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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070209011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907020901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907020901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-09
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R.) * Die Interpellationen wegen des Unglücks auf der Reden grübe werden vorläufig im preußischen Abge ordnetenhaus noch nicht zur Verhandlung kommen, da die Regierung erst das Ergebnis der Untersuchung ab warten will. * Bischof Benzler gibt in einem Hirtenbrief bekannt, baß ein allgemeiner eucharistischer Kongreß vom b. bis fi August iu Metz abgehalten wird. * Ein Parteitag des bayerischen Zentrums findet am 4. und 5. März in München statt. * Gestern morgen verstarb in M 0 ckau bei Leipzig der frühere Hallenser Professor Dr. Kirchhoff. (S. Lpzg. Ang. und Letzte Lokalnachr.) * Da die parlamentarische Durchfechtung eines Handelsabkommens mit Deutschland im amerika nischen Kongresse noch nicht gesichert ist, soll interimistisch durch einen modus vivendi die gegenseitige Bor- zug-behaudlvng gesichert werden. (S. AuSl.) * Der bei der Neubesetzung der österreichischen General- stabSchefs-Stelle kürzlich übergangene Feldzeug- meisder Frhr. v. Pittreich hat letzt seinen Abschied genommen. (S. AuSl.) * Die Duma-Wahlen iu Petersburg ergaben einen großen Sieg der Kadetten. (S. AuSl.) vir lvablrn in vsvern. sBon unserem Münchner Korrespondenten.) Recht bescheiden, ja recht ungünstig nimmt sich, rein äußer lich betrachtet, die Bilanz Bayerns auS. Nicht von glänzen den Erfolgen, wie sie auch letzt wieder in Sachsen er- rungen und in der bayerischen Hauptstadt mit neidlosem Jubel ausgenommen wurden, können wir berichten. Zwei liberale Sitze sind im ganzen verloren gegangen, denen wir nur einen Gewinn entgegenstellen können, allerdings den -chwerwiegenden Sieg in München. Aber wenn wir das Resultat unter Berücksichtigung der Umstände, der allgemeinen und diesmal speziell hervor getretenen Verhältnisse und „bayerischer Eigenkümlichkeiten" prüfen, dann dürfen auch wir stolz unser Haupt erheben und uns unserer Arbeit freuen. Der liberale Block, der vielfach auf sich ganz allein angewiesen war, hat in Bayern gegen zwei mächtige Parteien, das internationale Zentrum und die vaterlandslose Sozialdemokratie zu kämpfen, die sich bei den Stichwahlen im ganze Lande verbündet hotten. Und die einzige Partei, auf deren Unterstützung die Liberalen über haupt rechnen konnten, die Bündler, erwiesen sich, wie voraus zusehen war, abgesehen von der Pfalz, wo es ihr eigener Vorteil dringend gebot, als nicht völlig zuverlässig. So durste, jo mußte man sich auf ein weit schlimmeres Resultat gefaßt machen, als es wirklich zu verzeichnen ist. Nicht nur für Dorchheim, auch für Erlangen-Fürth haben wir gezittert. Dort traten die Sozialdemokraten für das Zentrum, hier dieses, trotz des Schreibens des Bamberger Erzbischo's, für die roten Brüder ein und in beiden Bezirken folgte rin Teil der — protestantischen Biindler nicht der ausgegebenen Parole, sondern enthielt sich der Wahl oder stimmte sogar mr den Gegner. Wenn die Liberalen trotzdem gesiegt haben, so ist das ihren gewaltigen Anstrengungen zu verdanken. In der Pfalz gelang es, Dr. Roesicke in Kaiserslautern dank der