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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.02.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070218023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-18
- Monat1907-02
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März nachmittags von Dresden über Hamburg an. — Der sächsische Hof legt für die verstorbene Prinzessin Klementine von Koburg eine ILtägige Trauer an und zwar vom 18. Februar bis 3. März. Sin lkaisergeschcnk an König SSuarS. Der König von England bezeichnete den Platz vor der Südfrout des Keusinaton-PalaiS als Standort für das Standbild Wilhelms Hl. von Orauien, welches der Deutsche Kaiser dem Könige zum Gescheut machen wird. Dernburg van Stütze! gefordert. Eine Berliner Korrespondenz, der wir die volle Verant wortung für ihre Meldung überlasten müssen, schreibt: Wie wir aus sonst sehr zuverlässiger Quelle erfahren, soll der frühere Kolonialdirekigr, zuletzt Gesandter in Nor wegen, Stübel, dem jetzigen Kolonialdirektor Deru- burg eine Pistolenforderung übersandt habe». Den Anlaß dazu hat die abfällige Kritik gegeben, die Dernburg im Reichstag an die Art der Geschäftsführung seines AmtsvorgäogerS geknüpft hat. Wenn Stübel infolge der von allen Seiten auf ihn uiederbagelnden Angriffe schließ lich nervös geworden ist, so ist das ja an sich begreiflich. Daß er sich nun aber dadurch zu rehabilitieren sucht, daß er Dernburg, der roch nur seine Pflicht tat, fordert, ist jedenfalls nicht geeignet, ihm die politische Anerkennung, die er sich durch seine nachgiebige Haltung dem Zentrum gegenüber verscherzt hat, zurückzugewinueu. Wie Deruburg sich zu der Forderung stellt, ist nicht bekannt ge worden. Vielleicht darf daran erinnert werde», daß vor einigen Jahre» der bekannte Polensührer von KoczielSki — bekannt unter dem Spitznamen AdmiralSki — dem Fiaanzminister von Rheinbaben eine Forderung übersandte, die aber mit der Begründung abgelehnt wurde, daß der Minister sich nicht iu der Lage sähe, auf diese Weise für eine Aeußerung, die er im Parlament in amt licher Ggenschast geian habe, Genugtuung zu geben. ' Oesterreich nnd Ungarn. In der Jahresversammlung der Grazer Hausbesitzer hielt der Eisenbahnmiuister Dr. v. Derschatta eine Rede, in der er die durch die Wablresorm geschaffene Lage besprach und sich sodann mit den Verhandlungen zwischen der österreichi schen und der ungarischen Regierung zur Vereinbarung eines zoll- und handelspolitischen Ausgleiches beschäftigte. Der Minister trat für die Schaffung eines langfristigen Aus gleiches ein und erklärte, die österreichische Regierung habe bisher von der ungarischen keine Verstän digung über die bevorstehende parlamentarische Verhandlung des ungarischen Zolltarifs erhalten; es sei nicht anzunehmen, daß die parlamentarischen Ver handlungen über den autonomen Zolltarif in Ungarn, ent gegen den von der ungarischen Regierung gemachten Zu > iche- rungen, vor dem Abschluß der Verhandlungen zwischen beiden Regierungen stattfinden würden. — Der Minister schloß mit dem Wunsche, daß sich die deutschfreiheitlichen Abgeordneten zur Wahrung der nationalen Interessen zu einer Parter zusammenschlössen. Die Rede wurde mit Beifall ausgenommen, und eS wurde an den Minister das Ersuchen gerichtet, sich in Graz um das Abgeordneten mandat zu bewerben. Sulturfriede tu Sicht. Von beiden Seiten lommen günstige Nachrichten über den Stand der kirchlichen Frage: von Regierungsseile und aus dem Vatikan! Minister Briand