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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190601214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19060121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19060121
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-01
- Tag1906-01-21
- Monat1906-01
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«eiteS. «r. S«. IW. Jahr« Leipziger Tageblatt. evaatag, 21. Jaaaar 1 und Produzenten, sowie der pfälzischen Winzerverein.: wurde ein Antrag angenommen, wonach durch die Ver treter der Pfalz im Reichstag folgende Interpellation cingebracht werden soll: „WaS gcoenken die verbündeten Regierungen zu tun, um die Mißstände in der WeinprÄmktion zu beseitigen? Insbesondere: sind die Regierungen zur Wanderung des WeingesetzeS mit scharfer Lagerkontrolle und wirksamer Ein- schränkung des Zuckerzusatzes bereit, und welche Garantien bieten uns die verbündeten Regierungen z.:r Durchführung des Gesetzes? Sind sie bereit, die Kellerkontrolle in allen Bundesstaaten durch' Kontrolleure im Hauptamt nach ein- beitlick-cn Gesichtspunkten durchführen zu lassen?" * Erhaltung der Heidelberger Schloßruiue. In der Budgetkommission der zweiten badischen Kammer erklärte Finanzminister Becker über die Erhaltung der Heidel berger Schloßruine, daß die neuesten Vorschläge Eggerts der Ministerialbaukommission zur Begutachtung unter breitet seien und je nach dem Ergebnis in einem Budget nachtrag Anforderungen gestellt werden würden. Soweit sich bisher übersehen lasse, seien die Vorschläge Eggerts nicht ausreichend, um die Erhaltung der Ruine zu er möglichen, deren Zustand schlechter sei als früher ange nommen wurde. Schleunigstes Eingreifen sei also not wendig. * M« Vries Ke» Fürsten viSmarck. Einen politisch hochbedeutsamen, bisher noch nirgenvs veröffentlichten Bries des Fürsten Bismarck verlas, wie man dem ,B. T." schreibt, anläßlich eine- patriotischen Kommerses in Osnabrück der dortize Archivdirektor Dr. Winter. DaS an W. gerichtete Schreiben enthält unter anderem folgende Sätze: , Barziu, L8. November 1890. ... In der Stetigkeit, mit welcher 'unsere politischen Institutionen nach meinem Ausscheiden ans dem Dienst ungestört fortwirkeu, liegt der beste Beweis für die Unrichtigkeit der von meinen Gegnern oft ausge sprochenen Behauptung, daß die deutsche Reichsoerfassung nur auf mich und meine Ansichten zugeschnitten fei und durch mein Ausscheiden geschädigt werden würde. Den Wunsch nach Herstellung einer großen homogenen Parlamentsmajorität teile ich mit Ihnen, halte ihn aber für einen „frommen", der nach den mir verbliebenen Eindrücken auch in Zukunft nicht mehr Aus- ficht auf Erfüllung hat, als ich in der Bergangeuheit gewinnen konnte. Ich bin froh, daß es mir so lange gelungen ist, die Einigkeit der Dynastien zu erhalten. Die der Parteien bis zu einer konstanten Mehrheit festzustellen, war nicht möglich und wird es schwerlich werden. . . . Bismarck." Bismarck zeigt sich auch in diesem Briefe als der große Realpolitiker, der die Dinge nimmt, wie sie sind. Rd. Ein sozialdemokratischer Kriegcrverein. Aus der Pfalz wird uns geschrieben: Im Kriegerverein zu Niedcr- Auerbach haben die Sozialdemokraten die Oberhand be kommen und ihren Führer zum Vorsitzenden gewählt. Anstatt mit einem Hoch auf König und Vaterland werden jetzt die Vereinsversammlungen mit dem Rufe: „Frei heit, Gleichheit und Brüderlichkeit" geschlossen. — * Kleine politische Nachrichten. Während dem Reichstags- Präsidenten bisher eine osfizielle Benachrichtigung vom Ableben des Staatssekretärs Frhrn. von Richtbofen nicht zuge- gangen ist, hat der Ministerpräsident Fürst Bülow beiden Häusern des Landtags gestern vormittag eine solche Benach richtigung mit dem Ersuchen zugehen lassen, den Landtag hiervon in Kenntnis zu setzen. Diese ungleiche Behandlung beider Parlament ist höchst befremdlich. — Ter Oberpräsident von Sachsen StaatSminister v. Boetticher wird, wie die „Köln. Ztg." aus Berlin meldet, demnächst auf seinen Wunsch aus dem Staatsdienst au-scheiden. Die Meldung tauchte schon vor einiger Helt auf und wurde damals widerrufen. Nunmehr aber durfte sie ihre Richtigkeit haben. — Ein Prioattelegramm aus Hannover meldet uns: DaS diesige Land gericht verurteilte heute den verantwortlichen Redakteur des sozial- demokratilchrn Organ- „Volkswille" wegen Beleidigung des Hildes heimer BürgrrvorstrherkollegiumS zu 150 .