Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070218011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907021801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907021801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-18
- Monat1907-02
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Wgcr Tageblatt Handelszeitung Amtsblatt des Nates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig Morgen-Ausgabe 8 Ardaltton und ErdedUtour Iodaant-aass« 8. Telephon Nr. IbL Rr. 2LL Nr. N7L. Berliner Redaktions-Bureau: Berlin KV. 7, Dring Laut« Ferdinaud- Etraße 1. Telephon l. Nr. 927k. für Lel-zlß und Vororte: In der Hanps- Eiprditton »der deren Audftadeslellea ab- aeholt minatlich: «n-gabe-l (l mal tätlich) 70 Pt. ändgabe 8 <2 mal täglich) SO Pf„ bei Zustellung in» Hau« Ausgabe 80 Pf., Ausgabe 8 l Niork. Durch uusere au«, wärltgea Nurgadestellea und durch dir Post bezogen ( t mal iagltchgnnerhalbDeuIlchland« monailiätl Mark ausichi. Bestellgebühren, für Oesterreiih-Ungarn bL 4üd virrteljSdrllch, dt» übrigen Länder laut Aeitungdprei-lifte. Dies« Nummer kostet aus s «4 ess L allen Bahnhvsen und bet I II i den Zeitung«.VerkSuieru > AnreiaenoPrei- di» a-espalteue PetUzrile für Geschäft«, tnserate au« Leipzig uud Umgebung 2Ü Pf, Fa«tlte»> Wohnung«- u. Strllen-Anzeigr», sowie An« und Verkäufe 20 Pf, finanzielle Anzeigen 80 Pf^ für Inserate von au«wärt« 30 Pf. Reklamen 75 Pf, auSwärt« l Mark. Beilage, gebühr 4 Mark p. Lausend exkl. Postgebühr. Ärsckäftsanzelgen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Für Inserate vom Ausland« besonderer Taris. Anzeigen-Annahmr- Au-ustustzlntz 8, det sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Expeditione» de« In» und Auslandes. iir da« Erlcheinr» au bestimmten Tagen u ilätzea wird keine Garantie übernommen. Haupt-Filiale Berlin EarlDun tker.Herzgi.Bahr.Hofb»chhaudlg, Lüyowitratze lO tLelephou VI, Nr. 4603). Filtal-Srpe»ttt«u:Tre«deu,Marieostr.34. Nr. tS. Montag 18. Februar 1007. 10!. Jahrgang. Var lllicbiigrte vsm Lage. * Der König von Sachsen trifft heute abend um 9 Uhr 30 Minuten mittels SonderzugeS in Leipzig ein. * Der Verein „Frei München" fordert zu einem Zu sammenschluß allerLiberalen auf. (S. Dtschs.R.) * Wie uns ein Berliner Telegramm meldet, wird der Kronprinz der Eröffnung des Reichstages im Weißen Saal des königlichen Schlosses am Dienstag bei- wohnen. * Die Beisetzung der Prinzessin Clemen tine von Koburg in der Gruft der Koburger katholischen Kirche ist auf Donnerstag, vormittags 11 Uhr, festgesetzt. * Die ungarische Regierung hat der österrei chischen mitgeteilt, daß sie einen selbständigen ungarischen Zolltarif inS Leben treten taffen wolle. Die ö st e r r e i-ch i s ch e Regierung betrachtet diese- Vorhaben als einen Bruch des vorjährigen Kompro misses. sS. AuSl.) * AuS Anlaß deS TodeStageS Giordano Brunos fanden in Rom und in anderen großen italie nischen Städten antiklerikale Kundgebungen statt. sS. Letzte Dep.) * AuS Konstantinopel wird unS mitgeteilt: Die Verbannung Fehim Paschas ist auf direkte Veranlassung deS SultanS und auf Grund der voa einer Spezialkommission vorgenommenen Untersuchung erfolgt. Das energische Eingreifen des Sultans hat bei der türkischen wie bei der europäischen Bevölkerung einen vor züglichen Eindruck gemacht. * Gestern ist das neue Klubhaus deS sächsischen Auto mobilklubs in Dresden festlich eingeweiht worden. (S.Sport.) * Gestern starb inBerlin der Direktor deS König- lichen Meteorologischen Instituts, Geheimer