32 Karl-Heinz Löwel Beispiele des genossenschaftlichen Wohnungsbaus im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in Dresden 1849 bis 1910 - Die Wohnverhältnisse in der Stadt Wie in vielen europäischen Städten war es besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahr hunderts auch in Dresden zu einem bis dahin nicht gekannten sprunghaften Anstieg der Bevölkerung gekommen. Die Zahl der Bewohner Dresdens stieg von 94092 im Jahre 1849 auf 548308 Bewohner im Jahre 1910. 1 Das bedeutete einen Bevölkerungszuwachs um nahezu das Sechsfache innerhalb eines halben Jahrhunderts. Dadurch entstand im gleichen Zeitraum eine massive Überbelegung des vorhandenen Wohnraumes, und die Wohndichte stieg, je nach Stadtgemeinde, um das Doppelte-in der Pirnaischen Vorstadt sogar bis zum Achtfachen. 2 Ursachen dafür waren die sich rasch entwickelnden Industrie standorte mit einem steigenden Bedarf an Lohnarbeitern, die sich aus dem Umland rekrutierten. Die Wohnverhältnisse, vor allem die der Lohnarbeiter, nahmen katastro phale Verhältnisse an. Das Wohnungsproblem war für sie zu einer existentiellen Grund satzfrage geworden. Auf den Vereinstagen deutscher Arbeitervereine wurde »zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses und zur Abwendung sozialer Schäden Hilfe durch Selbsthilfe als erfolgreichstes Mittel« angesehen. Das Genossenschaftsgesetz von 1889 Im 19. Jahrhundert war die rechtliche Ordnung des Genossenschaftsrechts ein Politikum ersten Ranges. 3 So war es erst nach langjährigen Auseinandersetzungen im Deutschen Reichstag gelungen, das »Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen schaften vom 1. Mai 1889« - auch 2. Genossenschaftsgesetz genannt - zu verabschieden. Bei einem zügellosen Wirtschaftsliberalismus und einer repressiven konservativen Innen politik Bismarcks gegenüber den Genossenschaftspionieren wurde erst sechs Jahre nach dem Tod des Hauptakteurs des ersten Genossenschaftsgesetzes, Hermann Schulze- Delitzsch (1808-1883), und nach Aufhebung der Sozialistengesetze dieses ergänzte Genossenschaftsgesetz verabschiedet. Danach war eine Baugenossenschaft im rechtlichen Sinne als Wirtschaftsunternehmen handlungsfähig, wenn eine Eintragung im Genossen schaftsregister beim zuständigen Amtsgericht erfolgte. Von Bedeutung war, dass jetzt die beschränkte Haftung zugelassen wurde, d. h. die Genossenschaftsmitglieder brauch ten im Falle einer Insolvenz nicht mehr mit ihrem Besitz, sondern nur noch mit ihrem eingebrachten Genossenschaftsanteil zu haften. Mit der Verabschiedung des »Invalidi-