einmütigen demokratischen Unterstützung durchzubringen, ebenso führte die Stichwahl in Landau zu glücklichem Ense. Aber auch in Germersheim und Zweibrücken, wo die Libe ralen den vereinten Gegnern unterlegen sind, ist eine Zu nahme um Tausende liberaler Stimmen zu konstatieren, selbst in Bayreuth enthielt sich ein Teil der Bündler, glück licherweise ohne Erfolg, der Wahl. Wie die Sozialdemokraten sen Kampf lediglich ab irato geführt haben, zeigt ihr Ver- dalten in AnSbach: dort führten sie zugunsten des Konser- nativen die Niederlage des Demokraten Professor Quidde herbei. Doch nun zum hellsten Stern am dunkeln Firmament Bayern», zu München. Aus eigener Kraft, das dürfen die Liberalen stolz sogen, wurde der Sieg in München I er rungen, der Wahlkreis den Sozialdemokraten entrissen. Tenn die Zentrumswähler folgten — wider Erwarten — zu überwiegendem Teile, ungefähr zu zwei Drittel, der Parole der Parteileitung und stimmten wacker für den Ver- treter der Partei des Umsturzes. Es läßt sich nicht an nehmen, daß mehr als 600 Zentrumsangehörige, freilich die Elite, darunter auch das Domkapitel und die gesamt« Geist lichkeit der Frauen- und der Theatinerhofkirche, ihre stimmen dem liberalen Kandidaten zugewendet haben. Und dennoch beträgt die Majorität 1400 Stimmen. Noch interessanter gestaltet sich die Stichwahl im Kreise München II mit seinen ländlichen Bezirken. Trotz der offiziell proklamierten Dcchlenthaltung — die Zentrums- Zähler verstanden offenbar, wie »1 -«»eint »ar —. fielen Sonnabend 9. Februar 1907. hier gegen 11000 ultramontane Stimmen auf Herrn v. Voll- mar, der, nebenbei bemerkt, durchaus nicht gefährlich er krankt ist, sondern sich nur einer leichten Operation unter ziehen mußte. So kam er auf über 50 000 Stimmen Was will aber diese mit ultramontancr Hilfe errungene hohe Ziffer bedeuten, wenn man dagegen hält, daß es der liberale Kandidat, der 190I wenig über 10 000 Stimmen erhielt, es gestern auf 30 000 brachte. Die Begeisterung, welche das Wahlresultat in München zeitigte, spottet aller Beschreibung. Man muß es miterlebt haben in den riesigen Sälen, in denen sich die Liberalen ver sammelt hatten und die bei weitem nicht ausreichten, auf den Straßen, in den Vierpalästen. Man muß von dem Ge bäude der „Münchner Neuesten Nachrichten" aus gesehen haben, wie bis 1 Uhr nachts im tiefen Schnee 5000 bis 6000 Menschen standen und immer aufs neue jubelten und Patriotische Lieder sangen. Ein alter Offizier hat mir mit zitternder Stimme gesagt, daß er sich seit den Julitagen des Jahres 1870 kaum mehr solcher Stunden erinnere. Die Gegner machen von dem Grundrechte deS Deutschen, zu schimpfen, den ausgiebigsten Gebrauch. Am inter- efsantesten aber ist die Behandlung, welche daS Zentrum den „fahnenflüchtigen Parteioffizieren" zuteil werden läßt. Vom Freiherrn v. Hertling sagte in der letzten Abendversamm- lung ein Redner, es müßte traurig um die Ehre der Partei bestellt sein, wenn ein einziger bayerischer Abgeordneter ihn im Reichstage als Präsidenten mitwählen würde. In denk- bar heftigster Weise wurden die beiden bayerischen Erz bischöfe angegriffen. Mit nicht zu überbietender Deutlich keit des Ausdrucks wurden sie Verräter genannt, wurde ihnen bedeutet, daß ihre Einmischung eine unbefugte Anmaßung sei, was übrigens dem Sinne nach auch Maueranschläge der Zentrumsleitung den gläubigen