erklärte, daß er im Minister rat morgen seiner Uebcrzeugung von der Notwendigkeit einer friedlichen Beilegung der noch unerledigt gebliebenen Kirchen- pachtsrage Ausdruck geben werde. Man glaubt, daß aus der Ministerratssitzung eine von dem Briandichen Texd ab weichende Fassung für die zwi'chen Pfarrern und Bürgermeistern abzuschließenoen Verträge bervorgebeu Werve. Von der Auf nahme des neuen Textes wird es abhäagen, ob Briand sich der Mehrheit der Ministerkollegen unterordnet — oder demissioniert. Es bat den Anschein, als ließe sich eine Krisis vermeiden. — Im Vatikan ist man der Ueberzeugung, daß die Bemühungen des Erzbischofs von Paris, Kardinal Richard eine Einigung zwilchen Staat und Kirche hrrbei- zufübren, von Erfolg gekrönt sein werden. Infolgedessen ist Befehl gegeben worden, den Maßnahmen der fran zösischen Regierung bis auf Weiteres keinen Widerstand entgegenzusetzcn. — Minislerpräsiveut Clemenceau hat dem Abgeordneten Meunier aus seine Anfrage geantwortet, er sei bereit, am Dienstag sich zu seiner Interpellation zu äußern. — Weiter wird gemeldet: Kultusminister Briand übersandte seinen Kollegen im Kabinett Exemplare der neuen Fassung der Vertragsformel über die Verpachtung von Kirchen. Die Lage wird bis zu dem am Dienstag statifindenden Ministerrat unverändert bleiben, der darüber entscheiden soll, ob er der jetzigen oder der früheren Fassung zustimme. Die Regierung wird die Interpellationen über diesen Gegenstand am Dienstag beantworten und ihre Entscheidung bekannt geben. Amerika uns Japan. Roosevelt soll sofort nach der heute zu erwartenden end gültigen Annahme der Emwanverungsbill dem Mikado einen Vertrag vortchlagen wollen, baß die amerikanischen Arbeiter in Japan ausgeschlossen werden und umgekehrt. Halbamtlich verlautet, Japan sei zufrieden gestellt, ebenso die offiziellen Vertreter von Kalifornien. poMisGes. * Veränderungen in der Diplomatie. Der erledigte Posten eines Ersten Sekretärs bei der Kaiserlichen Gesandtschaft in Bern ist dem derzeitigen Lcgationssekretär bei der Kaiser lichen Gesandt schäft in Santiago (Chiles Legationsrat von Buch übertragen worden, der in Santiago durch den bis herigen Dritten Sekretär bei der Kaiserlichen Botschaft -n Nom Dr. Julius Crnist Prinz zur Lippe ersetzt wird. Ferner ist der bisherige Attache im Auswärtigen Amt Dr. Friedrich Graf v. Rhena nach bestandenem diplomatischem Examen zum LegationSsekrctär ernannt worden. * Zur braunschweigischen Frage. Ueber die Eingabe der drei braunschweigischen Abgeordneten an den Kaiser wird noch berichtet, daß sie darin im Sinne der letzten Landtags resolution die Hoffnung aussprechen, daß in der Thronfolge frage eine Verständigung nach der Richtung hin erzielt werde, daß Prinz Ernst August zur Regierung zugelassen werde. Ferner wird in der Eingabe bemerkt, daß die Ab sender es dankbar anerkennen würden, wenn ihnen in der Angelegenheit eine Audienz beim Kaiser gewährt werden würde. Auch der Vorstand der braunschweigischen wölfischen Partei hat eine Wresse an den Kaiser gerichtet, in der eben falls dem Wunsche Ausdruck gegeben wird, daß das ange stammte Fürstenhaus wieder in das Land zurückkehre. Ander seits erfährt die „Braunschweigische Landcsztg." von maß gebender Seite, daß in kürzester Frist ein einstimmiger Bundesratsbeschluß zu erwarten sei, in dem ausgesprochen wird, daß die Familie Cumberland auch fernerhin behindert sei, die Negierung in Braunschweig zu übernehmen, und daß folglich das bisherige Provisorium aufrecht