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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050213011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905021301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905021301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-02
- Tag1905-02-13
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DezugS-PreiS ki der Hauplrxpedition oder deren Ausgabe« stellen abgrholt: vierteljährliches.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau« 3.75. Durch die Post bezogen für Drutjch- land u. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitunqSpreiSliste. Diese Nummer kostet auf allen Bahnhöfen und III I^I bei den Zeitungs-Verkäufern i * Rr»attt-n «>» «rpe-ittoiu 153 Fernsprecher 222 Johannisgasse 8. Haupt-Kilt«le Dresden: Martenstrabe 34 Gernsprrcher Amt I Nr. 17E Haupt-Filiale Berlin. TarlDuncker, Herzg l.Bayr.Hofbuchbandlg^ Lüyowttraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4303). Morgen-Ausgabe. WMcr Tagclilalt Amtsblatt -es Aönigl. Land- und -es Honigs. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates un- -es Notizeiamtcs -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Familien- imd Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen, GejchästSanzeigen unter Text oder an bejonderer Stelle nach Tarif. Di» 4 gespaltene Reklamezeile 75^. Annahmeschlutz für Anzeigen. Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol; in Leipzig (Inh. l)r. R. LM. IklinkharlM Nr. 79. Montag den 13. Februar 1905. 99. Jahrgang. Var Aichligrkr vom rage. * Zur Eröffnung der Berliner Handelskammer fand gestern ein Festmahl statt, an dem die Spitzen der Behörden teilnahmen. (S. Letzte Dep.) * Franz Kossuth wurde gestern vom Kaiser Franz Josef in dreiviertelstündiger Audienz empfangen. (S.LetzteD.) * Kaiser Franz Josef beglückwünschte den König von Italien zur Errichtung des Internationalen Landwirtschafts-Instituts. (S. Letzte Dep.) * Die Generalversammlung der Russischen Technischen Gesellschaft in Petersburg regte die un verzügliche Bearbeitung der Arbeiterfrage an. (S. Letzte Dep.) Isert SerlMein alr Sprechet Mr InlliMtie. Man schreibt uns: Es ist schon der Mühe wert darauf aufmerksam zw machen, wenn durch den roten Phrasenqualm, der von Tag für Tag von den Herden der Sozialdemokratie aufsteigt, einmal das Licht einer besseren Erkenntnis durch bricht. So verdient die bei der ersten Beratung der Handelsverträge gehaltene Rede des Abg. Bernstein insofern Beachtung, als er die Schädigung der Industrie zum Hauptpunkte seiner Kritik machte. Er verwirft die Handels verträge, weil sie, wie er aussührt, auf Kosten der wichtigsten industriellen Interessen erkauft worden seien. Die Rede des Herrn Bernstein enthielt folgende Sätze: Unter der Caprivtschen Politik hat sich die Ausfuhr bedeutend mehr gehoben als die Einfuhr. Unter der Herrschaft unserer steigenden Getrcidezölle blieb die Ausiuhr säst stabil. Erst als die Zölle ermäßigt wurden, stieg die Ausfuhr. Erst da, durch das Aufblühen der Industrie, konnten die Arbeiter ihre Lage durch ihre Koalitionen verbessern. Wie soll es nun werden, wenn die Getreide exportierenden Länder ihren Export vermindern? Dann könnten wir die Hungerpreise der 70er Jahre bekommen. Die erhöhten Zölle werden den Bodenpreis und die Spekulation steigern auf Kosten der