01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941004010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894100401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894100401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-04
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Labellarifcher und Ziffrruiatz nach HSHerrm Tarif. Gtztrn-Veila^a (gesalzt), nur mV der Morgen - Aufgabe , ohne Pvstbeiörderung >4 60—, mit Postdeforderung ^l 7V.—. Annalfmeschlnk fir Änzeiyen: Abend-AuSqobe: Bormitlag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 't,8 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» balde Stunde früher. Aaietgeu sind stets an die ErNeditten zu richten. »«9—0- Druck und Verlag non E. Polz kn Lewzkg ^?5V7. Donnerstag den 4. October 1894. 88. Jahrgang. Amüiche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. E< wird biermit zur öffentlichen lkcnntniß gebracht, daß nach §. S der Marktordnung für die Stadt Leipzig vom LS. April 1881 vom 1. Oktober lausenden bi« mit 30. Avril nächsten Jahre« vrr Kleinhandel in der Markthalle erst um 7 Uhr Morgen» beginnt und sonach dem einkaukenden Gnbltenm erst voa diesem Zeitpunkt ob der Eintritt in die Markthalle gestattet wird. Zuwiderhandelnde haben Ausweisung au« der Markthalle, eventuell Bestrafung nach g. 38 der Marktordnung zu gewärtigen. Leipzig, den 3. Oktober 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr G eorgi. Schulz». Lkkanntmachung. Nachdem die Steinmetz-, Zimmer-, Visen-, Klempner-, Dachdecker-, Tischler-, Schlaffer-, Glaser-, Maler- und An- ftrricherarbeiten zum VrmeiteruligSda» der 1V. Vezirksschulr in Leipzig - Eutritzsch zur Vergebung gelaugt sind, werden die nicht berücksichtigten Bewerber aus ihren Angeboten entlassen. Leipzig, am LS. September 1884. Id. Der Rath der Stadt Leipzig. 2138 vr. Georgi.vr. Ddf. verkauf auf -en Abbruch. Der Berkaus der aus dem Grundstücke Reitzenhainer Stratze 128 in Leipzig-Thonberg anstehenden BaulichkeUrn aus den Abbruch soll im Wege des schriftlichen Angebots erfolgen. Die Adbruchsbediugungen können bei der Geschäftsstelle des 3. Bezirk» unserer vochdan - vrrwaltnntz, Knpsergätzchrn Rr. 1, I Tr. lKramerhau») eingtsthen werden Di» zum Abbruche bestimmten Baulichkeiten sind am ö. und 8. diese« Manat« BonmttogS voa 10—12 Uhr zur Besichtigt»,« geöffnet. Bezügliche Angebote sind in verschlossenem Umschläge bi- zum 8. dtrses Manat« Nachmittag« 5 Ubr mit der Ausschrist: „Abbruch dr» Grundstück« Rritzrnhainrr Stratze 1ti8 in Leipzig-Thonberg' »ersehen portofrei iu der oben bezeichneten Geschäftsstelle ria- zureiche». Jeder Bieter bleibt bi« zu der durch öffentliche Bekanntmachung im Leipziger Tageblatt» ersolgendea Entlassung «a jein Gebot gebunden. Die Auswahl unter den Bieter», sowie di« Ablehnung oller Angebot« wird Vorbehalten. Leipzig, am 3. Oktober 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. Id. 34S7.vr. Georgi.Colbitz. Lekauntmachung. Anmeldungen zu den Ausbildung«- und WirderholungS- rursen in der „ersten Hilfe bet Unglitck«fälleu" werden bis zum 1ü. Oktober in unserer Gefchästöstell« (I. Sanilotswache) Hainstrobe 14 gegen 1 >ll Tinschreibegedübr entgegrngenommen. Anmeldungen zum DaMktirur« können ebendaselbst (auch schriftlich) bewirkt werden. Leipzig, den 1. Oktober 1884. Ter Vorstand drS Lamariter-Brrein». vr. mell. Aßmu«. Lekanntmachung. Die Anmeldung derjenigen in hiesiger Parochie wohnenden Konfirmanden, welche anderwärt« Schulaastalien besuchen, wird in den Togen vom 3. bi- 5. Ortobrr, Nachmittag« 2 bi« 4 Uhr ia hiesiger Psarramtsezpeditioa, Friedrichstraße, Pfarrhaus, Part., erbeten. Betzubringen ist Geburt«, und Tauszeugniß. L-Plagwitz, dea SS. September 1884. Go.