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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070216016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907021601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907021601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-16
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BezuqS-PreiS ftr Leipzig n»d Bororte: I« der Ha«pd> Erpeditio» »der deren Ausgabestellen ab- aehoU« »natllch: Au-gabe^ (1 mal tigltch) 70sißf., Ausgabe 8 lS mal täglich) 80 Pf» bei Austeilung in» Hau» Ausgabe 180 Pf., Ausgabe 8 1 Mark. Durch unser« an»- wLrtigru Ausgabestellen und durch die Post bezogen (l mal täglich)1nnrrhalb Deutschland» monatlich! Mark auSschl. Bestellgebühren, für Oesterrebh-Ungarn bL 4Üd vierteljährlich, die übrigen Länder laut AeitungSprriSliste. Dies« Nummer kostet auf äb «II allen BahnhSfe» und bet III Vdl d«n AeitungS-Verkämen» i Nedsttion und Erpedttto»; JohanniSgasse 8. Telephon Nr. 153, «r. 222. Nr. 1173. Verltuer RedaMonS-vureuu: Berlin 7, Prinz LoutS Ferdinaad- Etratz« 1. Telephon l, Nr. 9278. Morgen-Ausgabe 8. UchMtr. TaMM Handelszeitung. Ämtsvlatt des Nates und des Notizeiarntes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die Sgespaltene Petttzeile für Geschäfts inserate an» Leipzig und Umgebung 25 Hs, Familien-. Wohnung»- u. 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Februar, der Reichskanzler Äer die Stellungnahne der Regierung in der Wahlagitation interpelliert werden. Fürst Bülow wird die Interpellation selbst beantworten. * Der frühere preußische Handelsminister Bitfeld ist in Freiberg i. B. gestorben. sS. Dtsch. R.) "JndergestrigenKammersitzunggab Minister n.Weiszäcker eingehend Auskunft über die Stellung der württembergischen Regierung zur Be- rrtebsmittelsemeinschaft der Eisenbahnen. . * Im preußische» Abacordnetenhause kün dete Justizminister Baseler ein neues Besoldungs gesetz für die Landrichter, Amtsrichter und Staatsanwälte cm (E. Dtsch. R.) * Dem früheren Oberst Gaedk« wurde gestern die Ka binettsorder zugestellt, durch die ihm die Führung des Titels Oberst a. D. untersagt wird. (S. Dtsch. R-s ' Die zweite Lesung derDickinsanbill über die Ein- fährung des Frauen st immrechts findet am 8. März statt. * In Lodz wurde der Fabrikdirektor Alvis Groß von Arbeitern erschossen. lS. Ausl.) Ssllirche farteiverdästnitte. lVon unserem badischen Mitarbeiter.) Baden ist das einzige der großen deutschen Länder, an dessen politischer Konstellation die vergangenen Reichstags wahlen beinahe nichts geändert haben. Auch die einzige Veränderung: der Ersatz des einen Nationalliberalen durch einen Konservativen im 13. Wahlkreis Bretten-Sinsheim, hat ihren Grund nicht in einer Verschiebung der Partei stärken im Wahlkreis, sondern ist nur dadurch ermöglicht worden, daß die Ultramontanen, ähnlich wie in Heilbronn, von vornherein geschlossen für den konservativen Kandidaten gestimmt haben. Im übrigen sind, neben den anderen beiden wiedergewählten Liberalen, auch die acht Ultramontanen und die drei Sozialdemokraten in ihren alten Wahlkreisen wiedergewählt worden. Auch darin, ob die einzelnen Kandi daten gleich bei der Hauptwahl oder erst in der Stichwahl mrchgingen, zeigt 1907 fast das ganz gleiche Bild, wie 1903. Nur Mannheim ist 1907 gleich der Sozialdemokratie zuge- lallen, während es 1903 noch einer Stichwahl bedurft hatte. Zechst Freiburg, das die Liberalen diesmal zu gewinnen ge- hofft hatten, mußten sie, wie vor drei Jahren auch, dem hier von der Sozialdemokratie unterstützten Zentrum in der Stichwahl lasten. Dem entspricht es auch, daß jede der drei großen Parteien, vereinigte Liberale, Zen trum, Sozialdemokraten, sich ziemlich gleichmäßig in den Stimmenzuwachs teilen. Es kommen auf jede Partei etwa 20 000 Stimmen Zuwachs, so