Ober-Regie- rnngsrat Wilhelm von Bezold. krrbergerrchtt fieiaentum. Herr Matthias Erzberger, des Zentrums Benjamin und Kolonialenthüller, Durchfallskandidat und- Immunitäts fechter, hat es erreicht. Er hat den «inen Schritt vom Er- habenen -um Lächerlichen am letzten Sonnabend mit einer Grazie und Sicherheit getan, die auf prächtige Anlagen und sorgfältiges Studium schließen lassen. Er ist überhaupt zur zeit ohne Konkurrenz auf der politischen Schaubühne. Nach Ahlaoardts kläglichem Ende könnte seinem Ruhme höchstens noch Graf Pückler, der Dreschende, gefährlich werden. Doch ist der viel zu einseitig und auch nicht Reichsdiätenempfänger, kommt also nicht ernsthaft in Betracht. Die Vorgeschichte der Erzbergerichen Einlage im Prozeß Poeplau ist ja bekannt. Doch muß an sie erinnert werden, um das Shstem Erzberger in der Erscheinungen Flucht zu erkennen. Erst dadurch bekommt der Vorfall die richtige Würze. Es war noch zur Zeit des gräflichen Präsidial regimes Ballestrem, im verflossenen Sommer, als Herr Erz berger die erste Haussuchung im deutschen Reichsparlament ermöglichte, indem er dem Untersuchungsrichter als seinem Gast die Pforten deS oom tapferen Bureaudirektor ver teidigten Reichstags öffnete. Man achte hier aus die Beu gung der höchsten Verfassungsrechte, auf die Degradierung der Parlamentswürde durch Herrn Erzberger und aus den Versuch, den Schein zu wahren durch eine Fiktion, einen Kniff. Nun wird man leicht das Analog« in der jüngsten Erzbergerkomödie herausfinden und das System Erzberger begreifen. AlS der Neichstagsabgeordnete von Biberach im Prozeß Poeplau zum ersten Mal als Zeuge zitiert ward, wickelte er sich mit hohem dramatischen Effekt in eine Toga lin der man am Sonnabend eine etwas großgeratene Windel Buttenhausener Provenienz erkannte) und verteidigte mit stolzen Worten seine Immunität als Abgeordneter. Jeder Zoll ein moderner Winkelried, bereit, für die heiligen Rechte des Parlaments zu sterben. Und noch am Sonnabend dieselbe Pose. O, es war ein dramatischer Moment ersten RangeS, als Herr Erzberger allen Folterkünsten standhielt und pathetisch in den Saal ief: „Sie haben das Recht, mich hier zu bestrafen. Zwangsm^ßregeln muß ich ertragen, aber es wäre ein Bruch der Verfassung." Schauer überliefen das fieberhaft erregte Auditorium, das Zeuge dieses heroische» Opfers für die Rechte der Volksvertretung sein durfte. Und das Hochgefühl der Gewißheit, daß es noch deutschen Man nesmut gibt, wollte sich gerade zur Erläse steigern, als der Präsident den rrutzigen Mann zu 100 lin Buchstaben hundert) Mark verdonnert« und ihn -n Len finstern Kerker werfen lassen wollte — da machte Herr Matthias Erzberger den historischen Schritt clu sublimo au riäiouls und legte Zeug nis ab. Er glättete die finstern Brauen und «rklärte fried lich: Ja, wen» Herr Poeplau «der frühere geheime Sekre- tärSassistentenaspirant) meint, kann ich ja auch auSsagen. Und siehe da, er pfiff auf die Prinzipien, auf die Jmmuni- tät, auf die Rechte der Volksvertretung, auf den Verfassungs bruch. auf sich selbst und sagte auS alles, waS man wissen wollt«. Nun ist zu gestehen, daß Herr Erzberger in einer fürchter lichen Loge war. Vor ihm der dräuende Präsident, der schreckliche Staatsanwalt, im Portemonnaie die Schmerzen wog«, h«r ruinöse» hundert Mark, und im Hintergründe di, Eich«rg« h« Gmvalt. im Begriff, sich auf H» zu stür-e» »ad ihn trotz aller Immunität ins Verließ zu stecken, aus dem er nicht vor der Parlamentseröffnung am Dienstag