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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070220013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907022001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907022001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-20
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Morgen-Ausgabe 8 MMMIageblatt Handelszeitung BehugS-PreiS für Leipzig »ad Lororle: I» der Haupt- Erpeditlon oder deren Ausgabestellen ab- gehoft monatlich: Ausgabe (1 mal tüglich) 70 Pf.. Ausgabe U 2 mal täglich) 80 Pf., bei Zustellung in» Hau- Ausgabe 80 Pf., Ausgabe L l Mark. Durch unsere aus wärtigen Ausgabestellen und durch die Post t »zogen st mal tägltchsinnrrbatb Deutschlands »lonatlich l Mark ao-schl. Bestellgebühren, für Oesierreich-Ungaru 5L45d vierteljährlich, die übrigen Länder laut AeitungSpreiSliste. Medattton und Erpe-ttiou: JohanntSgasf« 8. Telephon Nr. 15L Nr. 22T Nr. 1173. Berliner NedattiouS-Bureau: Diese Nummer lostet aus -SSt allen Bahnhöfen und bei III ^Itzl den Zeitung«. Berkäuser» Berlin 7 Prinz Louis Ferdinaud- Straße 1. Telephon I, Nr. 927b. Amtsblatt des Nates und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. An^eiaen-Preis die 6gespaltene PeUtzeile für Geschäfts inserate auS Leipzig und Umgebung 2Ü Pf„ Familien-, Wohnung-- u. 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Leitartikel.) * Fürst Bülow lehnte jede Verantwortung für die im Wahlkampf verbreitete Broschüre »Die Lügen deSHerrnErzberger»"ab. lS. Dtschs. R i * Im preußischen Abgeordnetenhause begann gestern die Beratung des Etats des Ministeriums des Innern, wobei der Minister sich über eine Reihe politi scher aktueller Forderungen äußerte. (S. Dtschs. Reich.) * Di« Haager FriedenSkon ferenz soll An. fang Juni eröffnet werden. Die Verhandlungen sollen streng geheim geführt werden. (S. Ausl.) Vie rbronteae. Eine Thronrede soll ein Regierung-Programm sein. Und dieser programmatische Charakter zeigt die Grenzen ihrer Bedeutung. E» wervea Absichten lundgetan. Was aus diesen Absichten wird, wie weit sie die Gesetzgebung beein flussen, ob sie überhaupt io ihr zur Geltung kommen, muß erst die Zukunft lehren. Denn die Regierung ist nicht souverän. DaS Parlament hat mitzureden. Und eS ist sür die heutige innerpolitische Lage bezeichnend, daß diese Ein schränkungen eher Bedenke» als Hoffnungen audeuten. Aber auch Absichten können wertvoll sein, um so wert voller, je stärker sie von persönlicher Energie gesördert und (in diesem Sondersalle) je feierlicher sie verkündet werden. Der in der Thronrede offenbarte Geist ist höchster Aner kennung wert. Die Rede selbst ist ein schönes Dokument kluger Mäßigung »ad volkSsreundlichen Sinne-. Sie beginut mit dem Ausdruck der Genugtung über den Ausfall der Wahle» uud schließt unmittelbar daran die feierliche Bekundung de- Kaisers, daß er gewillt ist, .alle verfaffuogSmäßigeu Rechte und Befugnisse gewiffeubaft zu achte»." DaS kann unter Berücksichtigung der aktuellen politischen Strömungen nur heißen: Am Reich-Wahlrecht wird nicht gerüttelt. Und hierbei ist zu beachten, daß in negativer Beziehung dem Programm der Regierung «ine ganz audere Kraft innewohnt al- in positiver. Wo die Regierung Legislatorische- zu tuu verspricht, ist sie vom Willen de- Parlament- abhängig. Wo sie aber etwa- unterlassen oder verhindern will, ist sie nur auf die Beschlüsse de- BuadeSratS angewiesen. Es ist also zur Freude aller, die in einer friedlichen Entwicklung der deutfchen Bolkskräfte da» Heil erblicken, eine neue Gewähr für das Vermeiden aller