Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070212016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907021201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907021201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-12
- Monat1907-02
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
.-^7 s für Letvzig und Boi ort«: In der H«apt- Eipediilon ob« deren Au»gabesi»ll«n ad- aebolt monatlich: Aueaabe^ (l mal tätlich) 70 Pf. «u«gad» 8 2 mal täglich) 80 Bf., bei Zuliellung in» L>au« 7Iu»,,ab« z SV Bt^ Autnab« 8 I Mark. Tuich uniere a«S- wLrliiirn TluSgadeslellen und burch die Bost bezogenl ino! tägl>chlinnrrdoibDtuIichland» inonaliich l Mail auSichl-BesirÜgedühreii. für Oeiierreich-Ungarn ü k 45 d vie>te>jädriich, bi» libria'n Lünder loui Zettiian»viei»lisle. Liek Kummer loll«l am 4 4» z»h? allen Babnköiea unb bei I II oen Heilung»«Brrkümeru » V AeLaltton «no vexpedtttou« IovanniSgasse 8. Lelevdo» Nr. 153. »tr. 22L Nr. N73. Berliner Aevattions-Bureau. Balin KW. 7, Tri in t!out« Frrdmand- Ltrabe l. Lelrpdon l. Nr. 9275. Moraen-AuSgabe 8. MMr Tageblatt Handelszeitung- Ämtsvlatt des Mates und des Nolizeiamles der Stadt Leipzig. An»eiaen«Prei- die -gespalten» PetUzeile iLr Besch»fts« ivserate au» Leipzig und Umgebung 8b Bf, Familien^ Wohnung»- u. StelUu-iluzetgeo, sowie Au- und BerkSuse 20 Pf, fiaaujiell« Anzeigen 30 Pf, für Inlerate von au»würt» 30 Pf- Reklamen 75 Pf, au-wärt» l Mark. Beilage» g»büdr 4 Mark p. Tausend »xki. Boftgebükr. Äeschäst-auzeigen an bevorzugter Stell« im Breis» erdöht Rabatt n»ch Tarik. FürInierate vom Ausland«besonderer Laris. Anzeigen-Aauadm«. A«gnftU»tzlaA 8, bei mmtlichen Kilialen u. allen Annoncen« Expeditionen d«4 In- und Ausland«». Für da» Ericherneu au »«mmmten Tage» u. Plötzen wird keine Baraatie überoomrueu. Haupt-Filiale Berlin. TarlDu acker.verzgl.BayrDofbmhhaudlg„ Lusowliratzr 10 iLelrpdon Vl, Nr. 48031 Kiltal-Srpetzttian: Dre»»e«,MarieustrL4. Nr. 4). Dienstag 12. Februar 1907. 1V1. Jahrgang. Var wichligtte vom rage. * HaS preußisch« Abgeordnetenhaus beschäftigte sich Hallern Mtt dem WanderarbeitSstatteugesetz (S. Dtschü. R.) * Der Reichskanzler empfing gestern mittag den gegenwärtig in Berlin weilenden bulgarischen Minister de» Äeußern Stauciow. * Die Generalversammlung des Bunde» der Landwirte fand gestern im ZukuS Busch zu Berlin statt. (S. d. des. Art.) * Der Landtag von Anbalt«Dessau wurde gestern in Zerbst eröffnet. (S. L-tzle Dep.) * Der Direktor der Breslauer Sternwarte teilt mit, daß sich seit Sonnabend ein sogenannte» magnetische» Gewitter durch Erdstöße in den Telegrapbenlinieu von den Azoren über Spanien nach Nord west deulsch- land bemerlbar macht. '(S. Neue» a. a. W.) * Der Belgier Nau», persischer Minister der Zölle und Posten, ist auf Ansuchen der ParlameatS-Oppositton seiue» Amte» enthoben. (S. AuSl.) * Prinz Loui» von Battenberg ist zum englischen Aeschwader-Ehef der Mittelmeer-Station auSersrhen. <L Lust.) Vie flsttenvrkelnt-stNäre. Die sensationelle Kunde von der wahlpolitischen Agita tion der Präsidialgelchäftsstelle des Deutschen Flottenver- eins. die der „Bayerische Kurier" durch Veröffentlichung des Briefwechsel» des Generals Keim und anderer Kem Prä sidium noheftehentier Personen verbreitete, ist leider