konsumierenden großen Massen. Jede schlechte Konjunktur drückt auf die Lohnverhält nisse der Arbeiter mit doppelter Wucht. Darum hoffen die Arbeiter wenigstens auf eine Steigerung des Minimallohnes, auf die Steigerung der Kaufkraft ihrer Löhne. Dieser Entwicklung stellen sich die Schutzzöllner gegenüber, sie wollen hohe Zölle und hohe Tarife. Mit dieser Politik ist ganz notwendig im Laufe der Entwicklung eine Verschlechterung der Lage des Arbeiterstaudes verbunden. In den Zollab machungen ist kein für die Landwirtschaft wertvolles Objekt preisgegeben worden, dagegen hat man eine ganze Reihe sehr wichtiger Jndustrieinteressen einfach geopfert. Irgendwo mußte kompensiert werden, und da hat man denn die Industrie daran glauben lassen. Wird Rußland den Vertrag ratifizieren? Die Entscheidung durch ein Schiedsgericht wäre ein Fortschritt, aber für Liese geringen Verbesserungen haben die Arbeiter den Preis zu zahlen, deren Lage durch diese Verträge ganz erheblich ver schlechtert wird. Wir können nicht die Verantwortung für Ver träge übernehmen, die die Industrie und damit die Arbeiter schädigen. Ist dieses Eintreten für Industrie und Handel von feiten Les Sprechers einer Partei, die nach Bebel kein anderes Ziel kennt als die Revolution, an sich schon ein merkwürdiger Verstoß, so liegt in der Berufung Bernsteins auf die Inter essengemeinschaft zwischen Industrie und Arbeiterschaft noch ein weit stärkerer Widerspruch gegen die „reine Lehre". Das Wort Interessengemeinschaft Hal der Redner freilich nicht direlt gebraucht, doch wenn er sagt: „Die Industrie muß sich zu frieden geben, wer aber wird das auszubaden haben? Die Arbeiterschaft!* so gibt er damit zu, daß die Erhaltung des Marktes für die Industrie gleichbedeutend ist mit der Siche rung des Brotes für den Arbeiter. Dieser Gedanke an die Interessengemeinschaft zwischen Industrie und Arbeiterschaft wird aber bekanntlich regelmäßig von den andern Gelehrten der roten Fakultät als „fauler Harmoniedusel* bezeichnet, so bald er auf bürgerlicher Seite ausgesprochen wirb. Wir stellen deshalb die Aeußerung des Abg. Bernstein fest, ohne zu untersuchen, ob und wie weit seine an den Handelsver trägen geübte Kritik berechtigt ist. Wie wäre es übrigens, wenn Herr Bernstein den einmal erfaßten Gedanken etwas weiter verfolgen würde! Wenn seine Partei Handelsverträge verlangt, die der Industrie die Ausfuhr möglichst erleichtern, weil damit auch dem deutschen Arbeiter am besten gedient ist, so muß er doch auch zu geben, baß der Siaat durchaus richtig verfährt, wenn er der In dustrie und dem Handel nicht bloß drnZugangzumWeltmarkte zu erhalten sucht, sondern auch auf die Eröffnung neuer Absatz gebiete bedacht ist. Da diese nicht auf dem Monde, sondern auf diesem Planeten gesucht werden müssen — die anderen handeltreibenden Völker, namentlich England, aber nicht geneigt sind, un« gutmütig den Platz zu räumen, vielmehr jeder Erfolg in elfter Linie von der Macht deS Kapitals abbängt, so ist die nächste Konsequenz doch wohl die, daß wir uns derselben Mittel zum guten Zwecke be- dienen müssen, wie sie auch. Damit sind wir genau aus dem Punkte, wo eS heiß«: entweder sind wir Welt- und Handels macht und dann müssen wir auch die Mittel wollen, d. l>. wir brauchen eine groß angelegte Handels- und Kolonial politik und zu ihrem Schutze die achtunggebietende