Kuren ü lu Dr. Eisenbart gegeben. Daß die Regierung dagegen vom Parlament nationale Zu verlässigkeit fordert, ist ihr gute- Recht, da» ihr von diesem Reichstage nicht verweigert werden wird. .Ihre erste Aufgabe wird die Erledigung des Reichs- haushalt- sür 1S07, de« Nachtragskredits sür Südwestasrika und des BahnbaoeS von KeetmanShop nach Kubub sein. Diese Vorlage» gehen Ihnen sofort in der frühere», nur unwesentlich veränderte» Gestalt zu." Zu diesen Ankün digungen konkreter Natur gesellen sich nur noch einige kleinere Kolonialvorlagen wie Kolonialamt und Farmerbeihilfen uud, in einem anderen Absatz, die MajestätSbeleidigungSlex. Da mag wenig scheinen, ist aber angesichts der Geschäftslage gerechtfertigt. Der Reichstag wird einfach vorläufig keine Zeit haben, sich mit audere» Dinge« al» dem Etat und den allerdringendsten Vorlagen zu beschäftigen. Wa» die Thronrede über die Lage in den Kolonie» sagt, isi gleichfalls durchweg zu billigen. Weshalb gegen die Regierung au» dem günstigen Verlauf de« südwestafrika- nischeu Feldzüge» keine Argumente geschmiedet werden können, ist hier so oft erörtert worden, daß jedes weitere Wort überflüssig ist. E» sei deshalb über diesen Teil der Rede nur »och gebührenderweise gesagt, daß sie dem Erwarten des deutschen Volke- auch hinsichtlich der Anerkennung unserer .Tapferen" gerecht wird. Da» wird manche Wunden, und nicht nur körperliche, rascher verharschen lasse». DaS Bedeutsamste der Thronrede nach dem Bekenntnis zur Verfassung ist ihr Teil, der sich mit der Sozialdemokratie und der Sozialpolitik besaßt. Dieser Absatz bat «nS veranlaßt, sie als Dokument kluger Mäßigung zu bezeichne«. Wenn au» diesen Worten der Triumph de» Sieger» klingt, so zeugen diese Worte selbst doch nirgends von Hochmut. Auch die Charakteristik der Sozialdemokratie, übrigen» eine immerhin seltene Erscheinung in einer Thronrede, ist nicht unverdient. Soweit die direkte« Ziele und die Betätigung der Führer in Betracht kommen, ist auch der Borwurf der Kultur feindschaft berechtigt. Die Tatsache allerdings der Er ¬ weckung eine» große» Teil» der Arbeiterschaft zu einer Art geistigen Lebe»» ist in den Auge» sozialpolitisch geschulter Köpfe ei«, wenn auch nur nebensächlich gewollte», kulturelle» Verdienst der sozialistische« Bewegung. Daß auch die Re gierung die» erkennt, sagt die Thronrede nicht, worüber mau übrige»» nicht allz« scharf mit ihr in» Gericht zu gehen braucht. Deu« die wichtigste Forderung de» Tage» erfüllt ne. Sie verspricht, den deutsche« Arbeiter nicht unter den Sünden der Sozialdemokratie leide, zu lassen. Und dann kommt d« schöne Datzt «Jene (sozialpolitische) Gesetzgebung beruht auf dem Grundsatz der sozialen Verpflichtung gegenüber den arbeitenden Klassen und ist daher unabhängig von der wechselnden Parteigestaltung". Also keine Politik mit Zucker brot und Peitsche. Eine glatte Absage an alle Scharf macher. Sozialpolitik um ihrer eigenen inneren Notwendig keit willen. Bravo! Die wenigen Sätze über die äußere Lage und die Haager Konferenz bedürfen keiner Erläuterung. Nach so viel verdienter Anerkennung fällt eS fast schwer, auf einen empfindlichen Mangel hinzuweisen. Der Thronrede fehlt leider jede Andeutung, wie die Regierung sich zu dem Zentrum zu stellen gedenkt. Es wird nicht erwäbnt. Und war doch der Widerpart, der die Auslösung des Reichstags verursachte. Schade, daß hier alten Neigungen, vielleicht auch nur Diplomatenrücksichten, nachgegeben worden ist. Will man es von der Taktik des Zentrums selbst abhängen lassen, wie e» behandelt werden soll? DaS ließe daun leider nicht auf die Erkenntnis von dem antinationalen Wesen des Zentrums bei der Regierung schließen. * jprehfti mmen. Bo» Preßstimmcn über die Thronrede seien vorläufig folgende wiedergegeben: Die .Nat.-Ztg." schreibt: Angenehmer atS »S überraschende und ungewohnte Wendungen tun könnten, berührt jedenfalls der herzliche, arbeitsfrobe und zu- »ersichtliche Ton, worauf die Thronrede geilimmt ist. So hat der Deutsche Kaiser schon lange nicht mehr zu den Erwählten seine- Volke» gesprochen, wie in dieser Ansprache, die das Arbeit-Programm sür den neuen Reichstag aufstrllt. Das Bekenntnis des Kaisers zur Reick-Verfassung steht in vollster Harmonie mit dem Hinweis auf die Pflicht der Bolksverlretung, dem Reiche seine weltpoliltst e Stellung zu wahren. Jenes Bekenntnis atmet ein wohltuendes Bertrauen zum allgemeinen gleichen Wahlrechte, wie wir eS an dieser Stelle tchon vor den Wahlen mehrfach bekundet haben. Der Sozialdemokratie wird eS schwer wrrden, ihren An- hängern auch setzt noch mit dem Gespenst« des drohenden Staat-- streiche- graulich zu mach n, zumal sich zu jenem Bekenntnisse noch der Grundsatz gesellt: der deutsche Arbeiter dürfe nicht unirr der Torheit der Sollaldemok^t e Iriden. Da» ist wieder der Kaiser der Februarerlafl« von 1890, der hier spricht, und wir haben die gut« Zuversicht daß er sich str seinem Bertrauen auf die Volks vertretung nicht getäuscht seheu wird. Die „Tägl. Rundschau" urteilt u. a.: Es liegt in der Natur der Sache, wenn die Thronrede sich in ihrem materiellen Teil ans diese knappen Ankündigungen beschränkt, welche die „Forderung des TaqeS" enthalten. Aber ebenso er forderte eS die Stunde auch, daß jener beiden, im tiefsten Grunde ihre- Wesens undeutfchen Kräfte gedacht wurde, die stet- das Böse wollen und doch das Gute, die nationale Wiedergeburt des Rrich-tageS, geschafft haben. Die Thronrede vermeidet eS hier, auf den Au-gang-puukt deS Kampfe- zurüstzukommen, der zurrst dem Zentrum und dann der Sozialdemokratie galt; sie begnügt sich damit, den kleinlichen Parteigeist und die nationale Ehr- und Pflichtvergrssenhest de» Zentrums festzunageln, ohne eS direkt zu nennen; eine Schonung, die auf- fallen müßte, wenn nicht Fürst Bülow noch unmittelbar vor dem Parlamentsbeginn durch die Prägung des scharfen Worte- von der „antinationalen Arroganz" di« Zweitel an dem ehrlichen Willen der Regierung, eine antiklerikale Politik zu treiben, erneut zerstreut hätte. Eingebender beschäftigt sich die Rede dafür mit dem Endergebnis der Wahlschlacht, der am Boden liegenden Sozial« demokatie. Die Charakteristik die ihr hier mit der Hervorhebung ihrer Impotenz, ihrer Kulturwidrigkeit und Verneinung des Lebenskräftigen zu teil wird, ist so kurz, als treffend uud erschöpfe»». DaS „Berl. Tage bl." sagt: WaS das Volk will, da» ist eine von freiheitlichem uud sozialem Geiste getragene Politik. Hier liegt die eigentliche Aufgabe der Zukunft. Des ewigen Zickzacks, deS bänglichen Schwankens, der kulturellen Rückständigkeit, der absolutistischen Beilletäien" ist das Volk gründlich müde. Die Thronrede bekennt keine Farbe; diese Unterlassungssünde hat der Reichskanzler gutzumachen, so schnell wie möglich und so gründlich wie möglich. Dagegen die „Deutsche Tage-zeitung": Im großen und ganzen hat diese Thronrede uuS so be friedigt, wie kaum eine in den Jahren vorher. Es webt rin frischer nationaler Hauch durch sie; es ist, al» seien Fürst und Volk einander näher gerückt. WaS sonst oft schmerzlich vermißt wurde, Klarheit und Deutlichkeit, ist diesmal zur Genüge vor handen. Die nationalen Gesichtspunkte sind mit Fug und Recht tu den Vordergrund gerückt worden. Der Kampf gegen die Gewalten deS Umsturzes steht im Mittelpunkte. DaS entspricht durchaus der Sachlage Wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht Erwähnung gefunden haben, so darf und muß das wohl dadurch erklärt werden, daß man gesonnen ist, auf den Bahnen weiter zu verharren, die mit den »euen Handel-Verträgen ein geschlagen worden sind. Dürfen wir diese Unterlassung so interpretieren, so sind wir damit einverstanden. Die „Voss. Ztg." führt aus: Befremden wird vielleicht erregen, daß die Thronrede zwar ziemlich viel von der Sozialdemokratie, aber vom Zentrum be sonder- gar nicht- sagt. Und doch ging der Konflikt nicht so sehr von der Sozialdemokratie wie von der Nerikalen Partei aus. Nur summarisch wird am Aufana der Thronrede die frühere Mehrheit zujammrngefaßt. Indessen hat der Reichskanzler in seinen neuerlichen Kundgebungen betont, daß „der vorläufig mit Erfolg beendete Kampfs sich nicht nur gegen die Sozialdemokratie richtete. Wie sich die Regierung fortan zu« Amtrum stelle» wird, da» ist di« Frag« der Zukunft. Rur „vorläufig", sagt Fürst Bülow, ist der Kampf beendet. Und der Kaiser hat den Worten von der Regel, die den Feind schlägt, htuzngefügt: Die Kunst jetzt lernten wir, ihn zu besiegen, Und find voll Lust, sie fürder noch zu üben. ES wird sich bald zeigen müsse», inwieweit auch nach dm Wahle« »och die Parole der Regierung lautet: gegru Zmtrum und Sozialdemokratie! Endlich sei »och ei« Urteil der „Germania" erwähnt: An der Thronrede ist vor allem bemerkenswert, daß sie die Taktik fortsetzt, za der der Reich-kanzler sofort »ach de» tzauptwahlen griff: vom Zmtrum ist nicht mehr di« Red«, «ur die Sozialdemokratie wird erwähnt. ES ist, als ob Fürst Bülow niemals zum Kampfe gegen ba- Zentmm aufgernfm hätte, sondern nur die Sozialdemokratie habe niederwrrfen wollen. Wir kabm da» Manöver wiederholt io au«rrichend gewürdigt, daß wir un» weiter nicht damit zu befassen brauche«. Vielleicht darf mau au» de« Schweigen der Thronrede schließen. Laß die Kriegserklärung gegen das Zentrum doch nicht überall als klug und siegvrrheißend angesehen wuide, ober nach den Wahlen bereits wieder lie Erkenntnis Platz gegriffen hat, daß man ohne da» Zentrum auf die Dauer ichwerlich auskommeu werde. Oesterreich «na Ungarn. sVon unserem Wiener I'.-Korrespondenten.) Mit unheimlicher, plötzlicher Gewalt hat sich die schwere Sorge der habsburgischen Monarchie, die Frage des Ausgleichs mit Ungarn, wieder auf die Tagesordnung ge drängt; man war des guten Glaubens, daß sie ihre sriedsame Förderung in den von beiden Regierungen, der österreichischen und der ungarischen, eingesetzten Fachkommissionen finde, die auch tatsächlich die erste Lesung der umfassenden, großen Aus» gleichsrr.ateric beendet haben und vor der zweiten, entscheiden den Lesung und Beratung stehen. Da behagt es dem Kabinett Wekerle, eine brüske Attacke auszuführen. Das Dichterwort bewahrheitet sich: „Es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt". Die ungarische Negierung erklärt nämlich, sie wolle den autonomen ungari schen Zolltarif parlamentarisch erledigen lassen. Für jene Glücklichen, die sich in dem mäandrischen Gestrüppe der staatsrechtlichen Beziehungen und der tatsächlichen politischen Verhältnisse in Cis- und Transleithanien nicht auskennen, weil sie sich nicht täglich damit zu beschäftigen haben, müssen einige ausklärende Worte niedergeschrieben werden. Im vorigen Jahre ließ die ungarische Negierung den beiden Reichshälften gemeinsamen Zolltarif, die Grundlage