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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070114025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907011402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907011402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-14
- Monat1907-01
- Jahr1907
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Ztg." wendet fick in ihrer Wochen schau gegen den Versuch einiger englischer und französnchcr Blätter, anläßlich der englisch-französischen Konvention über die Neuen Hebriden in diese Angelegenheiten deuliche Machen schaften bineinspielen zu lassen. Gegen diese „Mär" bemerkt das offiziöse Blatt: „Wir stellen fest, daß schon Mitte De zember in der deutschen Presse darauf hingewiesen wurde, in welcher Weise und zu welchem Zwecke unter Führung der Londoner „Times" Deutschland in die Angelegenbeit hinein gezogen wurde. Im September batten die „Times" ein Tele gramm aus Sydney veröffentlicht, in dem behauptet wurde, daß deutsche Firmen sich bemühten, aus den Neuen Hebriden Fuß zu fassen, um eine Grundlage für eine Einmischung Deutlchlands in die Regelung der Hoheiisrechte über diese Inselgruppe zwischen England und Frank reich zu schaffen. Diese Bebauotung erwies sich sofort als das gerade Gegenteil der Wahrheit, da deutsche Firmen nicht nur keine Landankäufe auf den Neuen Hebriden machten, vielmehr ein deulicheS Samoahrns seinen früheren Landbesitz auf jener Inselgruppe veräußert halte. In Wirklichkeit hat Deutschland sich um die französisch-englischen Verhandlungen gar nicht g-kümmert, weil sie keinerlei deutsche Interessen berührten. Welchen unmittelbaren Zwecken diese Hetzereien diene» sollten, wild, wie schon früher, so auch neuerdings aus Betrachtungen englischer Blätter unzweifelhaft klar. So weist die „Tribüne" in ihrem der in Rede stehenden Frage gewidmeten Artikel vom 8. d. M. auf die tiefe Unzufrieden heit hin, die in Australien wegen der Konvention herrscht. Um nun diese Verstimmung von England abzuwenven, wird sie auf Deutschland hingelenkt, das, wie wir schon hervor hoben, mit der ganze» Aogelrgeaheit nicht das geriugste zu tun hat." Herr Roeren versucht sich weiß zu wascheu. Herr Roeren, dem in feinem eigenen Wahlkreise aus den Zentrumsreihen Opposition gemocht wird, versucht in einer längeren Zuschrift an die „Kölnische Volkszeitung" sein be kanntes Hintertreppentreiben zu rechtfertigen. Er legt den Hauplnachdruck darauf, daß er in der Wistuba-Angelegenheit nur die sich aus Togo beziehenden Fälle, nicht aber die Wi'tuba in dem Verfahren gegen Götz, Schneider usw. zur Last gelegten Verfehlungen bei seinen Verhandlungen mit dem Reichskanzler und Kolonialdirektor berührt und durch die Depesche an den Fürsten Bülow „Bitte, Disziplinarsache zu inhibieren" dielen nur habe veranlassen wollen,, selbst darüber zu befinden, ob die Sache der Disziplinarkammer zu übermitteln, oder ob er selbst sie materiell erledigen wolle. Zum Schluß nimmt er für sich das Zeugnis in Anspruch, ..offen und ehrlich in der Wistubaschcn Angelegenheit ge handelt" zu haben. Die öffentliche Meinung wird Herrn Roeren hierin Montag 14. Januar 1907. Isis. Jahrgang. schwerlich zustimmen, am allerwenigsten nach den eben von »Schmidt gegen ihn veröffentlichten Anklagen. Studienreise bayrischer Schulleiter. Kultusminister v. Wehner bat heute, begleitet von Ministerialrat Dr. Blaul, mehreren Mitglievern des obersten Schulrates und Fachmännern, eine Dienstreise nach Halle, Berlin, Hamburg und Elberfeld