-luth. Pfarramt das. k. Schmidt^ Lrkanillmachung. Diejenigen Mitglieder der Israelitischen RelsglonSgemeinde zu Leipzig, welche noch mit Gemeindesteuern für da« laufende Jahr im Rückstand« sind, werden hierdurch auigesordert, die rückständigen Be träge bi« spatesten« den 12 Octoder d. A. zn entrichten. Andern» fall« wird die Einziehung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgen. Leipzig, de» 3. Oktober 1884. —D. v. » I «. z. L. Lerirksverein I^6ip2iA-8ta6t. VO m» I,, n « vloustug. cken v. Vetobor 1t?V4, ^benckn 6 Obr im 8»ul« Cor Icroton Itllruoraebulv. Tupoaorcklluogi I. <Ii« 'logooorckllunzk <ier vleu»rrer»»wwluug ck« v»n>ie,-dletijLiv»X'oUe«ium». II. St»o<le»»ug«Ie^suhoit«ll (ck. Liul»äuvg»lt»rle^. vr. Uelnre. Lemerkenswertke Vorgänge im socialdemokratischen Lager. 32 Der nächste socialdemokratiscke Parteitag wird sich al- eine jasagende Mamelukrn-Gesellschaft erweisen, wie seine Vorgänger. Wa« auf den Versammlungen, welche die Dele- girtrn wählen und „Jniativanträge" di-cutiren, vorgeb«, ist inlereffanter al- der Verlaus der Parteitage. Zwar macht der vorwärts" in seinen Berichten Uber virsc Versammlungen von dem Rechte des Schweigen« gleichfalls ou-gir-igrn Ge- brauch, aber wenn Berliner „Genossen- brralhen, wagt er doch nicht, hierin allzuweit zu gehen — di« Reklamationen au- der nächsten Nachbarschaft werken nicht selten unangenehm. So erfährt man au« dem Berichte Uber die am 28. Sep tember abgebaltenen Versammlungen m den sech« Berliner Wahlkreisen manche« Wissenswertste, Lehrreiche und Bedeut same. Vor Allen«, daß auch die plebs couU-ikuvus in der socialbeniokratische» Gemeinte den alljährlichen Partei tag als eine Farce anzusehen gelernt hat. In mehreren Ver sammlungen wurde tln Antrag angenommen, den Parteitag in di« Psingslwoche, bezw in die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr zu verlegen, weil dann viele Mandat-bewerber leichter vom Hause abkömmlich seien. Jetzt, so wurde von verschiedenen Seiten bemerkt, sei der Parteitag eine ,Domai»e der Partribeamten". Natürlich bleibt der Antrag ein frommer wünsch, da die Parteilritung auf »i« — demokratisch zu reden — abhängigen Elemente im „Arbeiterparlamcnt" nicht verzichten kann, und diese selbst sich nicht dcpossediren werden. Da« Beamtentbum in der Partei und der dafür gemachte Aufwand wird überhaupt mit gesteigertem Mißtrauen be trachtet. E» wurde fast einstimmig ein Antrag angenommen, welcher die Bemessung der Gehäiter de- Parteivorstande«, der Rcdacteure, der Eentralorgane und ter Parteibeamten einer Commission überweisen will, weicher Parteibeamte und Redakteure nicht angehören dürfen. Dieselbe bat die Bezüge einer »Revision" zu unlerzieben mit der Maßgabe, daß die Jabresgeställer 3000 nicht übersteigen dürscn. Da- wäre in Anbetracht der jetzigen opulenten Bezahlung der Bemühungen für die „Befreiung de- Proletariats" ein gewaltiger „Rück schritt". Aber er wird nickt gemacht werden. Die Berliner Versammlungen sind indessen nickt nur in persönlichen Dingen unbequem geworden. Namentlick bat die in der breiten Masse der „Genossen" trotz aller Anstrengungen nock nicht völlig auSgcrottetr Ehrlichkeit an der großen und jetzt für die Landagitation so wichtig gewordenen Earkinal- lüge: „Religion ist Privat sacke", wiederum Anstoß ge nommen. Da wurdeeine „präcisereFassung" diesesProgramm- puncleS verlangt, dort forderte man von den Führern den Austritt