Flotte oder wir verzichten und beschränken uns auf den mageren Anteil, den uns im besten Falle die andern übrig lasten. Im ersteren Falle hat die deutsche Arbeiter schaft Aussicht, ihrer Hände Kraft in steigendem Maße zu verwerten, im letzteren wird sie, um im Sinne Bernsteins zu reden, die Schäden des Rückganges zuerst am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Genosse Schippel hat die Richtigkeit dieses Gedankenganges eingesehen. Er ist darob einer hochnotpeinlichen Inquisition verfallen, die zwar nicht mit einem ^.uto cka kö endete, ihn aber doch zum stillen Mann machte. Die Freiheit des Denkens geht bei der Sozialdemokratie eben auch nur soweit als es die hoch mögende Parteitheokratie gestattet. „Halt bei geschlossener Barriere!* Vie Kririr in siurrlanä. Die Situation an der xreubifch-russischen Grenze. Dem „L.-A." ist in der Nacht zum Sonntag aus Kattowitz depetchiert worden: Ein verstärkter Schutz sür die diesseitige Landesgrenze ist infolge der Sosnowicer Er eignisse eingetreten. Lbcrpräsident Graf von Zedlitz- Trützschler, der heute die Grenze bereiste, hat die nach stehenden Anordnungen nach Borschlag des Landrats Ger - I a ch gutgeheißen: In Anbetracht, daß die Landgemeinden das Auftreten russischer Marodeurbanden fürchten, wird bei Schoppinitz-Rodzin eine starke Abteilung Fuß- und berittener Gendarmen stationiert. Die letzteren haben die besondere Pflicht, Patrouillenritte längs der Grenze vorzu nehmen, sich in den diesseitigen ländlichen Grenzortschaften zu zeigen und die Einwohner jomit zu beruhigen. Es ist den berittenen Gendarmen aber auch gestattet, daß sie in Trupps zu dreien die russische Grenze überschreiten und auf kurze Distanz in den jenseitigen Grenzkordon hineinreiten. Diese sreundnachbarliche Grenz verletzung ist zwischen den hiesigen Behörden und dem russischen Kreisamt in Petrikau vereinbart worden; sie hat den Zweck, an der jenseitigen Grenze die preußische Wacht- bereitschaft zu beweisen und von dem widerrechtlichen Ueber- schreiten der diesseitigen Grenzpfähle abzuschrecken. Ferner sind in allen Ortschaften die Polizeibeamten angemessen in struiert und auch ihrerseits zu Patrouillenzügen veranlaßt, jedoch immer nur in kleinen Trupps. Die Bewachung der E i s e n b a h n b rvor -osnowice bleib, bestehri.. End lich hat der Herr Finanzminister genehmigt, daß die aus Re- vifionsgängen begriffenen, mit Schußwaffen versehenen Grenzaufseyer auch ihrerseits auf Patrouillen gehen. Diese Bestimmungen bleiben bis auf weiteres in Kraft. Aus Sosnowice ist eine weitere Verstärkung des Militärs durch ein Bataillon Infanterie zu melden. Sechs Regimenter — je ein Bataillon Infanterie und Kavallerie, zwei Ma schinengewehre — stehen jetzt zur Verfügung des Komman dierenden. In hiesigen bestunterrichteten Kreisen glaubt man, daß die Katastrophe mit dem leider noch zu erwartenden Ableben gewisser Schwerverletzter insgesamt 75 Opfer fordern werde. Die Erbitterung der Arbeiter ist noch im Steigen. In Lodz haben nach der Petersburger Telegraphen-Agentur die Fabrik besitzer den Arbeitern KOstündige Arbeitszeit pro Woche und die geforderten Lohnerhöhungen zu gebilligt unter der Bedingung, daß am Montag die Arbeit wieder aus genommen wird; wenn das nicht geschieht, sollen alle Fabriken auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Erklärung -er Stadtverordneten Sehnitnikow Ter Petersburger Stadtverordnete Rechtsanwalt Schnitnikow gab nach der „N. Fr. Pr." am 8. Februar in der Duma eine Erklärung über seine Verhaftung und Frei lassung. Er wurde am 24. Januar ohne Angabe eines Grundes in seiner Wohnung verhaftet und in das Gefängnis im Wiborgcr Stadtteil abgeführt; seine Korrespondenz und die seiner Frau wurden beschlagnahmt. Das Bureau der Rechtsanwälte betraute, als es die Verhaftung erfuhr, den Rechtsanwalt Rabin owitsch mit der Vertretung der Interessen Schnitnikows^ Nabinowitsch ging am 25. Januar zu dem Verweser der Spczialsektion im Polizeidepartement und ersuchte um die Erlaubnis zum Besuche Schnitnikows. Ter Verweser erklärte: „Ich weiß gar nicht, warum Schnit- nikow arretiert worden ist. Ter Besuch ist unnütz, da die Freilassung sofort erfolgen wird." Tatsächlich wurde Schuir- nikow am 25. Januar sreigelassen. Der Grund seiner Be freiung wurde ebensowenig angegeben, wie jener der Ver haftung. Am 4. Februar wurden Schnitnikow die beschlag nahmten Papiere zurückaestellt. Das Korrespondenzpaket war von der Polizei gar nicht geöffnet worden. Stu0lve:ordneter Kedrin ist noch im Gefängnis. ver rursirctz-japanirche Krieg. Line Weitere Unterredung mit Stössel bat der Korrespondent der „Nowoje Wremja" gehabt, der mit dem Verteidiger von Port Arthur auf dem Dampfer -Australien" nach Europa fuhr. Dem Äefpräch wohnte Stössels Stabschef, General Reis, bei. Stössel pro te st i e r t e energisch gegen die englischen und japanischen Blattermeldungen, wonach die Festung zu früh kapituliert l^atle. Er habe alles getan, was möglich gewesen, der Festung fehlte aber sowohl Munition wi« Proviant. Die Verteidigungslinie hatte eine Ausdehnung von 25 Werst und für die Besetzung dieser Linie waren nur 8000 Soldaten ver fügbar, die kaum aut den Füßen stehen konnten. Alle anderen waren tot oder krank. An Munition gab es nur kleinkalibrige Granaten und 2 Millionen Gewehrpatronen, die gegen die llgölligen Belagerungsgeschütze der Japaner wenig aus richten konnten. Alle Lebensprödukte waren erschöpft. Während der ganzen siebenmonatigen Belagerung traf nur eine einzige Dschunke mit Mehl ein Der 203 Meter-Hügel wtte keine große strategische Bedeutung für di« Verteidigung, »och konnte die russische Flotte von dort au« zerstört werden, leber die Halbinsel Liaotiejchan äußerte Stössel, ir sei sehr nützlich als Schutz gegen Ucbersälle von der See- eite, habe aber wenig Bedeutung gegen Angriffe von Land aus. Ueber den General Kondratenko sagte Stössel: „Sein Tod war ein schwerer Verlust für die Verteidi gung Port Arthurs; er befand sich nebst seinen Offizieren in Blindagen, als em« japanische Granate ihn erreichte. Sein Tod wurde durch den furchtbaren Luftdruck des explosiven Geschosses, der ihn gegen eine Brtonwand schleuderte, ver ursacht, wobei ihm der Schädel zertrümmert wurde." Zwischen Stössel und Kondpatenko existierte keine Mei nungsverschiedenheit. General Jock, der sich jetzt mit den russischen Gefangenen in Japan befindet, war ebenfalls ein großer Freund Stössels. — Ueber den Admiral Fürsten Uchtomskr beobachtete Stössel tiefes Schweigen. Uchtornski wurde sofort auf allerhöchsten Befehl durch Ad miral Wiren abgelöst, nicht infolge eines Krie^srals unter dem Vorsitz Stössels, wie angegeben wurde. Stössel glaubt fest an «men glücklichen Ausgang des Krieges für Rußland. Sobald der erste Landsieg errungen sei und Rußland wieder die Herrschaft zur See habe, müsse Port Arthur zurückerobert werden. Sollte die Herrschaft zur S-ee nicht erreichbar sein, so werde Rußland Port Arthur nach dem Friedens schluß zurückoerlangen. General Stössel ist leicht am Kopf verwundet. Auf dem Schiffe „Australien" befinden sich 7 Generale, 1 Kontre- admiral, 1 Marineingenieur, 138 Offiziere, 2 Priester, 7 Frauen, 6 Waisen und 174 Soldaten. Zldnnral Uchtomskr verblieb noch in Port Arthur. „Wir erfüllten alle unsere Pflicht," so schloß General Stössel, „wir wußten, daß weder die Baltische Flotte noch Kuropatkin uns Hülfe bringen konnten. Deshalb waren wir gezwungen, zu kapitu lieren." Deutsches Keich. Berlin, 12. Februar. * Bülow und Posadowsky. Gegenüber den neuerdings aufgetauchten Gerüchten, daß der in den letzten Wochen von der agrarischen und konservativen Presse lebhaft angegriffene Graf Pojadowsky mit dem Reichskanzler in Streit ge raten sei und deshalb gedenke, zurückzutreten, wird der,,B. B.-Ztg." von zuverlässiger Seite berichtet, daß das Verhältnis zwischen Graf Bülow und seinem „Arbeits- Minister" niemals ein innigeres gewesen sei, als gerade jetzt, wo durch die Annahme der Kanalvorlage gut Wetter am Sitze der Regierung herrscht. Tie Gerüchte vom Rücktritt des Grafen Posadowsky beruhen sonach auf haltloser Er findung. * Parlamentarische Arbeitspläne. Im Reichstage besteht die Absicht, nach Abschluß der ersten Lesung der Handelsverträge für einige Tage die Plenarsitzungen aus fallen zu lassen, um der Handelsvertrags, kommission Zeit für die Erledigung ihrer Aufgaben zu gewähren. Das preußische Herrenhaus wird die wasserwirtschaftlichen Vorlagen am 16. Fe bruar zu beraten beginnen und über den 17. Februar hinaus keine Sitzungen abhalten. * Andere Saiten? Die Annahme der Kanalvorlage im preußischen Abgeordnetenhause wird selbstverständlich auch in dem üblichen Wochenrückblick der „Nordd. Alla. Zlg," be handelt. Auffällig ist dabei die Tonart, worin das offiziöse Blatt von dem Bunde der Landwirte und seiner Politik spricht. Es sagt mit bemerkenswerter Schärfe: Im allgemeinen nahmen die Beratungen der letzten Wochen und Monate einen glatten, streng sachlichen Ver laus, charakteristisch aber ist eine politische und doch gerade in diesem Zusammenhang nicht überflüssige Auseinander- setzung zwijchen dem Direktor des Bundes der Landwirte Dr. Hahn einerseits, der Regierung und dem Führer des politisch und nicht, wie die Leitung des Bundes der Land wirte, lediglich agrarisch-agitatorisch gerichteten Gros der konservativen Parteien, v. Kardorsf, anderseits. Die De batte ergab eine Art von Abrechnung mit den im Verlaufe der Kanalverhandlungen immer aufs neue wiederholten Versuchen des Bundes der Landwirte, sich ein Richteramt über die politischen Parteien besonders der Rechten anzu maßen und den Abgeordneten dieser Richtung ein mehr oder minder deutlich ausgesprochenes, mit der Verfassung nicht im Einklnag stehendes imperatives Mandat aufzu erlegen. Diese Taktik, die in der Kanalfrage ebenso wie seinerzeit nach Annahme des Zollkompromrsses vor den Neuwahlen des Jahres 1903 völlig gescheitert ist, suchte Dr. Hahn am Montag in einer längeren Rede freilich nach Kräften zu verschleiern, er stellte zu diesem