der internationalen Handelsverträge der Monarchie, als auto nomen Zolltarif im Verordnungswege in Kraft treten. Man remonstrierte dagegen in Wien, gab aber nach, da feiten» Ungarns erklärt und versichert wurde, es handle sich nur um eine Formsache, man wolle platonisch dem Selbständigkeits- gedanken Ungarns huldigen. So gab man unter theo retischem Proteste nach; man wollte in Wien der jungen ungarischen Koalitionsregierung keine Schwierigkeiten be reiten Anders steht die Sache, wenn das Kabinett Wekerle nun diesen im Verordnungswege geltenden autonomen Zoll tarif vom ungarischen Parlamente beschließen lasse« will. wob! bekannt ist. es, wie cminen geschickt die ungari schen Politiker in der Interpretation von Gesetzesartikeln sind, wie sie auf einem Paragraphen ein ganzes staatsrecht liches Gebäude, wenn es ihnen paßt, aufführen. Beschließt nun das ungarische Parlament den Zolltarif — wer hindert das ungarische Parlament, im nächsten Jahre auch die ein zelnen Zollpositionen und Tarifsätze selbständig abzuändern? Und was dies in der internationalen Handelspolitik bedeutet, muß nicht erst auseinandergesetzt werden. Ueberdies ist der Zolltarif ein Stück auS dem ganzen Ausgleichskomplexe, und die beiden Negierungen haben vereinbart, den Komplex nur in seiner Ganzheit zu erledigen, keine Partie einseitig zu be handeln. Wie immer auch die ungarische Negierung ich drehen und wenden mag, sie begeht einen Wortbruch, wenn sie ihren Plan tatsächlich ansführt. Sie würde die öster- veichische Negierung zu Repressivmaßregeln zwingen, wenn nicht das ganze Ausgleichswerk in Stücke geht. Wenn man auch an Kühnheiten und Rücksichtslosigkeiten seitens Ungarns bereits gewähnt ist, der neueste Vorstoß ist ein so krasser Akt der Illoyalität, daß er die „Los von Ungarn!"-Stimmung mächtig fördern wirb, wenn nicht rasch von feiten der un garischen Negierung ein« Nückzugslinie entdeckt und einge schlagen wird. Die erste Frage in der Politik ist: Our?. Warum?, die zweite: 6ui prockest?, Wem nützt eS? Beide Fragen finden in dem vorliegenden Falle eine Antwort: Di« ungarische Negierung ist von den Schlammwellen der Polonyiskandale, die sich täglich erneuern, arg bedroht. ES kriselt in der ungarischen Koalition. Die Gefahr des Ab bröckelns der einzelnen Parteien vom großen Koalitionsblock wächst von Stunde zu Stunde. Rette, was retten kann, sagte sich Dr. Wekerle, und er meinte: „Wenn sich die Ungarn im Hasse gegen Oesterreich finden, da verstehen sie sich gleich" und so protzte er ab und feuerte den Schuß gegen Wien: Die ungarische Negierung bringt dem Selbständigkeitsgedanken eine neue Huldigung dar, sie wird den autonomen Zolltarif nun auch legislatorisch verabschieden Die Kühnheit der un garischen Negierung — um kein schärferes, aber richtigeres Wort zu gebrauchen — geht so weit, daß sie in der Motivie- rung ihres Schrittes, ihrer aggressiven Demarche sich der oberflächlichsten, der in ihrer Bedeutungslosigkeit, in ihrer Haltlosigkeit verletzendsten Argumente bedient. Sie bezweifelt den Ausgleichswillen Oesterreichs, weil:die Protokolle über die erste Lesung der Ausgleichsmaterien durch die Fachkommissionen noch nicht vollständig zur - Veri fikation nach Pest gesandt worden seien. Abge sehen davon, daß diese Protokollsache eine kleinliche For malität ist, ist die Behauptung Ungarns auch nicht richtig. Weiter: Die ungarische Regierung beklagt sich über aus- gleichsseindliche Reden, die österreichische Minister gehalten haben sollen. Ist auch nicht wahr. Außer dem deutschen LandSmannminister Prad«, der jüngst in Reichenberg