daß prozentual das Zentrum am schlechtesten und die Sozialdemokratie am besten ab schneidet. Dieses Resultat entspricht in bezug auf das Zentrum den allgemeinen Erfahrungen im Reiche; der Zentrumsturm hat 'ich ja leider noch überall als uneinnehmbar erwiesen; und Baden ist ein zu mehr als drei Fünfteln katholisches Land. Um so auffallender ist, daß Baden das einzige Land ist, in dem auch die Sozialdemokratie bei den diesmaligen Wahlen keinen Schaden genommen hat. Es fehlt denn auch nicht an Stimmen, welche diese auffallende Erscheinung den Libe ralen als Schuld zuschieben, und sie namentlich auf das gegen Konservative und Zentrum gerichtete Stichwahlbünd nis mit der Sozialdemokratie bei den letzten Landlagswahlen zurückführen wollen. ES mag auch ohne weiteres zugegeben werden, daß dies Stichwahlbündnis die Sozialdemokratie ,,'alonfähiger" gemacht hat. Aber es darf ebensowenig über sehen werden, daß durch den gemeinsamen Kampf gegen das Zentrum sich auch die badische Sozialdemokratie mit den Liberalen in den gemeinsam zu erfüllenden positiven politischen Aufgaben im Landtag zusammengefunden hat. Ueberhaupt nimmt die badische Sozialdemokratie, so viel im einzelnen auch an ihr natürlich noch auszusetzen ist, doch seit geraumer Zeit den gemäßigten Flügel in der Sozialdemokratie ein. Tie hat sich stets in bewußten Gegensatz zu den durch Mehring und die .Leipziger Volkszeitung" vertretenen radi kalen Anschauungen gestellt. Ihr führendes Organ, der in Karlsruhe erscheinende „Volksfreund", hat denn auch nicht nur von vornherein die wahnwitzige, gegen die bürgerlichen Demokraten gerichtete Stichwahltaktik der elsässischen, württembergischen und -um Teil auch bayerischen Sozial demokraten auf daS schärfste verurteilt, sondern hat in einem ichr verständigen Leitartikel nach den Wahlen der Parte, Einkehr und positive Gegenwartsarbeit gepredigt: „Unsere Endziel« in alle» Ehre»; aber die Gegenwart darf darüber nicht vergessen werden." Wenn einem daher nicht nur am Niederreiten der Partei, sondern an ihrer Fortentwickelung zu einem national brauch baren Glied« im deutschen Parteileben gelegen ist, so ist eS noch nicht daS ungünstigste Zeichen, daß gerade die badische Tozioldemokratie nicht in die allgemeine Parteiniederlage mit hineingezogen worden ist. Dazu scheint nun allerdings nicht zu stimmen, daß die badische Sozialdemokratie die bei den Landtagswahlen ge leistete Stichwahlhilf« den Liberalen bei der ReichstagSwahI "«sagt hat. Von liberaler Seite ist diese Hilfe wohl auch erwartet worden. Will mau aber gerecht fein, so muß man anerkennen, daß durch eine Stichwahlparole für die Natio-I nalliberalen und gegen das Zentrum die badische Sozial-1 demokratie sich direkt gegen die -entrumsfreundliche Parole > des Parteivorstandes aufgelehnt hätte. Das aber war um so weniger zu erwarten, als die Nationalliberalen der Sozial- »emokratie nirgends ein Aequivalent hätten bieten können; >enn Zentrum und Sozialdemokratie haben in Baden nir gends gegeneinander in Stichwahl gestanden. Der Sozialdemokratie ist diese politisch so widersinnige Stellungnahme dazu noch erleichtert worden durch das auch auf die Reichstagswahlen ausgedehnte Blockabkommen der verschiedenen liberalen Gruppen, welches ausschließlich Alt liberale in die Stichwahlen mit dem Zentrum gebracht hat. Dieses Blockabkommen zwischen Nationalliberalen, Jung liberalen, Demokraten, Nationalsozialen und Freisinnigen ist geschlossen worden auf Grund des einstigen Besitzstandes sieser liberalen Gruppen, wobei dann den Nationalliberalen natürlich der Löwenanteil zugefallen ist. So sehr es daher als eine erste Einigung des Liberalismus in Baden zu be grüßen war, so hat es doch den Wandlungen und Ver- chiebungen, die innerhalb des Liberalismus sich mittlerweile von rechts nach links