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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070117020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907011702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907011702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-17
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kr^tz«. d c. ihied«. b». hm-het Male: »u. t-Fock. Lvied«. Ichock. »1. ckel. r lauy. Seck«, jener. Kkel. ALU«. I. er. :ad. >. x^ulze. Sarga. utb. Pollack loreaz. tel. -chu^e. ab. NaSke», llhr. Lreis«,: Lereiut« Zanette: Be^uas-PreiS für Leipzig und Bororte: In der Haupt- Erpedition oder deren Ausgabesielleu ab- geyott monatlich: Ausgaben (> mal täglich) 70 Pf., Ausgabe U i2 mal täglich) 80 Pf., bei Zustellung ins HauS Ausgabe 80 Pi., Ausgabe K 1 Marl. Durch unsere auZ. wärligen Ausgabestellen und durch die Post bezogen II mal läglich)innerbalbTeutschlandr monatlich 1 Mark, für Österreich-Ungarn 5» K 45 d vierteljährlich, di« übrigen Lauder laut Zeitung-Preisliste. I Diese Nummer kostet aus H? I allen Bahnhösen und bei I 8 ! den Zeitung-.Verkäufern .UcSakttoii und Expedition: Iohannisgasse K, Telephon Nr. 15L Nr. Nr. 1173. Berliner NeSatttons-Bureau. Berlin K1V. 7, Prinz LouiS Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Str. 9275. Abend-Ausgabe 8. KipMer Tageblatt 7 Handelszeituni;. Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamteo der Ltadt Leipzig. An;eiqen-PreiS die t-gespatleae Petuzelle iur llirschäst-» inserote au- Leipzig und Umgebung 25 Pf„ Familien-, Wohnunqs- u. Stell,n-Aazrigen, sowie An- und Brrkäuse 20 Pf., finanziell« Anzeigen 30 Pj., für Inserate von auswärts 30 Pf. Reklamen75 Pi, auswärts 1 Mark.Beilage- gebühr -t Marl p. Tausenv exkl. Postgebühr. Geschäfrsanzeigen an beaorzugter Stelle im Preise erhöht Rabatt nach Tarii. Für Inserate vom Auslande bewnderer Taris. Anzeigen-Annabme Auguftusplat; 8, bei lamtlichen Filialen u. allen Annoncen- Ekveditionen des In- und Auslandes. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Vaupr-Filtale Berlin: CarlDu n cke r,Herzgl.Bayr.Hofbuchhaadlg., Lützowstraße 10 (Telephon VI, Nr. 1603). Filial-ErpeSitjon:Tre-ZSen,Marieustr.34. Nr. 17. Donnerstag 17. Januar 1907. 101. Jahrgang. Vas Neueste vom Lage. lDie nach Schluß der Redaktion eingegangeu« Depesche» stehen auf der 3. Seite des HauptblatteS^ Schmist und Roercn. Durch die Presse ging eine Notiz, daß Roereu Straf antrag gegen den früheren Bezirksamtmann Schmidt gestellt bade. Roeren hat aber keine Privatbeleidigungsllage gegen Schmidt erhoben, und auch davon ist nichts bekannt, daß einem Anträge NoerenS beim Staatsanwalt aut Aullage gegen Lchmidt slattgegeben werden soll. Herrn Schmidt ist hiervon wenigstens dis zur Stunde nichts bekannt. Rückkehr aus Lüdlvcft. Der Postdampser „Lulu Bohlen", mit 3 Offizieren und 160 Mann an Bord, ist in der vergangenen "Nacht, von Swakopmund kommend, in Cuxhaven eingetroffen. Ter Wahlkampf i» Bremen. Der Wahlkampf in' der Hanlastadt scheint sehr scharfe Formen an:unehmen. Wie uns ein Bremer Privattelegramm meldet, erläßt der liberale Wahlausschuß „infolge wieder holter Sprengung liberaler Versammlungen und Bedrohung bürgerlicher Redner durch Sozialdemokraten" die Aufforde rung an die bürgerlichen Wähler, den sozialdemokratischen Versammlungen sein zu bleiben, weil keine Gewähr für persönliche Sicherheit vorhanden sei. — Nach einem anderen Privattelegramm aus Bremen leistet sich dort auch der Bund der Landwirte in der Person des Landwirts Depken den Luxus einer Sooverlandidatur. Tic nächste ParlaiucntS-Lcssion. König Eduard wird am 11. Februar das Parlament feierlich eröffnen. Raisuli will sich ergeben. Wie in Tanger verlautet, fungiert ein von Raisuli ge langen genommener Europäer als Vermittler zwischen diesem und dem Kriegsminiüerium, um milde Bedingungen für eine eventuelle Uebergabe zu erzielen. Chile uns Argentinien lSrotzmächtc. Die chilenische Kammer hat einstimmig die vertrauliche Emlacung Washingtons, dort eine Botschaft zu errichten, angenommen. Präsident Roosevelt begründete seine Auf» 'orverung damit, er wolle den Eindruck verhindern, als ob Washington allein Südamerika bemuttern wolle; Chile und Argentinien sollen an der Suprematie teilnehmen. — Ein sehr schlauer Schachzug der Hankees! Die Erhebung von Gesandtschaften zu Bot schaften bedeutet bekanntlich die Anerkennung dcS Großmachts ¬ ranges. Wie wenig natürlich in der Sache der leere Name bedeutet, beweist, daß auch die Vertretungen der Türkei und Spaniens den Botschafterrang einnehmen. Hoffentlich w rcen Chile und Argentinien sich nicht durch solche Äußerlichkeiten wie kindische Menschen emfangen und bestimmen lasten, gegen ihre bessere Ueberzeugung und ihren wahren Vorteil die Interessen Nordamerikas zu unterstützen. Das Erdbeben auf Jamaika. Die Angaben über die Zahl der bei der Katastrophe auf Jamaika Umgekommenen sind äußerst schwankend. Während eine amtliche Londoner Meldung gestern die Zahl der Toten auf 30 bezifferte, meldet jetzt ein New Parker Privat-Kabeltelegramm: Nach Meldungen aus St. Thomas soll die Zahl der Toten bei Sem Erdbeben in Kingston 1000 und die Zahl Ser Obdachlosen 00 000 betragen. Ter Schaden soll sich auf 10 Millionen Dollars belaufen. Diese Nachricht ist jedoch wohl übertrieben, da in Kingston kaum 50 000 Einwohner leben. Richtig ist wohl die Meldung deS Vorsitzenden der Londoner „Preß Asso ciation", Shaw, der zurzeit in Kingston weilt. Er hat eine Schilderung der Katastrophe übermittelt, in der er bestätigt, daß sich die Zahl der Umgekommenen auf min destens 500 beläuft. Diese Mitteilung stimmt auch ziemlich mit dem Inhalt des Telegramms unseres Londoner K-Korresponventen überein, nach dem, wie wir heute morgen bekannt gaben, etwa 400 Menschen ihr Leben bei der Katastrophe eingebüßt haben. Daß die Katastrophe im übrigen furchtbarer war, wie man anfangs geglaubt hat, beweist folgendes Londoner Kabeltelegramm: Das Bureau der „West Jndia and Panama Telegraph Company" erhielt ein Telegramm von ihrem Cbesvertreter in Kingston, wonach sich das Erdbeben bis nach Holland-Bay, 80 bis 85 Kilometer von Kingston, erstreckte. Die Kabelgesell« schäft erlitt starken Schaden, zwischen Gull-Bay sieht kein un beschädigtes Haus. Das Erdbeben sei furchtbar gewesen, alle Ueberlebenden in Kingston lagerten im Freien, überall sei Zerstörung und Elend Eine der Telegraphistinnen der Station wird vermißt. Ferner sind die beiden Direktoren der Dampf- Paketsahrtgesellschast, die Kapitäne Konstantin und Äsung' beim Einsturz eines Burcaugebäudes gelötet worden. Ebenso empfing ein Bostoner Kaufhaus eine Depesche seines Vertreters, wonach die Geschäftssiliale mit dem ganzen noch brennenden Geschäftsviertel Kingstons zerstört fei. Hunderte seien tot. Aus London wird uns schließlich telegraphiert: Der König und die Königin sandten ein in herzlichen Worten abgesagtes Beileidstelegramm an die Behörde von Kingston. politisches. * Berlin und Gmunden. Aus Gmunden ist die Meldung verbreitet worden, daß zum Hinscheiden der Königin Marie von Hannover das deutsche Kaiserpaar an den Herzog von Cumberland ein Beileidstelegramm gerichtet habe. Tiefe Meldung ist nach offiziöser Mitteilung unzutreffend. Tas deutsche Kaijerpaar war nicht in der Lage, von dem Ableben der Königin dem Herzog von Cumberland gegenüber Kennt nis zu nehmen, da dieser joae Anzeige über den Tod seiner Mutter unterlassen hatte. 8. L. Tic Erzbischojswahl iu Gnescn. lieber die gestrige Erzbischosswahl für die Diözese Poseu-Gnescn wird . uns noch im einzelnen ans Gnesen gemeldet: Das Posener Domkapitel war unter der Führung des Weihbischoss Dr. Likowski, des bisherigen Verwesers der Diözese, bereits vorgestern in einem ^onoerzirge hier eingetrossen. Gestern vormittag tras dann der Oberpräsidcnt der Provinz Posen, Exzellenz von Waldow, als Wahlkommissar ein. — In der Stadt wimmelte es von Geistlichen, und die fast tausend jährige Bischossstadl, die im ehemaligen Königreich Polen Sitz des Erzbistums war und zu dessen Sfirengel nebst den preußischen auch die Bistümer Breslau, Kammin und Le bus, sowie seit dem zwölften Jahrhundert Posen gehörte, hatte nach langer, langer Zeit mal wieder einen großen Tag. Nach dem Hochamt wurde noch ein feierliches Requiem für den verstorbenen Erzbischof von Stablew ski, sowie für den verstorbenen Kardinal von Ledochowski durch den Weihbischof Dr. Likowski zelebriert. Bekanntlich war der Kardinal von Ledochowski Erzbischof von Pojen- Gnesen während des Kulturkampfes und sein Herz ist in der hiesigen Kathedrale bcigesckt. Nach Abschluß der ^.rch'.ichen Feier begaben sich die wahlberechtigten Mitglieder der beiden Domkapitel in das erzbischöfliche Palais, wo zunächst ein ge meinsames Frühstück eingenommen wurde. Dann schlossen sich sämtliche Tore des Palais, nicht ohne daß vorher noch mals eine gründliche Musterung der Zurückbleibenden vor genommen worden war, da für die um 12 Uhr mittags be- ainnendr Wahlhandlung — wie verlautet auf Wunsch der Regierung — der strengste Ausschluß der Oeffentlichkeit an geordnet worden ist. Wie es heißt, soll die Öffentlichkeit Vie Namen der Kandidaten solange nicht erfahren, bis der König von Preußen in der Wahlliste die ibm unangenehmen Namen gestrichen hat. Gemäß der päpstlichen Breve vom Jahre INI und den in Uebereinstimmung damit erfolgten Vorschriften der preußischen Regierung muß dem Wahl kommissar, als welcher der Oberpräsident der Provinz Posen Exzellenz von Waldow fungiert, eine Vorschlagslilte mit sechs Kandidaten überreicht werden. Der König von Preußen hat das Recht, aus dieser Liste die Kandidaten, die ihm weniger genehm erscheinen sssrerrstsiruo rsxff minus x-r»te>ss zu streichen. Erst nachdem die Regierung binnen sechs Wochen die Liste dem Domkapitel zurückgereicht hat, ersoli: die endgültige Wahl. — Wie die „Deutsche Journalposi dazu aus zuverlässiger Quelle erfährt, hat der päpstlich- Stuhl dem Polentum die Versicherung übermitteln lasten, daß der Papn nur einem dem Polentum genehmen Kandi daten die Bestätigung geben wird. Inzwischen lind, wie wir bereits meldeten, die Namen der vier an erster Stelle ge nannten Kandidaten bekannt geworden. ist. Von Schutztrupplern der südwestafrikanischen Schutz, truppe haben sich bis jetzt bereit erklärt, in der Kolonie zu bleiben: 318 als Farmer, 74 als Kleinsisdler, 570 als Hand werker, 4 als Beamte, 5 als Kaufleute, insgesamt 971. * Tic Handelskammer für das Großherzogtum Sachsen- Weimar gab in ihrer Sitzung vom 15. Januar 1907 folgende Erklärung ab: „Die Handelskammer für das Großherzogtum Sachsen erblickt in den deutschen Kolonien einen wertvollen natio nalen Besitz und hält die Unterstützung der Relchsoerwcü- tung bei Erhaltung und Weiterentwickelung derselben für eine wichtige, nationale Pflicht." ist. Absolute Sonntagsruhe bei der Reichspost? Seilens des Reichsposlamtes sind Erwägungen im Gange, ob es nicht angebracht sei, auch den Schalterdienst an Sonntagen ein» zustellen. Zurzeit findet ein solcher mittags von 12—1 Uhr Ilatr, während die Paket- und Geldbestellung an Sontagen nicht mehr statlsindet und der Briesbestelldienst nur morgens einmal erfolgt. Beabsichtigt ist nun, in nicht allzulanger Zeit den Schalterdienst an Sonntagen aufzuheben und nur noch an Sonntagen Telegramme anzunehmen und Postwert zeichen in kleinen Mengen abzugebcn. Vorfichtsweise soll zunächst gestattet werden, daß auch Geldanweisungen gegen eine (Gebühr von 20 Pfg. Extravergütung an Sonntagen an- genommen werden, doch nur solange, als der Verkehr dadurch nicht an dem einen Schalter, der alsdann in jedem Post- amte geöffnet sein wird, zu ^tark wird. In diesem Falle wer den Anweisungen auch ausgeschlossen. Nach Einführung der Neuerung fällt die Bestellung von Zeitungen am Schalter, Ausgabe von Postsendungen, Verlaut von Jnvalidenmarken usw. an Sonntagen fort. nlo. Der entsesselte Kulturkampf. „Tas Zentrum will keinen Kulturkampf", so versicherte die gesamte Zentrums presse scheinheilig. Aber saft alle Zentrumsredner malen ihn bei der Wahlagitation mit den schreiendsten Farben an die Wand. Auch nicht ein einziger der früheren Zentrums abgeordneten, der nicht bei seinen WahlrHen davon aus ginge, die katholischen Wähler durch die Unterstellung des Wahlkampfes aufzuhetzen. Und nun erst die Wahlflug blätter. In diesen werden die liberalen Parteien als zer störende Bilderstürmer, als Brandschatzer der Kirchen, Schulen und milden Stiftungen Sebrandmarkr. So heißt cs in einem Würzburger Wahlaufruf: „Katholische Wähler.' Wenn Ihr nicht wollt, daß auch bei Euch die Aruzffixe aus den Schulen geworfen, die Kirchen erbrochen, die Heilig- tümer zertrümmert, die Scminarien geschlossen, die Beschäle aus ihren jahrhundertealten Besitztümern hinausgedrängt, fromme Krankenschwestern aus den Spitälern geVgi, Ordensleute verhöhnt und vertrieben, die Kirche aus ih ältesten Recht verdrängt werden soll — dann sorgt mit l> 'n Feuilleton. Ich kann aus sieden Lauern ebensovlele Uorcks machen, aber aus sieben korcks keinen einrigen Holbein. üeinncti VIII. Von