Katholiken zu Gemüte führten. Noch weit gröberes Geschütz fährt die ultramontane Presse gegen die Kirchenfürsten aus. Ja, „ein katholischer Geistlicher" zeiht, natürlich anonym, seinen Erzbischof der „groben Unwahrheit", wegen dessen Erklärung, er habe von der Wahlparole kein« Kenntnis gehabt. Bis zum Schlüsse der Wahlhandlung batte die Gesellschaft den Mut besessen, die Kundgebungen der Erzbischöfe als nicht existierend, als liberale Fälschungen zu bezeichnen. So behandelt das Zen trum, der „Hort der katholischen Kirche", seine Metropoliten. Kammerpräsident Dr. v.Orterer, dem Dienstag als Ovation eine studentische Katzenmusik gebracht wurde, ließ übrigens Mittwoch erklären, daß er sich gegen das Kompromiß mit aller Macht gewehrt habe, aber überstimmt worden sei: Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt. Noch in anderer Beziehung ist die Reichstagswahl für Bayern bedeutungsvoll geworden. Tie Auflösung kam vielen Liberalen in Rücksicht auf die Landtagswahlen ungelegen. Heute darf man sich auch gerade deshalb freuen. Tas illibe rale und internationale Gebaren der bayerischen Sozial demokratie hat erwiesen, daß jedes Zusammengehen der Liberalen mit ihr ausgeschlossen sein muß. Der Liberalis mus wird in Zukunst auf sich allein angewiesen sein. Wenn er in Einigkeit fortarbeitet nnd sich alle für ihn günstigen Umstände zunutze macht, wird er es nicht zu bereuen haben. gertsblene Stiele. Der „Bayrische Kurier" kam in seiner Dienstagnuinmer mit einer großen, für Zentrumskrcise berechneten Sensation. Er veröffentlicht, wie schon kurz gemeldet ist, einen ver traulichen Briefwechsel zwischen dem Leiter der Agitation des „Deutschen Flottenvereins", General Keim, und dem Fürsten Bülow, bzw. der Reichskanzlei und den leitenden Personen einzelner politischer Parteien, während der ver flossenen Wahlen. Die Originale selbst befinden sich noch im Gewahrsam des Präsidiums des Deutschen Flottenver eins. Für den ersten Augenblick erschien es unerklärlich, wie es möglich war, von jenen Schriftstücken, die stets sekret behandelt wurden und sich immer unter festem Verschluß befanden, Abschriften zu nehmen. Jetzt hat es sich heraus gestellt, daß sich nachts in dos Bureau des Präsidiums Per sonen einschlichen, die mit einem Nachschlüssel den betreffen den Schrank geöffnet und von den benannten vertraulichen Schriftstücken Abschrift genommen haben. Der Umstand, daß während der Wahlagitation auf dem Flottenverein oft bis in die Nacht hinein gearbeitet wurde, kam den Ver brechern sehr zustatten, da der Vorfall -war von den Por tiersleuten bemerkt wurde, diese aber annahmen, es handle sich noch um eilige Dienstverrichtungen. Der Diebstahl ist bereits der Staatsanwaltschaft angezeigt, und die Unter suchung wird die nötige Aufklärung geben. Eigentümlich ist cs nur, warum gerade der „Bayrische Kurier" der glückliche Empfänger dieser vertraulichen Korre spondenz geworden ist. Die Diebe, welche der Zentrums presse solch außerordentliche Schlepperdienste leisteten, hätten es doch wirklich viel einfacher und praktischer gehabt, wenn sie mit ihrer Wissenschaft den kurzen Weg von der Wilbelm- straße nach der Stralauerstraße zur „Germania" einschlugen und dort ihren „Fund" deponierten. Die Aufklärung ist bald gefunden. Der „Bayrische Kurier" ist nämlich das Zen trumsblatt gewesen, das im Sommer 1905, als die bekannte „Krisis im Flottenverein", die in der Presse verschieden- artig kommentiert wurde, triumphierend die Behauptung ausstellte: General Keim und General Menges seien nun endlich abgesägt, und das sei das Verdienst des Zentrums gewesen! Der Haß des Zentrums gegen den derzeitigen Leiter der Agitation im Flottenverein, General Keim, ist schon alten Datums, der sich später bei den Abgeordneten Gröber und Erzberger in starkem Maße ausprägte, so daß diese im Reichstage nach allen Regeln der klerikalen Kunst den Flottenverein beschimpfen konnten, ohne daß ihnen von amtlicher Seite oder von den nationalen Parteien gebüh rend entgegengetrcten wurde. Die Regierung mußte sich ja damals unter das kaudinische Joch des Zentrums ducken und auch die bürgerlichen Parteien vermieden es nach Möglich keit, mit den Klerikalen in Konflikt zu geraten. Und weshalb haßt das Zentrum den Flvttenverein? Sehr einfach. Unter seinen Mitgliedern befinden sich viele Tausende aufgeklärter Katholiken, die ganz und gar nicht auf dem politischen Stand punkte des Zentrums in Vaterlandsfragen stehen, sondern als eifrige Vaterlandsfreunde die Politik bintenansetzen und sich sagen: das Vaterland geht über die Partei. Der Flottenverein vertritt die auch von einem großen Teil der Nation geteilte Ansicht, daß ein rascherer Ausbau unserer Flotte, als ihn das Flottengesetz von 1900 vorsieht, im Inter esse unserer Machtstellung nach außenhin unbedingt nötig sei. Tas Zentrum betrachtet aber das Flottcngesetz mit als sein Kind. Das hat erst kürzlich wieder der Abgeordnete Erzberger in seiner, bei der „Germania" erschienenen Bro schüre über die Tätigkeit des Zentrums im Reichstage „lobend" hervorgehoben. Darum will das Zentrum nicht einsehen, daß dieses Flottengesetz nach den Beobachtungen, die wir im japanisch-russischen Kriege gemacht haben, ver altet ist, und leider hat eS noch bei der letzten Flottenvorlage, trotzdem diese Mißstände offen auf der Hand lagen, die Unterstützung des Reichsmarineamts gefunden, aus dem einfachen Grunde, weil auch sein Staatssekretär den Ein- flüsterun, en der Zentrumsleute unterlag, ja, sich vor der Macht der Klerikalen beugen mußte. Deshalb ist die Agi tation des Alottenvercins allen echten Zentrumsleuten ver haßt. Sie haben mit allen Mitteln versucht, den Verein zu diskreditieren, aber damit gerade das Gegenteil erreicht. Denn der Mitgliederbestand wuchs zusehends unter den da maligen klerikalen Beschimpfungen. Er beträgt jetzt über eine Million! Die Mitglieder des Deutschen Flottenvereins haben bei der verflossenen Wabl ihre ganze Kraft aufgeboten, um die Negierung in vaterländischer Mitarbeit zu unterstützen, da mit im kommenden Reichstage eine nationale Mehrheit her gestellt werde. Es war daher die Pflicht deS Leiters dieser Organisation lGeneral Keim), in dieser Richtung alles zu versuchen, um jenes Ziel, selbstverständlich mit ehrlichen Mitteln, zu erreichen. Der Schwindel, den Herr Erzberger in seiner bekannten Broschüre gegen die Regierung betrieb, mußte dem deutschen Volke aufgedeckt werden. Genau so war es auch Pflicht der Regierung, die Mithilfe eines großen patriotischen Vereins — der Flvttenverein ist übrigens der größte dieser Art in unserer Nation — mit Aufklärungen zu unterstützen. Tas Zentrum merkt augenscheinlich, welch große Bedeutung der Flottenverein in nationaler