vollzogen haben, nicht genügend Rech nung getragen. So waren es neben elf nationalliberalen Kandidaten nur je ein jungliberaler, demokratischer und freisinniger Kandidat; eine weitere, übrigens ganz erfolg lose, freisinnige Kandidatur war neben der dortigen erfolg reichen nationalliberalen Kandidatur entgegen dem Block abkommen im Wahlkreise selbst proklamiert worden. Diese mehr technische, als innerliche Zusammenfassung der libe ralen Gruppen hat jedenfalls die Stoßkraft des Liberalis mus in manchen Wahlkreisen geschwächt, und der Sozial demokratie leider nicht so viele Mitläufer entzogen, wie das z. B. bei den entschieden freiheitlichen Kandidaturen der BolkSpartei im benachbarten Württemberg der Fall gewesen ist. Man würde aber fehlgehen, wenn man aus der Erfolg losigkeit des Liberalismus bei den Reichstagswahlen den Schluß auf einen Stillstand der liberalen Bewegung in Baden ziehen wollte. Die liberale Bewegung ist vielmehr jetzt lebendiger als seit langer Zeit; nur ist sie augenblicklich noch in einem Klärungsprozeß begriffen. Die badischen Liberalen sind unter jungliberaler Einwirkung daran, sich auf ihre historische süddeutsch-liberale Aufgabe zu besinnen und sich dazu von den vom Norden ihm zugetragenen konser vativen Anwandlungen zu befreien. Die Demokratie aber, die bisher schon, im Unterschied von dem an sich bcde ttungS- losen süddeutschen Freisinn, die sozial zuverlässigste bürger liche Partei gewesen ist, ist im letzten halben Jahrzehnt auch zu den nationalen Anforderungen in ein immer positiveres Verhältnis getreten. Hier ist, wie sie selbst zugesteht, Nau mann vor allem der Erzieher der süddeutschen Demokratie geworden. Um so mehr dieser Entwickelungsprozeß fort schreitet — und es wird das bei intensiver Politischer Auf klärungsarbeit geschehen —, um so bälder wird an Stelle des Notbehelfs der äußerlichen Blockeinigung eine wirklich inner liche Einigung des Liberalismus zu einer einzigen liberalen Volkspartei treten können. Tann wird auch der badische Liberalismus wieder stärker und erfolgreicher hervortreten, als bei den verflossenen Reichstags»cchlcn. stursizcher Oerkedr-elrnü. Die Zeit der Aussaat ist nahe, der Winter neigt bald seinem Ende zu. Doch der russische Landmann lebt heute in ständiger Furcht vor der allernächsten Zukunft. Er fürchtet, daß das Saatgetreide im Reiche nicht rechtzeitig zugestellt werden wird. Und das würde für das nächste Jahr die Hungersnot bedeuten, denn wer nicht säet, kann auch nicht ernten. Nie, seit Jahren nicht, war dieses Bangen des Bauern berechtigter als dieses Mal, da Rußland sich einem Zustande der Wegelosigkeit nähert. Allerdings gehören die Fracht stockungen auf den Eisenbahnen seit langer Zeit schon zu etwas Alltäglichem; die Landwirtschaft und der Getreide handel waren stets noch die Leidtragenden. Von Anbeginn jeder Getreidekampagne häufen sich auf allen Stationen un geheure Mengen Getreide und andere Früchte, die unter freiem Himmel lagern und oft genug dem Verderben preis gegeben sind. Erst nach Monaten kann der Knäuel der Frachtstockungen entwirrt werden, um sich dann wieder von neuem zu bilden. Unsähigc Eisenbahnsatrapcn haben diese elende Mißwirt schaft verschuldet, die nunmehr unfraglich ihren Höhepunkt erreicht hat. Auch die Regierung scheint diesem Uebel steuern oder es wenigstens lindern zu wollen. Darum der neuerliche Beschluß einer Emission von 70 Millionen vierprozcntiger Rente, die im wesentlichen diesen Zwecken dienen soll. Aber es wird mit diesem Gelde gehen wie immer noch mit all den anderen Millionen. Viel Gescheites wird durch dieses finanzielle Unter-die-Arme-greifen wohl kaum heraus kommen. Eine Maßnahme könnte vielleicht helfen, eine Maßnahme, wie sie Alexander III. einmal traf. Im Jahre 1891/92 war das Volkselend auch ins Unermeßliche