^> Geldstrafe bezw. 30 Tagen Gefängnis. — Bei der Landtagsersatzwahl für den Wahlkreis Fulda wurde Oberlandesgerichtspräsident Dr. Spahn einstimmig wtedergewählt. Ein Gegenkandidat war nicht aufgestellt worden. * Plauen i. V., 20. Januar. Die Gastwirte der Kreishauptmannschaft Zwickau hielten, wie die „Neue vogt- sändische Zeitung" berichtet, hier am Freitag abend eine Protestversammlung gegen die beabsichtigte Brau- sleuer ab, bei der Herr Landtagsabgeordneter Günther das Referat übernommen hatte. Die zum Schluß verlesene ResolutiongegendieBrausteucr sand einstimmig Annahme. Trespen, 20. Januar. (Privattelegramm.) Die Vor sitzenden der Handelskammer, Grwerbekammer, deS naüoual- liberalen deutschen Reichsvereins und deS lonservatwen Vereins, sowie Oberbürgermeister Beutler laden heute zu einer Versammlung rin, m der eine öffentliche Kundgebung für die Aufrechterhaltung des Friedens und die Schaffung freundschaftlicher Beziehungen zwischen England und Deulich- land veranstaltet werden soll. Professor Dr. Geß von der Technischen Hochschule wird einen einleitenden Vortrag halten. Huslanck. Oesterreich-Ungarn. * Ter Konflikt mit Serbien. Die Nachricht, daß Serbien in bezug auf die Zollunion mit Bulgarien Oesterreich nachgegeheu habe, war nur zum Teil zutreffend, denn heute meldet die „Neue Freie Presse" folgendes: Die serbische Regierung lehnte die Forderung der österrrich-ungarischen Regierung ab, wonach alle von dieser als notwendig bezeichneten Aenderungen an dem serbisch bulgarischen Handelsvertrag vorgenommen werden sollten, und behielt sich vor, nur jene Aenderungen vorzunehmen, die durch den Vertrag mit Oeslerreich-Ungarn notwendig würden und gemeinsam festzustellen wären. Darauf teilte der österreichische Gesandte Czikanu der serbischen Regierung mit, daß ihre Antwort nicht genüge und die Bertragsverhandlungen daher nicht wieder ausgenommen werben könnteu. * Ter unsartsche Ministerpräsident Frhr. v. Fejervary wurde heule vom Kaiser in zweistündiger Privataudienz empfangen. Fejervary erstattete Bericht über dir politische Lage und die laufenden Angelegenheiten. Der Ministerpräsident wird dem brütigen Hofballe beiwohnen und morgen wieder nach Pest znrückkrhren. > * Zugeständnisse an die Ungarn. Wie der Wiener „Allg. Corresp." von militärischer Seite mitgeteilt wird, ist die neue Militär st rafprozestordnung beerits end- gültig festgesetzt und wurde in derselben auf die Forde rungen Ungarns hinsichtlich der Verhand lungssprache voll st e Rücksicht genommen. Bei den VerständigunAsversuchen mit der Koalition müsse diese Konzession als wesentliches Moment angesehen werden, da die ungarische Verhandlungssprache bei den Militärgerichten noch höher einzuschähen sei, als die ungarische Kommando sprache. Einzelne Bestimmungen in der neuen Militärstraf- prozeßordnung sollen ganz besondere Zugeständnisse an die Ungarn bedeuten, und es wird erwartet, daß dies auch von der Koalition anerkannt werden wird. — Konzessionen in dieser Richtung können vernünftigerweise nur gebilligt werden. Der Angeklagte hat ein Recht darauf, daß die Verhandlung in seiner Muttersprache geführt wird, da er ihr andernfalls auch mit Hilfe eines Dolmetschers nicht genügend folgen kann. Nur darf man gespannt sein, ob Oesterreich die Konzession nicht so weit getrieben hat, daß das magyarische Idiom obli gatorisch angewcndet werden muß, womit natürlich die Inter essen von Anderssprachigen in Ungarn beeinträchtigt würden. * Strasgerichtliche Anzeige gegen