hätte be freit werden können. Man könnte es angesichts dieser er- schröcklichen Umstände Herrn Erzberger wirklich nicht Übel nehmen, wenn er sich mit Herrn Poeplau verständigt und ihn instruiert haben sollte, im letzten Momente die Entbin dung von der Schweigepflicht an Herrn Erzberger zu voll ziehen. Doch ist solche abgekartete Komödie natürlich aus geschlossen. Herr Erzberger hat sich am Sonnabend um seine Zukunf, gebracht. Das ist das Fazit feines jüngsten öffentlichen Auf tretens. Und es ist bezeichnend, daß dies nicht etwa nur die Ansicht derer ist, die eine Zeugenpflicht der Abgeordneten auf Grund des ,Artikels 30 der Verfassung bestreiten, son dern daß auch die Gegner dieser Auffassung über das Ko- mödiantentum in der Affäre erstaunt sind. Sowohl die „Deutsche Tageszeitung" wie die „National-Zeitung" und die „Tägliche Rundschau", all« drei Gegner unserer Ansicht von der Befreiung der Abgeordneten von der Zeugenpslicht, verurteilen aufs Herbste den Umfall Erzbergers. Und das ist ja auch klar wie die Sonne, wenn Herr Erzberger in der Vernehmung als Zeuge eine „Verantwortungsziehung" lum mit Herrn Erzberger zu reden) erblickte, so konnte ihn kein Mensch der ganzen Welt von seiner Schweigepflicht ent binden. Selbst Herr Poeplau nicht. Es wird noch manches ernsthafte Wort über Liese Angelegenheit zu roden sein. Man nnü Rmerilra. AuS Washington kommt die Nachricht, daß der amerikanisch japanische Konflikt beigelegt sei. Der Ausschuß der Japaner kinder von den kalifornischen Schulen soll durch die Schul behörden von San Francisco zurückgenommen werden. Da für erklärte sich Japan mit Beschränkung der Kulizuwande- rung einverstanden. Diese Nachricht von dem Abschluß der Verhandlungen ist zwar noch nicht amtlich bestätigt. Daß aber ein Kompromiß auf der bezeichneten Grundlage zustande kommt, erscheint noch alledem, was in ver. letzten Worzp ver lautet«, in hohem Grade wahrscheinlich. Damit hätte in der Sache Amerika seinen Willen durch gesetzt und im ganzen nur in einer Formfrage nachgegeben. Die Zahl der Japaner an der Pacificküste ist noch nicht so erschreckend groß, daß die herrschende weiße Nasse sie nicht schließlich verdauen könnte. Auch mit den paar „Knaben", die der Schule von San Francisco aufgezwungen werden sollten, dürste diese noch fertig werden. Es soll sich um eine höhere Lehranstalt handeln sexuell simultanen Charakters, wie sie im klassischen Lande der „Emanzipation" bräuchlich sind. Da der angemeldete, aber zurückgewiesene „Knabe" ungefähr im heiratsfähigen Alter steht, und das japanische Volk bei allen seinen Tugenden doch gerade in der sexuellen Askese nicht eben seine Force sucht, so wird er freilich einer doppelt strengen Ueberwachung bedürfen. Auf Schulgebäuden läßt man den Storch nun einmal nicht gern nisten. Passiert aber wirklich ein Malheur, so kann er ja schnell wieder rele giert werden, und vielleicht Richter Lynch das Weitere be sorgen. Die Hauptsache ist für Amerika, daß es der japanischen Flut einen Damm entgegengesetzt hat. Welche unleidlichen Folgen es hat, wenn eine Fremdrasse die Hälfte der Bevöl- kerungszahl erreicht oder gar übersteigt, das ver. spüren die Amerikaner in Südkarolina und ge wahren es schaudernd auf Jamaika, dem sie soeben «inen nicht ganz willkommenen Besuch abstatteten. Und der Neger ist bloß Amerikaner: mit dem kann die Gesetz gebung des souveränen Volkes anfangen, was sie will. Ihn kann zu guter Letzt das souveräne Volk selber hängen, brennen, kreuzigen, so