geeignet, noch viel Staub auszuwirbeln und dem Verein den schwersten Schaden »uzusügen. Ueberraschen konnte sie allerdings ein- geweihtere Kreise kaum noch: denn mehr und mehr wurde der Verein auf diese seinen Satzungen völlig wider sprechende Bahn getrieben. Tie Propaganda des Vereins für die Vergrößerung und den schnelleren Ausbau unserer Kriegsflotte lag, wie be kannt, seit Jahren in den Händen des Generalmajors a. D. Keim, der sich in dieser ehrenamtlichen Stellung, die nichts weniger als angenehm ist, den Dank jedes Patrioten in reichem Maße verdient hat. Seine Arbeitskraft war un ermüdlich, die Spannkraft seines eminent regen Geistes schien mit dem Umfang der Arbeit eher zu- als abzunehmen, und echte Begeisterung für die von ihm vertretene große Sache ließen ihn selbst leine Gesundheit dem zu erstrebenden Ziele zum Opfer bringen. Dabei ist er eine echte Kampf- natur, die sich auf Angriff und Parade gleich gut versteht, weiß seinen Mitarbeiterstab vortrefflich zu kommandieren und scheint keine Nerven zu kennen. Durch manche schwie rige Lage hat seine Energie, sein unerschrockenes Vorgehen, sein zähes Festhalten an dem für richtig befundenen Stand punkt den Flottenverein siegreich geführt, mehr als einmal hat der See, das Zentrum, nach ihm als Opfer gerast, und er ist dem Toben noch immer triumphierend entgangen. Tenn das Recht war auf seiner Seite. Wenn er mit dem Zentrum einen scharfen Wafsengang machte, so geschah es aus besten Provozierung Ä>er in Verteidigung der Inter esten unserer Wehrmacht zur See. Jetzt scheint die Sache leider anders zu liegen, und he- slätigt sich die Echtheit der veröffentlichten Briefe, woran kaum noch zu zweifeln ist, so wird diesmal der See nicht umsonst nach seinem Opfer rasen. Herr General Keim wird sagen können: „Gott schütze mich vor meinen Freunden!" Diese „Freunde" des Flottenvereins sind eS gewesen, die die peinliche Situation herbeigesührt haben. Ganz allmäh lich haben einige von ihnen, die schon längst in einer extremen politischen Richtung eine nicht unbedeutende Rolle spielen, mehr und mehr an Einfluß bei dem stets nach Derbekrast Ausschau haltenden Präsidium gewonnen. Nun kam in dem Wahltaumel das Schlagwort „national", das ja völlig losgelöst von jeder Parieipolitik sein sollte, und die unüberlegte Handlung war fertig. Ob zunächst im allge meinen Wahltaumel oder ob mit vollem Bewußtsein: der ila- politische Verein beteiligte sich im Stillen aber in riesigem Maßstab« an Ker politischen Wahlkampagne, gestützt auf das parteipolitisch indifferente Wort: „national". Man wandte sich gegen eine bestimmte politische Partei, die geschwächt wer den sollte, und hatte sogar das Pech, mit einer unnationalen Partei gegen jene andere konspirieren zu wollen. Das Ende ist bekannt: die Sozialdemokratie ging mit schwerer Nieder lage aus Ker Wahl hervor, da» Zentrum triumphierte aus der ganzen Linie, und dem Flottenverein wird nun für da» un berechtigte Verlosten seine» satzungsgemäßen Standpunktes die Rechnung aufgemacht werden: daran kann kein noch io schöner Prozeß wegen schweren Diebstahls mehr etwas ändern. Es ist bedauerlich, daß ein Mann wie General Keim, der doch sonst über genügende Energie verfügt, e» nicht verstanden hat, Sinstüst, parteipolitischer