Beziehung hat: es gab deshalb schon wiederholt seinem Aerger in seiner Presse Ausdruck. Und der „Bayrische Kurier" ist offenbar hinsichtlich der gestohlenen Schriftstücke der Ansicht, daß der Zweck jenes Mittel heiligt. So ist er auch nicht davor zurück geschreckt, Briefe von ganz vertraulichem Charakter, die unrechtmäßig erworben wurden, zu verwenden, damit der Gegner niedergeschlagen werde. Dieses „ehrliche" Be ginnen, im Hasse geboren, dürfte aber nicht die beabsichtigte Wirkung ausüben. Es bleibt im übrigen abzuwarten, wie die Zentralleitung des Zentrums sich zu dieser Angelegen heit verhält. Schüttelt sie die niederen Machinationen des „Bayrischen Kurier" nicht deutlich ab, so bleiben diese an ihren Rockschössen hängen, und das ganze Treiben dürfte dann genügend gerichtet sein. Rurivätlige prerrrtimmen über «kie Wchrtagrvabl. Wir Deutschen dürfen stolz sein auf das gswalnge In teresse, mit dem das Ausland die Entwickelung unserer inne ren Politik verfolgt. ES ist nicht bloß ein egoistisches In teresse, welches von den inneren Vorgli.rgen eine Rückwir kung aus die Auslands-Politik befürchtet, eine Wendung im Sinne derjenigen Tendenz, welche man dort „Imperialis mus" zu nennen beliebt, uanche auch „nationalen Größen- wahn". Solche Beurteilungen machen sich natürlich auch gewaltig breit, und um so «reiter, je flacher der Urteiler selber in seiner Denkweise veranlagt ist. Erwähnenswerter sind diejenigen Versuche der Auslands preise, welche objektiv, wissenschaftlich sich um ein Verständnis der deutschen Entwickelung bemühen oder auch die Entwicke lung der deutschen Sozialdemokratie als ruhige, wenn auch nicht uninteressierte Beobachter verfolgen. Deutschland ist für Westeuropa ein Rätsel: unterscheidet sich doch seine Verfassung ebenso von dem demokratischen Konstitution«!!?. mus des Westens wie von der überwundenen Form der abso luten und zentralisierten Monarchie. So betrachtet man die deutsche Äaiseridee und ihre heutige Erscheinungsform mit dem forschenden Auge des Historikers, des Volks-Psycho logen. Eigenartig ist das weit verbreitete Mißverständnis der Kaiserrede in der Wahlnacht, als sei von dem äußeren Feind gesprochen worden. Bemerkenswert ist immerhin, daß Jaures und in England die „Daily News" solchem Ge rede entschieden «ntgegentreten. Von wirklich interessanten Preßstimmen lassen wir noch die nachstehenden folgen. Zunächst einige italieni'^e. Die radi kale „Vita" meint, des Kaisers Ansprache an das Volk sei zwar nicht ganz konstitutionell, aber bei der persönlichen Art, wie er den Herrscherberuf aufsasse, wenigstens erklär lich. Bedauerlich sei hingegen, daß der Kaiser in kriegeri- schen Bildern schwelgte. Der adikale Abgeordnete Colajanni, der bekannte Friedensapostel, bezeichnet den Ausgang der Wahlen als das Erwachen es Imperialismus, und zwar auch im Volke. — Im Vatikan verbirgt man nur mühsam den Aerger über das Zusammengehen der Klerikalen und So zialisten. — Die entschieden Liberalen hoffen, daß der Libe ralismus die neue Position mehr ausnützen werde, um eine Vereinigung der Klerikalen und Konservativen beyuss Ver schärfung der reaktionären inneren Politik zu verhüten, denn, so sagt die „Nuova Antologia", ein reaktio när regiertes Deutschland würde dem verbün deten italienischen Volke weniger sympo- thisch sein. — Der „M essaggero" widmet den deut