lange die hohe Obrigkeit es nicht erfährt: und die erfährts allemal später, als ein Mitteleuropäcr aus unserer wohlinsormierten Presse. Kommt einmal ein außer ordentlich grausamer'Lynchmord an die große Glocke, dann scheinen regelmäßig die Verjährungsfristen auffallend kurz bemessen zu werden: wenigstens liest man immer recht bald, daß das Verfahren eingestellt sei, weil die Täter nicht mehr zu ermitteln seien. Bei dem Nedaktionsphotographen des Lokalblattes einmal nachzufragen, daran hat bezeichnender- weise noch kein amerikanischer Untersuchungsrichter gedacht. Solche Justiz wäre natürlich gegen die Japaner nicht möglich. Hinter den armen Negern steht kein Botschafter ihres afrikanischen Heimatslandes. Ihre Voreltern hatten keinen Geburtsschein mitgebracht: auch sind Dahomey, Aschanti und die anderen freien Negerstaaten längst von der Land karte verschwunden. Dagegen der Herr Botschafter des Landes der aufgehenden Sonne dürfte nicht mit sich spaßen lasst». Und er vertritt «ine höchst reelle Macht. Wenn der japanische Botschafter an die Pforte d«s Weißen Hauses klopft, dann vergeht jenes Lächeln, mit dem man eine» Pro test Adamanas, Vaghirmis und anderer afrikauischen Reiche aufnehmen würde, falls diese sich in grauer Zukunft einmal zu einer diplomatischen Vertretung bei den Kultur mächten aufschwingen sollten. Verging Uncle Sam doch auch jetzt schon das Lachen, als der Konflikt mit Japan eine ernste Wendung zu nehmen schien. Man konnte"durchaus nicht behaupten, daß er diese- Mal im Unrecht sei. Einer „wohlwollenden Neutralität" wäre er in Europa sicher gewesen: auch John Bull hätte sein kostbares Paradeschwert trotz aller Verträge schwerlich für Len Japan«rjüngling von San Francisco gezogen Natürlich «rst recht nicht für Ken ungebetenen barmherzigen Samariter von Jamaika! Ebenso wenig wäre auf Deutsch land mit seiner unfertigen Flotte zu rechnen, auf Frankreich, dessen Torpedoboote wie bleierne Enten schwimmen; nun -ar nicht »uf Rußland, dessen schönster Leben-traum im kühlen Grunde der Koreastraße zu ewigem Schlafe eingebettet liegt. Amerika sand sich ganz auf sich selbst gestellt, kam et zu» äußersten, dem Sieger von Tsuschima Auge in Auge gegen über. Die japanischen Siege von 1904/05 kamen überraschend. Es brauchten aber keine Nussennarren zu sein, die immer noch, so lange der Krieg währte, es für unmöglich ansahen, daß der endliche Sieg nicht dem dreifach überlegenen Niesen reiche des Zaren verbleibe. Der konnte doch, und wenn eine Millionenarmee vor Mukden vernichtet wäre, eine zweite Million aus l:r Erde stamv':n. während die Nachschübe aus Japan schon bedenklich karger wurden. Wer so rechnete, ver gaß zweierlei: die finanzielle Schwäche Rußlands und die kriegsfeindliche Gesinnung einer blöden, schlaffen und über dies von den Revolutionären verhetzten Nation. Rußland ist nicht seinen Niederlagen erlcgen: die wären auszuwetzen gewesen, sondern seinem mehr noch sittlichen als finanziellen Bankerott. Nichts von alledem steht für Amerika zu befürchten. Das Volk, das den Sezessionskrieg im Beginn LeS fünften Jahres zum siegreichen Ausgang führte, trotz Bull Nun und un zähliger anderen Schlappen, dos Volk würde auch durch zwei noch so glückliche Kriegssommer der Japaner nickt gebrochen werden. Daß Kalifornien dauernd in Japans Hand fallen konnte, daran ist gar nicht zu denken. Aber 'rrilich Hawaii, daS jetzt schon von den Japanern überschwemmt ist, scheint schwer bedroht. Und gar die Philippinen, diese schmachvolle