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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050313012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905031301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905031301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-03
- Tag1905-03-13
- Monat1905-03
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Am»ah«eschlutz für Anzeigen: Abe ad-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgtn-AuSgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» sind stet« an dir Expedition zu richt«. Ertra-Vetlage» (nur mit der Morgen: Ausgabe- nach besonderer Berrutbarnng. Die Erpe»tNau ist Wochentag« ununterbrochen geäfsnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Polz tu Leipzig Quh. l)r. «., R. L Ä. lkltothardtj. Nr. M. Montag den 13. März 1905. 99. Jahrgang. Var Aichtigne vsm läge. * In München wurde gestern da« neue Armee museum feierlich eröffnet. * Das neue italienische Kabinett bat sich unter dem Vorsitz Fortis konstituiert. (S. Letzte Dep.) * Auf dem russisch-japanischen Kriegsschau platz wird bei Tieling eine neue Schlacht er wartet. (S. Letzte Dep.) valtirche Zorgrn. a. Riga, 9. März (24. Februar) 1905. Aus einigen deutschen Blättern, sowie aus Privat briefen. die aus Deutschland hier eintreffen, geht hervor, daß man die Lage in R i g a bei Ihnen draußen doch gar zu schwarz ansieht. Man scheint in Deutschland vielfach zu glauben, daß hier mindestens Mord und Tot schlag, Raub und Brandstiftung an der Tagesordnung seien. Natürlich ist dem nickst so, wenn man auch 'den Ernst der Zeit keineswegs verkennt und mit allerlei Even tualitäten rechnet. Das entspringt aber dem ganz natur- lichcn Gefühl der Vorsicht, die, wie die Dinge in Ruß land überhaupt nun einnial liegen, sich lieber auf ein Schlimmeres gefaßt macht, statt sich den Träumereien sonderbarer Käuze von einer nahen goldigen Zukunft hinzugeben. Eine erregte Stimmung unter den arbei tenden Bevölkerungsklassen herrscht natürlich auch hier, und der Finanznnnister selbst hat es vor der Deputation der hiesigen Industriellen, die kürzlich zu ihm ent sandt war, ausgesprochen, daß auch der Anlaß zu der Rigaschen Arbeiterbewegung außerhalb der Wirt schaftssphäre liege und er mit dem Kriegsniinister Rück sprache nehmen wolle, damit das Privateigentum an Fabriken und Maschinen genügend geschüvt werde. Sonst konnte die hohe Exzellenz den Vertretern Fabri- kanten nur den Rat geben, eine „friedliche Einigung" mit den Arbeitern zu versuchen und es schlimmsten Falls auf einen „wirtschaftlichen Kampf" ankommen zu lassen. Wirtschaftlicher Kampf! Tas klingt ganz harmlos, wie wird der aber aussehen? Wer wird seine Kosten bezahlen? Wovon iverden die ausständischen Arbeiter leben? Die Streikgclder, die einigen Arbeitern aus unbekannten Quellen zufließen, können kaum so reichlich vorhanden sein, daß 40 000 Arbeiter auf Wochen und Monate hinaus aller Existenzsorgen enthoben sein werden. Die Bettelei hat denn auch schon merklich zugenommen, ja, in mehre ren Fällen erscheinen Bittsteller mit Ouittungsbüchcrn, verlangen dreist eine Unterstützung „für die So- ziale n", wie sie sagen, und bestimmen sogar ungeniert die Höhe des Gesck-enks: es ist mehrfach vorgekoinmcii, daß sie in Lebensmittelhandlnngen und in Privatwoh- nungen mit Gclvalttätigkeiten drohtet«, falls sie nicht 10 Rubel als