schen Sozialdemokraten einen Leitartikel, der eine einzige Anklage bildet. Die Niederlage sei der Bankerott des Marxismus. Die Bebelianer zahlten nun bitter, weil 1V1. Jahrgang. sie die Wahrheit nicht eingesshen haben, daß die Tozialdemo kratie entweder sich erneuen oder untergehen müsse. Die sozialistische Presse Frankreichs geht jeder Untersuchung über den Niedergang der Sozialdemokratie aus dem Wege, obwohl man bei allen Unterhaltungen in der Kammer und in den Redaktionen seit zwei Wochen nach nichts anderem forschte, als nach den Ursachen dieses Niederganges. Nur die „Petite R6publique" konstatiert die von der deut'^>en Sozialdemokratie -gegangenen Fehler, insbesondere ihre Abmachungen mit dem Zentrum. Das Manöver, mit dem die Sozialisten das Mandat Blumenthals an die Kleri- kalen anslie'erten, könne das ivralische Ansehen der Sozial demokratie im Reichsland "nd die Sache der Demokratie nur geschwächt haben. Noch mehr geht natürlich die stammverwandte öster reichische Presse auf eine pragmatische Darstellung der deutschen Parteiendwickelung ein. Ihre Ausführungen sind darum auch am meisten unserer Beachtung und zum Teil Beherzigung würdigt. Sie haben unmittelbar praktischen Wert. Der historische, nicht konstruktive Charakter de? deutschen Verfassungslebens ist ihnen kein verschleiertes Bild von Sa'rs, steckt ihnen vielmehr selber im Blute. Die „Neue Freie Presse ' schreibt: Die Wahlen deS Jahres 1903 haben gezeigt, daß das System, mit klerikalen und ostelbischen Junkern zu regie ren, eine Verbitterung im deutschen Burgertum gewccki und dazu beigetvagen hat, den Sieg der Sozialbemokralen zu fördern. Es wär« der schwerste Fehler, wenn nun die frobcn Hoffnungen der Liberalen nicht erfüllt werden soll ten; die Enttäuschung, welche das freiheitliche Bürger tum erfassen würde, wenn seine berechtigten Ansprüche nicht erfüllt würden, könnte wieder zu einem Wahlausgan« führen wie im Jahre 1903. Eines ist freilich notwendig, wenn das liberale Bürgertum seinen Einfluß wirksam machen will: Es müssen alle Unterschiede von Fraktion und Frakdiönchen aushören. Die sozialdemokratische „Arbeiterzeitung" untersucht in einem übrigens maßvollen Artikel die Gründe des von ihrem Standpunkt aus reaktionären Wahlsieges und kommt zu folgendem Ergebnisse: Verdient das deutsche Volk wirklich keinen besseren Reichstag als den, in dem die Kopläne und Rittergutsbe sitzer den Ton angeben? Wenn diese Wahlen dem deutschen Bürgertum über den ungeheuren Betrug der Wahlkreis einteilung nicht die Augen öffnen, dann ist ihm wirklich nicht zu helfen. Worauf beruht denn die merkwürdige Tatsache, daß in Deutschland entweder die Arbeiter das liberale Bürgertum zerreiben müssen, oder daß-das Wir- gertum seine dürftigen nd für die Gesamtentwickelung unbeträchtlichen Erfolge nur erringen kann, wenn es die Partei der Arbeiter selbst mundtot macht? Doch aui nichts anderem, als daß durch die Einteilung der Wahl kreise für die zwei tragenden Klassen der modernen und staatlichen Entwickelung, für die städtische Bourgeoisie und für das industrielle Proletariat, der Spielraum zu eng ist daß sie verurteilt werden, um einen kleinen Teil der Man- date mit Ausbietung aller Kräfte Zu ringen, während saft die Mehrheit aller Mandate die gewisse Beute der Kleri kalen beider Konfessionen ist. Wir eignen uns den Tadel der Beteiligung