Heißsporne von sich und dem großen Verein fern zu holten. Er wird, mag er auch in bester Absicht gehandelt haben und mögen ihm im Prinzip auch di« Sympathien vieler sicher sein, doch nicht umhin I können, Li« Konsequenzen zu ziehen, es sei denn, daß ihm ua« 1 zweideutig das Vertrauen des ganzen Vereins, auf das er duvD sein bisheriges aufopferndes Wirken ein volles Anrecht hat, ausgesprochen wird. Ob es hierzu aber der mächtige bayerisch« Flügel des Vereins kommen lassen wird? Bei der Haltung, die er bereits mehrmals eingenommen, ist dies mehr als fraglich. So scheint also der Deutsche Flottenverein, diesmal genossenschaften, 31 diverfe Genossenschaften. Tie genosten- tchaftliche Zentralkasse des Lundes vermittelt dielen Genossenschaften die zu ihrem Betriebe nöligen Kapitalien. Ter Umsatz der genossenschaftlichen Zentralkasse betrug im verflossenen Geschäftsjahre 171 Millionen Marl. Tie Organe des Bundes, das „Bundesblatt", das „Berliner Zentral« bundesblalt", die „Korrespondenz des Bundes der Land wirte", die Bibliothek und das Preßarchiv, sind ebenfalls in fortschreitender Entwickelung begriffen. nicht ganz ohne eigenes Verschulden, wieder vor einer schweren inneren Krisis zu stehen, auS der er kaum ohne irgendwelche Einbuße hervorgehcn wird. Sollte die e Ein buße äußerlich auch in nichts anderem als in dem Rücktritt des Generals Keim bestehen, so wäre sie schon schwer genug: denn ein« solche Kraft läßt sich auch nicht durch Tausende von Mitgliedern wettmachen. Auf jeden Fall aber hat das Zentrum jetzt, wonach «s schon so lange vergeblich bei dem verhaßten Verein ?Uisschau hielt: die Achillesferse, an der sie ihn treffen kann. Und das dankt der Verein in erster Linie dem geheimen Wirken einiger „politischer Freunde", die ihre po litischen Sonderdestrebungen höher stellten als die klaren Satzungen des Vereins. Es liegt im eigenen Interesse des Vereins, Maßnahmen zu treffen, daß derartige Einflüsse sich nicht wieder zur Geltung zu bringe» vermögen, sonst wird ihm im geeigneten Moment die Kraft fehlen, dem partei politischen Widerstand gegen wirkliche Flottenbedürfniste des Reiche» wirkungsvoll entgegenzutreten. * Neber die Art der Entwendung der Briefe schreibt Generalmajor Keim der „Köln. Ztg.": „Die unter Anzeichen schweren Diebstahls erfolgte Entwendung vertraulicher Akten stücke und Privatbriefe, welche der „Bayerische Kurier" ver- ösfentlicht hat, ist mit dem größten Raffinement ausqrführt worden. Das gleiche gilt von den umfangreichen und zeit raubenden Vorbereitungen hierzu. Nur ein politisch ge schulter Kopf konnte den Plan entwerfen und dessen Durch- führung leiten. Es sind nämlich nur solche Aktenstücke bezw. Briefe entwendet und abgeschricben worden, welche für be stimmte parteipolitische Zwecke verwendbar schienen, und zwar um Negierungsorgane, mich persönlich und den Flottenverein anzugreifen im Zusammenhang« mit den Neichstagswahlen. Ferner steht es außer Zweifel, daß man auch außerl-alb der Redaktion des „Bayerischen Kuriers" von dein Vorhandensein der gestohlenen Papiere Kenn!nis hatte, denn sowohl „Germania" wie „Fuldaer Zeitung" brachten bezügliche Andeutungen und vor allem Angaben, die nur jenen Papieren entnommen sein konnten, bereits ein ge Tage vor