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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070122017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907012201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907012201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-22
- Monat1907-01
- Jahr1907
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BeznqS-PrelS für Leivlll- uad Bororte: Jo der haupb- Ezprditiou oder deren Ausgabestellen ab» gehott monatlich: Ausgabe^ l» mal täglich) 70 Pl. Au-gabe V <2 mal tägtick) gl) Pf„ bei Zustellung In» Han- Ausgabe ch 80 Ps., Ausgabe tt i Mark. Durch aalen au-, wäriigen Ausgabestellen aud durch die Post bezogen ll waltägllchsinnerhalbTeulichland- monatlich 1 Mark, für Oesterreich-Ungarn 5 L 45 d vierteljährlich, dir übrige» Länder laut Zeituuftspreistiüe. Diese Nummer tostet aut ch-4 4»»^ alle» Bahuhösea »ad bet I II de» Zeitungs-Verkäusero I ArSalNon und drrpeöUtaa: Johaooisgafsr tih Lelephon Nr. lbL Nr. AL Nr. 1I7L verttner «edattianS-Vurea«: Bertis 7, Prm^ coui- Ferdin and» Straß« O Trlevdoa t. Nr. 9275 Morgen-Ausgabe S. KWigtr TagMalt Handelszeitung. Ämtsvlalt -es Nates im- -es Volizeianttes -er Stadt Leipzig. StineiqenHSretS dir 6 gespaltene Petttzrile für Geschtists« toseratr aoS Leipzig ond Umgebung 25 Pf, Familien-, Wohnung-- n. Stellen-Au,eigen, sowie Ao- und Verkaufe 20 Pf, finanzielle Anzeige» SO Pf, für Inserate von ou-wäri- 80 Pf. Reklamen 75 Pf, auswärts l Mark, lllellage- gedübr 4 Mark p. Tausend rxkl. Postgebühr. GesckäftSanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Für Jnseratr vom Ao-lande besonderer Tarif. An»eiarn.Anllabine: Ausuftnsplay 8, bet sämtlichen Filialen «. allen Annoncen- Expeditioaro »e- I«. ond Auslanves. Für da- Erlchetnen ao beslimmteo Tageo o. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Haupt-Ftltale Berlin: CarlD n n ck« r, Herzgl.Bahr.HosbnchhaaLlg, Lützownraße 10 (Telephon Vl, Pir. 4603). Alsial-SrpeditionDreSden.Marienstr.3g. Nr. 22. Dreuöta^ 22. Januar 1907. 101. Jahrgang. MKIer, gellenket kuret Pflicht am 15. Januar! Aäkll nur national! Vas AiÄtigrte vom Lage. * Am gestrigen Abend fand dievorletzte natio nale Wählerversammlung vor dem Wahltag im groben Saal des Zentraltheaters start, in der Justiz rat Dr. Junck noch Ergänzungen zu seinem Pro gramm gab und eine lebhafte Debatte stattfand. sS. 2. Beilage.) " Kolonialdireltor Dernourg hielt gestern in München einen Vortrag über koloniale Er ziehung. (S. Art.) * Die Reichstags st ichwahlen finden in Mecklenburg schon am 2. Februar statt. * Lloyds Marineversicherungsagentur in London wird jetzt ebenfalls aus Santiago telegraphiert, es sei schwere Besorgnis vorhanden, das der bei Plum Point gestrandete Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie ,Prinz Waldemar" total verloren ist. * Das österreichische Herrenhaus beendigte die Beratung der Wahlreformgesetze und der nvureras-elausus-Bill. Die Sanktionie rung durch den Kaiser steht bevor. * Der König von Schweden ist von seiner akuten Krankheit genesen; die chronische ist gebessert. Die Bulletins werden eingestellt. * In Petersburg herrscht eine Kalte von 30 Grad Celsius. Diese Kältewelle scheint im Anzug gegen Mitteleuropa zu sein. * Die Volksbewegung in Bulgarien nimmt eine ge- rährliche Schärfe gegen den Thron an. Der Fürst hat Sofia rechtzeitig verlassen. sS. Ausland.) Rn Sie gleichgültigen uncl <lie Mitläufer r Es soll uns nicht einfallen, einem überzeugten politischen Gegner feine andere Ueberzeugung und Abstimmung übel- M nehmen. Auch einem Sozialdemokraten nicht. Das Be kenntnis zur Sozialdemokratie ist eine geistige Verirrung, in vielen Fällen die Folge einer Massenhypnose auf unselb ständige Naturen. Indessen gibt uns das kein Recht, dem Anhänger der Sozialdemokratie die persönliche Achtung zu versagen. Bei aller unserer Gegnerschaft gegen die Marxschen Lehren haben wir doch auch nie vergessen und nie bestritten, daß sie einen gewaltigen, auch in unseren Augen außerordentlich wichtigen Erfolg zum größten Teil aug ihr Konto setzen können, die Erweckung des Arbeiterstandes zu geistigem Leben, den Drang nach oben. Auch andere Leuie haben das zu erreichen versucht, aber mit untauglichen Mitteln. Erst die Sozialdemokratie hat breite Massen in geistige Bewegung versetzt. Nun pocht sie auf daS Recht v«r Führung, der Irreführung. Und cs scheint ein Gebot der Notwendigkeit, daß immer erst mehrere Generationen denselben Irrweg gegangen sind, ehe das blühende Land ringsum entdeckt wird. Die Sozialdemokratie als radikale, aber praktische Refornipartei hätte es in der Hand, unser ganzes politisches Leben, alle unsere politischen Institutionen in wahrhaft freiheitlichem Sinne umzugestalten. Sie würde mit einem Schlage die größte politische Partei, überhaupt der größte politische Machtfaktor im Deutschen Reiche wer den. Allein sie will nicht. Das heißt ihre paar Hundert auf Marx eingeschworenen Führer wollen nicht. Und die Massen, die recht gern selbst schon für sich und ihre Kinder von den verheißenen Früchten nehmen würden, gehen mit. Und um sich und die Ihren zu trösten au» dem endlosen Wege, malen sie in glühenden Farben das Wunderland der Zukunft aus, wo der Löwe mit dem Läminlcin grafet. Den Leuten ist nicht von heute auf morgen zu helfen, schon deshalb nicht, weil sie mißtrauisch sind und mißtrauisch gemacht werden gegen alles, was von nichtsozialdemokra- tischer Seite an sie herantritt. Aber die Zahl dieser inner lich lleberzeugten, dieser durch das Mysterium Gefesselten ist ia gar nicht so groß. Sie mag kaum die Zahl der politisch Organisierten ausmachen und ist sicher nur «tn kleiner Bruchteil der Gewerkschaftsmitglieder. Doch sind sie Vie Leute, die im Tritt marschieren uno die große Menge der Mitläufer anziehen. An diese Mitläuier und Mitstimmer geht unser Ruf. Sie sind weder durch Ueberzeugung, noch durch Reizung an das rote Banner gefesselt. Zum Teil haben sie nur sozialdemokratisch gestimmt, weil es die andern raten, zum Teil aus allgemeiner oder persönlicher Unzu friedenheit heraus, zum Teil, weil der bürgerliche Kandidat ihren politischen Wünschen zu wenig entsprach. Diesen lausenden von Wählern muß das Gewissen geschärft werden. Sie sind immer mit der Entschuldigung bereit: «Man wird noch nicht Sozialdemokrat, wenn man sozialdemokratisch wählt." Aber man wird mitverantwortlich für all die Nn- »ufriadmcheit und Unlust im Volk«, di» da» Aufwärtsstreben der Nation hemmen, für die Negationspolitik der sozial- demokratischen Fraktion, die olles verweigert, was zur Existenz des Vaterlandes notwendig ist, für die Schmähungen des deutschen Namens, für die Minderung des deutschen An- sehens im Auslande, die uns wirtschaftlich schadet und mili- tärisch in unabsehbares Unglück stürzen kann. Dafür sind die Mitläufer mitverantwortlich, ob sie das alles gewollt haben oder nicht. Der überzeuzte Sozialdemokrat hat wenigstens eine Entschuldigung, seine doktrinäre Blindheit, die ihn solche Schäden und Gefahren nicht sehen oder er kennen läßt. Wer aber die Gabe der natürlichen Erkennt nis noch unzersiört sein eigen nennt und dennoch