondern in allen Gesellschaften zu beobachten. 1 Schon die im Althochdeutschen und im Neuhochdeutschen gebrauchten Begriffe »ginözscaft« und »Genoßschaft« meinen in ihrer Grundbedeutung die Begriffe: Vereinigung, Gemeinschaft und Kameradschaft. 2 Trotzdem können heutige Begriffs definitionen zum Genossenschaftswesen nicht problemlos auf die mittelalterliche und frühneuzeitliche Gesellschaft übertragen werden, die nicht auf dem Prinzip der Egalität, sondern auf Standesunterschieden beruhte. Vielmehr erfuhr das genossenschaftliche Prinzip in dieser Zeit eine besondere Ausprägung, die der freien Einung. Diese Verbände beruhten auf der Gleichordnung der Mitglieder und vereinten in ihrer Grundstruktur soziale Gruppen, in denen eine paritätische Ordnung dominierte. Sie erwuchsen aus gemeinsamen wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen und gründeten auf einer vertraglichen Übereinkunft, die mit einem Eid beschworen wurde. Das zeigte sich im städtischen Bereich am deutlichsten im gemeinsam geleisteten und oft alljährlich wie derholten Bürgereid, prägte aber auch die Statuten der Gilden und Zünfte. 3 Das vorherrschende Prinzip dieser Vereinigung wurde seit dem 19. Jahrhundert von den Vertretern der deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichte 4 als ein genossenschaft liches angesehen. Es funktionierte nie als allein bestimmendes Merkmal, sondern immer in Wechselwirkung mit anderen Grundsätzen. Herrschaft war immer der direkte Gegen spieler, der auf dem Verhältnis von Über- und Unterordnung basiert. Mit dem Begriffs paar Herrschaft und Genossenschaft werden bis heute grundlegende Organisationsprin zipien der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ständegesellschaft beschrieben. 5 Auch die Genesis der Stadt Dresden beruht auf dem Wechselspiel von Herrschaft und Genossenschaft. Sie ging verfassungsmäßig aus einer Gemeinschaft von Kaufleuten und später auch Handwerkern hervor. Die Rede von der Verleihung von Stadtrechten durch einen Herrschaftsträger hatte zu der irrigen Annahme geführt, dass die Stadtherren auch ihre Urheber gewesen sein müssen. 6 In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ließen sich Kaufleute in verkehrsgünstiger Lage im Bereich des heutigen Altmarktes nieder und gründeten eine Siedlung mit einer Nikolaikapelle. 7 Auf der Grundlage eines Marktprivilegs des Markgrafen von Meißen oder des Burggrafen von Dohna 8 , das zu gleich Schutz gewährte, konnten die Kaufleute eine Gemeinschaft gleichen Grund-