gestiegen. Da wurde der damalige Oberst von Wenndrich mit Lanz be sonderen allerböchstenVollmawten ausgcstattet, um Ordnung zu schaffen. Das half. Seitdem rückte der inzwischen zum General beförderte von Wenndrich zum Chef der Direktion der Eisenbahnen auf. Doch diese besonderen Vollmachten sind ihm seither genommen. Wenn er auch ernstlich weiter hin bemüht ist, das Verkehrswesen in Rußland zu bessern, er allein scheint nicht gegen die ihn hassende Masse der Eisen bahnbeamten aufzukommen, zumal die Wirren der Revo lution noch mehr Unordnung und Schäden gerade den Eisen bahnen gebracht haben. Augenblicklich weilt er in Sibirien, die dortigen Mißstände im Eisenbahnwesen zu beseitigen. Wenn der Bauer da fast verzweifelt, wer wollte sich darüber wundern? Wie groß bereits heute die Hungersnot an einigen Stellen ist, geht nur zu betulich aus einem Aufrufe des Grafen Tolstoi aus dem Bezirke Ufa hervor: „Im Gouvernement herrscht Hungersnot. Ich bin eben erst aus den Hunger-Ortschaften zuruckgekehrt, wo ich einen ganzen Monat »erbracht habe. Ich habe die Kreise Bebelin und MenselinSk bereist, Hunderte von Dörfern und Tausende von Familien besucht. Und überall habe ich Leid und Armut gefunden, die sich nicht schildern lasten. Ich habe nackte Menschen gesehen, die vor Kälte in den ungeheizten Stuben zitternd hungerten. Manche ohne ein Stück Brot und ohne Hoffnung, es in Zukunft zu bekommen. Ich habe vor Hunger ert. * Absplitterung »»« batzerischen Zenttmuk lieber Ber- wegteg.e, und gaven zu oer ^xpeonlon von ZentiumSpr.ste so wiversr7uchSv°lle Meldungen.' Beschrsibungcn des Nittes^n Balaklawa und der Schlacht I e-ß es den Anschein gewinn», als ob tat,ächlich irgend etwas geschwollene Gesichter gesehen und das Stöhnen und Deli rieren der Thpbuskranken gehört. Das geht jetzt in vielen Dörfern vor sich. Die schrecklichste Zeit steht aber noch bevor." Deutsches Deich. Leipzig, 16. Februar. * Minister Vrefeld -ß. In Freiburg i. B. ist der frühere preußische Handelsminister Ludwig Brefeld gestorben. Er war 1837 zu Telgte im Münsterland geboren, trat in den StaatSjrsti die«,, und dann '.i>67 in die Eisenbahnverwaltung. Später wurde Vortragender Rat im Handelsministerium, 1881 Direktor, dann Unterstaatssekretär und Vorsitzender des Landeseisenbahnrais. Von 1896 bis 1901 war er al-Nach folger des Ministers von Berlepsch Minister für Handel und Gewerbe. Der „Staatsanzeiger" widmet ihm einen Nachruf, in dem eS heißt: „DaS Zustandekommen des neuen HandelSkammergeseyeS und der Ausbau der Hand werkskammerorganisation in Preußen sind ihm in erster Linie zu danken. Umfassende Forderung erfuhr unter seiner Ver waltung daS technische UnterrichtSwese» und die Gewerbe aufsicht; auch auf dem Gebiete der Arbeitersürsorge und des Arbeiterschutzes, sowie im Bereiche der Bergverwaltung und der Berggesetzgebung sind während seiner fünfjährigen Ministettätigkeit vielfache Fortschritte durchgesührt oder au- gebahnt worden. Eine Zierde de- preußischen Beamten stande« ist mit Staatsminister Brefeld dahingegangen , ihm und seinem Wirken bleibt in der preußischen Staats verwaltung und bei allen, die mit ihm und unter seiner leit, aber auch Korrektheit die Kriegsgeschichte nichts an die Seile zu setzen hat. Russell kehrte im Triumph heim, gebier von den ersten Männern des Krieges und der Wissenschaft, zog sich aber bescheiden zurück, wie denn überhaupt seine jedermann bezwingende Einfachheit und Kollegialität selbst seine Berufsgenossen oft ganz und gar die literarische Be deutung des kindlich vergnügten und bis hoch in die Sieb ziger bacchusfrohen Tischgenossen vergessen ließ. Man muß mit ihm im Garrick-Klub zusammengetrofsen sein, um den ganzen Charme der Persönlichkeit schätzen zu können. Vom Jahre 1857 an, in dem er unter den größten Stra pazen und