Behuf? Behaup- tüngen auf, die jedem Kenner der Verhältnisse allerdings nur ein Lächeln ablocken konnten. Der Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben nahm denn auch die Gelegenheit wahr, die von der Presse des Bundes der Landwirte ausgegange- nen Uebertreibungen, welche die Anbahnung eines ver trauensvollen Verhältnisses zwischen den Kreisen der Land- tüirtschasl und der Regierung zu verhindern suchten und den wirklichen landwirtschaftlichen Interessen nur geschadet haben, in ihrem wahren Lichte darzustellen. Die Selbst überschätzung, welche sich in den Bestrebungen der Leitung des Bundes der Landwirte, eine große agrarische Partei zu gründen und die bisherigen Parteien zum Verschwinden zu bringen, ausspricht, wurde sodann vom Senior der freikonservatioen Partei v. Kardorff in wirksamster Weise gekennzeichnet. So deutlich hat man in Regierungskreisen lange nicht mit den Bündlern geredet. Ob aber daraus zu schließen ist, daß man „oben" überhaupt andere Sailen gegen die Agrarier aus ziehen will, das möchten wir doch bezweifeln. * Parteitag der Freisinnigen Vereinigung. Unter zahl reicher Beteiligung der Delegierten aus allen Teilen des Reiches trat gestern abend im Hotel Prinz Albrecht der Parteitag der Freisinnigen Bereinigung unter dem Namen „Generalversammlung des Wahlvereins der Liberalen" zusammen. Unter den Anwesenden be merkte man die Reichstagsabgeordneten Schrader, Dr. Pachnicke, Gerlach, Gothein u. a., die Landtags- abgeordneten Ernst, Peltasohn, Cohn-Dessau und ferner die bekannten, nicht den Parlamenten angehörenden Mitglieder, wie Pfarrer Naumann, Dr. Barth und viele andere. Von den Frauen siebt man Minna Caucr und Else Lüders. Gegen 8 Uhr abends eröffnete Abg. Eisenbohndirektor a. D. Schrader den Parteitag mit einem warmen Nachruf auf Theodor Mommsen und erstattete sodann zusammen mit dem Redakteur Wein dausen den Geschäftsbericht. Den Ausführungen Schraders, der in kurzen Züaep auch die gegenwärtige poli tische Lage zeichnete und daoel von den Nationallioeralen wert abrückte, war zu entnehmen, daß der Zwist im eigenen Lager über das Verhältnis zur Sozialdemo kratie als erledigt angesehen werden kann. Man werde zwar sowohl die Reaktionären als auch die Sozialdemokratie bekämpfen, aber andererseits auch eine Verständigung mit der Sozialdemokratie nicht scheuen. Zu begrüßen fei das Zu sammengehen der Liberalen in Bayern, Baden und Elsaß- Lothringen. Redakteur Weinhausen berichtet über das innere Parteilrben und di« Agitation Der neue Statut-Entwurf, der dem Parteitag vorliagt, sieht vor, daß die „Generalver sammlung des Wahlvereius der Liberalen" ersetzt werden wll durch den Delegier entaa. Mitglioder dieses Deleaiertentaaes sollen sein die Reich-tagsabgeordneten und -Kandidaten, die Lanotagsabaeordneten, die Vorstandsmit glieder und ein aus je 1000 Reichstaassttmmen gewählter Delegierter. Hierüber «ntspinnt sich «in« länger« Debatte Rechtsanwalt L tz w e n t b a l-Altona wandte sich scharf gegen daS neue Statut, daS den Parteitag zu elnem «ngen Konventikel mache und ihm den Resonanzboden entziehe. lWiderspruch.j — W i l ck e n s - Bremen und ein Ver treter Stettins, sowie der Reichstagsabgeordnele Tr. Pachnicke verteidigten den Vorstandsentwurt, der schließ- lich auch angenommen wurde. Landtagsabgeordneler E r n st- Schneidemnyl und Lehrer