Beute eines perfiden Imperialismus, dessen Brutalität bei nahe die Alexanders II. übertraf, als er den verbündeten Rumänen Bessarabien entriß! Wenn die Filipinos nicht ganz frei werden können, dann werden sie tausendmal das „Jcch" der heidnischen Japs der Ausbeutung Lurch die schein- heiligen Puritaner vorziehen, die heute dort fast ebenso ver haßt sind, wie vor einem Jahrzehnt die spanischen Mönche. Und jener patriotische Elan, der einst die Konföderation niederzwang, der auch sicher die Integrität des Reiches am Pacific verteidigen wird: er läßt sich schwer für einen über seeischen Krieg im allergrößten Stil mobil machen und rege erhalten, um ClauS Spreck-lsens Zuckerinseln zurückzuerobern, dir samt den Tabaksplantagen von Manila im ersten Stadium des Krieges gegen den strategisch begünstigten und momentan besser gerüsteten Feind ganz gewiß verlöre» gingen! o Sie angedlicve ffriegriurt veuücdiantlr. Die Bekundung stark nationaler Gesinnung, die dem deutschen Volk bei der Neichstagswahlbewegung so zur Ehre gereicht hat, wirkt noch immer im Ausland nach, als wäre sie identisch mit einer Neigung zu aggressiv auswärtiger Politik. Demgegenüber bemühen iich offizielle Verlrcler der Reichspoüuk immer wieder auis neue, diese Bedenken zu zerstreuen. Man wird leider sagen müssen, daß das ver geblich ist. Denn wer eben im Ausland nicht an Deutsch lands Friedensliebe glauben will, den überzeugen auch die beredtesten Reden des Kaisers, Bülows und anderer Reichs würdenträger nicht. Aber damit soll auch nicht bel-auptet werden, daß solche Worte wertlos wären. Sie haben zum Mindesten den Wert, daß sie das Ausland, das uns nicht glauben will, ins Unrecht setzen. Und sic haben den historischen Wert, daß Deutschland seinerseits nichts unter läßt, uni sich gegen den Vorwurf zu verwahren, es wolle den Frieden nicht. Deshalb unterlassen wir es auch nicht, zwei neue Bekundungen dieser Art wiederzuaeben. So l>at jetzt Fürst Bülow auf eine entsprechende Anfrage hin der Pu- blishers Preß Association (New Uorks, einer Vereinigung von 530 amerikanischen Zeitungen, folgende Antwort zu kommen lassen: „Die Annahme, als bedeute der Ausfall der neuen ReichslagLwahlen eine Wendung »u einer aggressiven WeUpolttik, ist gänzlich irrig. Wenn die Regierung sich mit derartigen Absichten trüge, so Halle sie doch den Elar gleich enssprechend abandern müssen. Der Elat wird aber im wesentlichen unverändert vorgelegt. Der Kaiier ist nicht kriegerssch gesinnt, wie man im Auslande hier und da annimmt. Er hat selbst das Wort von der „öden Weltpokitlk, tue überall dabei sein muß", gesprochen. Er hat seinen Willen noch immer im Sinne des Friedens gellend gemacht. Dem Reichskanzler Fürsten von Bülow kann man ebensowenig abenteuerliche Ten denzen nachsagen. Er Hal während seiner ganzen Amts führung in Wort und Lat gezeigt, daß ihm solche fern liegen. Man irrt sich sehr, wenn man die nationale Stim mung. aus der heraus der neue Reichstag gewählt lst, nicht für national, sondern für nationalistisch und chau- vinistiich hält. Er ist gewählt gegen die antinationale Arroganz einer widernatürlichen Parteikonstellalion. Diese Arroganz hat das nationale Empfinden des Volkes empört. Die Frag« lautete: Behauptung oder Aufgabe der Kolonie Deutsch-Südwestanika. Wenn man be haupten will, was man hat, so ist das kein aggressiver Imperialismus. Dieselbe Mehrheit, die Südwestairika behaupten will, würde sich gegen phantastische Pläne aus sprechen. Der Reichstag wird aber gar nicht Lazu kommen, zu zeigen, daß er nicht chauvinistisch, sondern nur national lst, weil ihm kein Vorschlag im Sinne eines aggressiven und abenteuerlichen Imperialismus gemacht werden wird." Bekanntlich hat sich auch neulich schon KriegSminiper von Einem in einem durchaus friedensfreundlichen Sinne geäußert. In Ergänzung zu den schon damals mit- geteilten Aeußerungen deS Kriegsministers sei heute noch wiedergegeben, was in der letzten Nummer der Londoner „Graphic" über die Unterredung Einem- mit dem englischen Journalisten L. Bashord berichtet wird: Als die Unterredung sich auf die Erhaltung deS Frie dens im allgemeinen und auf die Bestrebungen der An hänger der Friedensbewegung, die die Abschaffung oder doch die Verringerung der Rüstung«» befürworten, er- streckte, bemerkte der Kriegsminister. daß deren Grund sätze weder für Deutschland noch für Preußen angewandt werden könnten. Dann fuhr er fori: „Allgemeine Wehr- pflicht, von ganz Europa angenommen, ist eine Garantie für den Frieden. Eine Nation, die in ihrer ganzen männ- ltchen Bevölkerung verteidigt wird, wird niemal- leichtfertig sich in einen Krieg stürzen Und da der Tag noch nicht gekommen ist, wo «in Volk es »icht nötig hat, in der Loge »u sein, sich gegrn «inen mög liche» Feind M verUiblgen, könne» wir noch nicht dar«» denk«, die Heere aufzulösen. Aber eine Nation in Waffen wirb heutzutage stets darauf trachten, den Frieden zu halten." Unter seine Photographie, die im „Graphic" reprodu ziert worden ist, hat General von Einem eigenhändig die Worte geschrieben: „Deutschland wird mrr KrieO führen, wenn seine nationale Ehre verletzt wird oder feine LebenSinteresscn bedroht werden." Vorher hatte der Krieg-Minister sech Bedauern darüber geäußert, nie in England gewesen «l s«ln und wenig Eng länder kennen gelernt zu haben. Seine Vorfahren aber hätten nahe Beziehungen zu England gehabt. Sein Groß vater von Einem z. B. habe in der englisch-bvutschen Legion in Spanien unter Wellington gedient und unter ihm auch bei Waterloo als Brigadeiommandeur gefochten. Dort sei er schwer verwundet worden. Sein Urgroßvater mütter licherseits, Freiherr von Dörnberg, hab« ein« führende Stellung bei der Erhebung gegrn König Jsrome einge nommen. Später habe er das Kommando einer englischen Kavalleriebrigade erhalten, die er hei Waterloo befehligt habe. Deutsches Keich. Lechzt-, 18. Februar. * Sur Einigung der Ltderale«. Der Verein „Frei- München", die Vereinigung aller liberalen und demokratischen Parteigruppen München-, richtet an die sämtlichen liberalen und demokratischen Fraktionen de- Deutschen Reich-tage- die, dringende Aufforderung, die im letzten Wahlkampfe erfreu licherweise hervorgetretene Einigkeit der liberale» Parteien zu einem taktische» und programmatischen Zusammenschluß der liberalen Parteien auSzugestaltea. Alle liberalen Organi sationen, die mit dem Beschlüsse de- Verein» „Frei-München" lympathisieren, werden gebeten, ihre ZustimmungSerkläruug so rasch wie möglich an eine der nachstehenden Adressen zu senden: Landgerichtsrat Dr. Müller (Meiningen), 1. Vor sitzender des Verein- „Frei-München", München, Goethe- straße 62,1., oder Schulinspeltor Rudelsberger, 2. Vorsitzender, Karl-Platz 17, III., oder Laudrat Karl Ullman», Neuhauser straße 11, I. * J.u «nsxek'Lrter Mtzeispruch. '.Der Widerspruch zwischen den Herr«» Breitenbach und voa Weizsäcker bezüg lich des Stande- der Verhandlungen über die Betriebs- nnttelgemttnichafl klärt sich jetzt auf. Der württembergische Ministerpräsident bat nämlich nicht, wie „Wolffs Bureau" meldete, gesagt, daß die Frage der Betriebsmittelgemeinschaft sich zurzeit in gutem Fahrwasser befinde, sondern er bat nach dem Bericht deS „Schwab. Merkur" auSgesührt: „Ma die BetriebSmittclgememschast anlangt, so hält« r» mich ganz besonders gefreut, wenn ich Kälte tagen tonnen, daß diele Frage sich in einem guten Fabrwaffer befindet, ich muß aber offen gestehen, daß die- im Augenblick nicht so ist " Damit stimmt dann die Erklärung überein, die der preußssche Minister von Breitenbach fast zu derselben Zeil in der Bubgetkommisnon abgegeben hat, wonach die Verhandlungen über eine Betriebslniltelgemeinschaft im allgemeinen Umfang zurzeit ausgezeben seien. * Zur Braunschweiger Frage Die drei braunschweigischen ReichSlagSabgeordneten v. Damm, v. Kaufmann und Länger feld haben, wie aus Blaunschweiz berichtet wird, ein Gesuch an den Kaiser «ingerelcht, in dem um eine Audienz im Inter esse der Beiteigung des Braunschweiger HerzogtdroneS durch einen rechtmäßigen Erben deS angestammten Fürstenhauses nachgesucht wird. * Tie gehängten Redakteure. Aus Antwerpen schreibt Herr Stcad an die „Köln. Zrg." daß Fürst Bülow mit großer Achtung von der deulschen Presse gesprochen und deren friedcusördernven Einfluß hervorgehoben habe. Der Urheber der Geschickte von dem Verfahren, den Frieden durch Auihängen von zwölf Redakteuren zu sichern, sei General von Schweinitz, den er im Jahre 1888 in Peters burg besuchte. Slead erzählte die Geschichte dem Fürsten Bülow. Daher stamme die Verwechslung. — * 3nm Pocplau-Prozetz schreibt die „Nordd. Allg. Ztg ": Nach Bericht unseres tb.-BerlchterstaiterS über den Prozeß Pocplan hat der ReichslagSabgeorvuete Herr Erzberger u. a. folgendes gesagt: „Ich habe eS nicht begreifen können, wie es möglich war, daß ein Beamter, der so schwerwiegende Beschwerden und Anzeigen erstattete, ohne jeden Bescheid gelassen wurde. Um diesen Mißständen eia Ende zu bereiten, wendete ich mich an die Reichskanzlei. Der Reichskanzler befand sich in Homburg, ich setzte mich deshalb mit dem Cdef der Reichskanzlei Herrn v. Loebell in Verbindung. Die Verhandlungen zeischlugen sich jedoch infolge des ablehnen den Verhaltens dieses Herrn." Wir sind ermächtigt, im nachfolgenden die Registratur abzudrucken, die der Chef der Reichskanzlei unmittelbar nach der Unterredung ausgenommen hat, auf die sich die mit» geteilte Aussage bezieht: Berlin Reichskanzlei, den 26. September 1906. E» erscheint da» Mitglied des Reichstage- Herr M. Erz berger und trägt vor: Eiu früherer Beamter de» Kolouialamt- — Poeplau — befindet sich in DiSziplinaruntersuchnng. In den nächsten Tagen steht Termin in der Sache an. Wie mir bekannt, bat Poeplau noch Aklenmaterial hinter fick, dessen Be kanntgabe die Kolonialverwaltung schwer kompromittieren muß und dahin sichren würde, daß da- Zentrum über haupt nicht mehr geneigt sein würde, koloniale Forde rungen zu bewilligen. Herr Poeplau ist Lereit, sein Material herau»zugeben, wenn die Uakeriuchung gegen ihn eingestellt wird, auderu- salls wird er das Material veröffentlichen. Herrn Erzberger wurde erwidert, daß ich e- meinerseits undevingt ablehnen muß, mich irgendwie bei dem vor geschlagenen Engagement zu beteiligen, di« Annahme drS- selbcn durch die Kolonialvrrwaltnng auch für vollkommen ausgeschlossen halte. Ob Herr Poeplau entwendetes Akte» material hinter flch hab« und was « damit »ach«h sei str
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite