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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1934
- Erscheinungsdatum
- 1934-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193405266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19340526
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19340526
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1934
- Monat1934-05
- Tag1934-05-26
- Monat1934-05
- Jahr1934
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1934
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bereitet wird? Olesch malt da» schwärzeste Unheil und denk« an Streik", fragt« Fritz Grovenstahl den Meister. Der nickte. »Ich glaube, er hat recht. ES kommt war. So ein« Unlust bei den Leuten ist mir noch nicht vor» gekommen. Richt etwa bei unseren alten — auf die ist B«rlaß. «der die neuen, die wir letzthin erst einstellten, die stehen wie Tagediebe vor der Werkbank, und waS sie schaffen, ist auch nicht- wert. Dabet versuche« sie die anderen aufzureizen. Heimtückisch geschieht daS, so daß man es nicht steht. Aber man spürt'» schon. Wenn auch die Mehrzahl jetzt noch vernünftig ist — einmal..." Er machte mit der Hand die Gebärde des Ueberschlagens. .Run?" »So etwas steckt auch die Ruhigsten an." »So meinen Sie, daß alle- auf einen Streik hinaus» läuft 5" MöwiuS zuckte mit den Schultern. .Vielleicht wird» bester. Die Hcülpthalunken sind eben mit Glanz geflogen." .Wieso?" .Unter den neuen waren zwei, Scholz und Krüger hießen die Serke, die immerfort versuchten, die Leute auf» zuwiegeln. DaS habe ich schon lange gemerkt. Und heute kam ich wieder dazu: die Arbeit lag da, und die Burschen hielten Vorträge. Da habe ich ste rausgeschmiffen, und ich ärger« mich, daß ich daS nicht schon früher gemacht habe." Fritz ging kopfschüttelnd davon. Saum aber hatte er das Maschinenhaus verlassen, so kam ihm MSwius nach» geeilt. .Auf ein Wort noch, Herr Grovenflahl." Fritz wandle sich um und sah dem alten Meister ins Gesicht, in dem in lausend Falten der Aerger saß. „Was gibt's noch?" Möwius schien das Sprechen schwer zu werden, und er dokterte erst eine Weile an den Worten herum, ehe er begann: .HerrGrovenstahl, ich hält'Ihnen noch was zu melden! Wollte vorhin schon sprechen, aber da war der Olesch dabei, und es ist nicht notwendig, daß es erst noch andere erfahren." Er räusperte sich kräftig. .Nämlich, die beiden, die ich zum Teufel gejagt habe, der Krüger und der Scholz, na, kurz und gut — ich kam dazu, wie st« sich unterhielten — von Ihnen unterhielten." Fritz Grovenftahl sah de« Meister an, denn er konnte sich nicht denken, worauf der hinaus wollte. .Ich kann nur das eine sagen: die Kerle planen nichts Gutes. Die stinkige Luft, die durch das Werk weht, geht von den beiden aus. Und waS ich noch sagen wollte: Es ist nicht nur gegen das Werk gerichtet, auch gegen Sie per» sönlich. Di« beiden sprachen davon, daß sie den Auftrag hätten, unter allen Umständen einen Streik vom Zaune zu brechen. Haben beide eine Menge Geld dafür be kommen, wie ich hörte. Mutz einer sein, der es nicht gut mit Ihnen meint und Ihnen Schaden zufügen will." Fritz Grovenftahl war erblaßt. In seinem Gesicht stand kaum verhaltene Erregung und machte es zittern. Ein Verdacht stieg in ihm auf, der war so fürchterlich, datz er ihn nicht auszudenken vermochte. Und doch stieß er die Frage hervor: .Haben Sie den Namen dessen gehört, der mir übel will." Möwius nickte verlegen, aber er schämte sich, weiier- zusprechen. .Wer ist es?" .Herr Grovenftahl — es — ist — ein — Verwandter von Ihnen." Diese zögernd gesprochenen Worte jagten Fritz Groven- stahl das Blut in den Kopf. .Den Namen will ich wissen!" Da sah Möwius an ihm vorbei und sagte leiser . .Hauenstein." Fritz Grovenstahls Zähne schlugen knirschend zu sammen. Ehe er sich aber an seinen Zorn verlor, schüttelte er dem Meister die Hand. »Ich danke Ihnen, MöwiuS! Aber wir werden auch das überwinden!" 