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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 19.05.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193205192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19320519
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19320519
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1932
- Monat1932-05
- Tag1932-05-19
- Monat1932-05
- Jahr1932
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 19.05.1932
- Autor
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Mich VanerSKehurtsta«. Heute, am 1». Mai ist der IM. Geburtstag des Dichters Ludwig Bauer, dessen vaterländisches Trutzlied „O Deutsch land hoch in Ehren" mit dem Refrain „Haltet aus, haltet aus, lasset hoch das Banner wehn usw." seit Jahrzehnten von Tausenden gesungen wurde und noch gesungen wird. Bauer wurde als Sohn eines Lehrers am IN. Mai 1883 in dem unterfränkischen Pfarrborfe Ingolstadt bei Würz burg geboren, studierte nach dem Besuch des Gymnasiums auf den Universitäten Würzburg und München Philoso phie und klassische Philologie und widmete sich dem Lehrerberuse. Schon frühzeitig zeigte sich die poetische Begabung Ludwig Bauers. Im Jahre 1860 ver ¬ öffentlichte er eine Sammlung seiner Gedichte, der im Ver lause der Jahre noch mehrere Bünde folgten. Die Mit- und Nachwelt ehrte und ehrt heule noch den Lyriker dadurch, daß seine Lieder in weite» Kreisen gesungen werden. Ver schiedene Komponisten, so der englische Heinrich Hugo Pier fon, der auch „O Deutschland hoch in Ehren" komponierte, Weinberger, Ehr. Burkhardt, Alexander von Jiclitz und Franz Abt. An patriotischen Liedern schrieb Bauer außer dem bereits erwähnten Trutzliede noch „Neiterlied vor der Schlacht", „Germania", „Deutsches Hcrbststurmlied" und das in Burkhardts Vertonung volkstümlich gewordene „Im Feld des Morgens früh". Ludwig Bauer hat auch mehrere Operntexte und Novellen geschrieben nnd bewährte sich auch als Uebersetzer. Ferner war er als Theatcrkritiker tätig. In seiner Frau, der Adoptivtochter des Tonkünstlers Pier son, besah der Dichter eine musikalisch gebildete Lebens gefährtin, die vor ihrer Vermählung in Mozartopern die Koloraturparticn gesungen hatte und auch vielfach in Kon zerten ausgetreten war. Er starb, zuletzt erblindet, am 3. August 1910. Der Ehe Bauers entsprossen vier Kinder: Frau Dr. Sckebrecht in Augsburg, die am 29. Mai ihren 7N. Geburts tag feiert, Frau Margarethe Specht, ehcm. meiningische Hofschauspielerin, Reinhold Bauer, Komparseninspektor und Mitglied des Staatlichen Schauspielhauses in Dresden, und Theo Bauer, KammcrmusiknS im Orchester der StaatSoper Dresden nnd langjähriger Vorsitzender des Dresdner Ton künstlervereins. * Dresden. Wie oben berichtet, ist am 19. Mai der IM. Geburtstag des Dichters Ludwig Bauer, dem mir das Lied „O Deutschland hoch in Ehren" verdanken. Aus diesem Anlaß hat der in Dresden lebende Sohn des Dichters, Kammermusikus Theo Bauer, von Kaiser Wilhelm aus Doorn ein Telegramm erhalten, in dem es heißt: „Seine Majestät der Kaiser begrüßt Sie zum IM. Geburtstage ihres Herrn Vaters und läßt Ihnen in dankbarer Würdigung der patriotischen Gesinnung und des begeisternden Wirkens des Dichters des Trutzlicdes „O Deutschland hoch in Ehren" beifolgend sein Bild mit Unterschrift zugehen. Im aller höchsten Auftrag gcz. Graf v. Schwerin." — Auf dem Bilde selbst hat Kaiser Wilhelm eigenhändig vermerkt: „O Deutsch land hoch in Ehren". Vermischtes. Eine Wärmflasche explodiert. Eine