angetrcien, um die dvrtlgcu Oberrealschulen und die technischen Unterrichisanstalten zu besichtigen. Im Frühjahr sollen andere Mitglieder des obersten Schulrates die Oberrealschulen besichtigen. Ben Mansur. Nach einer Meldung aus Tanger erklärte Kriegsminister Gebbas, daß er den ehemaligen Vertreter Raisulis in Tanger, Ben Mansur, unter allen Umständen gegen die Anfeindungen schützen Werve, denen dieser letzt lultanstreue Würden träger ausgesetzt ist. Wenn Ben Mansur seinerzeit die Un- rufriedenhett der Europäer und der Eingeborenen erregte, so geschah dies, weit er dem vom Sultan bestellten Cbes Raisuli gehorchte. Daraus dürfe man ihm keinen Vorwurf machen. Diese amtliche Auffassung befriedigt die immer noch sehr unruhigen Bergbewohner (Anvjeras) keineswegs. Tie persische» Braver. „Daily Mail" meldet aus Teheran vom 13. Januar: Die sremven Gesandtschaften hatten im Palast eine Audienz, nm dem neuen Schah ihre Glückwünsche zur Thronbesteigung anszusprechen. Der Schah richtete an jeden Gesandten einige Worte. Hieraus begab sich ras gesamte Korps nach dem Takieh-Thealer, um dem verdorbenen Schah seine Ehr erbietung zu erweisen. Karawanen, die aus dem Süden kommen, berichten, daß Salar-ed-Dauleh, Muzaffer- ed-dins dritter Sohn, zum Nachfolger auS- gerufen worden sei von einer Streitmacht, die er in der Hoffnung aufgeoolen habe, die Thronfolge seines Bruders «»fechten zu können. Schiffskatastrophe in der Elbmündung. Der orkanartige Sturm in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag hat an der deutschen Ncrdseeküste ein schweres Schiffsunglück verursacht. Ungefähr halbwegs zwischen Helgoland und Cuxhaven strandete, wie wir schon mel deten, in dem — bei Nacht doppelt schwierigen und gefähr lichen — Fahrwasser der Außenelbe ein englisches Schiff auf dem Scharhörnriff. Zufällig wurde das Unglück bald Lurch einen deutschen Schlepper bemerkt: doch ehe er noch Hilfe zur Stelle bringen konnte, war das ge strandete Schiff bereits mit Mann und Maus ein Opfer der tobenden See geworden. Nach echter Seemanns urt hatte sich die Besatzung geweigert, ihr Schiss zu verlassen, solange noch die Planken zu- sammcnhielten, und so sanden 26 blühende Men schenleben, kaum 20 Kilometer von der Küste entfernt und fast angesichts des rettenden Hafens, als Opfer ihres Berufes den Tod. Hierzu wird aus Cuxhaven näher berichtet: Das englische Vollschiff „Pcngwer n", das seit dem 6. Ok tober von Taltal in Chile mit Salpeter nach Hamburg unter wegs ist, strandete gegen Mitternacht auf dem Schar- börnrifs in der Elbmündung zwischen den Leuchtschiffen „Elbe 1" und „Elbe 2". Die Strandung wurde bald noch Mitternacht von dem hiesigen Schleppdampfer „Vulkan", der die Itrandunqsstelle seewärts gehend passierte, bemerkt. Der Führer erkannte die gefahrvolle Lage schort, konnte aber wegen der schweren, durch den Südweststurm veranlaßten Brandung das Schiff nicht erreichen. Er hielt sich zweimal längsseits des Fahrzeuges und forderte die Besatzung «uf, überzuspringen. Die Mannschaft weigerte sich indessen, das SebiE zu verlassen, da sie glaubte, es werde aushalten. Alle Bemühungen des Schleppdampfers, dicht an den Segler hcranzukommen, waren vergeblich: der Schlepper fuhr daher zurück nach dem Leuchtschiff „Elbe 2", um ein Rettungsboot herbeizuholen. Als dieses auf halbem Wege nach dem ge- strandLten Schiffe war, sprang der Südweststurm mit orkan artiger Gewalt nach Nordwest über und fiel in die vollen Segel des „Pengwern" mir olcher Gewalt, daß alle eifer, ncn Masten, in