ZWANZIG JAHRE KAMPF DES FREIBERGER BERGBAUS UM DIE EISENBAHN Von WALTHER HERRMANN, Freiberg Walther W e i g eit verband mit der Professur für Bergrecht an der Akademie die Leitung des Oberbergamtes; er war der letzte Freiberger Berg hauptmann. Deshalb ist die ihm gewidmete Festschrift der rechte Ort für eine Arbeit, die uns mit einem neuen Ruhmesblatt in der Geschichte der Berg behörde bekannt macht. In dem Bemühen um Anschluß an das Eisenbahnnetz zeigen das Oberberg amt und Oberberghauptmann v. BEUST sich aufgeschlossener für die wirt schaftlichen Notwendigkeiten als die Regierung. Sie sind unermüdlich im Auf finden neuer Wege, um die durch Ministerium und Landtag aufgetürmten Widerstände zu überwinden. Dieser Kampf ist bisher in der Stadt- und Berg baugeschichte nicht dargestellt worden, obgleich in den Archiven des Rates, des Oberbergamts und Oberhüttenamts und in der ortsgeschichtlichen Abtei lung der Städtischen Bücherei reichlich Quellen vorhanden sind. Sie bringen aufschlußreiche wirtschaftliche und politische Tatsachen ans Licht und lassen charaktervolle Persönlichkeiten ins Blickfeld treten. Dem Verlauf der Ereig nisse fehlt es nicht an dramatischen Höhepunkten. Freiberg lag an der alten Straße, die, vom Vogtland kommend, die Elbe bei Dresden, die Oder bei Breslau überschritt. Der Fernverkehr wirkte belebend und anregend. Dieser alte Weg war aber auch eine der großen Heerstraßen Deutschlands, weshalb Freiberg bis hin zu den Napoleonischen Kriegen immer überdurchschnittliche Drangsale zu leiden hatte. Trotz der günstigen Ver kehrslage hat die Bergstadt erst 1862 eine Eisenbahn erhalten, obwohl Dresden nur 40 km entfernt liegt, und die Strecke Leipzig—Dresden schon 1839 als erste deutsche Langstrecke in Betrieb genommen worden war und obwohl die Bedeutung Freibergs innerhalb der sächsischen Wirtschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts verhältnismäßig größer war als heute. Da nun der Eisen bahnbau für die Entwicklung von Bergbau und Industrie entscheidend ist, liegt in der erheblichen Verzögerung des Anschlusses an das Schienennetz ein schwerer Nachteil, der äußerlich sich daran erkennen läßt, daß Freiberg in seiner Bevölkerungszahl von anderen sächsischen Städten beinahe eingeholt, von Zwickau und Plauen überholt wurde. Wir suchen nach der Ursache und werfen besonders die Frage auf, ob die Freiberger die Zeichen der Zeit nicht erkannt, ob die in Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik führenden Männer versagt haben.