Gefahren, die je ein Kriegskorre,pondent aus gestanden hat, die indische Meuterei beschrieb, war Russell stets der Vertraute aller Kommandeure. Nach dem indischen Feldzug erklärten Russells Freunde, daß " ihm war", und man »-c Damals gründete er ^>» v zu ¬ zette", das ihn später zu einem wohlhabenden Manne machte. Aber schon im Jahre 1860 war er auf dem Wege nach Washington, um für die „Times" den amerikanischen Bürgerkrieg zu beschreiben. Er machte den Anfang des Krieges aus Seite der Nordstaaten mit. Er und sein Kollege vom „Daily Chronicle" stellten sich in schroffsten Geaensa'a zu der hochgehenden englischen Parteileidenschaft für die Südstaaten. Aber Russell kritisierte auch unbarmherzig den Mangel an wirklichem militärischen Talent, an großzügiger Organisation, Feldbereitschaft und Strategie, welche die Armeen der Nordstaaten in der ersten Hälfte des Feldzuges charakterisierten. Nach seiner Beschreibung der Niederlage der Nordtrupven in der Schlacht bei Bull-Run mußte Russell tatsächlich nach England zurückkehren: so heftig wurden die Ausbrüche des Unwillens in den Nordstaaten. Im deutsch-französischen Feldzug hatte Russell zunächst Napoleons Hauptquartier und dann dem tapferen General Vinoh, einem persönlichen Freunde, folgen wollen, erhielt aber die Erlaubnis nicht und wandte sich alsdann dem deutschen Hauptquartier zu, wo er mit großen Ehren ausgenommen worden ist. Russell war beim Kaiser Wilhelm und besonders beim Kronprinzen zxn-sorm 8-rLt.issirvL. Er erhielt das Eiserne Kreuz, das er neben der Kriegsdenkmünze für den Krimfeldzug mit be sonderem Stolze trug. Bei BiSmarck war er weniger gut angeschrieben. Nach einem tele graphisch berichteten bemerkenswerten Interview mit dem ! Kronprinzen äußerte Bismarck zu ihm: „Sie mußten sich wohl damit wichtig machen, daß Sie alles ausplauderten, was der Starrkopf Ihnen anvertraute?" — Hieraus Russell: „Exzellenz wissen, daß ich Vertrauen stets zu respektieren weiß. Sie haben mir selber vieles vertraulich mitgeteikt. was ich nicht berichtet habe." — Darauf kam die echt Bis- marckiche Antwort: „Pah! Was ich Ihnen onoertraue, das können Sie meinetwegen von der St. Pauls - Kathedrale ausrufen!" — Hierauf will Russell bemerkt haben: „Ick danke schön, Exzellenz, ich werde von dieser Erlaubnis Ge brauch machen, um Ihre Ansicht über den Kronprinzen be kannt zu geben." Wirklich waren Russells Mitteilungen über das Verhältnis des Kanzlers zum Kronprinzen Bis- I marck nicht immer angenehm. Seine Korrespondenzen aus Versailles haben später Blowitz zum Muster gedient. Und ! wer beide Männer persönlich kannte, kann trotz der unbe- streitbar smarten Leistungen von Blowitz in dem Vergleich ihrer Methoden eine wunderhübsche Studie über die Rolle I machen, die der Cbarakter in der höheren Reportage spielt. I Das Beste aus 1870/71 ist Russells Schilderung über den I Einzug in Paris, wobei ihn allerdings Archibald ForbeS um I eineu halben Tag schlug. Später machte Russell noch den afrikanischen Feldzug I Wolselevs und die indische Reise des Prinzen von Wales als ! dessen Ehrenprivatsekretär mit und sah sich den Arabi- I ausstand an, hatte aber keine Gelegenheit mehr zu neuen I Großtaten. Sein später veröffentlichter Jch-Roman „Die I Abenteuer von Dr. Bradbury^ war infolge ber gedrängten I und nur das Faktische ins Auge fastenden Darstellung des I Kriegskorrespondenten ein Mißerfolg. Dafür wurde er aber durch die Ehren entschädigt, die von allen Seiten, und I vor allem von seinen politischen Antagonisten auf ihn ge- l häuft wurden. Oxford machte ibn zum Ehrendoktor, Lord I Rosebery ließ ihn in den Freiherrnstand erheben, aber seine I größte Genugtuung bestand in dem Vermächtnis von 2000 I Mark, das ihm ein alter Gegner unter den Offizieren des I Krimkrieges als ein Zeichen der