die sich die Mannschaft ge flüchtet hatte, über Bord gerissen wurden. Als der Schleppdampfer die Unglücksstelle erreichte, war nichts mehr von Schiff und Mannschaft zu sehe»: alles war in der fürchterlichen Brandung versunken. Tos Fahrzeug hatte eine Besatzung von 25 Mann und einen englischen Lotsen aus Falmouth an Bord. Der „Pengwern" war in Liverpool beheimatet. Der Kapitän hieß S. Jones,- das Schiff war erbaut im Jahre 1832 in Greenock auf der Werft von Russell L Co. und hatte eine Größe von 1648 Registertonnen. politisches. * Vom badischen Grobherzog. Bei Gelegenheit des 75jährigen Stiftungsfestes des Gewerbevereins in Karlsruhe hielt der Großherzog eine Ansprache, in welcher er am Schlüsse sagte: Wir müssen national sein im höchsten Sinne des Wortes; erhalten, was wir errungen haben. Dies kön- nen wir aber nur, wenn wir treu bleiben allem, was Wohl, Ehre und Gräfe Reiches beißt. * Das Befinden der Kronprinzessin, die infolge einer Er kältung einige Tage das Bett gehütet hat, hat sich derart ge bessert, daß sic ihre Gemächer wieder verlassen konnte. * Polnischer Schulkamps. Bei dem Landgericht Posen schweben fast 200 P r e s f e p r o z e s s e gegen Redakteure polnischer Blätter, die mit dem Schulstreik zusam menhängen. — Ter Hauskaplan Stankowski aus Potu- litz wurde wegen Aufreizung zum Schulstreik zu 600 .E Geld strafe verurteilt. — Etwa 10 000 Schulkinder haben in der Provinz Posen die „Arbeit" wieder ausgenommen! * Das kolonialpolitischc Bureau. Zur Ergänzung des Berichts über die von Professor Schmoller am Dienstag den 8. d. Mts. in der Hochschule für Musik geleitete Versamm lung und die dort beschlossene kolonialpolttischc Aktion teile? wir noch mit, daß das von der Versammlung erwählie Aktionskomitee für die Wahlzeit unter der Leitung von Dr. Rvloff, Bayreuther Straße 11, ein kolonialpolitischc? Bureau eröffnet hat, wo Anfragen über Wahlagitation un? belehrende Schriften, Angebote von Mitarbeitern für die Agitation durch Wahlreden. Reisen, Schristenverbreitung ' ujiv. entgegengenommen werden. Geldbeiträge nimmt ent- gegen die Deutsche Bank, Tepositenkalse LI, Schillsrraßc 7, unter der Adresse „Kolonialpolitisches Aktionskomitee" (Pro- sessor Schmollech. k-lc. Gcrichtstermine am Wahltage. Tas Staatsmini- sterium des .Herzogtums S a ch s c n - M e i n i n g c u bat eine Anordnung getroffen^ die hoffentlich in den anderen Bundesstaaten Nachahmung findet. Wie die „Torfzeilung" meldet, sind im Hinblick auf die Reichstagswahl die Gc- rlchtsoehörden des .Herzogtums angewiesen worden, bei Terminansetzungen, insbesondere solchen mit Zeugenladnngen, dieNeichstagswahl zu berück sichtigen,^ daß die an der gerichtlichen Verhandlung Be teiligten nicht ihres Wahlrechts verlustig gehen. Diese An- ordnung wird besonders solchen Zeugen zugute kommen, die am Wahltag genötigt wären, ihren Wohnort, also den Wahl ort, zu verlassen, um zu Gericht zu kommen. * Die Frauen und die Reichstagswahl. In einer von Frauen und Männern stark besuchten Versammlung des Ver eins für Frauenstimmrecht in Frankfurt a. M. sprach Frau Dr. Käthe Schirrmacher über die Bedeutung der Reichstagswahlen für die Frauen, und forderte die Frauen auf, denjenigen freiheitlichen Parteien, die für die Frauen forderungen cintreten, Wahlhilfe zu leisten. Landtagsabg. Oeser betonte die Notwendigkeit, immer weitere Kreise für die rechtliche Gleichstellung der Frauen zu interessieren. Die Demokratie werde in dieser Frage ihre Pflicht tun. In ähn- lichcm Sinne äußerten sich andere Redner. »1«. Reservefonds der Krankenkassen (88 32, 33 K.