Ein- wohncrin aus Biebesheim (Hessen) hatte eine Bettflasche m den Ofen gestellt, um sic zu erwärmen. Dabei exvlo- dierte die Flasche, wobei der Ofen auseinandergerissen wurde. Es entstand erheblicher Sachschaden. Auch die Decke des Zimmers wurde beschädigt. Tie Frau kam mit dem Schrecken davon. Hoch klingt das Lies vom ehrlichen Er werbslosen. Einen schweren Berlust erlitt in Neu münster (Holstein) ein Rentner, der seine Briestasche mit 200 Mark und wichtigen Papieren verlor. Die Tasche wurde von einem im 6. Jahre erwerbslosen Arbeiter gefunden und sogleich abgeliefert. Der Finder erhielt von dem erfreuten Besitzer 50 Mark Finderlolm. DreiIähriges Kind hackt sich zwei Finger ab. Eine »rau in Kelsterbach a. M. war mit Holzhacken beschäftigt, wobei ihr ihre beiden kleinen Kinder zu schauten. Als sie einen Augenblick d»n Arbeitsplatz verließ, ergriff das dreijährige Kind das Beil und hackte sich zwei Finger der rechten Hand ab. Der Märchenerzähler „Fama" hat nicht Immer Glück. Im Sommer vorigen Jahres wurde tn der Näh« von Kempten eine Händlersfrau, Mutter von zehn Kindern, von einem Automobil getötet. Dem Vater der Kinder flössen sehr reichliche Gaben der mit leidigen Kemptener Bürger zu. Er verlangte aber außer dem von dem Autobcsitzer einen Schadenersatz von 7100 Mart und beschwor vor dem Gericht in Kempten, daß die Getötete seine Ehefrau Emma Pfaus gewesen sei, mit der er sich 1008 in Lyon habe trauen lassen. Nachträg lich stellte sich jedoch heraus, daß der angeblich« Händler Pfaus sich mit dieser Frau, einer Emma Stroß aus Böhmen, vor dem Kriege im Wohnwagen in der Schweiz und in Südfrankreich herumgetrieben hatte, daß er wegen Fahnenflucht mit 8 Jahren 5 Monaten Zuchthaus und außerdem noch 20 mal wegen Hehlerei und Diebstahl Vor bestrast war. Er bediente sich falscher Namen und nannte sich u. a. auch „Fama", offenbar weil er den Behörden mancherlei Gerüchte und Märchen erzählte. Nach Aus kunft des deutschen Konsulats in Lyon ist er auch dort nicht getraut worden. Infolge dessen wurde Pfaus jetzt wegen fahrlässigen Falscheids zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. 62jähriger Sittlichkeitsverbrecher. Das Schöffengericht Köslin verurteilte den 62 Jahre alten Schuhmacherineister Gustav Lück aus Schivelbcin ivegen Sittlichkeitsvergehens an zwei noch nicht 14 Jahre alten Mädchen zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis. L-, der im Jahre 1028 wegen gleichartigen Vergehens schon vorbestraft wurde, ist seit 1026 zum zweiten Male verheiratet: der ersten Ehe waren 15 Kinder entsprossen. Neunmal Selbstmord-Versuch. Ein .Hand werksbursche, der am Samstag in Kepten zugewandert Ivar, öffnete sich in angetrunkenem Zustande die Pulsadern nnd versuchte sich mit einer Rasierklinge den Hals zu duräh- schneideu. In leichtverletztem Zustande kam er in das Krankenhaus in Bingen. Es ist bereits das 0. Mal, daß der Haudwerksbursche diesen Versuch unternommen hatte. Es ist ihm scheinbar immer nur darum zu tun, von Zeit zu Zeit einige Wochen in ein Krankenhaus zu kommen. Wildgewordene Kuh verwundet einen Landmann. Ein Lanomann aus Kaltenkirchen, der eine Kuh nach einer Nachbargemeinde transportieren wollte, wurde unterwegs van dem wildgewordenen Tier ange griffen und derartig mit den Hörnern bearbeitet, daß er in besorgniserregendem Zustande dem Krankenhause zuge- siihrt werden muhte. kli> IiWlen siil lein IielSen Nein! Das ist die Anzeige, die Sie nur hin und wieder im Riesaer Tageblatt ausgeben. Wer Dauer-Erfolge