jeher ging bei Völkern cker Kopf ckem Herren oft um sahrhunckerte voraus, wie bei ckem dlegerhanckel; ja um sahrtsusencke wie vielleicht bei ckem Kriege. Ze-m?su>. Kräfte lasten sich nicht Mitteilen, jonckern nur wecken. Iiuöw. öllctiner. LoUeoni al» VSldat. Von Georg v. Grae.venltz. Tie Gestalt des venezianischen Kondotliere und General kapitäns Bartolomeo Eollconi ist ncuerdingS durch ein kraft volles Drama, das über die Bühnen gegangen ist, Herzogs „Kondottieri", wieder in den Vordergrund getreten. Aber auch davon abgesehen: die gemeiniamc Meisterschöpfung Verrocchios und Lcopardis, das Standbild Colleonis vor der Gruftkirchc der Togen S. Giovanni und Paolo in Venedig, hat dafür gesorgt, daß an jeden Besucher Venedigs die Frage hcrantritt: „Wer war dieser gewaltige Panzer reiter, dem die hohe Ehrung eines Reiterstandbildes ans öffentlichem Platze zuteil geworden ist, eine Ehrung, die nur noch ein anderer, auch cr ein Kondotticrc und vcnezianiichcr Generalkapitän, Gattamelata iu Padua gesunden bat? Welches war das Lcbcnsschiajal Colleonis? Wie war seine Umwelt? Hat sein Verdienst ihn auf den ragenden Sockel der Reiterstcnue erhoben, oder sind andere Ursachen, vielleicht gar die des blinden Zufalls wirksam gewesen?"*! Tiefe Zeilen sollen in kurzen Strichen darzutun ver suchen, daß zum mindesten der Soldat Collcoin, nm von dem Politiker, Grundherrn und Kunstiuäzcn abzuschcn, dieser höchsten künstlerischen Ehrung nicht unwert war, daß Cvlleoni eine bedeutende militärische Persönlichkeit darsieilt. Bei seiner Würdigung nach dieser Seite hin müssen zu nächst die landläufigen Vorstellungen revidiert werden, die das gciamtc Koiidottiercntiiui, diese echt rcnaissancemäßiac Erscheinung, einsam als „Auswuchs des Soldatentums" ab- tun, und höchstens den Gesichtspunkt des soldatischen Vir tuosentums" gelten lassen, die anderseits stets den Mangel an Vaterlandsliebe und idealen Motiven des soldatischen Handels, die Unsittlichkcit des ganzen 3-reibens ins Feld führen. In vollem Umfang sind solche Vorwürfe nur vom Standpunkt der heutigen ganz anders gearteten militärischen und nationalen Verhältnisse aus berechtigt. Für manche 'I Ich habe versucht, diese und damit zusammenhängende Fragen in meinem kürzlich bei E. A. Seemann in Leipzig erschienenen Buch zu beantworten „Gattamelata und Cvlleoni und ihre Beziehungen zur Kunst". Eine kultur- und kunstgeschichtliche Studie sPadua—Bergamo—Venedig). Mit 16 Illustrationen. schiefe Beurteilung der militärischen Verhältnisse jener Zeit ist in erster Linie Macchiavclll, dieser größte wissenschaft liche Liebhaber, der vielleicht jemals im Kriegsfachc aufge treten ist, verantwortlich. Seine ,,^i-t« ckolla. xruerra" muß unter einem doppelten Gesichtspunkt gelesen werden: mit tiefster sittlicher Berechtigung und in gerechtfertigter patrio tischer Erregung macht cr das Aondotticrentum für viele Nachtseiten des nationalen italienischen Lebens verantwort lich. Aber er gießt die Schale seines Zornes doch auch des halb über die Kondottieren aus, weil sic seine so sorgfältig studierte und warm anempfohlenc Lcgionartaktik durchaus nicht zu der ihren machen »vollen. Jene stereotypen Vor würfe der Vaterlandslosigkeit und der Unsittlichkcit treffen vom heutigen ernsten geschichtlichen Standpunkt aus nur das Richtige, wenn sie zugeben, daß die Entwicklung und Einrichtung des Kondottierentums auch Ausnahmen er zeugte und zuließ: so ist Gattamelata eine einfache, Pflicht- treue Heerführcrnatur. Aber sehen wir auch davon und von der Ausbildung der imponierenden individuellen und mili tärischen Persönlichkeit, wie sic z. B. Francesco Sforza dar stellt, ab: die Kunst des Krieges hat durch das Kondottieren- tum im Gegensatz zu dem Lehnsweien und der Fcndal- kriegsvcrsassung Deutschlands und Frankreichs unleugbar gewonnen. Es sagt schon viel, wenn I. Burckhardt das !). Kapitel seiner „Kultur der Renaissance", in welchem cr den Einfluß des Kondottierentums ans den Krieg behandelt, und an dessen Gedankengang hier erinnert sei, durch die Ueberschrist „Ter Krieg als Kunstwerk" zusammenfaßt. Aber auch Max Jähns, der in seinem „Handbuch einer Ge schichte des Kriegswesens" die Erscheinung der Kondottieren vom Standpunkt der Kriegführung und Taktik be trachtet und ffir das Virtuoscnhaftc der Kriegführung Worte der unbeschränkten Verurteilung hat, weist doch aus den tiefen Sinn des Wortes „Kondottieri" bin und betont, daß im Kreise dieser „Führer" seit dem Altertum zum ersten Male sich wieder eine wirkliche Kriegskunst bcrausgebiidet habe. „Zum ersten Male werden die Operationen eines Feldzupcs wieder als ein großes Ganzes ausgcsaßt, werden die Teile desselben knnstgcmäß ausgestattct und verbunden und für die einzelnen Aufgaben die besten Lösungen gesucht Zum ersten Male in der neuen Geschichte tritt man dem Krieg wieder von der wissenschaftlichen Seite näher. .. . Die Kondottieren wandten jedes Mittel an nm zum Zweck zu kommen, ohne viel Blut zu vergicnen, und das zwang sie natürlich, die Manövcrknnst ansziibilden, und weil sie nur dann Gewalt über ihre Leute hatten, wenn diese gut lebten, so sahen sie sich auch darauf angewiesen, daS VerpflegungS- wescn einer bis dabin unbekannten Aufmerksamkeit zu unter ziehen. In taktischer Hinsicht ist vorsichtige Sorgfalt die Rücksicht, der sich jede Maßnahme unter,zuordncn hat. Aus stellung in mehreren, aus kleinen Reiterhausen gebildeten Tressen, sparsames und allmähliches Einsehen der Kräfte, ruhiges Zurückbalten starker Reserven und geschickte Ver wendung derselben im entsprechenden Augenblick: das sino die Kriterien der Kriegführung und Taktik der Kondot tieren." Gehen wir die Lebensbeschreibungen Colleonis, an deren Spitze die Pietro Spinös und die des Humanisten, Kriegs- barden und Sforzo-Dioaraphen Corraz.ano stehen, unter militärischen Gesichtspunkten durch, jo werden wir zahlreiche erläuternde und bekräftigende Beispiele für die Sätze von Jähns finden können. Der gegen Piccinino geführte Win terfeld,ug GattamelataS und Colleonis dcS Jahre- 1438 mit seinem Rückzug vor überlegenen Kräften und unter un günstigen Verhältnissen, bei dem Cvlleoni die Vorhut führte, dann die Aufstellung einer Gardasee-Flottille. um Br.seia zu verproviantieren, als deren intellektueller Schöpfer Colleoni anzusehcn ist: die Maßnahmen Colleonis im Kampf um das Castell von Caravaggio (1448), der so bezeichnend ist für die entscheiduugfliebendc Kriegführung jener Zeit: die Ausbildung und Anwendung strasscr taktffcher Formen, die der italienischen Entwicklung entsprachen, gegenüber dem regelloseren und weniger disziplinierten Ansturm der fran- zösisch-favoyischen Truppen Karls von Orleans (1417—l> sich diese und andere Phasen aus der 50 Jahre dauernden mili tärischen Laufbahn Colleonis müßten im einzelnen erläutert werden, um ein Bild des Taktikers Colleoni geben zu können. Einen deutlichen Hinweis ans diese ieinc Bedeutung bildet auch die Tatsache, daß cr namentlich in seinem Alter als Vcrlrctcr der aus Francesco Sforza sich ausbauendcn Militärtraditiou galt, daß scin Aikcrssitz Malvaaa bei Bergamo als eine hohe Schule der Kriegskunst damaliger Zeit nicht nur in Italien, sondern auch im Ausland Hohen Rui genoß. Tie Geltung des Soldaten und Heerführers Colleoni im Auslände kommt auch in glänzenden Anerbie tungen und Werbungen von Staatsweicu und Fürsten um ihn bei der Republik zum Ausdruck 1458 wirbt Sier.r um ihu, 1467 versucht Rena von Anjou sich dcn halb selbständigen Kondotticrc für seinen Kamps um Neapel zu versichern, Lud wig XI. von Frankreich hietci Em 'in Jabre-aebon »in 200 000 Kronen, um ihn als Feldderr gegen seinen aufstän dischen Adel zu gewinnen, und 147 war ein Soldvertraq unter ähnlichen glänzenden Bedingungen mit Karl dem Kühnen von Burgund schon säst abgeschlossen. Von diesem ritterlichen Fürsten ist uns auch die ettoas überschwengliche Anerkennung des militärischen Prinffpots Colleonis über liefert, daß er gern sein Schüler werden wollte, um die tpc- zisisch italienische Kriegführung, d b. also die der Kondot tieren von ibm kennen zu lernen, die in io scharfem Gegen- sgtz zu dem planlosen Geaencinanderrennen der alten Ritter schlachten wie etwa bei Agincourl ftand. Aus eine andere militärische Bedeutung Colleonis wies der Lucchcse Paulus Santinus bin, der daS Werk des be kannten Milftärschriftstcllcrs Jac. Mariano, genannt Taccola „cko maalnnst libri ch'aoio" neu bearbeitete und es Colieoui widmete. Er dachte au den Kricgstechnikcr und Artilleristen Colleoni. Während Gattamelata, soweit wir erkennen können, in dieser Beziehung noch ganz in der Periode des eigentlichen KondottiereutnmS steckt, hat Colleoni erkannt, daß mit der Ciitwickluna dcS Geschützes eine neue Epoche begonnen hat, und uul'.t ne auS. Bis gegen Ende des 14. JabrbundertS war daS Geschuh lediglich zum Wurf und hohen Bogenschuß verwendbar gewesen. Dann war durch Verlängerung der Rohre und bessere Unterlagen die Mög- lichkcit deS direkten Schusses angebahnt. Dieser Fortschritt konnte nach zwei Richtungen hin verfolgt werden. Ent weder man rüstete die alten Hccrwagcn, die Lager und Au'- stellung schützten, mit Artillerie aus und stärkte also die Defensive. Eine andere Richtung der Kriegstechnik strebte, unterstützt von dem erhöhten Ein'liiß. den da-S Fußvolk nach Zahl und Bedeutung gegenüber den alten Rciterneeren er- louaie. danach, die Artillerie auch dem Angriff in allen For men dienstbar zu machen. Und in diese letztere Entwicklung, die den Keim zu tics- gehender Umwälzungen der Kamv'welie und Ausen'', -, 7 in sich trug, hat Colleoni mächtig eingegriffen. Zunächst wird von ihm berichtet, daß cr weit umfassender als bisher schwere Geschütze für den Angriff fester Plätze und zum Stellungs krieg herauzog: die „schwere Artillerie des Feldheeres" er- scheint