-V.-G.h Einzelne OrtS-, Betriebs-, Bau- und Innungs-Kranken kassen haben die durch die Novelle zum Krankenversicherungs gesetze vom 25. Mai 1903 veranlaßte Steigerung der Aus gaben dadurch ausgeglichen, daß sie die in H 32 des Kranken versicherungsgesetzes vorgeschriebenen Abführungen an den Reservefonds nicht mehr in der erforderlichen Höhe bewirkt haben. Auch isl es vorgekommen, daß die Kassen zur Balan- zierung der Einnahmen und Ausgaben oder zur Erfüllung von kostspieligen Mehrleistungen durch Entnahme erheblicher Beträge den Bestand des Reservefonds gemindert haben. Es bedarf keiner näheren Darlegungen, daß dieses Verfahren im Hinblick auf die Bestimmungen des 8 32 unzulässig ist. * Die Krefelder Handelskammer hat einstimmig die nach stehende Erklärung zur Kolonialfrage angenommen: Die Handelskammer zu Krefald Hai den Weil der deutschen .Ko lonien schon wiederholt anerkannt und so 1903 die Be strebungen um die Förderung der Baumwollzucht in unseren Schutzgebieten unterstützt und 1904 die Dringlichkeir des Baues von Bahnen in ihnen betont. Veranlaßt durch die jüngsten Erörterungen über die deutschen Kolonien, läßt die Kammer keinen ,»swciscl darüber, daß nach ihrer au: wirtschaftliche Erwägungen gegründeten Ansicht der Besitz von Kolonien für das Deutichc Üdeich durchaus eine Not wendigkeit üarstellt, daß an den bis jetzt erworbenen unbe dingt scstzuhalten ist und daß bei der stärker als bisher zu > betreibenden Erschließung dieser Gebiete die erforderlichen > Mittel nicht verweigert werden dürfen. Feuilleton. secke Llation spottet über ckie »ackern, unck »Ile haben recht. Lckopendsuee. lm Lharaliter einer Llation ist üäangel an siolge- ricchtigkeit unmöglich. Ltiomss Suckle. blalionalerinnerungen liegen tiefer in cker üäenschen Kruft, als man gewöhnlich glaubt, üäan wage ex nur, ckie allen klicker wiecker auxrugrsben, unck über Lischt blüht hervor auch ckie alte lüebe mit ihren Slumen. Nelne. Aarl Larffens psetische Reisen.* *) Von Ren« Schickelc (Berlin). Larsens poetische Art ist auf ein sonores Moll gestellt. Wenn solche Leute von einem Land sprechen, verdichten sie seine Träume, die Geschichte eines Volkes klingt in ihrem Munde wie eine Legende. Tas Geheimnis dieser Dar stellungsart ist, daß Träume und Legenden beinahe er schöpfend den Charakter einer Landschaft, eines Volkes aus drücken. 'Das merkt man erst ganz zum Schluß. Die Suggestion geht vorüber und läßt ein Bild von klaren Linien und realen Farben zurück. Er vermittelt Psycholo gisches in Poetischen Gleichnissen; er ist ein Lyriker der Prosa. Irgendwo in Deutschland lebte ein Freund Larsens, ein tapferer General, den der alte Kaiser liebte. Er hatte im Kriege mit Frankreich gekämpft wie ein Löwe, klug war er wie der traditionelle Haudegen. Larsen besuchte seine Witwe. Er bittet um die Erlaubnis, noch einmal durch alle Zimmer geben zu dürfen. „Für den denkenden Beob achter lag in diesen Stuben so unendlich viel von jenem Manne — und vielem anderen außerdem. Hier war ein Mangel an Feingefühl und wirklich künstlerischem Sinn, aber auch etwas von bewußtem Trotz gegen das wählerische Genießen des vollendeten Kunstfreundes. Diese Säle, Stuben, Zimmer sollten doch fertig gemacht und durchgcführt werden in dem einmal erwählten, nationalen Stil, und hier in diesen Räumen tollte gewohnt, gelebt und gehandelt werden. Hier kam es nicht aus künstlerische Anschauung an. Und hinter all diesem lag zugleich der energische Wille, das Neue