wünscht, mutz auch dauernd inserieren. Die großen Rabatte, die ihnen das Riesaer Tageblatt bei einem längeren Anzeigen-Abschluß gewährt, erleichtern Ihnen das Inserieren, folglich auch den Weg zum Erfolg. Mit Anzeigen werben, heißt mehr verdienen. Gerlchtssaal Hohe Zuchthausstrafen für einen Raubüberfall Dor dem Gemeinsamen Schöffengericht Dresden wurde der Raubüberfall in der Barbarastraße verhandelt, der von drei jungen Leuten am Nachmittag des 21. März dieses Jah res auf eine Verkäuferin oer 91. Verkaufsstelle de« Gör- litzer Waaren-Einkaufsvereins verübt worden war. Die Täter erbeuteten seinerzeit einen Betrag von 1400 RM. Unter An- klage standen der 1911 in Schottland geborene Autoschlosser Oswald Mutzke, der 1914 geborene Porzellanmaler Walter Hempel und der 1904 geborene, bereit» vorbestrafte Kraft wagenführer Karl Schwabe. Wegen Begünstigung war au ßerdem der 1907 geborene Schlosser Willi Mutzke angeklagt, der aber zur Hauptverhandlung nicht erschienen war und, wie sich herausstellte, nach England gegangen ist. Gegen ihn wurde das Verfahren vorläufig abgetrennt und Haft befehl erlassen. Oswald Mutzke, Hempel und Schwabe wur den wegen gemeinschaftlichen Diebstahls und gemeinschaft- lichen schweren Raubes verurteilt, und zwar Mutzke und Hempel zu se drei Jahren sechs Monaten Gefängnis, Schwabe zu fünf Jahren einem Monat Zuchthaus. Mutzke und Hempel wurden die bürgerlichen Ehrenrechte auf zwei, Schwabe auf fünf Jahre aberkannt. Die Untersuchungshaft kommt bet Mutzke und Hempel mit acht, bei Schwabe mit sieben Wochen in Anrechnung. - Rundfunk-Programm. Frei tag, den 20. Mai. Berlin — Stettin — Magdeburg. 6.09: Funk-Gymnastik. — Anschließend: Frühkonzert (Schall, plattenj. — 10.10: Wochenmarkt-Allerlei. — 11.30: Au» dem Kroll- Saal: Von der Kundgebung des Verbände» der Bauaeschäfte. Vortrag des Geheimrat» Dr. Syrup, Präsident der Reichranstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung: „Arbeits markt und Bauwirtschaft." — Anschließend bi» 12.SS: Aus Bres lau: Mittagskonzert. Waldenburger Berg- und Bad Salzbrunner Kurkapelle. — Als Einlage gegen 12.30: Wettermeldungen. — 14.00: Unterhaltende Kammermusik (Schallplatten). — 18.20: An« Arbeit und Leben: Familie. IV: Wohlfahrtspflege und Familie. — 15.45: Lieder für Bariton (Fritz Bachmann). Hermann Hopp« (Flügel) — 16.10: Sommerarbeiten im Gemüsegarten. —16.M: Soziale Hygiene in der Neuzeit. — 17.00: Klaviermusik .Sandra Droucker (Flügel). — 17.30: Jugendstunde: Kann man di« Atom« sehen? — 17.50: Das neue Buch. Wirsing' „Zwischenemopa". — 18.00: Bilder aus dem alten Berlin. — 18.15: Neue» vom Som» mersahrplan der Reichsbahn. — 18.38: Chorgesänge. Männer» und Gemischter Chor Friedenau-Steglitz (DASy. — 18.88: „Dt, Funk-Stunde teilt mit ..." — 19.00: Stimme zum Tag. — 19.10: Aus dem CafL Berlin: Tanz- und Unterhaltungsmusik. Kapelle« Michael Schugalts und Adolf Ginsburg. — 19.58: Wegweiser in» Wochenende (Praktische Wochenend-Ratschläge). — 20.00: „Pots damer Straße 17a". Das Leben eines Hauses. — 21.00: Au» der Singakademie: Kammerkonzert für Klavier und Violine mit Be gleitung von 13 Bläsern von Alban Berg. Eduard Steuermann und Rudolf Kolisch. Bläser der Staats- und Städtischen Op«r. -- 21.30: Au» München: Bunte Stunde. Vas Rundfunk-Orchester. — 22.20: Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. — Danach bis 0.30: Aus dem Central-Hotel (Burgund): Unterhaltungsmusik (Kapell« Arkadi Flato). KSn1g-wufterhaus<" 8.48: Wetterbericht. — 6.00: Funk-Gymnastik. — Anschließend: Frühkonzert. — 10.00: Neueste Nachrichten. — 12.00: Wetterbe richt. — Anschließend: Geistliche und weltliche Chorwerk« (Schall plattenkonzert). — Anschließend: Wetterbericht. — 13.30: Neuest« Nachrichten. — 14.00: Aus Berlin: Konzert. — 18.00: Iungmäd- chenstunde: Was wir lesen. — 18.30: Wetter- und Börsenbericht«. — 13.40: Jugendstunde: Schifsskatastrophen an der Nordküst« Rügen». — 16.00: Pädagogischer Funk: Die Beschaffung von Arbeit»- und Unterrichtsmitteln für wenig gegliederte Schulen in wirtschaftlich schwieriger Zeit. — 16.30: Aus Leipzig: Nachmittags konzert. — 17.30: Die Apostelgeschichte im Neuen Testament. — 18.00: Verschollene deutsche Musik aus der Zelt Bachs. — 18.30: Volkswirtschaft-flink: Das Handwerk in der Welt. — 18.88: Wet terbericht. — 19.00: Aktuelle Stunde. — 19.18: Wissenschaftlich« Vortrag für Aerzt«. — 21.00: Stunde der Arbeit: „Alimente", et« Lehrspiel von Meta Brix. — Anschließend: Berliner Programm. weißen Hals schlang und auf die Brust fiel, die der Atem sanft auf und nieder bewegte. „Und lockiges Haar Hal sie auch, gerade wie Sie — wirklich eine kleine Schönheit." Der bewundernde Blick der alten Dame, die in schwarzem CrLpe de Chine und echten Spitzen wie eine kleine Marquise aus galanter Zeit wirkte mit ihrem Weißen, hochfrisierten Haar und ihrer zierlichen Figur, wanderte zu Barbara und wurde noch um eine Schattie rung herzlicher. „Was werden Sie nachher beginnen, liebes Fräulein Pohl?" erkundigte sie sich teilnehmend. „Einem so fleißigen und begabten Menschenkind wie Ihnen wird es schwer fallen, ohne geregelte Tätigkeit zu sein." „Ich habe schon einen Trost gefunden, gnädige Frau", erwiderte Barbara und hatte plötzlich wieder ihre frohen Mutteraugen, wie es die alte Dame insgeheim nannte. „Die kleine Nelly darf für die Dauer der Abwesenheit ihres Vaters bei mir wohnen! Zu Weihnachten wird meine Schwester heiraten, am ersten Januar tritt Kammer sänger Berger eine dreimonatige Gastspielreise ins Aus land an. So fügt sich alles aufs beste. Nellylein ist selig — und ich bin es auch." „Herr Berger ist wohl ein alter Freund von Ihnen?" Frau Unruh machte, ohne es zu wissen, ein sehr miß- billigendes Gesicht. Künstlern traute sie nicht, und wenn sie Witwer waren, erst recht nicht! Der wollte gewiß dieses nette Fräulein Pohl heiraten, die sie doch für ihren Sohn bestimmt hatte, für diesen dummen Bub, der vor lauter Gelehrsamkeit nächstens seinen Schlips vergaß! Aber ihre Mienen glätteten sich, als Barbara nun kurz von ihrer Bekanntschaft mit Nelly und deren Vater er- zählte. Die Sache war erst im Werden, da konnte man noch fein und unbemerkt dazwischenfahren. Die kleine Ge- hettnrättn lächelte still vor sich hin. Oh, sie würde es schon schlau anfangen! „Eigentlich furchtbar nett von mir, Ihnen meine besti Zigarette zu geben, Exzellenz", bemerkte Doktor Unruh das Etui keinem Gast anbtetend. „wo Sie mich se schmählich der einzigen Sekretärin berauben, die etwas kann! Es gibt nur einen Ausweg, mich vor völliger Ver zweiflung zu retten: Sie muffen Ihre Verlobung Wiede» lösen! Sonst hänge ich meine.Brauerei' an den Nagel und verkloppe Schnürsenkel auf der Webergaffe." Die schmunzelnden Blicke der beiden Männer trafen sich über der glimmenden Zigarette Unruhs, an der Plessing, sich ein wenig niederbeugend, Feuer nahm. Er mochte diesen Doktor Unruh lieber als all die anderen Herren der Werke. „Tja, es ist eine traurige Wahrheit, Doktor: Was dem einen sin Uhl, ist dem annern