aus der Landeskirche, in dem man zugab, daß die fortdauernde Zugehörigkeit zur Kirche aus Täuschung be rechnet sei, und im dritten Wahlkreise „monirten", wie der „Vorwärts" selbst sich auSdrückt, mehrere Redner, daß her vorragende Parteigenossen „noch immer der Religion an hängen" und daß insbesondere Herr Singer „jäbrlich Hunderte von Mark an ReligionSgemeinschasten binwerfe". DaS socialdemvkratische Amtsblatt macht zu dem letzteren Hinweis die Bemerkung: „Unseres Wissen« beruht diese Behauptung auf Unwahrheit." Der „Vorwärts" scheint aber nicht gar so ungläubig zu sein, denn er unterließ es, eine Erkundigung d«i dem cultuSsteuerpflichtigen Führer einzuziehen, obwohl er vierundzwanzig Stunden Zeit dazu hatte. Bis auf Weitere» muß man die Angabe ter „Genoffen" al- richtig betrachten. Herr Singer ist rin steinreicher Mana und di« Berliner jüdische Gemeinde bat einen großen Etat; cS werden also wohl Hunderte von Mark auf den jüdischen Atheisten und niillioncnbesitzenden Proletarier entfallen. Die Anträge aus Lüftung dr« Schleier«, der über den Gegensatz der Social demokratie zur Religion gebreitet ist, wurden überall ab gelehnt, aber daß sie wievergrkommen waren und daß der „Vorwärts" sich über die „recht rege" Debatte, die sic hervorgerufen, auSschwcigen muß, ist wcrthvoll — gegen die Landagitation, die allseitig als die wichtigste Aufgabe bezeichnet worden ist. Herr Stadthagen will dieser Aufgabe gereckt werten, indein er dem Reichstag ein „Gesetz, betreffend die Aushebung ter Ausnahmegesetze (!) gegen ländliche Arbeiter und das Gesinde" vorlegie. Der Parteitag wird ihn sicher in diesem Vorschlag bestärken, aber der au- dem bayerischen Schwaben stammende ReickStagSabgcordncte Fischer batte kein Hebl, daß er sich von diesem Agitation-mittel weniger verspreche, als der Berliner Ep-Advocat, der übrigens auch die rcichsgeseyliche Gewährleistung der unbeschränkten Schank freibeit beantragen wird. Dem liegt natürlick die Absicht zu Grunde, die Zahl der socialdemokratisch agttirenven Gast- »oirthe zu vermehren. Die bevorstehende Auseinandersetzung mit der baye rischen Landtag-sraction warf in fast alle Berliner Versammlungen ihr« Schatten voraus. Uebcr- «instimmend und zum Theil mit großer SckLrsr wurde dir Bewilligung del Lande- - Etats burck Vollmar und Genossen veruriheilt, und vom Parteitag sowohl prin- cipirlle Stellungnahme als auch die Maßregelung Voll- mar'S verlangt. Man dürfe, so wurde gesagt, keines- fall- um der geistigen Begabung des bayerischen Führers willen den Gegensatz verschleiern, man müsse ihm vielmehr „tücklig die Wahrheit sagen", und „derartige Manipulationen ein für alle Mal" unmöglich machen. Inzwischen hat sich gezeigt, baß da- also in Berlin zur Schau getragene herrische Wesen die Münchener Position Vollmar'« niutt verschlechtert bat. Eine ernste Meinungsverschiedenheit ist übrigen« auch unter den Berlinern, im Wahlkreise de« Herrn Singer, hrrvorgetreten. Ein Arbeiter hatte angeregt, die socialdcmvkratische NcichS- tagSsraction solle eine alle Arbeiter Deutschland- umfassende Versicherung gegen Arbeitslosigkeit beantragen. Er kam übel au be, einem vr. Heymann. Dieser witterte in dem Antrag ganz richtig die Preisgabe de« Standpunkte«, von dem aus ter „Eapitalis- mu«" das absolute und unheilbare Uebel ist. Er bestritt nicht die Möglichkeit, daß die herrschende WirthschastSorknung ihre Schäden selbst beseitige, er nannte es aber einen Schlag ins Gesicht des SocialiSmuS, diese Wahrheit durch einen Antrag auf Arheiterversichcrung anzuerkennen. Das ist echt