den Veröffentlichungen des „Bayerischen Kuriers." sation durch 72 Beamte und Redner in ganz Teutschlani 8718 Versammlungen abgebalten. ungerechnet die Versamm lunaen. die obne Inanspruchnahme der Z, Geschäftsstellen spontan im Lande veronlc_„. ES sind aber außerdem von den lokalen Organisationen die Belebung des Äundesoedankens vielfach durch Veranstal tung von Zusammenkünften, an denen die Frauen und Töchter der Mitglieder sich beteiligen konnten, erfolgt. Der Geschäftsbericht berührt dann die Landtagswahlen in den verschiedenen Bundesstaaten und schließt: Alles in allen^ kann konstatiert werden, daß auch in den Landtagen der Einfluß deS Bundes zunimmt und bei den Wahlen eine innigere Annäherung des städtischen Mittel« standeS und der Landwirte stattgesunden hat. „Gerade diese letzte Tatsache, die auch bei der Agitation nach der ReichStagsouslösung zutage trat, berechtigte für den Ausfall späterer Wahlen zum Reichstage und zu den Land tagen für den Bund zu den besten Hoffnungen, die durch den Ausfall der ReictzStagswatzlen vollauf bestätigt wurden." — Die der Verkaufsstelle des Bundes angehörigen kauf männischen Abteilungen haben im verflossenen Geschäfts jahre ohne Ausnahme mit gutem Erfolge aearbeitet. Im RevisionSverbond des Bunde» sink 347 Genossen- schasten vereinigt. Von diesen sind 55 Spar- und Dar- lebnskossen. 14 Molkereien. 22 Brennereien, 35 Zucht genossenschaften. 150 MilchverwertunpSgenollenschaften. 33 Lin- und Berkaufsgenossenschasten, 17 Viehverwertung»- Vie psraae »er lamldiinaier. Wie alljährlich im Februar, so hat auch gestern wieder die Parade des Bundes der Landwirte in dem von ländlichen Düften durchzogenen Riesenbau des Zirkus Busch inmitten der Reichshauptstadt stattgesunden. Tie vielen Tausende, die aus allen teilen des Reiches, vornehmlich aus dem nahen und ferneren Osten, aus Gutsbcsitzcrkreisen herbei geeilt waren, füllten den Zirkusraum und wie in icdem Jahr, so wurden auch gestern wieder die aus diese Menge klug berechneten Reden und Ansprachen mit dem nie Verlagenden Applaus der beifallsfreudigen Masten ausgenommen. Der Geschäftsbericht, den der Direktor deS Bundes, der jetzt wieder in den Reichstag gewählte Ab geordnete Dr. Diedrich Hahn, versaßt hatte, lag schon vor dem Beginn der Versammlung vor. Er besagt etwa: „Trotz dem der Ausschuß und die Generalversammlung im Februar 1906 eine 50prozentige Erhöhung der Mitglicderbeiträge be schlossen, ist der Mitgliederbestand von 270 000 auf 282 000 seit vorigem Jahre gestiegen. Die landwirtschaftliche Be völkerung kommt mit der Zeit immer mehr zu der lieber- zeugung, wie notwendig es für sie ist, eine mit genügenden Mitteln versehene, leistungsfähige politische Vertretung zu haben, die an den maßgebenden Stellen dafür besorgt ist. daß der internationale Großkapitalismus und Großhandel aus ihrer Haut nicht Riemen sli schneiden." Don nur Handwerkern und Gewerbetreibenden gehören dem Bund zirka 26 000 an, während zirka 23 000 landwirtschaftliche Mitglieder im Nebenberuf ein Handwerk oder ein Gewerbe betreiben. Das Verhältnis der Mit glieder zwischen den links und rechts der Elbe wohnenden hat sich nicht verschoben. Durch den Tod hat der Bund 1902 Mitglieder verloren. Zur Befestigung des Bundeslebens und der