2n seinem Arbeitszim»^r angckommen, erkundigte er sich im Lohnbüro, wo Krüger und Scholz zuletzt beschäftigt gewesen waren. Die Antwort bestätigt« des Meisters Mitteilung. Die beiden kamen tatsächlich aus einer von HauensteinS Fabriken. Da erfaßt« ihn ein ingrimmiger Zorn gegen diese verächtlichen Maßnahmen seines eigene« Schwagers, a« denen er nicht mehr zu zweifeln vermochte. Wie sollte er sich gegen solche versteckle Angriffe, die feige aus dem Hinterhalt kamen, wehren? Draußen kündigte die Sirene den Beginn der Arbeit nach der Frühpanse an. Sonst war das Rattern der an laufenden Maschinen in das langgezogene Heulen ein- oncv es still. Fritz Grovenftahl fiel da» aus. Er wartete einige Minuten, dann trat er ahnungs- ooll zum Fenster und schlug die Vorhänge zur Seite. Da» Bild, da- sich ihm bot, war deutlich genug. Da standen in dem weiten Hofe die Arbeiter in ihren blauen Kittel«, zusammengeball» in zwei mächtige Haufen, di« eifrig aufeinander einsprachen. Anscheinend setzte sich der eine au« den älteren Arbeiter» zusammen, die schon jahrzehntelang dem Werk angehörten, während der andere hauptsächlich au- jüngeren Leuten bestand Erregte Worte mußten gewechselt werden, denn hier und da reckten sich geballte Fäuste aus der Menge. Fritz Grovenftahl wußte, was das bedeutete. Er sah noch, wie MöwiuS unter die Leute trat, dann ließ er den Vorhang fallen und eilte zur Tür. Dori stieß er fast mit Weiblinger zusammen, der auf geregt angestürzt kam und ihm nur ein Wort entgcgenricf: .Streik!" Nur mir einem Nicken antwortete Fritz. Dann eilten die beiden Seit« an Seite in den Hof. Dort hatte sich da» Bild inzwischen verändert. Die beiden Haufen standen getrennt und in vollster Kampfbereitschaft da. Die hin und her fliegenden Worte waren gereizter als vorher, und die herben, kantigen Gesichter zeigten einen verbissenen Droh, der alle besseren Regungen bezwang. In der Gruppe der jüngeren wurden kräftige Schimpfwort, laut, die die älteren Kollegen als Verräter hinstelltrn, die nicht zum Durchsetzen von standesinteressen beitragen wollten. Die anderen mahnten, die Arbeit wieder aufzunehmen und kein Unglück heraufzubeschwören. Und zwei von den jüngeren Arbeitern schürten den Haß immer tiefer, zwei, die das Werk eigentlich längst oerlassen haben sollten; denn Scholz und Srüger — diese waren es — hatten ja am Morgen von MöwiuS ihre Entlassung erhalten. Immer aufS neue hetzten ste die Unverständigen auf, brachten ihnen Worte so zu Ohren, daß sie glaubten, ihre eigene Meinung zu hören, die doch in Wahrheit ganz anders aussah. Rücksichtslos bahnte sich Fritz Grovenftahl einen Weg durch die Menge. Trotz der verbissenen Gesichter und finsteren Blicke wichen sie doch scheu zur Seite. Die Schimpfworte verstummten überall, wo er vorbcischritt. Der sich widerrechtlich im Werk aufhaltende Scholz, ein kleiner, aber stämmiger Manie mit einem verwegener» Gesicht, war indessen auf einen Werkwagcn geklettert. Er schob die Mütze in den Racken und machte eine alles um fassende Gebärde. Dann schrie er laut: „Genossen...l" Weiter kam er nicht. Fritz Grovenftahl befahl: „Herunter da!" Doch Scholz lachte hämisch und meinte, daß er jetzt zu, reden habe. Wieder tönte seine Stimme über den Hof, »essen tiefe Stille die gellenden Worte zerrissen. „Genossen!" Da kam eine jähe Wut über Fritz Grovenftahl. Das Besicht krampfte sich zusammen, durch seine Glieder ging, rin Strecken, und ehe der Aufwiegler ein weiteres Worl hatte sprechen können, war er von mächtigen Armen zw Soden befördert, weit in die Menge hinein. Durch die lief erst ein Staunen, dann ein beifälliges Murmeln, bi» »icses zu schallendem Gelächter, in da» sich einzelne ISravorufe