den Obergcspan Lasz- berg. Der ständige Ausschuß des Pester Komitats hat den Honorarobersiskal angewiesen, gegen den stellvertretenden Obergespan Grafen Laszberg, weil er das Komitatsbaus mit bewaffneter Macht besetzt hat und seither besetzt hält, ver- schlossene und versiegelte Lokalitäten mit Gewalt öffnen ließ und gegen einzelne Munizipal-Ausschußmitglieder und Be amte Gewalttätigkeiten verübte, die strasgerichtliche Anzeige erstatten. — Es wird immer besser im Lande Huugaria. Jetzt werden sogar die von der Negierung bestellten obersten Beamten, die doch lediglich pflichtgemäß ihres Amtes walten, von den resistenten Verwaltungsbehörden strafgerichtlich zu belangen gesucht. Linker Hand, rechter Hand, alles ver tauscht! Frankreich. * Ja»ri-S als Verteidiger der deutschen Politik. In einer Freitag abend im Saale der Freimaurerloge „Grand Orient" unter dem Vorsitze des Akademikers Anatole France stattgehabten überaus zahlreich besuchten Versammlung hielt Jauräs eine Rede über die Konferenz in Algeciras, in welcher er zunächst das Vorgehen Delcasiss auf das schärfste kritisierte. Delcassü habe dir im Jahre 1880 auf der Madrider Konferenz anerkannten Rechte der europäischen Staaten verletzt und gegen Deutschland eine herausfordernde und beleidigende Haltung beobach- t et. Man müsse eingestehen, daß der Protest Deutschlands gegen die Marokko-Politik DelcafsSS gerechtfertigt war. Denn DelcassS habe an Taillandier in der Tat Weisungen gegeben, welche ein Protektorat über Marokko, die Abdankung deS SultanS und eiu Monopol Frankreich« bezüglich d«S Militärs, der Finanzen, der Polizei und d«S Handels Marokkos be zweckten. Allerdings habe die deutsche Diplomatie durch ihr Vor- geben Beunruhigung hervorgrrufen. Durch seine Politik habe DelcassS der Latente ooräialv mit England eine feindselige Tendenz gegen Deutschland verliehen. ÄaS eine englische Riva lität gtgrnDeutschland anlange, so müsse man rS al« durchaus unrichtig bezeichnen, daß die Industrie Englands von Deutschland bedroht werde. Denn sie sei gegenwärtig mit Aufträgen überhäuft, wie noch niemals zuvor. Nur die englischen SchiffSgrsellschaften hätten die drutlche Konkurrenz zu befürchten, und deshalb hätten die Unternehmer die ihnen nahestehende Presse Frankreichs gegen Deutschland auf- gehetzt. Das demokratische Frankreich wolle Frieden und brauche Frieden zum Ausbau der Freiheit und zur Verwirklichung seiner sozialen Bestrebungen. Tie Konferenz von Algeciras müsse eine endgültige und dauernde Lösung bringen. Die Marokkofrage muffe auS der Welt geschafft werben, damit der Druck und die Unsicher heit, welche auf Europa lasten, endlich aushörten. Die Rede wurde mit stürmischem Beisall ausgenommen. (Sie verdient in der Tat Vie vollste Beachtung der Franzosen und der deutschen Sozial demokraten.) * vom französischen Kriegsbudget. In dem Bericht des Deputierten Klotz über bas Kriegsbudget, der demnächst in der Kammer zur Verteilung gelangt, wird die Wichtigkeit des Budgets für 1906 Hervorgehoben unter Hinweis darauf, daß Frankreich auf olle Fälle, obwohl es den Frieden wünsche, gerüstet jein müsse und unter weiterem Hinweise auf das neue Rekrutieruagsgesek. Klotz führt aus, daß die Republik einen Grad militärischer Macht erreicht habe, der unter den trüberen Regierungen unbekannt gewesen sei. Obgleich aber das Parlament niemals die für militärische Zwecke geforderte Geldsumme abgelehnt habe, hätten die außerordentlichen Ausgaben Deutschlands die Frankreichs im Jahre 1904 um La§ dreifache und 1905 um das fünffache überstiegen. Klotz kritisiert dann das Vorhandensein eines Generalissimus in Friedenszelten, tadelt das System der Beförderung der Offiziere und prüft alle juristischen Fragen, die die Anwendung der zweijährigen Dienstzeit nach sich ziehen kann. Im weiteren Verlaufe des Berichts geht Klotz auf den eigentlichen Hrcresetat ein, der die Bewilligungen des Vorjahres um 34 Millionen übersteigt. England. * Die englischen Wahlen. In Ost-Sussex gewannen die Konservativen einen weiteren Sitz, im ganzen bisher fünf. In Southarnpsdire wurde der ehemalige Zivillord der Admiralität Lee wiedergewävlt. — Die liberale Hochflut in den Grafschaften ist noch stärker als in den Städten. Viele Bollwerke des konservativen Einflusses, wo nie zuvor liberale Bewerber einen Angriff wagten, sind mit großen Mehrheiten erobert worden, so daß viele Adels- samilien in Zukunst ohne Vertreter im Unterhause sind. Bis jetzt sind 13 konservative Exminister unterlegen. Von den früheren Kabincltsministern ist lediglich Arnold-Förster gewählt worben, doch soll Balfour an der Cambridge-Universilät sichere Unterkunst erhalten. Bis jetzt ist kein einziger Schrwzöllner in Schottland und kein einziger Konservativer in Wales gewählt worden. Kein ein ziges Mitglied der von Chamberlain eingesetzten Tarifkommission ist gewählt. Rußland. * Unter drin Kriegszustand in Warschau. Ter „Frank- furter Zeitung" wird aus Warschau folgendes geschrieben: Der neu ernannte Kriegsgouverneur General Weiß ließ vorgestern nacht eine der belebtesten Straßen, die Marszal- kolvska, vom Warschau-Wiener Bahnhofe bis zur Heiligen Kreuzgasse durch Soldaten absperren. Alle Droschken und Pferdebahnwagcn wurden angehalten und sämtliche Passanten oder Wageninsassen, wie auch sämtliche Gäste der in dieser Straße gelegenen Kaffeehäuser, wurden durch suAt und falls man bet dem Durchsuchten ein be- drucktes Blatt fand, wurde er ins Gefängnis abgeführt. Diese Prozedur dauerte von 9 Uhr abends bis 12 Uhr nachts. Jeder Passant, der seinem Aerger in mäßigen Worten Luft machte, wurde mit Kolbenschlägen beruhigt. Uebrigens finden täglich in allen Bezirken Massenoerhaftungen statt und es passiert nicht selten, daß, wenn man einen Freund telephonisch anruft, man die Antwort bekommt, daß er ein gesperrt fei. Gestern ließ General Weiß das Gymnasium von Sierdzputowski durch Militär umzingeln und sämtliche Schüler, die sich mit einigen Lehrern behufs Beratung über die Gründung einer Schulbibliothek und Veranstaltung eines Konzertes zum Besten armer Kollegen versammelt hatten, einer Leibesvisitation unterziehen, wobei manchen Schülern selbst die Federmesser konfisziert wurden. In der letzten Zeit sind hier sechs Tageszeitungen vollständig unterdrückt worden, darunter die hochkonservativc, seit 130 Jahren bestehende „Gazeia Warszawska". Gerbten. * Die Antwort Serbiens an Oesterreich-Ungarn. Aus Belgrad wird gemeldet, daß die serbische Regierung aus die ibr vorgestern von dem österreichisch-unaarischen Ge sandten übergebene Note noch an demselben Tage folgende Antwort erteilt habe: Die Regierung lege selbst aus den Abschluß eines guten Handelsvertrags mit Oesterreich. Ungarn großes Gewicht: sie lege den Vertrag mit Bulgarien, solange die Besprechungen nut Oesterreich-Ungarn dauern, der Skupschtina nicht vor und werde denjenigen, am serbisch-bulgarrschen Vertrage anzubrinyenden Abände rungen zustimmen, die sich durch die Natur des mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Handelsvertrags als er- forderlich erweisen werden. Türkei. * Ter Typhus unter den türkischen Truppen in Süd arabien. Unter denExpeditionSlruppen besManLalls Achmed-Zeizi Pascha in Genien herrschten infolge mangelhafter Unterkunft und schlechter Verpflegung und infolge des Mangel» an Tragtieren. Wasser und ärztticher Pflege Typhu« und andere Krankheiten. Die SterblichkeitSzifser ist sehr hoch. Einzelne Bataillone find auf Koiilpagniestärke gesunken. Demnächst werden von Smyrna Verstärkungen nach Beinen abgehrn. — Unter solchen Um- ständen ist es erklärlich, daß der so glücklich begonnene Feldzug gegen die Aufsländiichen in- Stocken geraten ist. Mit kranken Soldaten kann man nicht kämpfen. Die Türkei bringt sich, wie so ost schon, immer durch ihre Lotterwirtschaft um den Erfolg. Union. * Frankreich, die Union nnd Venezuela. „Reuters Bur." meldet aus Washington, 20. Januar: Mit den drei