dieser herostratischen Partei zu größerer Macht verhilft, der ver- sündigt sich an seinem Vaterlande, an sich selbst. Der handelt unwürdig, weil ihm diesmal auch die Entschuldigung fehlt, daß der bürgerliche Kandidat ihm zu weit rechts steh» zu wenig freiheitliche Gewähr biete. Einen freiheit licheren Kandidaten als Dr. Junck hat Leipzig noch nicht gehabt. Es wird auch keinen haben und braucht ihn auch nicht. Alle vernünftigen unv praktisch aussichtsvollen liberalen Bestrebungen stehen in seinem Programm. Sozialpolitisch absolut zuverlässig, weil ihm Sozialpolitik Herzenssache ist. Dazu ein gewissenhafter, fleißiger und sympathischer Mann. Wo bliebe ein Grund, außer Torheit oder üblem Willen, diesen Vertreter der Leipziger Interessen und der des ganzen Volkes stehen zu lasten und dem sozialdemokratischen Hausen nachzurennen- Der 25. Januar ist der kritische Tag in der politischen Ge schichte Leipzigs. Wenn es mit diesem Kandidaten nicht gelingt, Leipzig zurückzuerobern, dann ist Leipzig für das Bürgertum verloren. Und feder Mitläufer der Sozialdemc- kratie wäre mit schuld daran. Schlimmer aber noch als die Mitläufer sind die politisch Gleickzgültizen, die da sagen: „Was geht das mich an?" Und es gibt ihrer die schwere Menge. Von 42000 Wahlberech tigten blieben bei der letzten Neichstagsstichwahl 6000 zu Hau'e. Sie kümmerte-, sick- nicht um Wobl oder Wehe de? Vaterlandes. Es war ihnen ganz gleichgültig, ob e>n So zialdemokrat oder ein vaterlandssreudiger Mann gewählt wurde. Es kümmerte sie auch nicht, was die Zukunft bringen würde. Ob deutsche Soldaten in den Durststrecken von Süd- ivestafrika verschmachten mußten, weil ihnen die Zusuhrdahn nicht bewilligt wurde, ob uns Engländer und Franzot n wegen unserer Pfennignichserei verspotten würden, das alles rührte sie nicht. Sie blieben zu Hause, scheuten den kleinen Weg in das Wahllokal ihres Distrikts oder hatten geraoe zu tun, wichtig zu tun. Vielleicht einen Bries zu schreiben oder Skat zu spielen oder zu Mittag zu essen. Irgend so ein wichtiger Entschuldigungsgrund findet sich schon. Soll das wuch diesmal so bleiben? Tie Sozialdemokratie bringt den letzten Mann an die llrne. Das ist sicher. Sie hat sich be reits zu dem bedenklichsten Schritt entschlossen, den es mitten im Wahlkampfe überhaupt gibt. Sie hat ihren Kan didaten gewechselt. Der alte Herr Motteler, der wie Molt'e schweigen konnte, Kat Herrn Lange weichen müssen. Die So zialdemokratie wittert also die Gefahr, sie bangt mit vollem Recht um ihren Leipziger Sitz. Daher wird sie fanatisch um das Mandat kämpfen. Sie wird jeden ächten, der wzial- demokratischer Gesinnung verdächtig und nicht an die Urne zu bringen ist. Darf es in der bürgerlichen Welt ander» sein? Das Reichstagswahlrecht heißt nicht umsonst das höchste bürgerliche' Ehrenrecht. Ein Recht aber, das man ruhen läßt, har keinen Wert. Und wenn durch die Nicht benutzung gar dem Vaterlande Schaden zuaesüzt wird, so gereicht das dem Säumigen zur höchsten Unehre. Man kann schließlich politische Indifferenz noch ver stehen in einem Wahlkreise, wo jede Gegenwehr gegen so zialdemokratische Massen vergeblich bleibsn muß. Aber in Leipzig kann jede Stimme die Entscheidung bringen. 