erhalten werden müsse. * Ter brandenburgische Provinziallandiag wurde gestern eröffnet. Tie einzige Vorlage der Staatsregierung regelt die Einnahme der Städtcordnuna durch die bisherige Land gemeinde Lichtenberg, welche längst den Umfang einer Mittelstadt erreicht hat. * Polnische Frauen. Wie die „Dortm. Ztg." meldet, wollen die Polen ihre Agitation auch auf die Frauen ausdehnen. Am nächsten Sonntag findet in Herne eine öffentliche polnische Frauenversammlung statt, in der die Gründung eines polnischen Frauenver- eins beschlossen werden soll. * Verbrecher gegen die Disziplin. Der Gauvorftand der nordboyrischen Sozialdemokratie beschloß, den Anspacher Sozialdemokraten wegen ihrer disziplinwidrigen Haltung bei der Reichstagsstichwahl (statt Wohlenthaltung Eintreten für den demokratischen Kandidaten! den schärfsten Tadel auszusprechen. * * Fürst Ferdinand beim Kaiser, lieber den Besuch des Fürsten von Bulgarien beim Kaiser von Oesterreich wird weiter gemeldet: Der Fürst hatte angeblich nur beabsichtigt, dem Kaiser für feine Anteilnahme an dem Tode der Herzogin Clementine zu danken. Doch fügt der offizielle Bericht bim-sU, daß die Audienz von 12 bis ^2 Uhr dauerte, was um io bemerkensw-rter ist, als der Kaiser der Fürsten seit Jabren nicht empfangen hatte. * Französische Scnaiswahlen. Im Departement Calvados wurde der Republikaner Äoivin-Champeaux, in Seine et Oise der Progressist Sollet in den Senat gewählt. * Neue Ruhestörungen in Italien. Aus Castro Villari kommen Meldungen über neue Aussessigkeiten der Bevölke rung gegenüber den Behörden, wobei es zu Zusammenstößen zwüchen Volk und Behörden kam. * Englischer Ausstand. Die Grubenarbeiter von Derby- shire beschlossen, in den Ausstand zu treten, um die nicht or ganisierten Arbeiter zu zwingen, sich den anderen anzu schließen. * Die Verbannung Fehim Paschas. Fehim Pascha wurde nachts auf ein dazu besonders bereitgestelltcs Schilf geschafft, da^ nach Mudania in See gegangen ist. Fehim Pascha muß sich zunächst nach Brussa begeben. Seine sämtlichen Polizei agenten waren bereits vorher verhaftet und in das Zentral gefängnis abgeführt worden. Die Verbannung ist auf direkte Veranlassung des Sultans auf Grund der von einer Spe- zialkommission vorgenommenen Untersuchung erfolgt. Tas energische Eingreifen des Sultans hat bei der türkischen wie bei der europäischen Bevölkerung einen vorzüglichen Eindruck gemacht. * Schwedische Alkoholgesetzgebunp. Beide schwedische Kammern beschlossen im Prinzip tue zwangsweife Ein sperrung nnd Heilung von Alkoholisten und ersuchen die Re gierung um die erforderlichen Erhöhungen und Vorschläge. * Zustände in Odessa. Die Tätigkeit der schwarzen Bande bleibt unbestraft. Das Börsenkomitee depeschiert nach Petersburg, daß alle Handelsgeschäfte eingestellt werden. Die Universität ist geschlossen. Man erwartet allgemeine Streiks der Mittelschüler. * Kleine Nachrichten ans Rußland. Auf Vorschlag des Petersburger Stadtyauptmanns ist Professor Maxim Ko walewski, den die Kadetten als Kandidaten für die Duma wahlen ausgestellt hatten, aus der Wählerliste gestrichen worden. Begründet wird die Streichung unter anderem da mit, daß Kowalewski noch nicht ein Jahr in Petersburg an sässig ist. — Am Ende fehlen ihm sogar z we i Tag« an dem Jahre! — In Warschau kam es aus der Straße zu einer Plänkelei zwischen Anhängern verschiedener Parieren, bei der zwei Vorübergehende tödlich verwundet wurden. — Der Hafenchef von Baku ist ermordet. — In Neu-Maraelan im Ferganagebiet wurde gegen den Militärgvuverneur Pokotilo, als er die Kirche verließ, ein Revolverattentat versucht. Der Gouverneur blieb unverletzt, der Täter wurd« ergriffen. Leitnngzzcha«. Naumann über den neuen Liberalismus. Der Reichs- tagsabgeorvnete von Heilbronn veröffentlicht im „Berliner Tageblatt" einen interessanten Artikel, betitelt „Die liberale Einigung", dem wir die folgenden Gedanken entnehmen: „Die Frage der Einheit des Liberalismus ist einesteils eine Frage der Parteitaktik und andernteilS eine Frage der poli tischen Gesinnung. Die erste Erfahrung heißt: ES genügt nicht die formelle Einigung zu beschließen, solange die Mitgliederbestände in den verschiedenen Provinzen di« Einigung nicht wirklich wollen und wünschen. Die bloße parteitaktische Erledigung der Angelegenheit ist für sich allein nicht ausreichend, den geeinigten Liberalismus herzustellen, solange es in allen beteiligten Parteien starke Restbestände von Miß trauen und Abneigung gibt. Erst wenn die Polstische Gesinnung den formellen Fraktionsbeschlüssen zu Hilfe kommt, erhalten diese Leben und Kraft. Man soll deshalb etwas zurückhaltend sein mit schnellen Urteilen über die Selbstsüchtigkeit der Parteibonz«, die um ihrer kleinen Selbstherrlichkeit willen die Einigung nicht wollen. Es ist für jeden Parteiführer und für jedes verant- wörtliche Mitglied eines Parteiausschusses keine kleine Cache, einen mühsam gesammelten Bestand von Parteigenossen einem Experiment auszusetzen, dessen Ende niemand mit absoluter Sicherheit vorhersehen kann. Wir müssen zngrstehen, daß es Stimmung?- und Ricbiungs- unterschiede gibt. Erst wenn wir dieses freimütig zugestanden haben, können wir ohne Angst vor gegenseitiger Uebervoricilung und Vergewaltigung als redliche Männer überlegen, ob nicht trotz aller dieser Unterschiede und bleibenden Gegenströmungen die gemeinsamen Grundanschanungen und Aufgaben groß genug sind, um uns zu einer offenen gegenseitigen Tuldung der vor- handenen Verschiedenheiten Vordringen zu lassen. Ich meineS- ieils haste Vie Einigung für möglich, aber ich halte es für Feuilleton. Llenn ein wahrer Lenius in cker Liest erscheint, könnt ihr ihn sn ckem Zeichen erkennen, risst slle vummlrüpfe im Lüncknis wicker ihn stehen. Lwtkt. Aber wenn ckss Liesen cier Lishrheit nicht ckss steine sein ksnn, so ist glaublich, cksfi es riss Unreine ist, welches ckie not^venckige keriingung slles 8eiencken cksrstelli. Denn vir hsben gesehen, cksp riss steine wecker l^den noch Urkenntnis Hst. llnck cku hsst ge nugsam erfshren, ckenke ich, cksp ckss l-eben unck siles cksrsuf kerllgliche russmmenge setzt, vermengt, ver- schieckensrtig ist, geneigt, ru-- ocker sbrunehmen, un- destSnckig, löslich, verweslich unck nicht rein. Nnalole france. Die „Marlitt" de» §8. Jahrhundert». (Zum 100. Todestage Sophie La Roches, 18. Februar 1907.) Von Dr. F. Hirsch (Wiens. Sophie La Rvche, die gern die erste deutsche Roman schriftstellerin genannt wird (natürlich ist das nur eine Reihen-, gewiß keine Rangbezeichnungs, verdient dieses Epi theton nicht in vollem Umfange. Denn schon im 15. Jahr hundert interessierten sich namentlich hochgestellte Damen für romantische Stoffe und beteiligten sich selbsttätig an deren Umarbeitung: Gräfin Elisabeth von Nassau-Saar brücken, Mathilde, die Pfalzgräfin bei Rhein, und Eleonore, Gemahlin des Herzogs Sigmund von Vorderösterreich, er warben sich durch die Uebertraguna französischer Hand- schriften ins Deutsche wesentliche Verdienste, und ihnen ge bührte demnach das Prädikat, zeitlich die ersten Roman schriftstellerinnen gewesen zu sein. Indes ganz läßt sich dieser Titel auch der klugen Freundin Wielands nicht ab sprechen. da sie die erste war, die einen Originalroman schrieb, der außerdem das Verdienst hatte, ein beredtes Do kument subjektiven Denkens und Empfindens zu sein. Die „Geschichte des Fräuleins von Stern he im", von Wieland (Leipzig 1771s herausgcgeben und bevorwortet, ist die Vorläuferin einer langen, ach! allzu langen Reihe sentimentaler Frauenromane, ein Genre, bas allen litera rischen Umwälzungen Trotz ovt und unter den Damen, die den Klassikern nahestanden (Frau von Wolzoaens „Agnes von Lilien"), ebenso seine Vertreterinnen fand wie unter den Freundinnen der Romantiker (Dorothea Schlegels „Florentin") oder den Verehrerinnen d«S „Jungen Deutsch land" (Fanny Tarnow „Ein Jahr in Rußland"). Und heute ist et «igeütüch nicht viel besser, obwohl natürlich Dichterin nen, wie die Ebner-Eschcnbach, Clara Viebig u. a., den Be- I weis erbringen konnten, daß der Beruf der Schriftstellerin I mit falscher Sentimentalität nicht unbedingt in Konnex sein > müsse. Aber die anderen, die vielgclesenen Marlitt, Werner, Ossip Sckubin wirken — selbst nach iyrem leiblichen Tode — in furchtbarer Fruchtbarkeit verderblich weiter. Dieses öde Genre inauguriert zu habm, bleibt das zweifelhafte Ver dienst der La Roche, die sofort großen Beifall der Leser welt fand (9 Auflagen und ein paar Nachdrucke erschienen in wenigen Jahren, zwei französische, ebensoviele englische und eine holländische Uebersetzung folgten). Der Roman ist in Briefform abgefaßt, wofür Richardson ebenso Vorbild war wie für die tränenreiche Sentimentalität, die die zwei Bücher durchflutet. Pädagogische Exkurse, Schilderungen von Wohltätiakcitsvcranstaltungen und Gutsverwaftung er innern lebhaft an Rousseaus „Neue Heloise". Für alles Englische (Kleidung, Gartenwesens herrscht hier wie auch in allen anderen Romanen Sophie La Roches besondere Vor liebe: hierin war sie für Goethes „Weither" entscheidendes Vorbild und darin, sowie in dem autobiographischen Cha rakter der Erzählung liegt ein bleibendes Verdienst der Verfasserin. Goethe fühlte sich gleich Wieland und Herder von dem Romane lebhaft angezogen und polemisierte auch in den „Frankfurter Gelehrten Anzeigen" heftig gegen die Tadler Sophiens, vornehmlich Haller, der das Werk in der „Göttinger Zeitung" als angebliches Produkt Wielands energisch abgejertigt hatte. Goethe meinte, man sei im Irr tum, wenn ntan glaube, in der „Geschichte des Fräuleins von Sternheim" ein Buch zu sehen, es sei eine Menschen- seele!" Die Verehrung Goethes für Sophie, die in den Siebzigerjahren geradezu schwärmerisch war — nie redete er sie in Briefen anders an als „liebe Mama" — und in gleicher Weise der Schriftstellerin wie der Persönlichkeit galt, sank allerdings später um ein bedeutendes, wie überhaupt die La Roche das Talent hatte, die Leute rasch anzuziehen, aber ebenso rasch abzustoßen. Als die Tochter des schwä bischen Arztes Gutermann hatte sie sich 1750 mit ihrem Vetter Wieland verlobt: älter als er, wußte sie ibn durch ihr Eingehen auf seine damaligen Pietistischen Ansichten zu fesseln, und er feierte sie als Psyche, Doris, Serena, Panthca, Felicia und am schwärmerischsten in der Ode, die mit den Versen schließt: „Gott und Weisheit, Tugend und Sophie — Sind bei mir, welch Unfall kann mich schrecken?" Aber nur drei Jahre dauerte das Verlöbnis, das entgegen den auch sonst zuverlässigen Angaben der Biographin der La Roche (Ludmilla Assing, deren Buch auf keiner Seite einer ernsten Nachprüfung standhälts von Wieland während seines Aufenthaltes bei Bodmer gelöst wurde. Die „literarische Großhof meisterin Deutschlands", wie Sophie spöttisch genannt wurde, tröstete sich indes bald und vermählte sich mit dem kurmain- zischen Hosrate La Roche. Für Wieland blieb indes ihr Inter esse auch ferner lebhaft und nachmals feierten sie in Ehren breitstein, dem später von den längeren Romantikern so gerne ausgesuchten Orte, ein empfindsames Wiedersehen. Weiteren Begegnungen suchte Wieland indes nach Tunlich keit auszuweichen; zu viele Widersprüche der beiden Charak tere waren immer deutlicher Mage getreten. Ihre Brief« ließ er zu Sophiens großem Verdrusse oft unbeantwortet und entschuldigte sich endlich damir (Brief vom 27. April 1791) „das Verhältnis, worin wir uns Anno 1769 bei meinem Abschiede befanden, können wir nicht wieder Her stellen. Es sind in diesen 22 Jahren zu viele Veränderungen mit Ihnen und mir vorgegangen." 1794 meldete sie sich bei Wieland zu einem Besuche an, der ihn indes nicht annahm. Goethe schreibt darüber in den „Tag- und Jahresheften": „Frau von La Roche meldete sich bei Wieland an und setzte ihn dadurch in die größte Verlegenheit. Hier waren wir nun in dem Fall, ihm und uns einen Freundschaftsdienst zu erweisen . . . Gewandt in solchen Dingen, wußte mein« Mutter, selbst so vieles ertragend, auch ihre Freundin zu beschwichtigen und sich dadurch unseren größten Dank zu ver dienen." Fünf Jahre später wußte Sophie ein Wiedersehen endlich durchzusetzen, das ihr aber — trotz ihres gegenteiligen Berichtes in den durch ihre Indiskretionen berüchtigten „Schattenrissen abgeschiedener Stunden" — eine große Enttäuschung bereitete. Jetzt, da uns Goethes Briefwechsel und die Tagebücher zum größten Teile vor liegen, läßt sich über dieses letzte Zusammentreffen ein weit richtigeres Urteil gewinnen als nach den stark von Eitelkeit diktierten Berichten der La Roche. Goethe schreibt: „Eine wunderbare Erscheinung war in diesem Sommer Frau von La Roche, mit der Wieland eigentlich niemals üdereinge- stimmt hatte, jetzt aber mit ihr im vollkommensten Wider spruch sich befand. Freilich war eine gutmütige Sentimentalität, die allenfalls vor 30 Jahren noch ertragen werden konnte, nunmehr ganz außer der Jahreszeit und einem Manne wie Wieland unerträg lich." Wieland selbst wurde noch viel deutlicher, denn er äußerte zu Böttiger „Sophien fehle cs durchaus an Takt und Menschenkenntnis, ob sic gleich 40 Jahre mit Men schen aus den höchsten Ständen umaegangen sei." Die „gutmütige Sentimentalität", von der Goethe ge sprochen hatte und die Herder die „Kanzleisprache des Her zens" nannte, durchzieht auch Sophiens sämtliche Schriften. In den Romanen, Reisebcschrcibungen und pädagogischen Schriften sind Tränen ein nie fehlendes Requisit. Die Heldinnen müssen um ihrer Tuyend willen leiden und finden in dem stillen Bewußtsein ihres Seelenadels ihren einzigen Trost. Falsches Pathos ist den Rosalien, Lonys, Fannys und anderen Heldinnen der La Roche immer eigen; die Empfindsamkeit feiert die höchsten Triumphe, vor einem Kusse, den der Liebhaber seiner Geliebten geben soll, wird sie regelmäßig ohnmächtig. Indes find diese Schriften noch immer den Taktlosigkeiten vorzuziehen, die von der La Roche in den Reisebcschrcibungen verübt wurden. Die in timsten Details aus dem Leben aller Personen, mit denen sie in ihrem rcichbewegten