Anerkennung für seine per- I sönliche Ehrenhaftigkeit aus seinen knappen Pensions- ersparnisten hinterließ. Sein Lebensabend war durch eine sehr glückliche zweite Ehe und vor allen Dingen durch einen I unvergleichlichen und mit dem Alter immer köstlicher I werdenden irischen Humor vergoldet, der die feinen, luft klaren Augen des achtundsiebzigsährigen, an zwei Stöcken I humpelnden Veteranen bis in die letzten Tage tugendhaft I munter anfleuchten ließ. - - " vrr König der kriegrlrsmrpsmlenten. lVon unserem Londoner Korrespondenten.) Mit Sir William Howard Russell ist vielleicht der einzige I Journalist gestorben, dessen Arbeit in den Spalten der Tagespresse nicht nur Geschichte war, sondern auch stets Geschichte bleiben wird, wenigstens für jeden Engländer, der den für britisches Blut so charakteristischen leidenschaft-1 lichen Anteil an blinder britischer Tapferkeit, britischem Heroismus, britischen Niederlagen und britischen Siegen nimmt. Für die Studenten der Geschichte des Journalismus wird Russell nicht nur die glänzendste Figur jener Aera großer Korrespondenten bleiben, deren sich die britische Presse auf der Höhe ihres Ruhmes, während des dritten Viertels des vorigen Jahrhunderts erfreute, er wird auch immer die typischen Eigenschaften darstellen, welche die Kunst des Kriegskorrespondenten auf den Gipfel der Leistungen des Zeitungsschreibers erheben. In der Handhabung der modernen, mit dem Telegraphen und nicht mehr mit der Post l rechnenden Zeitungslechnik, und selbstverständlich auch an Energie, übertraf im Feldzug 1870/71 den fünfzigjährigen I Russell zwar der bisher nie wieder erreichte Archibald For- bes vom „Daily Telegraph". Aber zur Höhe und Klassik der literarischen Darstellung — man fühlt sich an Julius Cä- sars wundervolle Schlacht- und Kampagnedarstellungen er- l innert — hat niemand wieder die Kriegsberichterstattung I erhoben. Um völlig zu würdigen, was das unter den Arbeits bedingungen eines Kriegskorrespondenten heißen will, muß man allerdings selbst fernab von allen Verbindungen im! Felde oder wenigstens in einem insurgierten Lande den Vor- postendienst der Presse getan haben. Russell hat keineswegs die Kriegskorrespondenz erfunden. I Gleichzeitig und schon vor ihm haben Journalisten im Felde gewirkt und für die Zeitverhältniste wirkliche Großtaten ber Reportage vollbracht. Aber Russell war der erste Klassiker und der erste Kriegskorrespondent, dessen Depeschen ein Ministerium stürzten. Aus welchem Stoffe die Kriegskorre spondenten der britischen Presse zur Zeit der Anfänge der I Niisscllschen Laufbahn gemacht waren, darüber gibt in George I Borrows: „Die Bibel in Spanien" eine Schilderung der Karlistcnkämpfe einen interessanten Aufschluß. „Was für außerordentliche Leute sind biese Reporter der englischem I Leitungen", schreibt er. „Die Leichtigkeit, womit sie schrei-1 ben, ist lediglich durch die Flüssigkeit, womit sie sprechen, zu l übertreffen. Sie sind in der klassischen und schönen Literatur I außerordentlich beschlagen und besitzen eine außergewöhnliche! Weltkenntnis. Die Rührigkeit, die Energie und der Mut, I den sie entfalten, sind wirklich bemerkenswert. Ich sah sie I während der drei Tage in Paris (Revolution 1848) sich unter I die Kanaille mischen und hinter den Barrikaden plaudern, während die Mitrailleusenkugeln in allen Richtungen I flogen, und die rasend gewordenen Kürassiere ihre tollen Pferde in die schwächlichen Schutzwälle hineinsprengten. Da standen sie und notierten, was sie sahen, so unbekümmert in I ihren Notizbüchern, als ob sie über eine Neformversamm-1 lung auf Finsbury Square oder Covent Garden berichteten. I In Spanien begleiteten sie die Karlisten und die Guerilla-1 banden der Christinos auf ihren verzweifelten Zügen, I schliefen auf der nackten Erde und setzten sich