socialreinokralisch gedacht, und wenn der erfahrene Herr Singer der Auffassung re» vr. Heymann rntgegentrat, so ist da« ein Beweis dafür, daß die Arbeiter die Versicherungs gesetzgebung zu schätzen beginnen und aus diese sicher «ragende Ebene nicht zu Gunsten der goldenen Berge dr- ZukunstS- staateS verzichten wollen. Nicht» wäre aber unberechtigter und verhänznißvoller, al» wenn man auS der in Arbkitertreisen wachsenden Schätzung der VersicherungSgeseygestung einerseits und au- der gegen die Führer und ihre Erealuren j»a> regenden Opposition andererseits den Schluß ziehen wollte, die von der rrvolutionairen Parte, drohend« Gefahr sei im Äbnebmen begriffen und berechtige die bürgerlichen Parteien sowobl, wie die Regierungen, ihr unthälig mit dem Muthe der Kaltblütigkeit in» Auge zu sehen. Im Ge gentheil wächst die Gefahr in dem selben Maße, in dem jene Schätzung und die Opposition wächst. Die Despoten de» Umsturzc« und ihre Söldlinge handeln genau so, wie andere Despoten und ihre Manieluken. Schwankt ihre Herrschaft und drohen Abfall und Empörung in ihrem Gewalldereicke, so werden sie den Nachbarn am gefährlichsten. Sie leokrn aus diese dir Empörung und spielen ihren letzten Trumpf au«, indem st« die gährenden Massen zu e,nem Angriffs kriege führen. Der „Femd", der im „großen Kladdera datsch" zu Boden gewoifea werden soll, braucht nicht erst gesucht oder gezeigt zu werden. Er ist seit Jahrzehnten täglich unk stündlich in den schwärzesten Farben gemalt worden. Und gerade darau- zieht die Opposition ibre Nahrung, daß ter „große Kladderadatsch" mit seinra er träumten Folgen zu lange ans sich warten läßt und daß seine Propheten beim Hinausjchiebcn der Action all mählich Gervvhnbeiten sich angeeignet babeu, die sie als charakteristische Merkmale deS Feinde- bezeichnet kalten. DaS drängt zur „Action nach außen," zum Signal, aus da» Tausende und Abertausende warten und harren. Und e- wird gegeben werden in dem Augenblicke, wo einerseits die volle Wirkung der Versicherung-grsetzgebung zum Masscnabsall lockt und andererseits die radicalr Opposition den Führern und ihren Gunst- und Schützlingen die goldenen und silbernen Stühle unter dem Leibe hinivegzuziehen ernsle Miene macht. Und dieser Augenblick ist, wenn nicht Alles täuscht und wenn nicht ganz andere Maßregeln zur Bekehrung der Einsichtigeren und zur Eindämmung der Agitation ihrer über die Köpfe der Führer „vorwärts" drängenden Genossen ergriffen werden, nicht mehr fern. Der Kaiser bat dies erkannt. Möchten die Männer seines Vertrauen- die reckten Mittel zur Ad- wendung der Gesahr finden, dir sie, wie auö den Vor- dereitungen zum socialdemokratiscken Parteitage hervorgcht, zu vermindern nickt vermocht haben. Deutsches Reich. 32 Vrrlin, 3. October. Die Nation alliberale Presse sieht sich durch ihre Gegner der Notdwendigkcit enthoben, den Verlaus deS Frankfurter DelegirtentagcS uud die Bedeutung dieser Veranstaltung eingehend zu würdigen. Die „Frankfurter", die „Kreuzzeitung" und zwischen ihnen die „Voss. Zig" und da« „Berliner Tageblatt" besorgen da« Geschäft unübertrefflich, indem sie, jede» Blatl nach seiner Art, aber alle in der Absicht, in den nattonallibrralen Beschlüssen nicht- Greifbares zu finden, Punct für Punct anfassen und dabei verrathen, daß sie sehr solide Dinge in den Händen halten. Die Kritik de- „Nicht vorhandenen" ist dann selbstverständlich eine adsällige, die Aussprüche der Radikalen von rechts und links Heden sich aber vollkommen aus und beweisen wieder einmal, daß die nationalliberale Partei ist, wa» sie sein