Dasein zusammentraf, gab sie rücksichtslos der Oeffentlichkcit preis, ein Talent, das sie auf ihre Enkelin, Bettina Brentano, vererbte. Nach dem Tode La Roches §og sich Sophie in ihre „Grillenhütte" nach Offenbach zuruck, wo sie im Kreise ihrer Töchter Maximiliane und Luise Möhn und ihrer Enkel Bettina und Clemens Brentano weiter literarisch tätig blieb. Sie hatte sooar noch die Freude, daß Wieland, wie ihr erste» Werk auch ihr letztM, „Melnstneos Eomorer- abende" (1806) herausaab. Am 18. Februar 1807 starb Sophie La Roche, 75 Jahre alt. * Die neue Frau.*) Von Dr. Richard Bahr. Ein neuer Jrauentypus ist bei uns im Werden. Kraft voll, strebsam, tatendurstig in den höheren Schichten; rührig und voll zäher Lebensenergie in den mittleren; selbstbewußt, wo nicht gerade das namenlose Elend welkender oder para sitischer Hausindustrien Leider und Hirne zermürbt Hal, auch in den unteren. Ein ganz junger Typus: recht ein Kind unserer Tage. Die Frauenberufsfrage freilich — man kann sie schlechtweg auch die Frauenjragc nennen — ist er heblich älter. Die entsteht im Grunde schon im frühen Mittelalter mit der anhebenden städtischen Kultur. Es ist damals eine männermordendc Zeit. Nrieg an den Grenzen und die nie erlöschenden inneren Fehden dezimieren ihre Reihen; auch Handelsreisender sein ist in jenen Zeitläuften ein rauheres Gewerbe denn heute, und die periodisch wieder kehrende Pest erweist sich den Männern verderblicher als den Weibern. Heute kommen im Durchschnitt auf IM Männer 103 Frauen; im 15. Jahrhundert zählt man in Nürnberg, in Basel und Frankfurt a. M auf 1M0 Männer ihrer 1200. Das will heißen (da das Zölibat den Geistlichen und die Zünfte den Gesellen das Heiraten verbietens: schlecht gerechnet 30 vom Hundert der Frauen können nicht zur Ehe gelangen, müssen sich einen Berus wählen und für andere fronend sich durchs Leben schlagen. Ader gerade in ihrer Blütezeit sind die Zünfte nicht engherzig; daß die Witwen das Geschäft des Mannes wcitcrsühren, ist einfach Handwerks Gebrauch und Hc.rkommen; auch Acrztinncu kommen vor, und die Nonnenklöster sind die Heimstätten weiblicher Schriftstelleret und der feinen kunstgewerblichen Arbeiten. Not und Mangel, denen die Beguincnhäuser ver geblich zu steuern suchen, bleiben allerdings auch so; sic mehren sich noch, als um die Wende des 15. Jahrhunderts die verfallenden Zünfte den Weibern den Zutritt zu wehren beginnen und die Reformation ihren Kamps gegen die mittelalterliche Leichtlebigkeit und die (freilich vielfach entarteten) Frauenhäuser aufnimmt. Dafür erwächst unter ihren Einflüssen — dem deutschen Bürgertum, nicht dem um die Höfe scharwenzelnden Adel — ein neues Fraucnideal: das der zart und sittig inmitten eines behäbigen Anwesens waltenden Hausfrau und Mutter. Ihm singen unsere klassischen Dichter, und so fest prägt es sich in die Seelen der Deutschen, baß sie nur langsam, nur unter schmerzlicher Be wegung und allerlei verwirrenden Begleiterscheinungen sich von ihm loszuringen vermögen. Denn seit etwa vier Jahr- zehnten ist das Ideal unhaltbar geworden. Nicht abw ut, wie der lebensfremde Doktrinarismus fanatischer Frauen rechtlerinnen uns glauben machen will, denen die Entwick lung noch nicht rasch genug geht und Familie und Einzel- Haushalt unter allen Umständen veraltete Wirtschaftsformen bedeuten. Aber doch unhaltbar als das alleinige Ideal, *) An» de« Febrvarheft de» „Türmers" (Verlag von ein« nnd «reiher in LtntL-rtl
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