zu fördern, welches nach den großen nationalen Siegen Deutschlands zurücksuchte nach den alten Kunst formen — ach, aber in welcher Weise oft! Doch es galt zu hoffen und zu glauben, daß die Vollkommenheit nachfolgen würde: nur vorwärts mit Stab und Troß, Führer und Rekrut, vorwärts! Es war wie während des Krieges, die Karl Larsen ist Däne. Seine „poetischen Reisen", bie sich »nL „alte Deutschland" und ins „heilige Rußland" teilen, find inr Inselverlag, Leipzig, erschienen. neuen Leute zwischen bewährten Kriegern, in Reih und Glied dem Erfolg entgegen! Nicht forschen, nicht sich ver tiefen, nicht zu sehr vervollkommnen wollen, sonst ginge die Zeit verloren und der Sieg würde verscherzt zum Besten der großen Schlacht, die niemals geschlagen werden würde." Hier ist der Jammer und die Kratt unserer Tradition ange- dcutet, die vor so langer Zeit einen Bruch erlitt, und die chier unterging, jedenfalls aber ohne Zujammenhang init »er neuen Zeit ist und ihr deshalb wenig förderlich sein kann. So findet Larsen dann auch einen Deutschen, der ihm über Deutschland als Festungsglacis eine lange, gescheite Rede hält. Erst die Macht, der Reichtum, gesättigte Kul tur, dann die Pracht der Früchte über das ganze ausstrah lende Land. Die beute in die Vorpostengefechte einer ein heitlichen, durchdringenden Kultur verwickelt sind, tragen die schweren Wunden wie Nuhmeszeicheu — wenn sie, wenn sie den Glauben haben. — Auch in der Residenz (niemals nennt Larsen die Städte mit Namens eilt der Reisende aus einem modernen, hermetisch verschlossenen Hotel in das alte Viertel, in die „tote Stadt". Sic birgt eine Fülle von Ent- wickclungswertcn, von unverbrauchter, noch nicht verwirrter Menschlichkeit. Sie macht aus den Junycn, die dort wachsen, Träumer; in der satten Stille, dicht neben der tobenden Weltstadt, ergeben sic sich ihrer tieferen Natur und pflegen das Sonderbare der Stunde. Dort mußte Larsen eines Freundes gedenken, eines Künstlers wie er, der hier in diesem deutschen Lande die peinlichste Gärungszeit im Hause bei einfachen Leuten durchgemacht hatte. Zu der Stube der Familie führte eine Tür, vor die er ein Bücher regal gestellt hatte, und hinter dieser Tür war der Platz der Tochter des Hauses. Sic lauschte bei ihrer Handarbeit aus die nervösen, ungleichen Schritte aus der Stube nebenan. Nicht eine Linie verstand sie von seiner Kunst, nicht ein Körnchen seines Seelenkampfes; aber sie verstand den Klang dieser Schritte und den menschlichen Schmerz, der da hinter lag. Sic sagte nichts, denn sic hatte nichts begriffen, daS sich in Worte fassen ließe, und doch batte sie das einzige begriffen, das im Grunde zu begreifen war, und. das irgend ein anderer Mensch außer ihm selbst verstehen konnte — still schickte sie sich an, alle ic kleinen stechenden Dornen von seinem Wege zu entfernen, und zwar so, daß sie ihn nicht einmal mit Anspruch auf Dank belästigte. Wie er sich dann wieder als Mensch fühlte, erblickte er eines Morgens am Fenster den kleinen Strauß roter Nelken, den sie au? seinen Tisch gestellt hatte, und da besann er sich ... Und — welcher Deutsche schriebe Larsen diese so deutschen Sätze nach! — und als sie dann ein Stündchen später in seine Stube trat mit einem alltäglichen Bescheid, da mußte er mit einem Male zu ibr bingchcn und ihr sagen, daß er sie liebe. — Ein sonores Moll, das aus allem Deutschen Wesent liches hervorzaubcrt: was sich nur musikalisch ausdrücken läßt, das ganze Geheimnis, das in unserer Musik schlum mert, das einzig „Deutsche". * In