1903 standen den 16140 sozialdemochratischen Stimmen 14 725 nationalliberale und 3333 freisinnige gegenüber. Gibt eS an gesichts dieser Ziffern die Entschuldigung: „Auf meine Stimme kommt es nicht an. Ich kann zu Hause bleiven"? Gerade dieser Wahlkampf muß jedem einzelnen Wähler Has hohe, aber auch verpflichtende Bewußtsein großer Polin cyer Bedeutung und Verantwortung geben. Wer am 25. Januar noch atme» kann und nicht im Kommunismus fein politisches Ideal sieht, der hat die einfache Pflicht und Schuldigkeit, Junck zu wählen. Erst wenn das allgemeine Ueberzeugung ia Leipzig ist, ist uns der Sieg sicher. Unwillkommene Wohltaten. Wir Haden in dielen Wochen Veranlassung und Arbeit gcnug, den Internationalismus der Gesinnung zu de- kämpsen, uämlich da, wo er nicht hingehört: wenn dieselben Leute im Herero und Hottentotten nur den „Bruder" sehen, für die ihr Fabrikherr bloß der „Feind" ist, weil er sich die doppelte Schraube ohne Ende, Herabsetzung der Arbeitszeit und Hinaufsetzung deS Arbeitslohnes, nicht ohne weiteres gefallen losten will. Aber unser Christentum ist von jeher international ge wesen, und oaS wollen wir nicht anders haben. Es ist ein schöner Zug, daß dem Europäer unserer Tage daS Herz weich wird, wenn er von der entsetzlichen Hungersnot im freien China liest. Wir möchten dies» Gefühlsregungen nicht misten «ad halten gar nichts von jenen kalten Nörglern, die jede Sammlung für aaSländisch« Opfer großer Natur katastrophen bekriteln, so lange nicht dem letzten chronisch notleidenden Deutschen abgehoffen sei. Nein! Tie Be tätigung dieser internationalen Solidarität ist ein schöner Zug des modernen Völkerlebens und soll nicht bis zum Nimmermehrstage verschoben sein! Freilich ist cs wahr, daß so wenig, wie die private Wohl tätigkeit auch die öffentliche der großen Sammelaktionen ein reines Produkt des Mitleids oder der christlichen Gesinnung ist. Etwas „Geschäft" ist Wohl immer dabei. Wir reden an dieser Stelle nicht von den Motiven der Komiteevorsikenden, die bei ihrer „opferwilligen Arbeit" weniger an die schönen Augen der armen Chinesen denkew als an den gnädigen Blick des Fürsten beim nächstjährigen Ordensfeste. Auch hinter den wohltätigen Regungen der Nationen steckt viel „Geschäft": man benutzt die schöne Geleaenheit, um in einem fremden Volke eine wohligere Temperatur für die sammelnde „Schwesternation" zu erzeugen, deren Diplomatie ihre Auf gabe dadurch ein wenig erleichtert werden soll. Zuweilen Hilst s ia auch, zumal wenn ohnehin schon etwas Stimmung vorbanoen ist. Angenommen wurden solche Gaben früher in jedem Fall. Im Vorjahre brachte zuerst Theodor Roosevelt einen Riß in die trotz aller egoistischen Beimischungen nn Grunde doch schöne Sitte der internationalen Wohltäffgkeit. Er wies die fremden Gaben für San Francisco zurück: „Ame rika sei reich genug, sich selbst zu helfen". England scheint der stolze Banker für ein recht armeS Land zu halten. Wir haben schon vor einigen Tagen über die große Sammelaktion in New Bork für das schwer be troffene Jamaika berichtet. In keinem Falle paßte wohl so haarscharf der alte Vers: „und e bissele Falschheit is alleweil dabei". Die Motive der wohltätigen Bankers, die schleuniast Zebntausendc von Dollars erschlugen, wo das englische Mutterland bloß Tausende gezeichnet hatte, die nicht nur bis, sondern auch cito sandten, weil ihre geographische Lage eben ihnen ein eitius ermöglichte — deren Motive konnte ein blindes Pferd scben. Trotzdem hätte das stolze Albion schwerlich ein „wie du mir, so ich dir" gespielt. Ein Wetteifer im Stolze war ge rade bei dieser Gelegenheit zu gefährlich. Wenn den Jamai kanern ihr luvrurn c-s-,!,an8 unter die Nase gerieben würde, wären die Folgen schlimmer als die einer übergroßen Der- pslichinna zur Dankbarkeit, die in der Zeit nun einmal Mit dem Schwindsuchtsbazillus, aenannt „Vergessen", behaftet ist. Aber die amerikanische Wohltätiakeit kam