mischten, anstieg. Fritz Grovenftahl stand auf dem Karren. Wieder war Stille über dem Hofe; mit gespannten Mienen horchte» »ie Arbeiter auf. Tann hallte das Echo harte Wort« turück. Fritz Srovepstabl sprach zu sei««, Arbeiter». Von dem Streben sprach er zUhnen, daS jetzt in allen lei» müßt«, im Herr« wie im Untergebenen. Wollten ste sicht beide zugrunde gehen, so müßten sie zusammen- »rbeiten — nicht auseinander, gleich zwei Pferden, von denen daS eine rechts, das andere links bleiben will, bis dann die Deichsel bricht, und der Wagen stehenbleibt. Das hörte die Menge und verstand es. Als dann aber die Frage kam: »Warum seid ihr unzufrieden? Habe ich euch nicht das gegeben, was euch gebührt? Habe ich euch etwas vorenthalten? — Darauf will ich eine Antwort!" Da war e» still unter den Leuten, und manch ein Haupt beugte sich überlegend, was und warum sie etwas gewollt hatten. Und es waren immer mehr, die einsahcn, daß ste einem unrechten Gedanken nachgegangen waren, daß es gar nicht ihre eigene Meinung gewesen war, die sie gehegt hatten. Aufwiegler hatten sie aufgchetzt und in eine Lage gebracht, deren sie sich schämen mußten. Roch immer stand Fritz Grovenftahl aufrecht und ließ feine« Blick antwortheischcnd über die Menge gehen, die sich zu seinen Füßen über den Hof ausdehnte. Aber schon trug er da« Bewußtsein des Sieges in sich. Di« Gefahr Ivar vorüber. Unter den Arbeitern entstand jetzt eine Bewegung. Es war Scholz, der die Hand hob und aus der Mitte einer Gruppe deren Rand zustrebte. Da alles glaubte, er wolle sprechen, machten sie ihm Platz; vielleicht gab er selbst Anlaß, die Abrechnung, die noch viele mit ihm zu halte» § gedachten, sogleich zu vollziehen. Dann hatte er den Platz erreicht, den er für günstig hielt. Dicht vor Fritz Grovenftahl stand er, breitbeinig, di« Hände in den Hosentaschen, in herausfordernder Hal- ! »ung. Plötzlich riß er die rechte Hand hoch und schrie: »Da hast du — die Antwort!" Ein Schuß zerriß die Stille, ein Aufschrei aller. Fritz Grovenftahl griff mit den Händen nach der Brust und fiel dann hintenüber zu Boden. Scholz jagte in wilden Sprüngen zur Mauer, und ehe ihn jemand halten konnte, schwang er sich darüber. Ein wilder Tumult entstand unter den Leuten. Rufe wurden laut, man solle den Mörder fange». Und bald tiefen wirklich einige zu der Stelle, wo dieser über die Mauer entkommen war, und nahmen denselben Weg ins Freie. Weiblinger und Möwius, die in nächster Nähe von Fritz Grovenftahl gestanden hatten, waren sofort zu dem Getroffenen gesprungen; voll Entsetzen, denn leblos lag dieser auf dem Boden. Möwius schrie, daß man einen Arzt rufen solle, und Weiblinger kniete nieder. Er hatte dem Liegenden die Brust freigemacht und sah, daß dir Kugel dicht am Herzen eingedrungcn war. Er fühlte den Puls, aber nichts mehr war zu merken. Da packte diesen gutmütigen Mann die Verzweiflung, und in dieser stieß er einen fürchterlichen Fluch aus. Dann war auch schon eine Bahre da, und harte, schwielige Hände betteten den Körper Fritz Grovenstahls darauf. Sie trugen ihren Herrn nach dem Neinen Hause. Als dieser eine Zug den Hof durch das Gartentor vcr- ließ, trat ein zweiter durch daS Haupttor ein. Es waren die Leute, die den flüchtigen Scholz verfolgt hatten. Cie brachten ihn mit sich. Ihn hatte ein schnelles Geschick er reicht. Er mußte beim Abspringen von der Mauer gestürzt sein und sich das Genick gebrochen haben. Er war tot. Der Herrgott hatte schnell gerichtet. Als am Mittag die Aerzte sich noch immer um Fritz Grovenftahl bemühten, drang ein schriller Nus bis in das Krankenzimmer. Das Werk war wieder zum Leben er standen. » » Sechzehntes Kapitel. Die Arbeiter hatten ihren Herrn in das klein« Haus gebracht; aber die Aerzte wagten nichk den kaum noch hebenden in rin Hospital zu schaffen. So blieb Fritz Grovenftahl