in ihren ersten Umrissen. Aber wichtiger noch war sein erfolgreiches Streben, die Artillerie derart beweglich zu machen, daß sic zu einem Faktor der Feldschlacht wurde. Er setzt die Geschütze auf fahrbare Lafetten, der alte Strcitkarren wird so allmählich zum Feldgeschütz, Colleoni kann für Ita lien als Schöpfer der Feldartilleric bezeichnet werden. Charatteristisch für die Fcchtart Colleonis ist, daß die erste Anwendung dieser Feldgeschütze bei Riccardiria im Jahre 1467 aus ein technisches Sondcrmanüvcr eingestellt war. Das erste leichte aus Fußvolk bestehende Tressen gab wie meist dem Angriff der feindlichen Reiter nach. Aber auch das zweite aus Reitern bestehende Treffen hält diesen Stoß nicht aus, sondern schwenkt nach den Flanken ob, dadurch aber werden die hinter ihm stehenden kleinen drei Ellen langen und Kugeln von Pslauinenaräßc verschießenden Spn'- garden demaskiert, die nun dank namentlich aiG Schrecken, den jede neue technische Erfindung aui dem Schlachtscldc hcrvorruft, große Erfolge erzielen. Wie trüber ocr Gebrauch der „unritterlichen" Handfeuerwaffen vom Okgner Wohl dadurch geahndet wurde, daß man ausnahms weise und gegen alle Kondotliercntradition verbot, Quar tier zu geben, so erließ auch bei Riccardina Colleonis Geg ner, Federigo von Urbino, im Hinblick aus die Spingaxdcn solches Verbot. Und anderseits: mit welcher Nichtachtung spricht noch Macckaaoelli in der ,,^.rke> claUn Fuerro" von der Waffe der Felda''n!Ieric, di" sich einer Lcaionartaktik allerdings schleckt anpaßte, die aber doch die Waffe der Zu kunft war. Tas alles läßt erkennen, daß Colleoni etwas Neues geschaffen batte. Es würde iu weit führen, aus die Einzelheiten militä rischer geistiger Regsamkeit, die namentlich Spino von seinem Helden berichtet, cinzugeben. z. B. auf seine Beberr- schling der Pionicrtecknik seiner Zeit, die auch künstlich er regte Lawinen zur Verwirrung und Vernichtung des Gegner» Heranzieht, aus dcn Angriff und die Verteidigung fester Pläne auf die geschickte Verwendung aller Waffen gattungen. die auch abgescsscnc Reiter und hinter dem Reiter ausgcseiseiie Arnibrustschiitzen kannte. Der Geiamtcindruck von allem 'st das Bild eines das Können und Willen seiner Zeit voll beherrschenden Soldaten, der in Einzelheiten — wie in dem Ostbrauch von Feldartilleric — ihr sogar voran war. * VilLen-e 7k«nst in Leipzig. Zur Januar-Ausstelluua des Leipziger Kunstvercins.l Im Mittelpunkte des Interesses steht diesmal der Münchener Hugo v 0 u Haber m a n n , der mit etwa 50 Werken den halben Lbcrlicht'eial füllt, und es ist merk würdig, wie sehr dic-e exquisite Kunst des geschätzten Malers verliert, wenn man eine solche Men^e von Werken aus ein mal nebeneinander sieht. Manches langst bekannt gewordene Bild Habermanns ist auch Heuer wiädcr mir aufgetaucht: manche Perle dageocn. die uns noch von dcn Ausstellungen der letzten Jahre der im Gedächtnis aeblicbe > ist - Haber manns Auftreten bei dcu Berliner Sezcll onffren 1905 war geradezu ein Ereignis, und auch in d-^ Münchener „Se zession" des lemen Sommers bedeutet.» seine Bilder frag- los mit dcn Ahevunkt rein malerischer Kultur, den man auf jener Ausstellung konstatieren durfte — fehlt. Dafür
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