Unterstützung erhielten. Andererseits steht cs fest, daß «nehrercn Arbeiterfamilien, wo der Vater streikt, „ein Studen t", ü. i. ein Polytechniker. Geld- Unterstützungen zugebracht hat. Vor kurzem l-atte eine Persönlichkeit in Offiziersuniform den Arbeiterinnen einer Fabrik erklärt: „Legt nur ruhig die Arbeit nieder, falls ihr cs wollt. Wenn ihr nichts zu essen habt, werdet ihr in den Kasernen für euch und eure Familien uncnt. geltlich ein Mittagessen verabfolgt erhalten!" — Und sie kamen zur Kaserne, zogen aber schimpfend und drohend ab, als ihnen erklärt wurde, sie seien mystifiziert worden. Daß das geschäftliche Leben hier aus den Fugen ist. daß einige Herren ihre Familien ins Ausland schicken, daß es bald hier, bald da Krawalle gibt, daß der In dustriebetrieb gründlich gestört ist u. dgl. m. das alles stimmt. Auch die Beamten und das Arbeitspcrsonal derRiga-Oreler Bahn streiken wieder seit einigen Tagen, so daß die Annahme von Frachtgut eingestellt ist. Unter den verschiedenen Forderungen der Beamten, wie Kürzung der Arbeitszeit, Lohnerhöhung, Entlassung un beliebter Vorgesetzter usw. befindet sich auch eine merk- würdige Sehnsucht nach Lokalveränderung: die Ar beitsräume der Beamten sollen — so wün schen dissel — aus dem Verwaltungsgebäude der Bahn in das Rigasche Polytechnikum übergesllhrt werden. Als das herrliche Produkt herrlicher russischer Er- ziehungskunst haben auch wir in Riga jetzt einen — Froschmäusekriea zu verzeichnen I Auch hier streiken bereits die Schüler! Im KronS- Gymnasium nahm die Sache ihren Anfang. Dieselben lettischen, littauischen und jüdischen Bengel, die zu Be ginn des japanisch-russischen Krieges unter Führung ihrer russischen Lehrer „vaterländische Demonstrationen" veranstalteten, mit oer Schulfahne und unter Gesang der iarenhymne durch die Straßen zogen und den Straßen- Passanten di« Hüte vom Kopfe schlugen, wenn sie es wagten, bedeckten Hauptes vorübergehen zu wollen, dies« selben „Patrioten", streiken setzt, stellen Forderungen urrd werfen Stinkbomben inS Schulgebäude! Auch auf die städtische Handelsschule — (nicht zu verwechseln mit der Kommerzschule des Börsankomitees!) — sowie eine russische Privatkommerzschule hat sich die „Bewegung" fortgepflanzt, die, wie abgefaßte Briefe gezeigt haben, von Petersburger Schülern organisiert wurde. Und welcher Art sind die Forderungen? — Bitte lachen Sie nicht, die Herren „Lernenden" nehmen die Sache durch aus ernst! Also: Anstellung der Lehrer nach Wahl der Schüler, Entlassung mißlie biger Lehrer auf Wunsch der Schüler, eine schlech tere Nummer als 2 (mittelmäßig!) darf nicht gestellt werden und die 2 soll auch als Versetzungs nummer gelten! — O ungebrannte Asche meiner Jugend! scheußlich warst du. wenn du jugendlick-em Uebermut die Einlzaltung gewißer Grenzen so schmerzlich nahe legtest, aber gesegnet seist du für alle Zeit, als ein grüner Zweig von des Lebens goldenem Baum! Heute herrscht aschgraue HumanitäZ-Theorie und slavische Mondschein - Sentimentalität, und Väter und Söhne wurden zu Lassen. Ein einziges, großes Babel von den Ufern des Stillen Ozeans bis zu den Küsten der Ostsee. — das ist heute das Russenreich. Es streikt alles, die Schutzleute und die P s a l m e n s ä n g er der grie- chifchen-orthodoren Kirche nicht ausgenommen! Man hat sich inRevolutions st immung hinein geredet und alles Maßvolle ist dem Russen „8kütsebno", d. i. langweilig. Und kein Mensch kann wissen, was sich ereignet, wenn, wie doch durchaus wahr scheinlich, Kuropatkin bei Mulden geschlagen wird! . . . Also nicht das Heute, sondern das Morgen und Ueber- morgen ist es, wohin bang die Blicke ziehen. Sehr er n st ist aber, was bei uns vom Lande, von finländischen Gütern, gemeldet wird. Hier bereitet sich eine soziale Revolution gegen üie deutschen Gutsbesitzer und Pastoren vor. In einigen Kirchen liegen allsonntäglich auf jedem Platz blut- rünstige Proklamationen aus, die zur Er- mordulia und Plünderung der Deutlichen aufiln^-.-n „so bald das Signal gegeben w'.rd". Das Signa« lock aber sein, „wenn er — (d. i. der Zar!) — in seinem Blute schwimm t!" Am gestrigen Sonntage ist es bereits aufSchloß Kottenhusen, an der Düna 2 Stunde«« Eisenbahnfahrt von Riga belegen, zu Aus schreitungen gekommen. Die Hofesleutc des Gutsbesitzers Baron Lötvenstern hatten diesen zu sprechen verlangt, um ihre „Forderungen" vorzulegen. (Tenn heute hat hier jeder eine Sand voll „Forderungen'!) Baron Löwenstern weigerte sich, in den Hof zu kommen, wie der Haufen verlangt hatte, und dieser begann darauf die Fenster einzuschlagen und sonstige Demolierungen vor- zunehinen. Hierauf trornmeltc der Gutsbesitzer seine Buschwächter (Waldhüter) zusammen, es kam zu einem Zusammenstoß mit den Tuniultanten und ein Busch wächte«: wurde so schwer verwundet, daß er ««ach Riga ins Krankenhaus transportiert werden «nußte. Ei«« Extrazug mit Militär sollte aus Riga abgehen, die Abfertigung unterblieb aber, weil die Aufregung sich gelegt habe«« soll. — Auch von anderen Gütern treffen Nachrichten über Währungen unter der Landbevöl kerung ein ui«d es fragt sich, wie U>eit die russische Regie rung den Willen — und vielleicht auch die Macht! — haben wird, die Regungen einer soziale«« Revolution iin Keime zu ersticken. Ihre Bauernkommissüre und sonstige«« Tschinowniks haben doch seit Jahre«« alles ge- tan, un« die Landbevölkerung gegen das verhaßte Deutsch, tum, die „Ritter" und „Literaten", wie wir in der rus- fischen Presse genannt werden, gründlich aufzubringen. Und die dummen Lette«« und Esten legen sich nicht die Frage vor, ob von ihnen mehr als eine literarhistorische Erinnerung übrig bliebe, wenn die bösen „Sacksad" d. i. „Sachsen" — die estnisck>e Bezeichnung der Deut schen, die bei uns hauptsächlich niedersächsisckxr Herkunft sind! — einmal aus Kur-, Liv- und Estland verschwinden sollten. Und auch diese literarhistorische Erinnerung wäre nur ein Ruhmesblatt der deutschen Pastoren, die den Esten und Letten Bibel und Gesangbuch und alle Segnungen der Reformatio«« gegeben und ihre noch heute lebende Sprache geschaffen haben, — wäre ein Ruhmesblatt der deutschen Ritter und Literaten, die das Esten- u««d Lettenvölkchen zn«ar unter strenger, deut scher Zucht gel-alten, ihm aber auch eine Agrar ordnung geschaffen haben, wie sie Irland unter dem Regime des „liberalen" England nicht hat und deren Mustergültigkeit selbst ein Deutschenfresser pur saue, wie der berüchtigte Gouverneur Sinowjew, in einem umfangreichen Buck seinen Landsleuten vorgebalten hat. Der lurrirch-iapsaircht silirg. V«r japanische Neichstaß. Aus Tokio, 22. Dezember, wird der „Köln. Ztg." geschrieben: Der am 30. November 1904 durch den Mikado eröffnete Reichstag ist der erste unter dem Ministerium Katsura, der — voraussichtlich — eines natürlichen Tode- sterben wird. DaS Ministerium war bereits fast IVs Jahr im Amte, als e» im Dezember 1902 zum ersten Male den Reichstag berief. Ater rasch ver fiel er der Auflösun g. Drei Monate später w«e - derholte sich das traurige Ereignis. Im letzten Früh jahr fand eine blitzschnelle außerordentliche Tagung statt, und jetzt zum ersten Male sind die Neichsboten zu längerem Aufenthalte in der Hauptstadt versammelt: es heißt, auf drei Monate Der Reichstag hat die Ausgaben für denKrieg zu decken, das Budget aufzustellen und über einige Gesetzentwürfe zu beschließen. Der Mikado sprach in der Thronrede die Errvartung aus, daß der Reichstag in voller Ein tracht seine Pflicht erfüllen würde. Angesichts des Krieges «rar die Bewilligung der geforderten Mittel und die ziemlich unveränderte Annahme der Teckungsvor- schläge von vornherein sicher. Im Unterlaufe saßen unter 379 Mitgliedern "nar nur 19 unbedingte An hänger des konservativen Ministeriums, die kleine Teiko- kuto oder Kaiserpartei, übrigens lauter Parteien und Gruppen, welche die parlamentarisck-e Negierung an- strebei« — die Seiyukai (Konstitutionelle) 137, die Schrmpoto (Fortschrittler) 91, die Tsiyuto (Liberale) 19, der Koshinklub 34 und die Tokokai 26, zwei aus der Seiyukai ausgeschiedene radikale Gruppen, und 53 Wilde —. die Regierung hätte also in Frtedenszeiten „keinen Mann und keinen Groschen" bewilligt erhalten, jetzt aber lag den Abgeordneten die patriotische Pflicht ob, die Mittel für den Krieg zu bewilligen, den das ganze Volk, ausgenommen einige Sozialisten und Radikale, ein mal gebilligt, gewollt, ersehnt hatte. Die Kriegs steuern sind zunächst in der gemeinschaftlichen Sitzung der Kommission und des Ministeriums, und dann im Plenum zum größten Teil entsprechend den Vorschlägen der Regie- rung bewilligt worden. Die Einkommensteuer soll fortan in halb- statt in vierteljährlichen Raten erhoben werden. Ein Zoll auf (chinesische) Seidenkokons, welcher von der Regierung nicht gefordert war, wurde hinzugefügt. Die Grundsteuer hat man auf 20 Proz. für städtische. 8 Pro zent für ländliche Bauplätze und 5,5 Prozent für kulti viertes Land festgesetzt vom 1. Januar d. I. ab. Die Biersteuer ist auf Vorschlag der Seiyukai um 50 Ren erhöht, die Zuckerverbrauchssteuer gleichfalls um 50 Ren. Die Steuer auf Wollgcwebe behielt die Höhe von 15 Pro- zent des Wertes, die übrigen Gewebe wurden mit 10 Prozent (erste Besteuerung) belegt, und zwar ist diese Steuer in. Stempelmarken non den Webern zu entrichten, welche die den Ware«« ausgeklebten Stempelmarken den Käufern »'s "^eleg für die Preiserhöhung vorzeigen. Die Vcrrvhrssleuer nurde entsprechend dem Vorschlag, der Sei'ykuai geregelt. Die bewilligten Kriegssteuern, die im ganzen um 10 Millionen Ren hinter den Forderungen der Regierung zurückbleiben, betragen rund 65 Millionen. Davon entfällt über die Hälfte auf die Grundsteuer, fast ein Fünftel auf das Salzinonopol, ein Achtel auf die Weberei und etwa je ein Elftel auf die Einkommen- und Gewerbesteuer Die Presse äußert sich verschieden über dei« Ausgang der Steuer- und Zollverbandlungen. Die „Nitschi Nitschi" ist mit der Negierung und den Abgeord neten unzufrieden, mit letzteren, weil sie die schlechten Vorschläge der Regierung unverändert ange nommen l-aben. mit der Negierung, weil sie die Grund steuer habe herabsetzen lassen, so daß ein Ausfall