einer schmierigen Studentenbude sog ein Jüngling an einer in Tee geweichten Brotrinde und sah mit wirren Augen immerfort eine kleine schwarze Jüdin an, die im tiefen Halbdunkel kauerte. Dann kamen die Freunde mir den kühnen Profilen, den fanatischen Außen, und eines der kleinen Mädchen brachte kalten Aufschnitt und Brot mit. So saßen sie dis zum Morgen zusammen, und es war ein wildes Gezeter aus rauhen Kehlen, von dem der dicke Ta- baksqualm hin- und herschwanklc. Fast jeder kennt sie aus seiner Studentenzeit. Sie fühlen sich als fliegende Kolonnen der Revolntionsarmee, die das Ganze über den Haufen rennen soll. Hat man, verständnisvoll unter ihnen sitzend, einen richtigen Eindruck vom großen heiligen Rußland? Man will es nicht glauben, aber die Erinnerung an ihre Dichter und Maler überzeugen, man erlebt Szenen, die aus Turgenjews „Väter und Söhne" genommen scheinen, so, wie sie in genialischer Toilette über ihre Bücher gebeugt arbeiten, sind sic aus einem Bilde, das im Luxembourg hängt, zu ichen. Wohin sic auch kommeu, sic bleiben russische Stu denten, die cccloxiic militsnz der „Intellektuellen". Heimatlich vom Scheitel bis zur Sohle. Keine fremde Kultur wird auf die harte und einfache Struktur ihres Gehirns Einfluß haben, nichts sie verändern. Von ihrer unbarmherzigen Einfalt ist alles zu erwarten. Larsen verzeichnet einen ersten Eindruck: „Niemand kann in Rußland reisen und mit den Kindern des Landes oder mit Fremden, die dort leben, sprechen, ohne daß ihm eine eigenartige Melodie ins Obr eingingc. Sic besteht in einem häufig vorkommenden Senken der Stimme. Und wie Blitz und Donner zusammcngebören, so wird dieser ge dämpfte Klang unfehlbar von Blicken und leichtem Achsel zucken begleitet, die sagen: es ist wohl kein Lauscher da? oder: Glauben Sie mir nur, denn ich weiß Bescheid, ich ge höre zu den Eingeweihten. Kein anderes Land, das ich bereist habe, hat einen solchen Duft von Gerede, Geklatsch und Geschwätz über sich ausgebreitet wie Rußland. Im Verein mit Zigaretten und kirchlichem Weihrauch bildet er das Nationalparfüm. Wie der Dampf von verbranntem Papier mit Tabak darin von süß-würzigem Weihrauch den Kleidern anhastet, so arbeitet sich der Klatsch, alles durch- dringend, in unser Bewußtsein hinein." Zwei Russen, ältere Herren, streiten über die kommen den Tinge, die Rußland verändern werden. Der eine er wartet täglich die Revolution, der andere verweist auf den russischen Bauer, dessen dicke und geduldige Schultern den Koloß tragen, und der sich mählich zum denkenden, dann zum logisch handelnden Menschen, zum Bürger entwickeln wird. Er hält Rußland für unbesiegbar, er erinnert an die Machtstellung in Asien, an die allgemeine Achtung, die Rußland in der Welt genießt. Die älteren Herren liegen sich vom Abend bis zur Frühe in den Haaren: Rußlands ewige Studenten. — Darüber sind zehn Jahre vergangen. Vieles in Rußland ist verändert, Rußland bleibt sich gleich. Moskau ragt mit seinen 400 Kirchen und den unzähligen Kuppeln in den Himmel, barbarisch bunt und strengbewegt, kraßblau, mattbläulich, weiß gestreift, dazu mit goldenen Sternen übcrspritzt, stahlgraue, rote, gelbe, grüne Farben blühen aus dem Gewimmel der Dächer und Türme auf, und alles überstrahlen die goldenen Kreuze von Kupvel zu Kuppel. Dieser schöne nördliche Orient, dieses kindlich bunte Feuer, das in den schweren Wintern der vielen Jahr hunderte gefroren scheint, Feuer, besten Flammen in einem küblen Stein erstarrten und so ein ewiges unveränderliches Leben bewahren. In