will: eine Mittel partei, dir durch Versöhnung der Gegensätze Erre chbarcS verwirklicht, statt wie die Anderen ewig zu „proclamiren". Während die „Kreuzzeitung" die Frankfurter Reivluiioneu den Bauern und Handwerkeru al- ihren Interessen zuwiderlausend denuaciren möchte, auf diesem Wege aber wirklich „nickt« GreffbareS" findet, schlagen die freisinnigen Blätter über diese „Reactionalre" dir Hände über den Köpfen zusammen. Itom will die „Krcuzztg." au- der Frautsurier Versammlung brrauSgebvrt haben, die Rationalliberalen zögen den Anarchismus der christlichen Schule vor, und die „Voss. Zig." vermißt — trotz der Rete des Abgeordneten Böttcher — bei denselben Nattonallibrralen den Entschluß, gegen die rück läufigen Bewegungen auf dem Gebiet der Kirche und der Schult anzukämpsen! Wir fragen nicht: „Wer hat nun Recht'?" sondern: „Wer ist größer im Unterlegen?" DaS leitende demokratische Blatt „findet", die Rattonalliberalen hätten den Mittelstand in Stadt und Land verralhen, weil sie über die Militairlasten geschwiegen. Merkwürdig nur, daß der Mittelstand selbst diesen Vcrralh an sich übt, eine Mehrheit für die letzte Mllttairvorlage in den Reich-iag gebracht und insbesondere sür die Demokratie, die sich doch niemals durch die Bewilligung einer HeereSauSgabe versündigt«, gar nicht» übrig hat. Di« „Kreuzzig.", die d>e Sache dock nicht an diesem Ente anpacken kann, versichert, zur Heilung de» NolhstaudcS in Landivirlhschaft und Hand werk hallen die Nationalliberalen nur Motel „zweiten und dritten Range«" in Bereitschaft. Welche« sind aver dir Mittel „ersten Range«"? Dir „Kreuzztg." kennt auch nur eine«, nämlich das eme „Wort" über die Frage der Preise der Erzeuguissel Diese« Wort werben di« Rationalliberalen allerdings Niemals finden, denn sic stimmen mit der Grund- Überzeugung der „Kreuzztg." überein, daß man über diese Frage nur Worte, wen» auch in di« Form von Anträgen gekleidete Worte mache» kann, sie unterscheiden sich aber von den Neuconservativen dadurch, daß sie es verschmähen, zu Macktzwecken unerfüllbare Versprechungen zu macken. Die Resolution über die Unisturzdestrebungen ist Vie „Kreuzzeit." nicht abgeneigt, „lächerlich" zu finden, jedenfalls erscheinen ihr die Natioualliberalen aber gänzlich ungeeignet, an der Ver wirklichung de» Königsberger Programms ces Kaisers mit- zuwirkrn. Dazu genügt es wohl, aus da- Tclegramni hinzu weisen, in welchem der Monarch seine Ueberzeugung aus drückt, daß er „aus die Partei in guten wie m erliste» Zeilen rechnen kann". In Königsberg und den Eonservalivcii gegenüber ist bekanntlich einer Aujsvrderung rcS gleichen Inhalt« vorder Bekundung der Zuversicht der Verzug gegeben worden. Ten Freisinnigen und Demokraten auf der anderen Seite scheint der Entschluß der Nalioiialliberalcii, kie Umsturzbestrebungen zu hemmen, nur zu ernst, und diese sind noch besonder- unglücklich über die in der Forderung „eine- klaren Programms der Regierung und einer ziel bewußten einheitlichen Haltung derselben" uiedergelegte Kritik, sowie wegen der, wie Vie „Voss. Zig" klagt, „teuk- dar schärfsten Form", in der die schnäcklichc Eolouial- politik ihre Würdigung gesuudeu hat. Wir löiincu den be sorgten Herrschaften leider nicht Helsen, für uuS ist unter dem Guten, wa- in der Maiustadl zu Tage getreten, jener Frri- niuth da- Beste. O. II. vrrlt«, 3. October. Während da» social- demokratiicke Eentralorgan bis jetzt nur reserirenv über die Massenverhastung der Feuerwerker be richtet, drückt die kleine socialdeniokralischt Presse doch unverhohlen >dre Freude über