Agricola in Zwickau Von KARL STEINMÜLLER. Zwickau DIE ZWICKAUER LATEINSCHULE AM AUSGANG DES MITTEL- ALTERS Die Einschätzung der Zwickauer Lateinschule zwischen 1500 und der Zeit der pädagogischen Wirksamkeit Agricolas an ihr ist stets einheitlich gewesen und bis heute geblieben: Sie „zählte zu den berühmtesten Schulen Sachsens“? „Die reichen Ergebnisse der Schneeberger Silberbergwerke, an denen auch die Zwickauer Patricier in hervorragender Weise beteiligt waren, setzten dieselben in den Stand, die Schule auf das Freigebigste zu unterstützen und ihr dadurch ein fröhliches Gedeihen zu sichern“. 2 Die Schule, „die man sich mehr und mehr als der Stadt,köstliches Kleinod“ zu betrachten gewöhnte“ 3 die „schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in hohem Ansehen stand“ 4 und die „um die Jahrhundertwende weithin berühmt war“,“' ist deshalb auch „der besondere Stolz der Zwickauer“" gewesen. Mit dem regelmäßigen Hinweis auf die 900 Schüler, die „um die Jahrhundertwende“ die Schule bevölkerten, schien die behauptete Berühmtheit denn auch hinreichend gestützt zu sein. 900 Schüler — es lohnt, sich mit dieser Zahl zu beschäftigen! Im Jahre 1479 errichtete der Zwickauer Bürger Martin RÖMER, der bedeutendste Nutznießer des Schneeberger Silbersegens — er ist ja auch sein Urheber gewesen —, einen Neubau der Schule. Sie stand auf der Süd seite des Kirchhofes von St. Marien, des heutigen Domes, und wurde im Frühjahr 1880 abgebrochen. 7 Das schlecht erhaltene Foto, nach dem die Strichzeichnung hergestellt wurde, stammt wahrscheinlich aus der Zeit kurz vor dem Abbruch. Ob das zweite Obergeschoß bereits 1479 mit errich tet wurde, ist nicht sicher. Der von dem üblichen spätmittelalterlichen Steildach (vgl. das Haus 8 unmittelbar links neben der Schule!) ab weichende Dachungswinkel deutet auf einen späteren Aufbau hin. Aber ist es selbst dann, wenn der Römersche Bau von 1479 räumlich bereits den im Bilde überlieferten Ausmaßen entsprochen hätte, denkbar, daß in diesem Haus 900 Schüler Platz finden konnten? Kann man sich vorstellen, daß auch nur die Hälfte darin schulisch betreut werden konnte? Dabei wäre zu berücksichtigen, daß die Wohnräume des Schulmeisters, vielleicht auch die der Bakkalaurei und die Kammern der von auswärts stammenden Schüler, die nach allem, was wir wissen, den größten Teil des Cötus aus machten, 9 vom eigentlichen Schulraum abgezogen werden müssen. Die Zahl 900 wird vom Chronisten PETER SCHUMANN überliefert. 10 Könnte es nicht sein, daß diese Nachricht die Gesamtzahl der während der knapp vierzehnjährigen Amtszeit STRÖDELs erfolgten Immatrikulationen be trifft? Daß nach der Errichtung des neuen Schulhauses die Frequenz an-