in seinem Haus«. vte Overatto« war gut verlaufen. Ran batte dk Rcvolverkugcl, die in die linke Drustseite, dicht neben de» Herzen, eingedrungen war und die Lunge verletzt hatte, entfernen können. Daran, daß der Patient am Leden bleiben würde, zweifelten die Aerzte jedoch. Auch Kurt Roschwitz glaubte nicht daran. Lisa Roschwitz und Maria Grovenftahl fuhren an» ihrem dumpfen Dahinbrüten auf, als er ihnen das sehr schonend mittcilte. »Er darf nicht sterben!" rief Maria Grovenftahl feind- selig. Und noch einmal: „Er darf nicht sterben! Das Werk braucht ihn doch!" Dann schritt sie, an den Geschwistern vorbei, aus dem Zimmer So bliebe» die beiden und auch Maria Grovenftahl für die nächst« Zeit in dem kleinen Hause. »Wenn man damit dem Tode gebieten könnte, wär« es gut!" sagte der Doktor, auf die Worte Maria Groven stahls zurücktommend. „So gibt es keine Hoffnung, keine Hilfe, Kurt?" Die Frage war so bang, daß der Bruder zu Lisa trat und ihr beruhigend die Hand auf die Schulter legt«. „Was die Hilfe anbclangt — unsere Kunst ist ja so gering; aber die Hoffnung soll man nicht aufgeben, so lang« noch Leben in einem Menschen ist. Freilich..." Er brach seine Rede ab, ließ alles, was er hatte sagen wollen, ungcsprochcn. Was nutzten auch Worte, wenn kein Glaube an sie war. Sie blieben dann doch nur er bärmliche Banalitäten oder gar Lügen. »Komm, wir gehen zu ihm!" rief er der Schwester zu. Seit Stunden lag Fritz Grovenftahl bewußtlos, und Stunven würde es noch dauern, bis er erwachte. Wen» überhaupt. Der Atem ging kaum hörbar, und als de: Doktor den Puls fühlte, schüttelte er verzweifelt mit dem Kopse. Lisa ließ keinen Blick vom Bruder und erriet dessen Gedanken. Aber sie beherrschte die furchtbare Angst in sich meisterhaft. Rur jetzt nicht dem Bruder zeigen, wir erregt sie war! Er würde dann vielleicht nicht zulaffen, daß sie die Wachen übernahm. Sie trat näher an das Bett heran und sah in das wachsige Gesicht des Kranken, das so gar keine Sehnlichkeit mit dem des gesunden Fritz halte. Wie breit und wulstig die sonst immer so schmalen, fest zusammengcpreßtcn Lippen waren! War es nicht «in Jammer: dieser starke Willensmensch dahingefällt durch den Haß eines gewissenlosen Schurken! Am Abend kam dem Kranken das Bewußtsein zurück. Doch er brachte kein Wort über die Lippen. Rur dir matten, glanzlosen Augen gingen unruhig suchend, wie verständnislos, umher, und die Hände strichen haltsuchcnd über die Decke. Dann kam das Fieber. Der erste und auch der zweite Tag vergingen. Von den Angehörigen war bisher niemand gekommen. Die Nachricht mochte ste noch nicht erreicht haben, da alle aus nahmslos im Ausland weilten. Die Hoffnungen der Aerzte waren die gleichen geblieben. Weder größer noch geringer waren sie geworden. Nur daß in dem hohen Fieber des Kranken ein neuer Grund zu Befürchtungen vorhanden war. Weitere Tage vergingen. Lisa hielt die Wache. Draußen trieb der Aprilsturm schwere Regenschauer gegen die Fenster. Unbejmlich heulte er manchmal auf, und sie dachte, daß cs sich anhöre, wie wenn Dämonen >as kleine Haus in wildem Tanz.umzogen. Doppelt emp fand sie dadurch die Stille des Zimmers, in dem die un- cegelmäßigen, stoßweisen Atemzüge des Kranken das einzige Geräusch waren. Bis dann das Fieber den Geist überwältigte, und trockene, rissige Worte vom Bett her la men. „Die Produktion muß steigen — hören Sie — Weib- lingcr — sie muß! Wie Sie das anfangen — ist Ihre Sache! — Hören Cie nicht — Weiblinger? — Sie sollen «ms mich hören! — Sic muß steigen — schlafen — Weib- iinger — schlafen Sie nicht...!" Lisa vergaß alles und eilte ans Bett. Fritz Groven- staht lag wach oa, fuhr mtt heißen Händen über die Lecke. Die Lippen waren zersprungen, und die ara»en Auge» brannten tick in d-n kokten.
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