die Vorgang« in ter Ober- seuerwrrkrrschule au«. „Die Bajonette denen" über- schreibl die „Magdeburger Volksittm-ne" einen längeren Artikel, der die Verhaftung beschreibt. Anknüpfend an folgende Worte Bebel» in einer Volksversamnilung in, An fang diese» Jahre«: „Die Socialdemokrati« besitzt heute nicht t,r Möglichkeit, die Bajonette in di« Hand zu bekommen, darum muß sie trachten. Jene zu gewinnen, welche di« Bajonette zu tragen haben", spricht ras genannte Blatt seine Geiiugthuung darüber au-, daß die Prophezeiungen Bebel'» so schnell >n Erfüllung gegangen seien. Indem es von dem Gerücht Notiz nimmt, daß di« Feuerwerker bei einem Fest «m socialistische» Lieb gesungen hätten, knüpft e» daran folgende Bemerkungen: So sehr wir uns freuen — vorausgesetzt, daß die Angaben auf Wahrheit beruhen —, daß die Soldaten, insbesondere die Ebargirtcn, welche be rufen sind, aus die Erziebung der Soldaten rinruwirken, mit den socialdcmokratischen Ideen svmpathisireu, so sehr müssen wir da« Vorgehen der Fcuerwcrksscküler aus da- Lebhafteste bedauern. So lange das „Volk iu Waffen steckt, bat cS sich aller Provocation zu enthalten". Die letzteren Worte sind natürlich nur zu dem Zwecke geschrieben, dem StaatSanwalte die Hände zu binden; eS freut fick ;a darüber, daß kie socialistische» Ideen in das Herr eindringen. Und man täuscht fick sicherlich, wenn man annimmt, da« Heer sei vom SocialiSinnS »och gar nicht berührt. Ganz unbeachtet ist eS in der deutschen Presse geblieben, daß am 2. Scpiember, als die Socialdemokratcn ter Agitatorin Wa knitz ein DemonstrationSbcgräbniß veranstalteten, eine Anzahl Soldaten der zur Zeil hier in Garnison liegenden Linicn-Infanlerik-Regimenlcr sich unweit deS KirchbvjS der freireligiösen Gemeinde in der Pappel-Allee (wo man die Wabuitz begrub) eingesunken ballen. WaS Soldaten dort, wo die letzten Häuser von Berlin stehen, zu tbun hatten, war mir damals unklar, beute weniger. Ist denn der Fall de« Lieutenants Hofmeister ganz vergessen? Wurde nickt au» Ostpreußen vor etwa Jahresfrist gemeldet, daß ein ein gezogener Unterossicier sick teinonstrativ an soclaltcinokratlscken Agitationen delkeiligt habe? Von der Stimmung der Berliner Bürgerschaft, als die genauen Vorgänge in der Fcuerwerkersckulc bekannt wurden, kann man sich keinen Begriff macken. Will die Milttairbebörde die zum Tdeil start deunruhigteu Gemitther wieder besänftigen, so ist cS dringend notkwendig, daß die Untersuchung so schnell als möglich ge fördert und da- Ergcbniß derselben mitgelheilt wird, damit da- Publicum ganz klar sehen kann. * Vrrlln, 3. Octobrr. In der bereits erwähnen Ver sammlung der „Antisemitischen Vereinigung für Norddeutsch land", in der über den Eisenacher Ver söbnungStag beratben wurde, legte Professor Förster die Grundzüge eine» Programms der künftigen vereinigten Antisemitenpartci vor. Sie lauten nach der Angabe der „Deutschen TageSztg." folgendermaßen: „Alle Voltsgenossen sind gleichberechtigt. Für gleiche Arbeit ist der gleiche Lohn zu gewabren. Vorrechte der (Ycburt und des Standes sind unzulässig. Auszeichnungen durcö Orden, Ehrentitel rc. sind avzujchassen. Ti» Erblichkeit des Besitzes hat «ine weise Einschränkung zu er fahren, da zu viel Besitz in einer Hand zur Entartung führt. DaS drohende neue bürgerliche Gesetzbuch ist durch eine wahr haft deutsche Rechlsgcsetzgebuiig zn ersetzen. Auch das neue Gesetzbuch sei aus undculicher Grundlage aufgebaut In ihm kommt das römisch - jüdische Wucherrccht und nicht wnhrhasl deutsche Rechtsanschauung zum Ausdruck. Die Bergwerke und großen