Ausbreitung des Bundes hat die Abteilung Organi- Deutschland jentrale oder der aßt worden sind. * Zur Beurteilung der Versammlung schreibt unser Ber liner Korrespondent: Der Bund der Landwirte ist in einer äußerst peinlichen Lage. E^ Hal nämlich keinen Agitaiions- stosf mehr. Seine kühnsten Wünsche sind erfüllt. DaS läßt sich heule nicht mehr verglichen, llnd trotz aller wilden GebävKen klang der Grundton der satten Befriedigung durch all« Reden. Also eS iehlle an Stoif, und die Folge war eine gewaltige Oede in den Reden der Zirkusoeriammlung deS Bundes. Gleich vier Redner hintereinander konstatierten die verblüffende Tatsache, daß das Teuische Reich nach den letzten Handelsverträgen immer noch nicht zu Grunde ge gangen sei. Und alle vier hielten dies für ein Spezialver- dienst des Bundes. Deutschland weiß jetzt wenigstens, wem eS seine Existenz zu verdanken Hot. Ta dem politischen Referenten wirklich keine übergroßen Anstrengungen in der Versammlung zugemutet wurden, sich vielmehr alles hübsch in von der „Deutschen Tageszeitung" vorgezeichntlem engen Rahmen dewcgte, kann dem immerhin interessanten Milieu einige Aufmerksamkeil gefäsenkt werden. Der weite Raum der Zirtushalle war voll bis oben hinauf. Doch herrichte nicht die sonst übliche fürchterliche Enge, auch nicht die schon beinahe Tradition gewordene erregte Stim mung. Charakteristisch war der Triumph des Zylinder» über Hut und Mütze. Bis hoch in Ken dritten Rang hinein reichte seine Herrschaft. Erst von dort an sah man weniger glanz volle Kopfbedeckung und sogar Männer ohne Pel»e. TaS von Herrn von Rheinoaben erfundene Damenabteil hatte sich diesmal erheblich in die Breite entwickelt und bot auch h.uer, trotz seiner Verfassunaswidrigkeil, dem Auge Erfrischung. Ob die Damen freilich auf ihre Rechnung gekommen sind, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Das richtet sich nach der individuellen Widerstandskraft, die sie der Nust.kal- literatur der „Deutschen Tageszeitung" entgegenzusetzen haben. Die Regisseure de» Bundes saßen aus dem Orchester podium, da» mit Fahnen in d n ReichSsarber. drapiert war. Von dort sprachen auch di« Redner, denen ali.-n nachaciagt werden muß, daß sie sich wohltuender Kürze und lauter Stimme befleißigten. Zuerst sprach natürlich der Vorsitzende Herrv.Wangen heim in Kl.-Spiegel. Er beqrüßte die geehrte Versammlung, konstatierte, daß das Reich 'U'-cy die Hande.sverträge noch nicht zu Grunde gegang.n sei und die Industrie ihren Auf schwung diesen Handelsverträgen, «rrxcr dem Bund« der Lanö- wirte zu danken habe, und forderte die Landwirte „als treue Lehnsherren des Kaisers" aus, Seine Majestät hochleben zu lasten. Tann kam, bedauerl-ch heiser wie immer, Herr Dr. Roesicke, mit dem schmückenden Zusatz: Goersdori, der an dere Bundesoorntzende, und state das, was Herr o. Wangen heim gesagt hatte, noch einmrl. Diesem des größeren Ein drucks wegen lehr empfehlenswerten Verehren huldigte auch der Direktor des Bundes Tr. Diedrich Hahn, das mir Roesicke srischgewähite Mitglied des Reichstages, dem er gut bekommen möge. Ueberhaupt erst anhörbar wurde das Wettreden, als Herr v. Oldenburg- Januschau das erste der „lachlichen Referate" über Heimalspotitik und Kolonlalpolitik zu halten — ablehnte. Herr