Petersburg gibt es ein Museum, in dem das große Rußland die ganze vielfältige Pracht seines Gesteins zu einer ungestümen Apotheose geordnet hat. Dort wimmelt «S von I-»pi» Inrnli; leicht hingestreut, gleich feinen Federn; gcwächsartig zusammengabcillt; weich und anschmiegcnd wie ein Teppich von samtweichem Moos über die Felsschichtcn gebreitet. Ein Block aus Malackiit. Ter edle, grüne Stein wird erstarrter, schäumender (steifer in blanken, runden Blasen, oder er guillt in vielcckigen Kristallen hervor, leuchtet in einem Bruche strahlenförmig schimmernd. „Man steht in einer Kluft der Welt, wo sonst Menschen nicht wandeln." Baudelaircsche Natur. Und das selbe steinerne Wunder in allen Kirchen, in den Samm lungen, den Privathotels, in Restaurants. Wie schwer von Gold und Edelstein stehen die alten .Heiligenbilder, vom Weihrauch gebräunt, in immer neuen Feuern von Edel steinen. Eine Generation nach der anderen überstreut sie mit Kostbarkeiten, häuft Schätze auf Schätze zu ihren Füßen. Das heilige, heilige Rußland. Am Tage, als Nikolaus H. gekrönt wurde, sab Larsen ein Märchen Andersens über den Katbedralplatz oben aus dem Kremel schreiten. In feierlichem Auszug, die Königin lung und liebreizend, strahlend in einem süßen Lächeln, ihr Gemahl mit Zepter und Reichsapfel, einen richtigen schweren Köniasmantcl auf den Schultern. Ter ganze Platz zwischen dem Palast und den vier Kirchen war rot ausgc- schlagen, und wie das Kaiscrpaar aus dem hoben Portal trat, begannen die Glocken der Stadt zu stürmen, die Kanoncnschlägc machten die Lust erzittern, Posaunen schrien, die Musikkapellen ließen alle ihre grellen Stimmen los und das Volk ries so begeistert „Heil!" wie sonst nur in den alten Märchen vom scbr schönen, sehr beliebten Königsfohn, der mit einer eben'o schönen Frau aus fernen Landen beim- kehrt. „Am Abend des Kronungstages saß ich zu Hause in meiner Stube, bis cs dunkelte, aber als ich mich vom Stuhl erhob, guckteu Feucrpaläste zu meinen Fenstern hinein. Die Illumination von Moskau batte begonnen. Wenn wir einem Feuerwerk zugeschaut haben, haben wir da nicht alle dies etwas wehmütige Gefühl, daß diese goldige und blau grün feuersvrühendc Herrlichkeit nur einen so kurzen Augenblick dauern wird? Und bat unS da nicht gieriges Verlangen nach einem Ricsenscuerwcrk packen können, das stundenlang das Dunkel zu flammender Schönheit erhellen könnte? Als ibr Zar gekrönt war, verwirklichten die Rusten diesen Traum." Damals leuchtete Moskau drei Nächte lang. „Man begriff, daß es Menschen gab, die brutal hysterisch sich nicdcrwersen und diesen mvistscb brennenden Fenerbrand anbctcn konnten!" Dann beschenkte der Zar sein Volk, das sich in ungeheuren Masten z:im Volksfest versammelt batte, die Musikkapellen spielten, Tausende begrüßten Väterchen, das sich ihnen in einem eigenen Kiosk zeigte, und bei dieser Gelegenheit wurden viele hundert Menschen zu Tode gc- drückt, hinter einen Bretterschlag geworfen und in Masten- ladungen von der Feuerwehr dnrch die Reihen der Fcst- aenosten zur Stadt gefahren. Die Frauen legten sväter aus dem Kirchhofe ihren toten Männern bunte Heiligen bilder oder iraend einen glänzenden Gegenstand ans die Brnst. Znm Beispiel eine Zündholzdvse aus Zinn. . . . * Die jüngste dentch« innerafrikaniscle Forschnngserpe-ition. Wenn wir aus die deutsche Forschungsgcfchichte in Afrika zurückblickeu und die heutigen Leistungen der be- teiliglen Kreise mit den einstigen vergleichen, können wir
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