Betriebe sind zu verstaatlichen. Tas „Recht aus Arbeit" ist gesetzlich sestzuleqen und baruin eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit «inzusuhren. Jedem Bürger deS Staates ist eine Heim- und Brod stelle zu gewädrleislen. An Stelle von Lohn arbeit sollen freie Erwerbsgcnossenschasten unter Leitung und Verwaltung des Staate» trete». Tie Besteuerung >u eine noch dein Einlouunen nnssleigendc. In der Slrasrechlspsiege ist Ver ba n nun g rückfälliger Verbrecher in die Colonien vorzusehcu. Neben dem Reichs lag ist eine zweite Kammer, welche sich auS den Beriis-släiideii zusämmensetzt, zu errichten. Tie Kirche ist frei und unabhängig vom Staate und untersteht dem Vereins- uud Bersaminlungsrecht." Tie „Deutsche Tage«ztg", die ru dem Bund der Land- wirtbe in nahen Beziehungen steht, bemerkt zu diesem Förstrr'scken Elaborat, seine „immerhin eigentbümlicken An schaunngcil und Forderungen" ließen da- böse Wort von der Vorfrucht der Socialdemokralie „wenn auch nicht gerecht fertigt, dock, nicht mehr ganz unerklärlich erscheinen". V. Berlin, 3. Oktober. (Telegramm.) Wie verlautet, wird der Kaiser auf Jagdschloß HubertuSstock voraus sichtlich vom 5. bi» 12. d. Ml«, verweilen und am 13. Oktober wieder im Neuen Palais eingetroffen sei». In Wiesbaden wird der Aufenthalt deS Kaiser- nur ein ganz kurzer sein, desgleichen in Darmstadt; an beiden Orten dürste er am iv. d. MlS. verweilen uud bereits am Abend dieses TageS nach den. Neuen Palais zurückkcbrcn Am l7. wird in der Rlchmesballe zu Berlin die Nagelung von 132, für die vierten Bataillone bestimmten Fahnen und am 18. October vor dem Denkmale Friedrichs de» Großen die Weihe derselben in besonder« feierlicher Weise siaitsindcu. Zu dieser Feier sind Einladungen au sämmtliche regierende deutsche Fürsten ergangen, insoweit dieselben nickt selbstständig den Truppen Fahnen zu verleiben berechtigt sind (Bayern, Sachsen, Württem berg). Insofern diese regierenden deutschen Fürstlich ketten nicht durch Unpäßlichkeit an ibrem Erscheinen ver- hindert sein werden, dursten dieselben der feierlichen Fakueu weide vollzählig beiwohnen und tbeil» im Neuen Palais, «Hells im Slablschlosse zu Pot-dam Wohnung nehmen. Auck der König von Serbien, der am 18. d. Wien verläßt und am 17. October hier einzutrefsen gedenkt, wird der Feier beiwohnen und sür die Dauer seine« Veiweilen« am kiesigen Hose im PotSdamcr Ltavtschlosse wohnen. Nack der seicr- licken Weibe der l.32 Fahnen soll, wie verlaute», im Marmor saale deS Reuen Palai» eine größere Galatasel statifinten. — Berlin, 3. October. Die Eonscrcnz zur Bcratbuug der aus Bekiimpsunn vc» nnlauterrn WcttbtwrrkrS be^ gegen den Vcrratk von Geschäfts- und Fabrikgebeimnisscn gerichteten Maßregeln ist heule Vormittag lO Uhr unter dem Vorsitz de- Direktors Rothe im Reick Samt te« Innern zusammengctreten. Von bekannten Persönlichkeiten waren unter Ankeren anwesend die Abgeordneten Schmidt (frcis. VolkSpartei) und IacodSkötter (deutsch < conscrvativ), die aus der Agrar - Eonserenz ausgetretenen Hecht (Mannheim) und Iw. Landgraf (Stuttgart). Tie Einladungen sink hauptsächlich au Mitglieder te- gewerblichen Staute« er gange». Für dies« Eonsereul sind bestimmte Grunkzügc auSgearbeilet worden. Als Verfasser unk Vertreter der selben tritt RegierungSralh Hau« aus. Tie Eonserenz soll etwa vier Tage Lauern. U. Berlin, 3. October. tPrivattelegramm) De. Hammann ist unter Ernennung zum Wirkl. Lcgaiion«- ralhe zum Vortragenden Rathe ,m Auswärtigen Amte ernannt worden.
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