stn Nachtigall", erwiderte er lachend. „Aber ich kann die Grüße Ihres Kummers er messen, Menschen wie meine liebe Schwägerin Barbara findet man nicht jeden Tag." Warm und herzlich war der Blick, der das neben der Geheimrätin sitzende Mädchen grüßte. „Es geht aber leider nicht anders." „Wenn ich das nicht wüßte, mordete ich irgendwen", stellte der Doktor grimmig fest und wandte sich in dem allgemeinen heiteren Gelächter wieder an Brigitte, Seit die Mutter jene halbe Andeutung getan, war eine ganz merkwürdige Scheu gegen seine Sekretärin in ihm erwacht. Der Mann, der in seinem Beruf als Autorität galt und überall seine Ansichten klar und zielbewußt durch zusetzen wußte, war auf dem Gebiet der Liebe wie ein unbeholfener, äußerst empfindlicher Junge. Jene eine böse Enttäuschung in seiner Jugendzeit hatte ihn zaghaft ge macht. Gefiel ihm wirklich einmal eine Frau, so fürchtete er ähnliche Bitternis wie damals zu erleben, und zog sich zurück im Augenblick, wo eine Erklärung erwartet wurde. Als Plessing mit seinen Damen die Treppen des Hotels hinabstieg, vor dem sein Wagen mit dem am offenen Schlag stehenden Chauffeur wartete, ging gerade ein schlanker junger Herr in Begleitung einer hypermodern gekleideten Dame vorbei: Erich Buchmann. Er musterte flüchtig die kleine Gruppe, erkannte Plessing und die beiden Schwestern und zog betont höflich den Hut, wobei sein Blick eine Sekunde auf Brigittes jäh erblassendem Gesicht haften blieb. Dann war er schon weitergegangen. Das junge Mädchen bestieg den Wagen, dankte freund- lich dem Chauffeur, der die Pelzdecke sorgsam über ihre und Barbaras Knie breitete, und lehnte sich dann, ein künstliches leises Gähnen unterdrückend, in ihre Ecke zurück. „Müde, Gittalein? Siehst ja ganz blaß aus..." Sie hob die Lider, lächelte den sie besorgt betrachtender» Mann an mit einer Innigkeit, die ihn, den jederzeit Ge lassenen, Kühlen, im Innersten vor Glück erschauern ließ. „Ja, ein wenig müde, Lieber." „Schließe die Augen, Kind!" befahl ihr Verlobter sanft. „Wenn ihr nach Hause kommt, legst du dich ein bißchen hin." Sein Blick bat Barbara, die freundlich nickte: „Wird gemacht, Alexander." Gehorsam lehnte Brigitte den Kopf gegen daS seidene Polster und schloß die Augen, dankbar für den Vorwand der Müdigkeit, der sie des Sprechens enthob. In allen Gliedern zitterte ihr der Schreck nach über die plötzliche Begegnung mit Buchmann. Ach, hätte sie ihn doch nie gesehen, nie erhört! Wäre dieses ganze schreckliche Er lebnis nur aus der Vergangenheit zu löschen! Schweigend legten sie die Fahrt zurück. Auch in Bar- baras Seele kreiste die Sorge. Ach, dieser unselige Mensch! Wenn Plessing je von Brigittes Leichtsinn erfuhr... In beiden Mädchenherzen erwachte die gleiche, angstvolle Ahnung: von dieser Sette drohte Unheil! * Endlos schien die Nacht. Wieviel Uhr mochte eß sein? Barbara lag, die Arme hinter dem Kbps verschränkt, im Bett und starrte in den matten Lichtkreis, den die auf der Straße brennende Laterne oben an die Decke matt«. Kam von ihm jener Silberschein ins Zimmer? Ach, eS schneite gewiß! Tief hatte das Gewölk über der Erde gehangen, als sei es müde der Last, die es barg. Wie ruhig Brigitte schlummerte — und eS war doch ihr Hochzeitstag, der aus Winterdunkel heraufdämmerte... Unmöglich, noch länger liegen;»bleiben! Lautlos erhob sich Barbara, schlüpfte in Morgenrock und Pantoffeln und ging ins Zimmer nebenan. Sie trat «»S Feust« «nk schaute hinaus.
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