von 10 Millionen Ren gegenüber dem Entwurf entstanden sei. Die „Tjidfi" sagt noch vorwurfsvoller: „Tie Regierung hat den Bauernstand begünstigt: sie wird das Zentrum des Volksunwillens werden." Die „Mainitschi" meint, der Reichstag habe der Regierung gegenüber blinde Unterwerfung gezeigt. Besonders die Fortschrittler hätten nach den vorher geführten großen Reden eine gar zu feigoNachgiebigkcit gezeigt. Ter „Tschuwo", ein Blatt der Seiyukai, ist sehr zufneden mit dem Ausgang. Die „Kokumin", das Rcgierungs- blatt, nimmt es übel, daß die Kommissionsmitglieder nicht so »inmlltig gestimmt haben, wie später das Plenum. Tie „Asahi" erklärt den Beschluß der Abgeordneten für eine patriotische Tat in schwerer Zeit, Aeiire voreiligen Folgerungen aus der Belagerung und den« Fall PortArthurs zu ziehen, daran mahnt ein Aussatz des zum Generalstabe kommandierte«« Hauptmanns Hüther im „Militär- Wochenblatt". Die Hauptgründe dafür sind folgende: Die Gegner «varen vielleickzt glcick-wertig, aber keines. Wegs erstklassig an Ausrüstung und tak- tischer Ausbildung für den Festungskrieg. Die japanische Belagerungsartillcrie verfügte über kein einziges, ««ach europäischen Begriffen modernes schweres Belagerungsgeschütz zur Bekämpfung wider- standsfähiger ständiger Werke. Das in Europa übliche Kaliber für diesen Zweck — ein Mörser oder eine Haubitze von 20 Zentimetern Kaliber aufwärts, mit einer Brisanz langgranate — fehlte ganz und gar. Die achtzehn 28 - Zentimeter - Haubitzen können nur als ein schwacher Ersatz dieses Mangels angesehen werden. Die Zahl moderner 16 - Zentimeter - Geschütze soll nicht einmal die eines einzigen deutschen Bataillons 15 - Zentimeter- Haubitzen erreichen. Tie übrigen mittleren Geschütze sind entweder kleinkalibriger oder ganz veraltet. Selbst wenn alle 15 - Zentimeter - Geschütze und solche stärkeren Ka libers moder«« gewesen wären, so entspräche ihre Zahl kaum dem dritten Teile der Menge von Ge schützen, die nach europäischen Grundsätzen zum Angriff auf eine moderne Festung für notwendig erachtet werden und hierzu auch bereitstehen. Di« gv-tzt« Schlacht ö«v welt-oschlcht«. Als die größte Schlachtder Weltaeschichte be- zeichnet die „Voß. Zta." die Schlacht beiMukden, in- dem sie zum Vergleich die Kombattantenzahlen auS anderen großen Schlachten anführt. Ende August ve« Liaujang hatten die Russen etwas über 180 000, dir Japaner rejchlich 200 000 Mann. Inzwischen sind beide Heere unaufhörlich in grobem Maßstabe verstärkt worden, so daß bei Beginn deS Ringens um Mukden die Stärke der Rossen vielfach auf nahezu eine halbe Million, die der Japaner auf 400 000 Mann geschätzt wurde. ES mag sein, daß die wirklichen Ziffern hinter den berechneten -urückblejben, vielleicht sogar erheblich. Dennoch wird nicht m bezweifeln sein, daß sich bei Mukden weit über «ine halbe Million Streiter gegenüberstanden. DaS aber ist mehr, als in der Völkerschlacht bei Leiv-ig, die bisher als bi« größte der Weltgeschichte verzeichnet wurde. Do mais, im Oktober 1813, kämpften 171 000 Franzosen gegen 301 500 Mann der Verbündeten. Auch hinsichtlich der Ver luste scheint die Schlacht von Mukden alles zu übertreffen, was bisher bekannt war. Daß die Nullen insgesamt an Toten, Verwundeten und Gefangenen 200 000 Mann ver loren haben, wird in Berichten von verschiedenen Seiten be hauptet, und da die Verfolgung noch «mmer andauert und