v. Oldenburg und ein »achliches Referat! Tas gibt s ja gar nicht. Im Bewußtsein dieser Stitwidrig- keit war Herr v. Oldenburg klug genug, von vornherein auf Sachlichkeit zu verzichten. Dafür machte er einige seiner beliebten Witze, die das nach Motion hungrige Auditorium mit größter Dankbarkeit aufnahm. Zunächst kam die em wenig boshafte Bemerkung, er habe gedacht, auf den kolonial politischen Teil seiner Rede verzichten zu können, da man doch wohl habe erwarten dürfen, Se. Exzellenz, der Herr stellvertretende Kolonialdirektor Dernburg werde vor dem Bunde reden. Dann verkündete Herr v. Oldenburg eine Entdeckung. Er hat nämlich jetzt die letzte und wichtigste Ursache der sozialdemokratischen Wahlniederlage gefunden. Die Sozialdemokraten sind infolge der Fleischlcuerung unter legen: „Tas teure Schwein Hal sie erschlagen" iStürmiicher Judel.j Und was hatte dos Schwein so in Zorn gebracht'? „Weil aus der sozialdemokratischen Politik kein Schwein mehr klug wurde." (Tosender Beifall.) Muse, verhülle bein Haupt. Sagte nicht Mephisto zum Schüler? „Ter Geist der Politik ist leicht zu fassen." Indessen ist hier kein Platz, um solchen kulturell interessanten Beobachtungen nachzugehen, denn es bleibt noch zu erzählen von dem red nerischen Clou der Versammlung, von den Taten Dr. Oertels. Ach, wo sind die schönen Tage, da das Leuchten der historischen weißen Weste genügte, um den „nicht enden wollenden" Jubel der Masten zu entfesselns Vorbei. Zwar klatschte man noch. Aber schwächlich. Und auch der sonst Io muntere agrarische Paraderedner war matt und schwach. Er sprach über die endgültige Regelung der deutschen Handels beziehungen zum Auslande, in der Hauptsache also über unser handelspolitisches Verhältnis zu den Vereinigte» Staaten. Jede „weitere Abschwächung des deutschen Zoll tarifs" soll verpönt sein, wobei auf daS humoristische „weitere" besonders aufmerksam zu machen wäre- Na, and d,e Ausbeute an Oertelschen Witzen? Ach, es ist wirk! ch diesmal nicht viel zu berichten. Daß das „Mägdlein Land wirtschaft" wacker geschrien habe, als ihm dünner Kamillen- teeausauß vorgesetzt worden, und daß cs sofort Bülow liebe volle Blicke zugeworfen habe, als es mit der nahrhaften Milch der neuen Handelsverträge versorgt worden sei. Und schließlich noch einige nicht unberechtigte Spitzen wegen deS Berliner Amerikanismus, für den die Bankers sich revanchierten, indem sie salopp auf die Hofbälle kämen. Voilä tout. Doch holt. Eine Evisode soll noch schnell gerettet werde». Dr. Hahn führte den Ausfall der Wahlen aus die winterliche Jahreszeit zurück. Der Bauer Hobe Zeit gehabt zum Wählen. Dies die Hahnlche Schätzung der politischen Opfer- sähigkeit de» deutschen Landwirts. Blamiert sich scbließ'ich nicht doch jeder, so gut er kann? Und schließlich muh auch noch erwähnt werden, daß man stark aus eine Agrarisierung der Nationalliberalen zu rechnen scheint und jede parla mentarische Regierung strikt gtzlrhnt. Die Folgen der Stär kung der Rechten im Reichstage kündiaen sich allo schon an. Der Liberalismus wird die Augen offen zu halten haben. Das wäre die Galavorstellung deS Bundes der Land wirte im Zirkus Busch 1907. Hoffentlich war die cutsver- kaufte Vorstellung Buschs am Abend amüsanter. Albeilerrchast una