französischen Kriegsschiffen, die sich gegen- wärtig unweit der venezolanischen Küste befinden, sollen zwei weitere französische Kriegsschiffe vereinigt werden, so- bald diese von Europa eintreffen. Die Schwierigkeit der Lage hat sich erheblich vergrößert infolge der Meldungen über die kühle Haltung des venezolanischen Prä sidenten Castro gegenüber dem Gesandten der Vereinigten Staaten Russell. Wenn in dieser Haltung keine Aeuderung eintreten sollte, so wird es möglicherweise erforderlich sein, ein amerikanisches Kriegsschiff näher an die venezolanische Küste Herangehen zu lasten, al- augenblicklich beabsichtigt ist. Es wird Castro zu verstehen gegeben werden, daß es nicht geduldet werden wird, wenn er den amerikanischen Gesandten in ähnlicher Weise behandelt, wie den französischen Ge schäftsträger Taigny. In dem Programm Frankreichs ist die Forderung einer umgehenden bündigenAb- bitte wegen der Behandlung Taignys vorgesehen. Die Er ledigung der übrigen Beschwerden Frankreichs soll so lange vertagt werden, bis Castro Abbitte geleistet hat. Frankreich erblickt darin, daß seinem Geschäftsträger die Erlaubnis ver weigert worden ist, in La Guyana wieder an Land zu gehen, eine kriegerische Handlung. ES hat sich herausge- stellt, daß drei Depeschen, die wichtige Instruktionen ent hielten, Taigny nicht erreicht haben. Russell ist damit be schäftigt, diese Angelegenheit, die als ernst angesehen wird, zu untersuchen. Eine am Sonntag an Russell gesandte De pesche war, als er seine letzte Depesche nach Washington sandte, ihm ebenfalls noch nicht ansgehändigt. Nrikdinrutretrnae Abonnenten erhalten das Tageblatt von jetzt bi« Ende Januar voliuänüig NoKenttei; außerdem liefern wir ihnen die WinterauSgabe deS 200 Seiten starken VerkehrSbucheS nach, LaS wegen feiner praktischen Verwendbarkeit überall Anklang gefunden hat. Expedition des Leipziger Tageblattes Feuilleton. von tentchen, die er lieb gewann. Um die humoristische Prosa ists schlecht bestellt in unserer Zeit, die das freie, fröhliche Lachen verlernt hat. Wer sich von den Anstrengungen des Daseins, von seinen Kleinlichkeiten und Widerlichkeiten erholen will, der greift zu derberen Mitteln. Tas „Kleine Witzblatt" und der „Sekt" gehen reißend ab und die französischen Ehebruchsschwänke sind noch immer Freude und Labsal des Theaterkaisierers. Die „fromme Helene" und überhaupt den gesamten Busch ver schlang schon der Primaner, Mark Twain fesselt uns nicht auf die Dauer, Stettenheims Humor ist ranzig geworden und Blumenthal gibt sich nur in kleinen Dosen aus. Neuerdings tauchte A. O. Weber auf. Die Tatsache, daß schon über vierziglausend seiner satirischen Gedichtbände im Umlauf sind, beweist, wie sehr man sich nach Witz und Spott sehnt. Der Deutsche, der Verse bekanntlich überhaupt nicht kauft, greift zu, so bald er merkt, daß es was zu lachen gibt. Es gibt Verleger, die nicht müde werden, jahraus jahrein den „goldenen Humor" dieses oder jenes Schriftstellers an- zupreisen, sieht man aber genauer zu, so handelt es sich fast durchweg um fade Kost, um verdrossene Witzemachcrei und erheuchelten Ulk. Ein Buch, das den ganzen inneren Men schen belebt, das ihn behaglich und optimistisch stimmt und ihm nicht nur komische Personen und komische Situationen schildert, sondern ihm das wirkliche Leden von seiner humoristischen Seite schildert, ist seit Jahren nicht mehr er schienen. Meine persönlichen Erfahrungen in dieser Hin sicht bilden eine Kette von Enttäuschungen. Aber jetzt ist ein humoristisches Buch erschienen. Ein prächtiges, liebes, sonniges, herziges, stimmungsvolles Buch, lind das hat Rudolf Presber geschrieben, ein Mann, der unter seinesgleichen seit Jahren als einer der feinsten Köpfe und witzigsten Poeten gilt, der aber doch erst mit diesem Buch den Grad von Popularität zu erreichen scheint, den ich ihm schon lange gegönnt hätte. Ueberall, wo Bücher zum Kauf angcbotcn werden, erblickt man das sim Verlag der „Concordia" zu Berlin