die Rückzugsgefechte noch ungeheure Opfer fordern werden, ist es nicht unwahrscheinlich, daß schließlichZehr viel mehr als 100 000 Mann auf beiden Seiten den Äahlplatz decken werden. Waren die Verluste der Japaner bei den Stürmen auf geschützte Stellungen anfangs größer als die der Russen, so werden um so furchtbarer die japanischen Geschütze seit Hereinbruch der Katastrophe die russischen Truppenkörper ver heert haben. In der Schlacht von Leipzig verloren die Verbündeten 48 000 Mann Tote und Verwundete, die Fran zosen 45 000, und außerdem 15 000 Gefangene. Nächst Leip zig war die größte Schlacht, die Schlacht, an der die meisten Truppen beteiligt waren, die von Koniggrätz. Beide Heere waren nahezu gleich stark. Die Preußen verfügten über 220 982, die Oesterreicher und Sachsen über 215134 Mann. Die Verluste betrugen auf preußischer Seite 8894, auf österreichischer 23 598 Tote und Verwundete. Dazu büß ten die Besiegten 20 715 Gefangene ein. Sehr groß waren die Verluste in den Schlachten um Metz. Am 16. August 1870 bei Mars la Tour-Rezonv«Ile kämpften 63 000 Deutsche gegen 113 500 Franzosen und hatten 14 830 Tote und Verwundete, während die Franzosen 11 460 Tote und Ver wundete und 5470 Gefangene verloren. Am 18. August bei Gravelotte-St. Privat standen 187 600 Deutsche gegen 112 900 Franzosen. Die Verluste auf deutscher Seite betrugen 19 640, auf französischer 7850 Tote und Verwundete: die Deutschen machten 4420 Gefangene. Endlich bei Sedan waren die Deutschen 154 000, die Franzosen 90 000 Mann stark. Die Deutschen zählten 8220, ine Franzosen 17 000 Tote und Verwundete. Außerdem wurden in der Schlacht 21 000 Franzosen, und infolge der Kapitulation der Rest d«S HeereS kriegsgefangen. was nun? Ucber den augenblicklichen Stand der Dinge äußerte sich, nach dem,,L.-A", ein bekannter russischer General im Generalstabe folgendermaßen: „Die Niederlage bei Mukden hat uns unbeschrelblich niedergedrückt, besonders uns, die wir so manche siegreiche Schlacht mitgekämpst haben. In der russi schen Kriegsgeschichte sind die heutigen Ereignisse beispiellos. Unsere tapferen, unermüdlichen Soldaten sind durch die fort währenden Mißerfolge mut- und hoffnungslos. Man darf Kuropatkin nicht alle Schuld an den immerwährenden Nieder lagen beimessen: viel tragen dazu bei die äußeren Umstände." Ohne Flotte sei cs fast ein Ding der Unmöglichkeit, in Ost- asien einen erfolgreichen Feldzug zu führen. Eine Armee von über 300 0» Mann darf nicht lediglich aus einen einzigen Etscndahnstrang angewiesen sein, wie es jetzt die russijche Armee in der Mandschurei ist. Infolgedessen mußten viele wichtige Pläne ausgegeben werden. Es mangelte infolge ver langsamter Beförderung an gehöriger Ausdehnung, wie Aus- sühruna der Pläne. Wir gehen nun auf Tieling zurück, falls wir nicht abgeschnitten sind. Das scheint jedoch nach den letzten Nachrichten noch nicht einaetrcten zu sein. Dann natürlich weiter nach Charbin. Bisher spielten sich die Kämpfe ledig lich auf neutralem Boden ab, der uns teilweise ziemlich un bekannt war. Eharbin dagegen bietet ganz andere Chancen. Kein Gebirge ist dort, nur Ebene, wo wir unsere Kräfte anders entfalten können, als bisher. Freilich, ohne Flotte werden die Schwierigkeiten immer endlos bleiben. Warum jammern wir so, daß Mukden unseren Händen entgangen ist? Es ist doch kein Wladiwostok, unser einziger Hafen im fernen Osten! Wäre dieser genommen, dann gäbe es keine Rettung. Wie gesagt, unsere Hoffnung ist nun Cbarbin! Freilich wird jetzt wohl eine längere Pause in den Kriegsoperanonen ein treten. Beide Teile bedürfen dringend der Ruhe. Vielleicht kommt es zuvor noch bei Tieling zu barten Zusammenstößen. Alles wird jetzt davon abhängen, wie weit die Japaner die Umzingelung ausgcfübrt haben und wie sich d«e Lage «m Innern Rußlands acstaltet. Sollte das Geipenst einer Rcvo- lution greifbare Gestalt annchmen, so müssen wir natürlich Frieden schließen. Andernfalls kann sich der Kampf bis zum endgültigen Siege über Japan noch über zwei Jahre hin ziehen. Der Zar in Zarskoje Sselo wußte von dem Rückzüge Kuropatkins bereits am Mittwoch. Er war furchtbar nieder gedrückt und tagsüber schweigsam. Der Zar erhält zweimal täglich sehr ausführlichen Bericht vom Kriegsschauplatz." Lrmsrdung russisch«»? Gefangener durch Lhunchusen. Ain Montag abend überraschten, nach einer Reuter-Mel dung, die Chunchusen eine stärkere russische Patrouille. In dem sich entrinnenden Kampfe, bei dem die Chunchusen nur unbedeutend litten, fielen 22 Russen, während zwei gefangen wurden. Am 8. März bildeten die Chunchusen in Starke von 300 Mann einen grotzen Kreis, unmitttibar vor den Toren von Sinminting. Sie zogen dabei japanische Flaggen auf. Innerhalb dieses Kreises sollte die Hinrichtung der beiden jungen Russen stattfinden, die als Spione zum Tode ver urteilt worden waren. Tas Bild war außerordentlich male- risch. Die vom Welter gebräunten Räuber saßen auf rauh- haarigen Ponies, die barbarisch herausgeputzt waren. Die Bandtten waren bis an die Zähne bewaffnet und trugen neben langen Gewehren auch Maulcrpistolen. Die Räuber zu Fuß trugen Turbane oder russische Pelzmützen. Die beiden Ge fangenen wurden unter Trompetengeschmetter in den Kreis gebracht. Man entblößte sie hierauf bis zu den Hüften, band ihnen die Hände auf den« Rücken zusainmen und lieferte sie den« Henker aus, einem 6 Fuß großen Kerl, der grinsend das Richtschwert aus der roten Scheide riß. Der eine der Russen, der einen chinesischen Rock getragen hatte, war -Weisel- los ein Offizier. Er kniete, ohne einen Ton zu äußern, nieder, während sein Genosse zusah, wie er den Todesstreich erhielt. Der zweite Gefangene war ganz chinesisch gekleidet. Er wimmerte einen Augenblick, ermannte sich dann aber bald, rang vergeblich gegen den Henker, wurde niedergeworfen und getötet. Nach der Hinrichtung wischte der Henker lachend sein Schwert an den Kleidern der Leichen ab, und auf langen Trompeten wurde eine Fanfare geblasen. Der Bandensübrer, ein alter Mann von wilden Manieren, der «in japanisches Schwert trug, hatte der Hinrichtung ohne eine Spur von Bewegung zugesehen. „Es sind «pion«", sagte er. ?und wir müssen sie töten. Außerdem würde es ichwrerig se«n, sie zu transportieren." Daraus ertönte wieder ein Hornsignal. Die Reiter schwangen sich in den Sattel, die Fußgänger nahmen eine vorschriftsmäßige Marfchordnung an und die Räuber zogen ab. Die Leichen blieben am Wege liegen, be gafft von neugierigen, mitleidlosen Chinesen. Die Japaner haben sie später beerdigt. Von dem Einverständnis -nnschen Japanern und Chunchusen legt die Nachricht Zeugnis ab, daß die Japaner den Chunchusen, die bei Pontfchinta» er beuteten russischen Proviantlager überließen.
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