in österreichischem Sinne, aber ausgleichsfreundlich gesprochen hat, schweiaen sich die österreichischen Minister seit Monaten, was den Ausgleich anlangt, gründlich aus. Und wenn es wahr wäre? Nun gut, dann soll die ungarische Regierung klar und offen erklären, sie wolle nun keinen Ausgleich mehr. Aber mitten in Vertragsverhandlungen unfaire Schliche anzuwendcn, frivol und rücksichtslos die Gebote der Loyalität zu verletzen — das erbittert. Es setzt aber auch Ungarn ins Unrecht. Vor der Krone und vor der öffentlichen Meinung der ganzen Welt. Und die öster reichische Regierung ist in der Lage, aktenmäßig zu be weisen, daß die ungarische Negierung wortbrüchig wird» wenn sie die legislative Verabschiedung des autonomen un» gaiischen Zolltarifs wirklich durchführt. Und weiter, die österreichische Regierung ist im gegebenen Falle zu Re- pressivmaßregeln entschlossen, und zwar zu Maß regeln, die Ungarn ganz außerordentlich unangenehm wären. Wird es Dr. Wekerle aus einen solchen Kampf ankommen lassen? Das Interesse Ungarns gebietet ihm: Rückwärt», Don Rodrigo! Und »war freiwillig, sonst Haden da» uaga- rische Ministerium und Ungarn sich die Folgen selbst zuzu schreiben. In der Vertretung der österreichischen Interessen und der österreichischen Ehre, des Anstandes im Politischen Leben hat die österreichische Regierung alle Parteien und alle Bürger hinter sich. G Der Besuch Wckerles in Wien führte zu einem Kom promiß zwischen der ungarischen und der österreichischen Re gierung, das für einige Monate wenigstens einen Waffen stillstand sichert. Die österreichische Regierung verpflichtete sich, die Vorbereitungen zum Ausgleiche zu beschleunigen, wogegen die ungarische Regierung die parlamentarische Be handlung des autonomen Zolltarifs verlangsamen wird. Ter Tarif soll allerdings im volkswirtschaftlichen Ausschüsse des Abgeordnetenhauses durchberaten, seine Verhandlung im Plenum aber so lange hinausgeschoben werden, bis das Schicksal des Ausgleiches entschieden ist. Deutscher Deich. " Leipzig, 20. Februar. * Tie erste Sitzung des Reichstage», über die wir schon in einem Teil unserer letzten Ausgabe einen kurzen telegraphischen Bericht krackten, ist gestern in der üblichen Weise verlaufe«. DaS älteste Mitglied des Hauses — dieses Mal der konservative Abgeordnete von Winterselv-Menkin (Wahlkreis Prenzlau- Angermünde), der ein Alter von fast 84 Jabren zäblt — eröffnete die Sitzung und berief die provisorischen Schriftführer. Die Präsenzliste wies die stattliche Zahl von 365 Abge ordneten aus, die — hoffentlich auch künftig ebenso fleißig im Reichstag anwesend sein werden! Andere Beschlüsse, al« daß heute, den 20. Februar, in der 2. Sitzung da- Prä sidium gewählt werden solle, wurden nicht gefaßt. Bezüglich dieserPräsidentenwahl haben inzwischen bieFraklione» ihreMei- nung geäußert. Wie uns ein Berliner Privattelegramm meldet, gedenkt zwar das Zentrum den Abg. Freiherrn von Hertling sür das Präsidium vorzuschlagen, aber die konservativ-liberale Mehrheit des HauieS verhält sich hierzu ablehnend. Ihre Vorschläge gehen dahin, deu konservativen Abgeordneten Graf Stolberg zum Präsidenten zu wählen, zum erste» Vize präsidenten den «atioualliberaleu Abgeordneten Paasche, zum zweiten Dizepräsiventen aber den Freisinnigen Kaempf. Wie von anderer Seite verlautet, schwankt daS Zentrum mock, welchen von den vier Abgeordneten Graf Praschma, Fehrenback, Freiherr von Hertling, von Savigny eS für da» Präsidium präsentieren soll. td. Ter ReichSclat für 1007 ist dem Reichstage unver ändert wieder vorgelegt worden. Die Einzelheiten