erschienene! Büchlein mit dem einfachen, aus blauen Bergißmeinnicht- blüten gebildeten Kranz in der Form eines Herzens, auS dessen Einsenkung oben eine dornige Rose sprießt und besten Jnnenraum die Worte birgt: „Von Leutchen, die ich lieb gewann." DieS Buch stelle ich an einen ganz besonderen Platz in meiner Bibliothek. Ich stelle es dahin, wo die Sorgenbrecher deS Lebens stehen, dakin, wo all das traulich zusammen siebt, was mir pessimistische Gedanken und Gefühle verscheucht, was mir oie Schatten des Lebens bannt und die Sonne goldiger macht. Ganz in die Näh« der ernsten Philosophen stelle ich eS, nicht zu weit weg von Shakespeare, dem genialsten Witzbold, und nicht zu weit auch vom lnicht zeitlich, aber wesentlich^ älteren Jean Paul. Wenn mir die Sache dann einmal wieder zu dumm wird, wenn Bosheit, Kleinlich, keit und Neid sich zu dreist hervorwagen, dann lange ich mir s runter und laste diesen oder jenen von den Menschen, die re-ber mit all ihrer oder vielmehr wegen all Hrer Schwächen lieb gewann, in meinem Geiste vorüber ziehen. Viel böses Trachten und hartnäckiges Lauern löst sich dann in sanftere Farben auf und die sckwärzeste Nieder tracht erwischt noch ein Stäubchen Sonne. Den Duck mäuser, den Protzen, den Bummler, den Dummkopf, den Sonderling, sie alle bedenkt Presber mit den Strahlen seines prächtigen Humors, und was anderen die Galle zum lleberfließen bringt, das zeigt er uns von seiner lächerlichen und kleinlichen Seite und macht es uns weniger hassenswert, indem er es uns nach dem Satz erklärt: Es muß auch solche Käuze geben. Der Wert der Presberschen humoristischen Erzählungen, ihr ganz einzigartiger und außerordentlicher künstlerischer Wert, besteht rn der Fähigkeit des Dichters, sich in die Lcbensgewohnheiten und Lebensauffastunadcr Personen völlig kineinzudenken, die er uns schildert. Nur der wirkliche Dichter vermag seine Figuren lediglich durch sich selbst humoristisch wirken zu lassen. Da ist nichts gesucht und an den Haaren herbeigezogen, all diese Personen leben, leben so wie sie der Dichter schildert, und indem sie so leben, wirken sie komisch, lieber jede einzelne ihrer Handlungen könnte und würde man lachen, ja man könnte sich über sie ärgern, aber man tut es nicht, oder tut es doch bloß zum Schein: man gewinnt sie lieh, diese putzigen Leutchen, die jeder von uns in ähnlichen Exemplaren einmal kennen und belächeln gelernt hat. Wer kennt ihn nicht, den kneiplustigen Leibburschcn in höheren Semestern, der es für ein Erfordernis seiner per sönlichen Ehre hält, auf allen Festkneipcn zu erscheinen, auch wenn er acht Tage lang nicht aus dem Dusel hcrauskommt? Wer kennt nicht den kleinstädtischen Studenten, der, heiligen Eifers voll, in die Großstadt kommt, um wissenschaftlich zu arbeiten und der schon nach wenigen Tagen vom Strudel nächtlicher Vergnügungen verschlungen wird? Wer kennt nicht den besorgten Großpapa, der einen ganzen Laden aus kauft, um seinen Enkelchen eine Freude zu machen, der ihnen die leckersten und teuersten Spielsachen in die Hände gibt und es kopfschüttelnd erlebt, wie sie höher als alle Geschenke der Welt Großvaters Svucknapf einschäden, besten mecha nische Klappvorrichtung ihr Köpfchen in Aufregung und Be geisterung setzt? Wer kennt nicht die absurden Vorstellungen und Erklärungen eines Phantasiemenscben, der sich dem Spiritismus in die Arme geworfen? Wer nicht die Lächer lichkeiten der Handschristenkunde und die törichten Illusionen derer, die gern den Mäcen spielen wollen? Sie alle sind ihm untertan, diesem Humoristen, der uns ihre Schwächen und Lächerlichkeiten in schonender Güte auf deckt, der nie ein unzartes oder geschmackloses Lachen hören läßt, sondern stetS mit dem vornehmen Lächeln des Kenners an all diesen Menschlein vorbeisieht. Rudolf Presber hat schon eine ganze Reihe guter Bücher geschrieben. Ich habe ihn seit Jahren als den liebens- würdigsten Verskünstler neben Blumenthal und Fulda (und neuerdings vielleicht auch Pserbofer) gepriesen. DieS Buch aber zeigt durch all seine Schälkhaftrakeit und Lustigkeit hin- durch den Poeten und den Menschenkenner jPresber wird sagen, daSsei ein PleonaSmuS, und ich.werde Nicht mit ihm streiten!. Wer die Menschen so zu fasten und zu nehmen versteht, der versteht das Leben. Und darum, weil sich in all diesem farbigen Abglanz das zeitgenössisch« Leben wider spiegelt, darum ist mir diese- köstliche Buch so lieb und wert. Ich empfehle cs nicht nur als eine wahrhaft humoristische Lektüre, sondern vor allem als eine Vademecüm für alle, die dazu neigen, den Kopf hängen zu lasten. Wer in ihm liest» wird sich nicht nur an der witzreichen, in Vergleichen und Antithesen ungemein ergötzlichen Sprache der Darstellung er- bauen, sondern auch inne werden, daß nicht immer derjenige das Leben am besten begreift, der seufzend sagt, es sei schwer, sondern viel mehr noch der, dem es gelungen ist, das Sammel- surium von Torheiten zu erkennen, das uns umgibt. Die artigen Geschichten Rudolf Presbers von den Leutchen, die er lieb gewann, wird niemand aus der Hand legen ohne die Empfindung, daß er von nun sich zu den Leuten rechnen wird, die ihn lieb gewannen. Daß ihre Zahl recht groß werde, ist ein Wunsch von beinahe volkswirtschaft licher Bedeutung. Wer sich Presberschen Humor zu eigen machen kann, der verlernt nicht zu lachen. Und so lange die Menschen lachen können, ist die soziale Frage schon halb gelöst. So lange sie lachen können. Aber sie sollen nicht wiehern, krächzen, brüllen oder feixen. So meint es Presber nicht. ?arr1 Asostorlieb. » * * Kain; als Tasso. Ukber dieses Burgthrater-Errignis schreibt Hugo Wittmann in der ,.N. Fr. Pr.": „Er hat den dramatischen Tasso entdeckt. Er goß Tbeaterblut in die Adern dieser edlen Dichtergestalt, und dadurch gewann sie schließlich «ine elektrische Be- wegltchkeit und einen Firberpuls, nach dessen Takt alles folgen mußte. Es war schon spät am Abend, der sünfle Akt säst schon vorüber, und mit unermüdeter gespannter Aufmerksamkeit hina noch daS ganze Haus am Munde dieses Tasso. Man muß aber auch Zoll und Steuer zahlen, um zu solchen! End- genusse zu gelangen. Wenn Herr Kainz im ersten Aste auf- tritt, erschrickt man beinah«. DaS soll Tasso fein, diese Fratze, diese beinahe lächerliche Erscheinung mit der ausgemergelten Maske eine- SSulenbeiiigen? Unter den Ideal gestalten, mit welchen der Deutsche seine Phantasie bevölkert, führt eine den Namen dr« italienischen Dicdters, und nun, da sie uns aus der Bühne verwirk licht eutgegentrete» soll, erblicken wir statt des Abglanze« unserer inneren Vorstellung rtn Zerrbild, einen Schauipieler, der sich mög lichst häßlich geschminkt hat, einen Poeten, der von allen Geistern der Poesie verloste« scheint. Die Ueberraschuug ist schmerz- lich. ES kommt dazu, daß der neue Tasto in den Szenen mit der Prinzessin dnrchans versagt, daß seine Lieb« zn Eleonore, statt weich und innig aus der Tiefe zu quellen, nur wie ein Anflug von krankhafter Laune ausblttzt, daß endlich ver Künstler gerade in diesen Szene» die befremdlichsten seiner Spielmanieren la ärgerlicher Weise übertreibt. Im zweiten Akt dreht er dem Zuschauer fast immer den Rücken. Auf deutschen Brettern ist er der Erfinder dieser realistischen Stellung. St« wurde ihm seither oft nachgeäfft, und mancher Schauspieler dielt sich darum schon für Kainz, weil er un feine werte Persönlichkeit »on dieser Seile veranichaulichte. Man begreift jedoch, daß solch« „Nuancen" sparsam verwendet sein wollen, daß sie eigentlich ihrem Erfinder Vorbehalten bleiben müßten. WaS kann dieser Taffo nicht alles wagen! Mitten rn ein er LtobeSszrne. in der fliegenden Hitze feiner Leiden schaft. zieht er da- Schnupftuch »»d schneuzt sicht De« Olympier tu seiner Weimar« Theaterlog« dätte der Schlag getroffen. Dann ab«, im vierten Akt, wie hätte »r ausgehorcht! Di« Szenen in Tasso« Zimmer, zwilchen ihm nnd der Gräfin, ihm und Antonio, sind Meisterstücke