den feindlichen I Kugeln, den Unbilden des Winters und den unbarmherzigen I Sonnenstrahlen im Sommer ohne Bedenken aus." Der größte von diesen Freiluft- und Augenscheinjournalisten war eben Russell. Merkwürdigerweise sind fast alle bahnbrechenden eng lischen Kriegskorrespondenten Iren gewesen, wie das moderne England sich seine bahnbrechenden literarischen Männer überhaupt von der grünen Insel zu holen pflegt. Irland hat auch Russell bei den „Times" eingeführt, in einer Weise, die für Russells Reporterinstinkt gleich bezeichnend war, wie für den scharfen Blick John Delanes, des besten Chefredakteurs, den die „Times" je hatten. Russells älterer Bruder war regelmäßiger Parlamentsberichterstatter für die „Times", wurde aber, als anfangs der 40er Jahre die irische Bewegung bedenklich revolutionäre Formen annahm, wiederholt zur Versammlungs- und Wahlreportage nach Ir land geschickt; so im Jahre 1841. William Russell hatte da mals gerade seine Studien in Dublin College beendet und! ging seinem Bruder zur Hand, als dieser erkrankte. Russell erzählt selbst folgendermaßen: „Ich hatte noch nie eine Zeile in meinem Leben geschrieben. Aber mein irischer Witz sagte mir, daß bei einer richtigen irischen Wahl die Mehr zahl der freien und unabhängigen Wähler gewöhnlich ins Hospital wandert. Ich setzte mich also im Hosssital hin, und während sie nach und nach hereinkamen und sich ihre Köpfe verbinden ließen, holte ich einen ganz dramatischen Bericht aus ihnen heraus und schickte ihn mit der Post nach London. Als ich selbst in das Bureau der ^Times" kam. hatte ich in einem dunklen Gang zu warten. Da kam ein Mann heraus und fragte mich: „Sind Sie der Knabe, der das geschrieben hat?", worauf ich erwiderte: „Ich bin's gewesen, lieber Herr, aber es ist nicht meine Schuld und ich bitte um Ver zeihung." Aber er bot mir auf der Stelle 4 Pfund Sterling per Woche, und feit der Zeit haben sie nie aufaehört, mir reichlich und mehr als ich verdiente zu bezahlen." Im Jahre 1844 lieferte dann Russell sein Meisterstück mit einem Bericht über den fünfundzwanzigtägigen Hochverratsprozeß des Jrenführers O'Connel. Seine große Chance kam aber im Krimkriege 1854. Die englischen Militärbehörden und das Kriegsministerium legten ihm die größten Schwierigkeiten in den Weg, man verweigerte ihm die Passage zur See und. als er dann auf dem Landwege die zur See beförderten Truppen überholte, vor dem Feinde die Rationen für sein Pferd und die Lebens mittel für sich selbst und seinen Diener. Man beschuldigte ihn vor Sebastopol, den Russen mit seinen Depeschen die wertvollsten Fingerzeige über die Schwächen der verbündeten Armeen zu liefern. In Wirklichkeit enthüllte er nur die entsetzliche Lage der mit nichts versorgten, von Hunger und Seuchen zu Tausenden hingcrasften und in ganz sinnloser Weise in den sicheren Tod geführten britischen Soldaten.,--7 . . - . . . Seine Schilderungen, die, später in allen Einzelheiten be- ! Leitung tätig sein dursten, cm dauerndes und dankbares stätigt, dem militärischen und organisatorischen Blick Russells I Gedenken gesichert. daS beste Zeugnis ausstellten führten in England zu einem * «»spiitterim, »»« »«tzertschen Senttm»? Ueder Ber- lLttrustungSsturm, welcher das ^"^ss'Mmslerlum s äiiderungen innerhalb der bayerischen ZentrumSpattei finden wegfegte, und gaben ZU der Expedition von Florence. ZeuttumSpreste so widerspruchsvolle Meldungen, Reschr"ibllngcn des Rittest Balaklawa und der Schlacht I e-ß es den Anschein gewinn», al« ob tat,ächlich irgend etwas von Inkerman, Schlachtbeschreibungen, denen an Lebendig- l ,u eiwarken sei. Nach einem Münchener Telegramm der sisells Freunde, daß „aller Stahl auS sielt seine Laufbahn für abgeschlossen, ein Blatt, die „Army and Navy Ga-
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