deS Etats sind bekannt. Die Hauplzahlen seien nochmals wiedergegebeu: Balancierung: 2565,1 Millionen Mark, 2296,5 davon auf den ordentlichen, 268,6 auf den außerordentliche» Etat entfallend. Gegenüber dem Etat von 1906 werden 167,7 Millionen mehr gefordert; von diesen Mehrkosten entfallen auf den Postetat 40,1 Millionen infolge Beamten vermehrung, auf den Etat des Reichsschatzamtes 27,2 Millionen (höbere Dotierung des Fonds sür die Witwen- und Waisen versickerung), aus den ReichSetal 17,2 Millionen (Erhöhung der Naiuralverpflegung und Gelvverpflegung, Steigerung der AuörüslungSkosten). Der Rest entfällt auf die übrigen Etats. tb. Die beiden fndwestafrikanischcn RachtragSetnl» für da» Jahr 1000, die dem alten Reichstage bereits Vorgelegen batten, sind dem neuen Reichstage zugegangen. Der erste Nachtragsetat fordert 29220000 --e für Ausgaben auS Anlaß des Eingeborenenausstandes. Für die bereit- auS- gegebenen Mittel fordert die Regierung vom Reichs tage nachträglick Indemnität. Nach dem Nachtragsetat sollen Ende Märr noch etwa 8000 Mann in der Kolonie stehen, während 4000 Mann seit Oktober 1906 beimgesandt worden sind. Die für daS Jahr 1906 bewilligte» 77 600 000 haben nicht ausgereicht, so daß eine Nach bewilligung erforderlich war. D,e HeimsenduagSkosten hatten sich höher gestellt als zunächst angenommen war. Der Nachtragsetat war bekanntlich ' der Grund zur Auslösung des alten Reichstags gewesen, da er ihn glatt abgelehnt batte. — Der zweite Nachtragsetat sordert 8 900 000 zur Fortführung der Eisenbahn Lüeeritzbucht-Aus (Kubub) bis KeetmanShoop als erste Rate. Diese Vorlage war von der Budget kommission des alten Reichstags im Prinzip genehmigt worden, aber mit der Maßnahme, daß die Kosten für die Bahn in Form eines der Kolonie zu gewähren den DarlehnS aufgebracht werden sollten, daS die Kolonie in bestimmten Raten zurückzuzahlen habe. Die Regierung bat diese Maßnahme jetzt akzeptiert und hat dem Reichstage einen besonderen DarlehaS-Gesetzent- wurf vorgelegt. Dem Nachtragsetat sind die bereit- bekannten Denkschriften, die den Bau nach militä rischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte» begründen, beigegeben. Wenn die Bahn bereits im Dezember bewilligt worden wäre, so hätte der Bau jetzt schon rn die Wege ge leitet werden können und wesentliche Ersparnisse halten gemacht werden können. Die Bahn bringt gegenüber den Landtransporten eine monatliche ErlparuiS von 2 080 000 Die Auflösung des Reichstags hat den Baubeginn um 3 Monate hinauSgeschoben, so daß dadurch 6 Millionen Mehrausgaben entstanden sind. * vülnw nutz Arzberger. In den vom „Bayerischen Kurier" veröffentlichien Briefen aus dem Flotteuverein war auch von den Wahlbroschüreu die Rede, die von diesem Verein aus verbreitet wurden uud deren eine sich „Lügen de« Herrn Erzberger" betitelte. Aus Bemerkungen de« General major- Keim hatte Abg. Erzberger geschlossen, daß bei der Wahl dieses ihn beleidigenden Titel» der Reichskanzler Fürst v. Bülow beteiligt gewesen sei, und diesen brieflich um Auf klärung ersucht mit dem Hinzujügen, daß er gegen die Be leidiger vorzugehen beabsichtige. Darauf ist ihm der „Ger mania" zufolge nachstehende Antwort zugegangen: „In Erwiderung Euerer Lockwoklgeboren nefl. Schreiben» vom ,8. d. Nt. kann ich nur auf die Erklärung der „Nordd. Allg. Zeitung" I Nr. 35 vom 10. d. M. «rgebenst Bezug nedmen. Eine Beraut- l worlung sür di« von Jhurn erwädnte Broschur«, di« mir bi» deute I noch nicht bekannt ist und deren Titel mutz ich ablehnru. Sollt«
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