diesesmal doch zu antdrinolich. Es wurden amerikanische Marinetruppen zur >r>ssesiiOn"a aetand-t. Man stelle sicb das Geschrei vor, inen- bei einer loschen Geleaenh'ff civina» Deutsche Truppen in Rio Grande do Sul onsarschifft würden, ans das unS Annerionsabsichten anzudichten die „gelbe" Presse der Union nick't müde wird! Der Gpnvrrneur von Jamaika bat sich der ungebetenen Gäste mit größter Schneidigkeit und desto oeringerer Höflich keit entledigt Damit ist die Sache wahrscheinlich abgemacht. Das amerikanische Geschwader kehrt zurück, wie einst das von den Lacedaemoniern zurückaewiesene athenische HiffS- korps Eimons. Freilich stimmt dieser Vergleich mit einer alten Geschichte bloß darin, daß beidemal-' ein Erdbeben die fremde Einmischung bearündet batte. Damals folgte der s^eleidiauna an» der Stelle der Kriee. diesesmak aewiß nicht. Aber eine Verstimmung kann zurückbleiben. Schon sind die Sammlunaen in New Bork eingestellt. Der peinliche Ein druck dieser Tatsache ans die Jamaikaner läßt sich nicht ver wischen durch das zweifellose Recht ihres brüsken Gouver neurs. In Geldsachen sind die Menschen nun einmal so empfindlich! Deutschland wird diese Wendung nicht beklaoen. Wir haben in den letzten Jahren io wenig Freundlichkeiten von Enaland ersglnrn, daß wir heucheln müßten, wollten wir versichern, daß wir den neuen Nist, w-liben die Freundschaft zwischen den beiden angelsächsischen Nationen erlitten Kat, aus tiefster Seele beklagen. * Eine spatere Depesche stellte in Abrede, daß ein Konflikt vornefommcn sei. Man wird abwarten müssen, wie weit dieses Dementi den Tatsachen entspricht. Von unserem Londoner Korrespondenten erhalten wir folgendes Tele gramm: Der Kingstoner Korrespondent »es ,New Bork Herold" meldet: Tie Amerikaner wurden -chlechl behandelt, die Eng länder bei der Hilfeleistung bevorzugt, amerikanische Aerzte gehindert. Die Anlageplätze der Hapag, der Eisenbahn usw. wurden durch Mannschaften des deutschen Dampfers „Prin zeß Victoria Luise" gerettet. Ein weiteres Telegramm meldet. Die amerikanische Flotte fuhr ab, nachdem sie eine längere Zeit gewartet hatte, ob der Gouverneur seine Hal tung ändern werde. Eine Deputation führender Bürger bat den Admiral DaviS um Entschuldigung wegen der Stellungnahme des Gouverneurs und bat ihn, in Kingston zu bleiben: aber der Admiral lel-me ab. Ter Gouverneur drohte, den leitenden Kaufmann Magnus zu verhaften, falls er nicht aus die Hilfe amerikanischer Matrosen bei den Auf räumungsarbeiten verzichte. Tie Londoner Morgenblätter beklagen ausnahmslos den Zwist zwischen dem Gouverneur Swertenham und dem Admiral Davis, zumal da alle Zeuuiigsberichterstalter die ausgezeichneten Dienste der ameritaniichen Seeleute lobend hervorhobcn. Obendrein war kein einziges britisches Kriegsschiff vor Kingston anwesend, und d,e verfügbare brunche Landmacht war klein. Nack Ansicht der englischen Blätter bat Swettenham, dessen Stellvertreter die Landung anierilaniicher Matrosen erlaubt zu haben scheint, eine große Taktlosigkeit und Steifheit au den Tag gelegt, wofür die Einwohner von Kingston büßen müssen, da Davis die von Roosevelt anbesohlenc Absendung von Schlachtfleisch für die Notleidenden von Kingston telegraphisch abbestcllt hat, was in King-ton große Entrüstung gegen Swettenham hervorrief. „Daily Erpreß" bösst, die britische Regierung werde in Washington für Swettenham Abbitte tun und ihn sofort abberiffen. Ter Cheikommandant der nordatlantischen Flotte, EvanS, teilte dem Marinebepartement mit. daß Konteradmi ral Tav,- gestern morgen mit den Schiffen „Missouri", »Indiana" und »Vaukto«" ia Gnaataaamo eiugetrofk«« ist. vttttburg iidrr koloniale krriebnng. Vortrag, gehalten i» München a« 21. Januar. Meine Herren, wir beginnen jetzt damit, womit wir vor zwei- undzwanzig JaKren hätten beginnen müßen, als wir zurrst Kolonien eiwaiben, nämlich, uns intensiv mit den Fragen national-ökonomischer und kultureller Natur zu beschäftigen, vir diese kolonialen Dinge in sich schließen. Wir habe» seit zwriundttvanzig Jahre» Kolonien, aber wir Haden bisher leine koloniale Politik gehabt. Jede Regierung, die eine Politik hat, muß wünschen und muß eS erreichen, daß dieses ihre Ziele enthaltende Pro gramm jedermann im Bolke verständlich sei. Seitdem ich mich mit kolonialen Dingen beschäftige, habe ick mir oit die Frage vorgelegt, wie kommt »S denn, daß man tn Deutickland gar so wenig von seinen Kolonien weiß, nicht weiß, wie unier kolonialer Besitz zustande gekommen ist, was er iür natürliche Hilfs quellen birgt, was »vir schon getan, ihn zu erschließen, waS er uns schon bietet. Und die Antwort ans diese Frage ist mir mit wachsender Deutlichkeit dahin gekommen, „es bat eS ja noch niemand ernsthaft versucht, alle diese Dinge in- klare zu stellen", und als ich mich weiter gefragt habe, wer muß den» das tun, wer muß denn diesen Versuch machen so habe ich mir später die Antwort gegeben: „TaS muß die Regierung tun, die für ihre Politik Verständnis sucht und ohne solches Verständnis ihr» Politik nicht durchführen kann." Wir müßen in die Erziehung zum kolonialen Verftiin-niS eintreten mit all dem Temperament und all den Erfahrungen, die wir besitzen. Die Nation vor hat zu lernen, daß Kolonisieren heißt: eine absolute Veränderung jener fremden Länder in all ihren Teilen von Grund ans, und daß zum Kolonisieren viel Zeit, viel Geduld, viel Zähigkeit gehört. Weiche Schwierigkeiten glkd eS in Preußen im Beginn der sechziger Fahre in der KoufliklSzeit, um Vern Volke klarzomachen, wir es mit den militärischen Notwendig keiten stand. Welche Kämpfe bat es getestet, Deutschland zu er ziehen zu der Idee, daß es keine Binnenmarkt sein kann, sondern dir Welthandel-Politik zu betreiben hat, wenn anders es leben will. Welche Schwierigkeiten hat es gegeben, in Deutsch land den Gedanken durchzudringen, daß Deutschland eine industrielle Ration ebensogut sein muß wie -ine ackerbautreibende, und ich habe schon im Reichstag davon erzählt, von einem berühmten süddeutzchen Bankdireltor, ter erklärt hat, mit Bergwerken wolle er nichts zu tun haben, was unter der Erde sei, tonne man nicht wijirn. Da ist kaum LO Jahre der. Heule fi'ichlct sich der deutsche Kapitalist nickt, Vcrgbau.Uniernehmnngen in die .Hand zu nehmen, von denen er weiß, dir erste Reute kommt nach zwölf, ja mehr Jahren. Wenn aber schon ein so einfaches uns bekanntes Problem wie ein Steinkohlenbergbau in großen Teufen selbst ohne alle Zwischenfälle zwölf Jahre in Anspruch nimmt, wie kann man sich wundern und wie darf man ungeduldig werden, wenn eine Kolonialpotitck, die Ländergebiete bearbeitet in der 2'/,'achen Größe unseres drutichen Vaterlandes, in zweiuadzwanzig Jabien noch veihältniemäßig nicht übergroße Spuren vieler Arbeit zeigt Das at!o ist das erste, was wir zu lernen haben, daß wir geduldig sein müssen und fleißig und zähe, datz die Früchte einer Kolonialpotitik langsam reifen, und daß es in unserer Kolouialpolitik auch Stunden geben muß, von denen wir sagen, „sie gefallen uns nicht mehr Glauben Sie nicht, daß wir darin allein sieden. Der delaante engliiche Staatsmann Benjamin Disraeli, der bekanntlich