des Liberalis- mus an dem antisozialdemokratischen Kartell nicht an, Halter aber die Verwerfung der jetzigen Wahlkreiseinteilung bis zu einem gewissen Grade für berechtigt. kirbalMn, eine Pflicht der gemeinden. Der Ruf nach künstlichen, passend gelegenen, zweckmäßig eingerichteten und wohlgepflegten Eisbahnen zum Nutzen der Menschheit und namentlich der Jugend erschallt immer lauter und allgemeiner^ Das Publikum, die Sportsleute, die Hygieniker, die Schul- und Regierungsbehörden, sie alle ver- einen sich zu diesem Ruf, -enn jene zopfigen Zeiten sind vorüber, in denen den Knaben das Eisläufen verboten war und den Mädchen als Verstoß «egen die guten Sitten an gerechnet wurde. Die Gemeinden werden ssch diesem Appell aus die Dauer nicht entziehen können. Wie sie die Pflicht haben, für die Gesundl-eit ibrer Einwohner in ai.derer Be ziehung zu sorgen, so müssen "e auch darauf Bedacht nehmen, künstliche Eis-laufplähe cinzurichtcn. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dem gesteigerten Eis laufbedürfnisse nur die künstliche Eisbahn gerecht werden kann. Dazu dienen üderschw"nmle Wiesen in unmittelbarer Nähe oder Bassins. Nur dann ist man imstande, durch sorg- fältiqe Pflege dem Wetlergotte ein Mehr abzirringen, als er auf den natürlichen Eisbahnen freiwillig gewährt. Es find verschiedene Forderungen, ' ie dabei ausgestellt werden müssen, und diese treffen in erster Linie die Entfernung. Das Abgelegensein des Platzes verringert den Besuch, wes halb er nahe gelegen und bequem zugänglich sein muß. Ferner soll er aber auch in der Nähe eines Wasserlaufes liegen, weil das den nötigen Wasserbezug erleichtert und verbilligt, und schließlich ist es wünschenswert, wenn ihn die Sonne nicht trifft, sondern eine schattige und windgejchützte Ver tiefung die Ausnützbarkeit verlängert. Dadurch erzielt man im Winter selbst mehr Eislaustage und am Tage mehr Eis- laufstunden, was der Besuchs- und Einnahmeziffer zugute kommt. Als das Ideal haben wir daher für einen künstlichen Eislausplatz eine tief gelegen« Wiese oder einen alten Wall graben mit undurchlässigem Boben anzusehen. Ist eine solche Möglichkeit nicht vorhanden, 'o wird man in die Notwendig keit versetzt, ein Bassin auszul>eben und herzurichten, was gewöhnlich umständlich und teuer ist. Die tiefe Lage einer künstlichen Eisbahn hat gleichzeitig noch einen anderen Vor teil, nämlich den, daß die Sportslustigen vor rauben Winken geschützt sind, ein Umstand, der viele Menschen, die um ihre Gesundheit Sorge tragen, bewegen wird, sich diesem ge sunden Vergnügen zu widmen, was sie sonst wohl unterlassen würden. Was die Technik bei der Anlegung von künstlichen Eis- laufplähen anbetrifft, so gibt in dieser Beziebuna das vor- -«gliche Werk von Holletschek, dem stellvertretenden Vor sitzenden des Deutschen EiSlaufverbondes, über: „Eisbabnen und EiÄvuwereine" sA. Hartlebens Verlag. Wien und Leip zig) in ausgezeichneter Weis« Auskunft. Der Boden soll un- durchlässig sein, und zwar ist der sog. „kalte Boden" zu schassen, damit die Eisbildung direkt gefördert wird. Min versiebt unter dieser Bezeichnung einen Steinboden, der die Wärme gut leitet, sich kalt nfüylr und dem Wasser Wärme entzieht. Daraus haben wir die Lehre zu ziehen, daß. wen» man auf dem EiSplatz« eine» Damm, «in« Dasserschlsußc.
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