Tews-Berlin referierten über die Aufgaben der Volksschule unter besonderer Berücksichtigung des Schulkompromisses. — In der heutigen Mittagssitzung referierte ReichslagSabgeovdneter Gothein über die zurzeit im Reichstag zur Verhandlung gelangenden Handelsverträge. * Verein deutscher Arbeitgeberverbände. Der Verein deutscher Arbeitgeberverbände hat in Verfolgung seiner Auf- gaben dem Gesamtverband deutscher Metauindustrieller die Gründung einer Gesellschaft zur Entschädigung bei Arbeitseinstellungen empfohlen. Der Aus schuß des Gesamtverbandes hat dieser Anregung einstimmig Folge gegeben und seine Unlerverbände aufaesordert mit allen ihren Mitgliedern der Entschädigungsoesellschast beizulrelen. Sieben Bezirksverbände haben inzwischen bereits einstimmig den Beschluß gefaßt, in die zu gründende Gesellschaft einzu treten, und zwar der Verband der Eisenindustrie Hamburgs und der Verband der Metallindustriellen in der Kreishaupt- mannschast Dresden am 10. Januar, der Arbeitgeberverband Unterweser in Bremen am 11. Januar, der Verband der Metallindustriellen von Halle sSaalel und Umgegend am 21. Januar, der Verband der Metallindustriellen Magde burgs und Umgegend am 30. Januar, der Arbeitgeberver band der Eilen- und Metallindustrie Kiels am 1. Februar und der Verein Lübecker Metallindustrieller am 2. Feoruar. — Geheimer Regierungsrat Oskar Knack, Direktor beim Reichstage, der als höchster Be amter dieser gesetzgebenden Körperschaft nicht etwa nur den Gang der mannigfachen lausenden Ge schäfte zu leiten, jondern, was viel mehr sagen will, auch dafür zu sorgen hat, daß unter den wechselnden Präsidien eine feste Tradition zur Anerkennung gelangt, feierte am Sonntag sein 50 jähriges Dienstjubilaum in einer nach so arbeitsreichem Leben doppelt erstaunlichen Dienst freudigkeit. Oskar Knack wurde am 1. Oktober 1838 zu Berlin geboren. Am 12. Februar 1855 trat er in den Justiz dienst ein, wurde 1859 Gerichtsaktuar, 1862 Bibliothekar des Justizministeriums, 1867 Geheimer Registrator im Bundes kanzleramt, 1871 Vorsteher einer Registratur, 1872 erster Rendant des Reichstages, 1874 Rechnungsrat, 1880 Bureau direktor des Reichstages, 1881 Geheimer Rechnungsrat, 1889 zur Hebung der Stellung Direktor beim Reichstage, 1892 Geheimer Regierungsrat. Auch in den Feldzügen von 1864, 1866, 1870/71 hat er dem Vaterlande seine Kräfte geweiht. Zu seinem Ehrentag« waren auf Einladung des Präsidenten Grafen v. Ballestrew der Gciamworstano des Reichstags rind die Senioren heute vormittags in der Vorstands halle versammelt. Präsident Graf v. Ballestrem hielt eine Ansprache an den Jubilar und überreichte ihm den vom Kaiser verliehenen Roten Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub und der Zahl „50". Die Mitglieder des Reichstags stifteten dem Jubilar ein Silbergeschenk. Dem Jubilar gratulierten persönlich die StaalSjekretäre Graf v. Posadowsky, Freil-err v. Richtbosen, Freiherr o. Stengel, Kolonialdirektor Dr. Stuebel, Präsident des Reichseij«n- bahnamts Dr. Schulz. Direktor im Reichsschatzamt Twele, Gejandter Tr. v. Neidhardt u. a. Unter den zahlreichen schriftlichen Glückwünschen befanden sich solche vom Reichs- kanz'ler Grasen v. Bülow, den Ministern des Innern und des Krieges, Staatsminisier a. D. v. Bötticher und zahl reichen Behörden. Möge der Jubilar in solcher dem freien Willen der Volksvertretung entsprungenen und deshalb doppelt schätzenswerten Anerkennung einen Lohn finden für seine umfassende Betätigung im Dienste des Reiches. * * Der Bcrgarbeiterstreik im Ruhrgebiet. Nach den auf regenden Szenen der letzten Tage tritt jetzt auch unter den Bergarbeitern des Essener Bezirks nach und nach eine ruhigere Stimmung ein. Die Zechenverwaltungen bezeichnen die Nachrichten von Massenabkeyrungen und andern rigorosen Maßnahmen als unbegründet. Wie ein Zechenbesitzer er klärte, werden zweifellos die meisten Verwaltungen den Ar beitern gegenüber konziliant verfahren. Vom Mülheimer Berawerksverein wird, um die finanzielle Not unter den an gefahrenen Bergleuten nicht zu groß werden zu lassen, schon am 15. Februar eine Abschlagszahlung und am 25. die Löh nung angeordnet werden. Tiejem Beispiele dürsten auch andere Zechen folgen. Nach einer einem Vertreter des „L.-Ä." gemachten Mitteilung wird, wie jede andere derartige Be wegung, auch dieser Ltreik nicht ohne einige Maßregelungen abgehen. Ta der Knappschaflsverein darauf verzichtet hat, von seinen mehr als vier Wochen feiernden Mitgliedern neue Gesundheitsatteste zu verlangen, wird der Einfahrt der Berg leute aus diesem Grunde kein Hindernis mehr im Wege stehen. Tie Sitzung der Siebenerkommission am Sonnabend dauerte fünf Stunden. Abgesehen von dem bereits milaeleilten Auf ruf waren die Beratungen geheim. Seilens beider Verbände werden vorläufig keine weiteren Beraarbeiterversammlungen anberaumt, bis die Gemüter allenthalben beruhigt sind. Die sogenannten wilden Versammlungen haben mit den Organi sationen nichts zu tun; ihre Beschlüsse haben keine bindende Kraft, wohl aber werden in diesen Tagen die einzelnen Orga nisationen Mitgliederversammlungen abhalten, zu denen aber auch nur Mitglieder, die sich durch ihre Mitgliedskarte aus weisen, Zutritt haben. Im übrigen werden die Beschlüsse der Konferenz streng geheim gehalten. Ans alledem ergibt sich zur Genüge, daß die Sicbencrkommission von den radikalen Elementen unter den Bergarbeitern sich nicht das Konzept verderben lassen will. * Oldenburg, 12. Februar. Ta das Reichsgericht die Ablehnunasantrage bezüglich der oldenburgilchen Richter zu- rückgewiejen hat sebenso das Oberlandesgerichtf, so wird der Prozeß R u hst r a t - B i e r m a n n im nächsten Monat vor dem hiesigen Landgericht zur Verhandlung kommen. Der Mein«,dprozeß gegen den Kellner Meyer wird des gemeinsamen Oberlandesgerichts wegen nach Bückeburg ver wiesen werden. * Düsseldorf, 12. Februar. Die Opposition inner halb der hiesigen sozialdemokratischen Partei hat sich unter dem Namen „Sozialdemokratische Vereinigung für den Stadt- und Landkreis" eine neue Organisation geschaffen Ein soeben herausgegebenes Flugblatt der Oppo sition schildert das Gebaren der hiesigen sozialdemokratischen Parteigrößen als „jeder Gerechtigkeit und Wahrheit hoyn- sprechend. * Karlsruhe, 12. Februar. Die hiesige Handels kamm e r erhob in ihrer letzten Sitzung gegen dl« Erhebung von Schiffahrtsabgaven auf den natürlichen Wasser straßen entschieden Einspruch. * München, 12. Februar. Der RürktrittdeSKriegs- mtntsters v. Asch und des Militärbevollmächtigtcn v. EnderS in Berlin ist bevorstehend. Der Nachfolger des letzteren wird der Sekturnschef im Ministerium, Oberst Fromme!.
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