deutsch« DarstellungSkunst. Hier wird Komödie in d« Komödie gespielt den» Taffo glaubt sich »«stelle« zu müsse«, uud Herr Kainz versinnlicht dieses Dovpelspiel in unnachahmlicher Glaubhaftigkeit, mit Worten, die wie Pfeile schwirren, mit Gebärden, die, ost dem alltäglichsten Leben entnommen, um so drastischer, wirken. Seine Ueberlegenheit ist souveräu. ein fürstlicher Hohn Wiegelt sich auf seinem Gesicht, die Stechflammen seiner Ironie züngeln nach allen Seiten. Gleichzeitig springt er freilich mit gc- schlossen«» Beinen ins Pathologische hinein, zeichnet nicht mehr Seelenzuflände, sondern KrankheitSbilder, zeigt nnS den Tasso, wie ivn Goethe in den Reden der andern andeutet, wie ihn ein moderner Schausvieler, der Ibsen« „Gespenster" spielte, aufzufassen leicht bewogen fühlen mag, den Mann, der sich selbst zu verlieren im Begriffe steht, dem Wahnsinn in die Arme taumelt. Diese Auffassung wird dann von Kainz bis zum Ende feslgehalten." * Meine Chronik. Im zweiten Kirchenkonzert de« Leipziger Bachvereins hat nicht Herr Karl Straube, sondern Herr Organist Fest die Bachsche Toccata und Fuge gespielt. — In der „KÜln.Ztg." lesen wir die folgende Anmerkung zu Berliner Premieren: Sudermann erscheint fast immer im Smoking, ex reckt die Ge stalt mit einer gewissen Gefallsucht, scheint dem Publikum mit ein oder zwei eleganten Haodbewegungen zu danken, daß die Anteil- nähme am Wahren, Guten, Schönen noch nicht erloschen sei. Fast elegisch ist die Miene, mit der Gerhart Hauptmann — meist im langen Gehrock — vor das Publikum tritt; er wahrt die Haltung des Propheten, selbst im Triumphmarsch deS Erfolges, wenn die Handschuhe der schönen Tiergärtnerinnrn, die ihn beklatschen, schon dein Zerplatzen nahe sind. Mit Zurückdaltung und einer korrekten Reserveleutnantsmiene verbeugt sich Max Dreyer, der Dichter des Probekandibaten. Kavaliermäßig-nachlässig und mit langsamen Schrillen erscheint Arthur Schnitzler aus der Bühne, besten Wiener Kopf mit dem blonden Vollbart den Berliner Premierenbesuchern längst bekannt ist. — Die Landes regierung in Agram hat dem Schriftsteller und Ober leutnant i. d. R. Alexander F. L. Roda sein bisheriges Pseudonym Roda Roda als bürgerlichen Namen verliehen. — Da« 16. Schlesische Musikfest wird in Görlitz vom 17. bis 19. Juli stattfinden. Im Hinblick auf den 150. Geburtstag Mozart- und den 50. Todestag Schumanns werden am ersicn Tage des Festes das Requiem von Mozart und die Faustszenei, von Schumann zur Ausführung gelangen. Am zweiten Tage sollen LtSzts symphonische Dichtung „Prometheus" und die Chöre zn Herber- „Entfesseltem Prometheus", da- Tedeum von Bruckner, die Symphonia domeflika von Richard Strauß und dir Schluß szene auS der „Götterdämmerung" aufgeführt werden. Der dritte Tag bringt die 8. Symphonie von Beethoven, ein neue» Klavierkonzert von Graf Hochberg, da- Chorwerk „Sehnsucht" von Georg Schumann, Solistenvorträge und die Apotheose des Hans Sack« aus den „Meistersingern". Ihre Mitwirkung haben 16Ebor- vrrrtne mit 850 Sänger« zugefagt; da- Orchester der Berliner Sos- taprlle unter Dr. Muck wird ebenfalls mitwirken. Als Solistin ist bi- jetzt grau Katharina Fleischer-Edel, gewonnen worden. — Fräulein Gertrud Steiner, Schülerin von Professor Florian Zajic, ist al« erster Konzertmeister für daS Grwerbehaus^Orcllester in Dresden verpflichtet worden. Fräulein Steiner ist der erste weibliche Konzertmeister. —DerPianistWaldrmar Lütschg ist al« Lehrer an da« Konservatorium in Chicago berufen worden. — Heinrich Rielsch. der Mustkforfcker und Professor der Prager Uni versität, hat, angeregt durch die Schönheiten des Tiroler Tanserec Tale«, eine „Tauserer Serenade" für große« Orchester ge schrieben, welch« im Berlage von Bartbolf Senfs in Leipzig erschienen und in Prag ihr» Uraufführung erleben wird. — „Die schwarte Nina" von Alfred Kaifsr hatte in Nürnberg lebhaften Er folg. Der Komponist wurde sehr oft aerufnr»
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