Zorislirmur in knglanO. Es ist ein eigentümliches Zusammentreffen, daß an dem selben Tage, wo die deutsche Sozialdemokratie in der Hauvt- wahl zum neuen Reichstage eine unerwartet schwere Nieder lage erlitt, der in Belfast tagende siebente Jahreskonzreß der englischen Arbeiterpartei mit 835 gegen 98 Stimmen einen Antrag ablehnte, der das sozialistische Endziel irr das Programm ausgenommen wissen wollte. Es sollte nach dem Anträge grundsätzlich dafür eingetreten werden, „dem Arbeiter den vollen Ertrag seiner Ar beit zu sichern durch eine Umwälzung deS ge»en- wärtigen kapitalistischen Konkurrenzsystems und eine Uebersührung der Produktionsmittel in das Eigentum und unter die Kontrolle der Gesellschaft". Der ablehnende Be schluß gewinnt dadurch an Bedeutung, daß er »m Namen jener radikalen Elemente in der englilchen Arbeiterschaft ge faßt wurde, deren Vertreter im Unterhaus« uuter Führung Äkir Hardies eine von den Konservativen und Liberalen in gleicher Weise unabhängige Oppositionspartei gegründet haben. Er hat nichts zu tun mit den ebenso zahlreichen Ver tretern der Trabe Unions, die als Liberale auf den Regie- rungSbänken sitzen, voy denen vielfach angenommen wird, daß sie schlechtere Förderer des Fortschritts seien, als die Unab- hängigen. Ter Beweis ist nun jedenfalls erbracht, daß in der englischen Arbeiterbewegung auch heute noch keine sozia listische Tendenz vorhanden ist, daß alle Versuche, dem So zialismus in England Boden zu erobern, wie sie besonders in neuerer Zeit häufig gemacht wurden, im ganzen völlig fruchtlos blieben. Der Ursprung der englischen Arbeiterpartei ist auf die Depression der 80er Jahre zurückzuführea, als die großen Streiks zu Ende lenes Jahrzehnts zum ersten Male wieder das Interesse des englischen Arbeiters für die Politik weckten. Es kam zur Gründung der „Neuen" Trade Unions, die von vornherein eine schärfere Tonart anschlnaen als die alten, und über diese Brücke 1893 zur Schaffung der „unabhängigen Arbeiterpartei", der I. L. P. (Jndependant Labour Party» unter Leitung der New Unionsme» Keir Hardie, John Burns, Mann. Die Tendenz des I. L. P. schilderte Keir Hardie selbst mit folgenden Worten: „Von Anfang an versuchte diese Partei in engster Verbin dung mit den Gewerkschaften zu arbeiten. Statt die Ge- Werkschafts-, die Genossenschafts- und die Temper:nz- bewegung herabzufetzen und zu verspotten, nahm sie ihnen gegenüber eine sympathische Stellung ein, wies aber dabei gleichzeitig auf ihre Unzulängl'chkeit als Methode zur Lösung der sozialen Frage hin. Ferner hat die I. L. P„ wenngleich sie niemals ihre sozialistischen Endziele verkeim- licht hat, doch stets anerkannt, daß eine Arbeiterpartei, auch wenn sie nicht rückhaltlos sozialistisch ist, wenn sie nur im Gegensatz zu den bestehenden politischen Parteien gebildet wird, schließlich dahin führen muß, ..die Arbeiterbewegung in England in eine Linie mit der Bewegung auf dem Kon tinent zu bringen." Keir Hardie kokettiert in diesen Worten sehr stark mit der kontinentalen Auffassung von dem Pro blem der internationalen Arbeiterbewegung, also mit der reinen Lehre des Sozialismus, und er läßt durchblicken, daß sein Streben auf eine Umwandlung der englischen Gewerk schaftsbewegung in eine sozialistische Arbeiterbewegung