Premier zu der Zeit des Berliner Kongresses war, also ungefähr um dir Zeit, wo sich die ersten kolonialen Bestrebungen in Deutschland bcmcrtbar machten, hat zu jener Zeil crtwrt, die Kolonien seien ein Mühlstein am Halse des englischen Reiches. Meine Herren, wie sieht denn Vieles engliiche Kolonialreich aus, das der Mühlstein am Halse Englands sein sollte? Es ist sechzigmal so groß wie Teutsckland und hat eine Bevölkerung von jechsrnat unserer deutschen Einwohnerzahl. Dabei war England damals schon ein Kolonmlslaat. ter auf hundertjährige Erfahrungen zurück- blickte. Ja. wenn engliiche leitende Politiker solche Ansichten auS- iprachen, wie kann man eS da einem preußischen General und Reichskanzler übeinedmen, wenn er nicht viel später erklärte, es könne ter deutschen Nation wohl kaum etwas Schlimmeres begegnen, als wenn ihr ganz Asnka geschenkt werde. Ter Engländer hat sich lange bekehrt. Er hat seitdem industriell Aeghvten erobert und zum Teil Abessinien, er entwickelt seine mestasrikanischen Kolonien, er hat der Kapkolonie eine ungewöhnliche Entwicklung gegeben, er hat Naial besetzt, Len Oranje-Freistaat okkupiert, bas Trans vaal unterworfen, er hat große Ländergebiete im Norden unter sein Dominium gebracht, er bat in dem Sudan seine Flagge gehißt und da- Gebiet der halben Sahara unter englische Ober» Herrickast gestellt, er hat mit Zielbewutzsiein eine Bahn, die in ihrer Art das kühnste Unternehmen ist, die Bahn vom Kap nach Kairo, von der Sübspitze .'IsrikaS nach dem Mittelländischen Meer, in Bau genommen. Viele Milliarden hat das eng lische Nationalvermögen zugenonimen durch diese Politik. Aber England hat sich auch die Opfer nicht verdrießen lassen, um dieses Gebiet zu erwerben und zu pazifizieren. Seit dem Jahre 1895 hat England in Afrika sieben Kriege geführt und nach einer Statistik, die ich nicht habe nackpriffen können, l9ü Millionen Pfund Sterling, VaS sind über 4000 Millionen Mark, zirlbewußt, rücksichtslos und mit klarem politischen Verständnis auSgegrben. Unsere kblsutale Entwickelung > hat begonnen unter dem Fürsten Bismarck, einem nationalen Politiker unerreichten Stange-, aber einem Manne, dem die In teressen Ver Seefahrt und des Handels sernlagen und der kein besonderes Vertrauen hatte zu der Fähigkeit de» Deutsche«, sich dielen Dingen anzupasfeu, weder des deutkchen Bürger- «och de- deuiscken Beamten. Und er hat deshalb den Satz ausgestellt, daß es der Kaufmann sein muß, der die Kolonien entwickle, der mit seinem Getde sie beirockie, und er hat die Ärundloa« gelegt zu ,enen Monopolgesellichaiten. welche, wenn sie stark und mistig genog gewesen wären und ihrer Pflichten hinreichend eingedenk, wohl manches halten erreiche« können, die aber io, wie sie ge'chafsen waren, sich ivie eine Art Mehltau nickt nur über di« ihnen gehörenden Länder, sondern auch über da- deutsch« Rationatgrfühl zugunsten unierer Kolonien gelegt haben. Dieser Fehler ist denn auch bald emgesehen worden, aber wir kämpfen aegeu ibn heute noch. Lchließtich mußten die Hoheit-rechte der Gesrllsckasteu mit teure« Geld« abgelöft werden, die politische Gewalt mußte da- Reick an sich nehme» und mit dieser politische« Gewalt kamen auch all« dir politisch«» Aufgabe», und ans da- Reich fiel der Schutz der dentsche, Anlagen gegenüber einer wilde» Eingrboreotu-BevöU». rung nnd schlimmen Naturgewatten. Da- war dir zweit« Eni- tänichuug, uod au- dieser zweiten Enttäuschung wurde ge- bvror di, dritte, wie ich schon erwähnt hab«, »aß »le Dentsch, ch«
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