hin ausgeht. Scheinbar mit Recht konnte sich daher auch Pro fessor Sombart für seine ost angefochtene Behauptung, oaß den nationalen Arbeiterschaften eine „Tendenz zur Einhe.t", zur Internationalisierung der ganzen proletarischen Be- wegung in den modernen Kulturländern innewoynt, aus ihn stützen. Versicherte doch noch im Juni 1905 Keir Hardie in einem Artikel, den die „Sozialistischen Monatshefte ver öffentlichten, den „deutschen Genossen" geradeaus, „daß wenn auch die Umstände in England einen Unterschied in der zu verfolgenden Taktik und auch in der Terminologie, in der wir unsere sozialistischen Prinzipien darlegen, be dingen mögen, unser Sozialismus doch ebenso vollwertig und unsere politische Bewegung ebenso entschlossen ist wie die ihre. Unser Ziel ist eins mit dem ihrigen: nämlich di« Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft, und wir ver einigen uns mit ihnen in den Ruf: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch." In der Tat hat sich Keir Hardie auch ordentliche Mühe gegeben, die Mitglieder der Arbeiter- Partei, Vertreter der mächtigen Trade UnionS und ihrer Reichtümer, zu eingeschworenen Freunden und Anhängern seiner sozialistischen Ideen zu machen, so daß noch vor einigen Monaten im liberalen. Lager die Befürchtung um sich greisen konnte, daß der Liberalismus mit der Zeit vom Sozialismus ausgesogen werden möchte. Auch die „Times" glaubte, „einem sozialistischen Siegeszuge entsprechend der testländischen Entwicklung entgegensetzen" zu müssen. Im Oktober 1906 kielten zwei Mitglieder des Kabinett», Lloyd George und Asouith, öffentliche Reden gegen die Keir Hardiesche Propaganda für den Sozialismus. Es sind erst wenige Wochen her, daß Keir Hardie in Darwen kühnlich erklärte: „Privater Grundbesitz und privater Kapitalismus, diese beiden Feinde alles nationalen GedeibenS, aller Größe, müssen vernichtet werden. DaS ist die Botschaft der Ar beiterpartei." Dieser selb« Keir Hardie bat ober auf dem gegenwärtigen Kongreß davon abperaten, eine solche „Bot schaft" dem Programm der I. L. P. einzuverleiben: er sprach ausdrücklich gegen den erwäbnten, damit im Einklang siebenden Antrag. Der Grund kierfiir ist, daß di« in Bel- fast weilenden Vertreter der Arbeiterpartei ihm, hätte er sie anders beraten, -u verstehen gegeben haben würden, daß er mit seinen Utopien als Privatmann, aber nicht als Führer der I. L. P. hausieren gehen dürfe. Er unL seine engeren sozialistischen Freunde baben eben mit ihrer Propa ganda für den Sozialismus so gut wie gar keinen Erfolg ge habt: die I. L. P. will nach wie vor sein und bleiben „n kurlinmüvtacx ladaur !t» OMN »elüp» »nck polia.v". Nichts weiter. Den paar Sozialisten ge währt man Gastrecht: die eigentlichen Trade Unionist» aber denken nicht daran, ihre reichen Mittel für die Ver breitung utopischer Ideen und Völkerverbrüderungsschwär mereien zu opfern. Uetzer den Tag von Belfast sagt die „Mor- ning Post" mit berechtigter Genugtunna: „Durch eine überwältigende Mehrheit hat die unabhängige Arbeiter- vartei dieses Londes obgeletznt, sich mit den ausgesprochen sozialistischen Arbeiterbewegungen in Deutschland und in anderen Ländern iu eine Lime zu stellen." tvi« vor
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite