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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070221016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907022101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907022101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-21
- Monat1907-02
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stlr Leipzig mid Vororte: I« der Haupd» Expedition »der deren Ausgabestellen ad» geholl monatlich: Aulaab« (1 mal täglich) 70 PO Aadgabe ö Lmal täglich) 80 Pf, bei Zustellung int Haut Autaadr 80 Pf, Ausgabe 11 l Mark. Durch nufere au»« »Srligen Ausgabestellen und durch die Post '.«zogen (1 mal täglich)innerbalb Deutlchland- ii-.onatlich l Mark auSjchl. Bestellgebühren, sür Leslerreich-Ungarn KL45K vierteljährlich, die übrigen Länder laut ZetluuaSprejSliste. Liefe Nummer kostet aus ä äb 4k I? allen Bahuhdsea und bet III ^I den Zeitung«.BerkSoser» ' «rdattion und ErpedUt»»: IohanuiSgafle 8. Telephon Nr. lük Slr. 2L2, Nr. U7S. vrrltuer Nevattiout-Vurea«: Berlin KVs. 7, Prinz LouK Ferdtnasd- Straße 1. Telephon i, Nr. SL7L. MorgeN'Airdkabe 8 NipMer TWeblalt Handelszeitung. Ämlsvlatt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 52. Donnerstag 2l. Februar 1907. Aitzeiaen-Pret- di» Sgespaltene Petttzeilr sür teteschäir«» iuserate an» Leipzig und Umgebung Lö Pf„ Familien^ Sohnnngd- u. ktellen-Anzeigen, sowie An- und Berkäuse LO Pf, finanziell, Auzrigea 80 Pf, für Inierate von au«märt» SO Pf. Reklamen 7ü Pf, au-ivärtS 1 Mark. Beilage- aebühr 4 Mark p. Tausend exkl. Postgebühr. GefchäftSanzrigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarik. IürJnierate vom AuSlande besondererTarik. Anreigen-Ännadme: Auguftnsplalz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- ExpedUioaea de« In- und Au-lanves. Für da« Erichetnen an denimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. FestertriU« Aufträge kännen »icht zurück, gezogen werden. HtMdt-Filiale Berlin: LarlDun cke r.tzerzgl-Bayr.tzofbuchband'.g. Lüdowstratze lO (Tel. Vl, 46« >8. Filtal»u rveottt»«: IreSden. Marienir 34. 101. JadMng. Var ivichtsgrte vsm läge. * Der Reichstag wählte gestern zum Präsidenten den konservativen Abg. Grafen Stolberg, zum ersten Vize- präsidenteu den nationalliberalen Abg. Dr. Paasche und zum zweiten Vizepräsidenten den freisinnigen Abg. Kämpf. (S. d. bef. Art. u. ParlamentSber. 2. Beil.) * Der Reichstag setzt seine Beratungen erst am Montag fort und zwar mit der ersten Lesung des Etats. * Die zweite hessische Kammer wird am 27. Fe bruar zusammentreteu. * Ei« Kongreß der deutschen FriedevSgesell- schäft findet am S. Marz in Eisenach statt. * Der Rat der Stadt Leipzig hat beschlossen, gegen di« ablehnende Entscheidung deS Ministeriums in der Einverleibungsfrage vorstellig zu werden und eventuell die Angelegenheit an den Landtag zu bringen. lS. Sladtverordnetenbericht.) * Die Leipziger Stadtverordneten nahmen in ihrer gestrigen Sitzung die Ratsvorlage wegen Ueber - nahmederStraßenreingungdurchdieStadt- gemeinde an. lS. Sitzungsberichts * Am gestrigen Tage feierte der Norddeutsche Lloyd sei« LOjährigeS Bestehen. (S. letzte Tel.) * Die ,Nordd. Allg. Ztg.* schreibt: Die durch das Erd beben auf Jamaika geschävigten Personen deut sche« Namen« sind der Uhrmacher Förster, Juwelier Milke, Kaufmann Wessel« in Fa. Wessels Bros, und von Goatard, sowie der umgekommene Händler Steinke. * Aus verschiedenen Teilen Deutschlands werden Sturm und Schneetreiben gemeldet. Auf der Nordsee unv dem atlantischen Meer wütet eia heftiger Orkan. Der französische Kreuzer „Jeanne d'Arc* soll au der afrikanischen Küste gesunken sein. (S. Neue« a. a. W.) * Während in Rußland der Siegeslauf der Demo kraten bei den Dumawahlen fortdauert, bat in Warschau wie in ganz Pole» die nationale Partei gesiegt. (S. AuSl.) * Die norwegische Regierung führt eine neue, von der dänischen verschiedenen Orthographie ein. (S. Ausl.) Vie präKclentenwabl. * Berlin, 20. Februar. (Tel.) Die ältesten Parlamentarier sind sprachlos vor Über raschung. Von 3S7 ReichStagSwahllreisen waren am Diens tag im Reichstage 383 vertreten. Berücksichtigt man noch, daß einig« Abgeordnete doppelt gewählt worden sind, so steigt der Anwesenheitsprozentsatz inS Fabelhafte. Ja, die Diäten l Der Sitzungssaal war zu Zeiten so voll, daß der Verkehr sehr erschwert war. Man sicht jetzt deutlich, daß auch die räumlichen Verhältnisse ursprünglich gar nicht auf einen voll besetzten Reichstag eingerichtet worden sind. Ein Glück war e«, daß die „neuen Männer*, in der leichten Befangenheit des sür sie historischen Moment«, seß hafter zu sein pflegen als die Habituss. Sonst wäre das Gewimmel leicht zum Gewühl geworden. Auch so war es nicht leicht, sich zu orientieren. Die Polen sind auf die Oppositionsseite des Zentrums verwiesen worden und sitz.n nun in nächster Nähe der Nationalliberalen, mit ihnen sogar in einem Segment. Die Sozialdemokraten süllen längst ihre Abteilung nicht mehr und haben dem Freisinn schmerzerfüllt beinahe die Hälfte ihrer Plätze räumen müssen. Es ist Tra dition im Hause, daß die neuen Mitglieder der Fraktionen zunächst die Hinteren Reihen besetzen und sich die vorderen Plätze erst ersitzen müssen. Infolgedessen saßen auch unsere bürgerlichen Sachsen nicht vorn, was sie hoffentlich nicht bindern wird, sich recht bemerklich zu machen. Sie wurden sämtlich sehr freundlich begrüßt. Die Spitze der national- liberalen Fraktion bilden Bassermann und Baron v. Hehl, eine besonders in sozialpolitischer Beziehung pikante Fügung. In den Reihen der Freisinnigen wurden mit besonderer Auf merksamkeit die Herren Nauman n, der Doppelmandatar Eick- hoff, der Präsidentschaftskandidat Stadtällester Kämpf, der Pöplau-Verteidiger Ab laß bedacht, während rm Zentrum, die Herren Erzberger, Röhren, Spahn, Hertling und Müller-Fulva besondere Aufmerksamkeit genoffen. Auf der rechten Seite de« Hause« wurden die Herren Graf Stolberg, der Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg und General von Liebert viel beachtet. Die Präsidentenwahl selbst ergab keinerlei Ueberraschung, da die Abgeordneten sich mit wenigen AuSnabmea an die fraktionellen Abmachungen hielten. Graf Stolberg wurde mit 2l4 Stimmen erster, Paasche mit 20S Stimmen zweiter, Kamps mit 2tS Stimmen dritter Präsident. Daß auch unter den Abgeordneten unverbesserliche Witzbolve sind, und infolgedessen Schrader und Singer, Bebel und Gras Bothmer, Trimborn und Korsanth je eine Stimme oder gar ihrer zwei erhielten, kann nicht überrasche«. Lunt paart pusrl . . . Graf Stolberg nahm sein Avancement in guter Vor bereitung an und verla» mit lauter Stimme seinen Daak sür die Wahl. Er prie« die Qualitäten sei»«« Vorgänger«, der gräfliche« Exzellenz Ballest«», und versprach ein unparteiliches Regiment und stramme Vertretung der Würde deS Hauses. Es wird gut sein, wenn er sich dieses Versprechens auch bei Gelegenheiten, wie Haussuchungen rc. erinnert. An seinem guten Willen zweifelt im übrigen kein Mensch. Doch wird er in tech nischer Beziehung sich Wohl noch entwickeln müssen» wenn er den Platz so aussüllen will, wie seine Vorgänger. Im übrigen liegt die Bedeutung der Wahl in der Konstatierung, daß die nationale Majorität heute über annähernd 220 Stimmen verfügt. preiittirche Siinüen. Fürst Bülow hat einmal (lang, lang ists her, und der Fürst war noch «in Graf) das sagenhaft anmutende Wort von dem homogenen Ministerium gesprochen. TaS sollte so etwas wie ein gouvernementalcs Programm sein. Also schon bedenklich. Und richtig ist Herr v. Studt noch heute preußischer Kultusminister. Uebrigens mit Recht Denn die spezifisch preußische Regierungskultur kann gar nicht besser repräsentiert werden als durch Herrn v. Studt, dem wegen der taktischen Verdienste Althosfs um die Schulvorlage in den preußischen Adelstand Erhobenen. Das Wirken dieses ManneS zu verfolgen ist peinlich, aber unabweisbare Pflicht. Denn nur dann gelangt man zum richtigen Verständnis der politischen Möglichkeiten in einem Staat, wenn man auch seine kulturellen Kräfte und Tendenzen zu schätzen weiß. Ins- besonder« ist die zurzeit viel erörterte und auch wirklich wichtige Frage: Weshalb mußte der Kampf gegen das Zentrum mißlingen? zutreffend nur zu beantworten, wenn man die geistige Verfassung der attackierenden Staatsgewalt kennen gelernt hat. Hier sieht man auch deutlich die intimen Zu sammenhänge von preußischer Staats- und deutscher Reichs politik, womit auch die einfache Erklärung für die Aufmerk samkeit gegeben ist, die man in der nichtpreußischen Welt Herrn v. Studt widmet. Gleich bei zwei Gelegenheiten konnte der preußische Minister des Geistes in diesen Tagen offenbaren, wes Geistes Kind er ist. Für Eingeweihte bot die dabei kon statierte geistige Verwandtschaft des Ministers mit dem seligen Raumer freilich kein« Ueberraschung. Aber die Tat sache an sich ist doch immer bestaunenswert. Dazu >ommt, daß der Minister in seinen sonstigen Qualitäten auch keine Erklärung dafür bieten kann, weshalb aus den vielen De- rufenen gerade er auserwählt worden ist, es sich auf dem preußischen KultuLministersessel bequem zu machen. Es müßte denn sein, daß man ihn in dem korrekten Preußen ge nommen, weil er so gar nichts Bestechendes an sich hat. Item — Herr v. Studt vertritt nach Kräften die preußische Kultur. Und wenn er ihr nicht anders mehr beikommen kann, so setzt er die Bremse an. Im preußischen Abgeordnetenhause, dem wohltemperierten, will es schon etwas heißen, wenn ein Minister sich so heftigen und prinzipiellen Angriffen aus- gesetzt sicht, wie das Herr v. Studt wegen seines Brems erlasses passierte. Die Nationalliberalen interpellierten ihn und der Abg. Schiffer, nebenbei bemerkt kein Liniier, hielt eine ausgezeichnete Rede, die dem Lehrerstande gerecht wurd« und von der Regierung weniger Empfindlichkeit und mehr Empfindung für die wahren Bedürfnisse des Volkes ver langte. Und was hatte Herr v.. Studt dagegen abzulescn? O, mehreres. Der Erlaß solle der Erzielung einer größeren Gleichmäßigkeit in der Lehrerbesoldung dienen und der Land flucht der Lehrer wehren. Und der langen Lektüre kurzer Sinn: Weil die preußischen Landlehrer jämmerlich bezahlt werden, soll es ihren Kollegen in den Städten nicht zu gut gehen. Dafür können sich nun die armen Schulmeister aus dem Lande was kaufen. Aber die sachliche Unzulänglichkeit der v. Studtschen Erwiderung ist nicht einmal das Charakte ristische an dem parlamentarischen Ereignis. Das Blamabelste ist die völlige Hilflosigkeit, in der Herr v. Studt sich mit Hohn und Spott überschütten ließ. Man sollte meinen, auch die dickste Epidermis müsse noch einiges Gefühl vermitteln können. Herr v. Studt liefert den Beweis für das Gegen teil. Man lese folgenden Ausschnitt aus der v. Studtschen Erklärung und beachte die Zwischenrufe: Der Abg. Schiffer hat dann noch über den Lehrermangel gesprochen. Ich behalte mir vor, später darauf zurück zukommen. (Zuruf link«: Aber erst aufschreiben lassen! Große Heiterkeit.) Jedenfalls verwahr« ich mich dagegen, daß ich für den Lehrermangel verantwortlich gemacht werde. Die Verhaltungsmaßregel, die der Abg. Schisser mir zu mach«n sich gemüßigt gefühlt hat, lehne ich entschieden ab. (Beifall rechts.) Aus den anonymen Schimpfereien in der Presse muß ich entnehmen, daß sie von gebildeten Leuten ausgehen, und ich muß meinem Bedauern Ausdruck geben, daß so etwas in unserem Vaterland« vorkommt. Das ist charakteristisch für die ganze Beweaung. Und eines Hal der Abg. Schiffer verschwiegen. Die Art und Weise, wie ich in öffentlichen Versammlungen angegriffen bin, und zwar in Versammlungen, die von seiner Partei einberusen sind. Da hat man gesagt: Der Kultusminister muß den Erlaß zurück ziehen oder vom Amte zurücktreten. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Man hat weiter gesagt: wir haben das Vertrauen verloren. (Er- neuteS Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Ich will aber hierüber hinwegsehen in d«r Hoffnung, daß der weitere Verlauf der mir am Herren liegenden Lehrer- besoldungSfrage mein Vorgehen rechtfertigen wird. (Bei fall rechts. Zischen bei den Nationalliberalen und Frei sinnigen.) Ist daS nicht köstlich? Herr v. Studt hat das Vertrauen verloren, will aber darüber hinwegsehen. Mit ähnlicher Respektlosigkeit ist seit undenklichen Zeiten kern preußischer Minister im preußischen Parlament behandelt worden. Wobei zu bedenken, daß die ganz« Linke geschloffen in der O-position gegen Herrn v. Studt steht. Und das sollte hier gezeigt lverden: Nach diesem Vorgang ist zu bezweifeln, daß ein preußischer Minister sich überhaupt noch unmöglich machen kann. Der preußischen Regierung wohnt eine Wurstigkeit (es gibt kein andere« Wort dafür) iaa«, so lange es sich „nur" 1 um die öffentliche Meinung handelt, daß die Bezeichnung ab- I solutistisch dafür noch sehr milde ist. Vielleicht ist seine Un- I zulänglichkeit sogar deS Ministers Glück. Denn ohne sie nicht die Angriffe. Und ohne diese könnte nicht bestimmt werden: Nun gerade nicht. Und was soll man zu dem „Beifall rechts" sagen? Echt konservativ. Ein anderes Bild aus demselben Hause. Die National- liberalen machen sich zu Sprechern des so ziemlich vom ganzen Parlament geteilten Wunsches, bei der ungewöhn lich günstigen Finanzlage Preußens und den teuren Zeiten möchte «ine Regelung der Bezüge der Staatsangestellten vor genommen und zur Beratung der Materie eine besondere Kommission eingesetzt werden. Der Finanzminister Frhr. v. Nheinbaben antwortet mit gewohnter Eloquenz. Aber was! „Wollen wir jetzt wiederum zu einer generellen Auf besserung schreiten und rechnet man die unvermeidlichen Kosten kur die Lehreraufbesserung dazu, so sind mindestens 100 Millionen Mark notwendig. DaS würde ein« Er höhung der Einkommensteuer um -bO Prozent bedeuten. (Hört! Hört! und Unruhe.) Abgesehen von diesen finan ziellen Bedenken habe ich noch em wichtigeres. Meiner Ansicht nach muß die Negierung entschiedenen Wert darauf legen, daß sic bei der Frage einer Aufbesserung der eigenen Beamten ihrerseits die Initiative ergreift. (Beifall rechts) Wir dürfen nicht zugeben, daß die Fürsorge sür unser« Staatsbeamten in der öffentlichen Meinung als Akt des Parlaments und nicht als Akt der Negierung hingestellt wird." (Beifall rechts.) Das Steuergespenst zu bannen, ist kein« Hexerei: Denn der Finanzminister konnte die 50 Prozent nur herausrechnen, wenn er alle Anforderungen der preußischen Eisenbahn betriebsverwaltungen, also Bahnhofsbauten und Material anschaffungen, aus den laufenden Mitteln bestreiten will. Aber dann achte man auf ^ie zarte Berücksichtigung der öffentlichen Meinung. Die Beamtenfürsorge darf nicht als Akt des Parlaments erscheinen. Natürlich Beifall der ihrer eigenen Abgeordnetenwürde spottenden Konservativen, und der Antrag wird abgelehnt. Bedarf es noch eine« Beweises, daß der preußische Parlamentarismus auf der Höhe der Zeit und absolut nicht reformbedürftig ist? Um mit einem dritten Beispiel zu dienen: Der Staat ist Besitzer des im Liede von der Holzauktion unsterblich ge wordenen Grunewaldes, den die Berliner nötig haben wi« das tägliche Brot. Deshalb läßt die preußische Forstver- waltnng ff-me'- einen Streifen des Waldes nach dem andern parzellieren und zu Geld mrchen, angeblich um damit Lan deskulturausgaben in anderen, östlichen Gebieten der Monarchie, zu erfüllen. Freilich wurde sogar von konser vativer Seite aus eingeworfcn, dafür werde das Parlament immer Gelder bereitstellen. Aber das verschlug nichts. W-nn die Berliner den Wald haben wollen, so sollen sie ihn kaufen, die Wasserköpfe. Er soll rund eine Milliarde kosten. Mehr nicht. Im übrigen soll der fiskalisch« Wald gar nicht ganz abgeholzt werden, sondern nur zum Teil. Na also. Daß im übrigen die Stadt Berlin aus eine Kaufanfrage wegen de« Grunewaldes vom Landwirtschastsministerium, daS damals noch Herr von Podbielski verwaliete, ohne Antwort geblie- den ist, paßt sehr hübsch in den Rahmen dieser Staatsfür- forge für die Städter. Eine Frage: Was geht überhaupt dem Forstfiskus die Gesundheit der Stadt Berlin an? Die Moral aus den Geschichten zu ziehen, ist nur sehr robusten Naturen zu empfehlen. Auch in anderer Be ziehung lst das Unterfangen nicht ungefährlich. Vie Wcbrnkeinäe. Die Trennung von Kirche und Staat ist eine alte For- dcrung des Liberalismus. Aber auch die ultramontane Partei steht dem Gedanken nicht nur nicht grundsätzlich feindlich entgegen, sondern zieht die reinliche Scheidung der beiden großen Organisationen auf alle Fälle staatlichen Ein mischungen in die kirchliche Sphäre vor, die bei einer Ver bindung nicht zu vermeiden sind. Hat doch selbst das katho lische Oesterreich nicht immer in Rom eine gute Zensur er kalten: von den Zeiten Karls V. an, der mit dem Statt halter Christi so unsanft umsprang und in seinem Rom die meist ketzerischen Landsknechte nut einer Barbarei Hausen ließ, daß es die Vandalenhorden König Geiserichs beleidigen hieße, wollte man sie mit den Kindern des 16. Jahrhunderts vergleichen — bis zu unseren Tagen, wo Wien die Wahl Nampollas durch sein Veto zu verhindern sich erkühnt hat. Mit der amerikanischen freien Kirche im freien Staat findet sich Rom mehr als gut ab. Aber Verlust der Kirchen güter und staatliche Einmischung: was zu viel ist, ist zu viel. Zwar hat man auf die lächerliche polizeiliche Anmel dung der Messen und Predigten jetzt verzichtet, indem man aleichzeitia diesen Zopf des Polizei taates allgemein abgc- schnitten hat. Aber statt wenigstens die „Gotteshäuser" ohne Markten und Feilschen um kleinliche Äesetzessormalitäten Gott zu lassen, dessen Namen sie verkünden, wenn nun ein mal die Priesterwoknungen, die frommen Stiftungen usw. vom Nimmersatten Fiskus verschlungen werden sollten aus Grund recht bedenklicher Rechtskonstruktionen, soll unbedingt vor jeder Kirche, vor jeder Kapelle der Getzlerhut ausge- pflanzt und der politischen Gemeindehoheit Reverenz er wiesen werden. Damit sind aber die Herren Radikalen noch nicht zu frieden. Schon war von Anträgen die Rede, daß die Nutz nießung der Gotteshäuser durch die Kirche nicht eher von den Gemeinden zugestanden werden soll, als bis daS Be dürfnis nach Schulgebäuden befriedigt ist. Am liebsten wurden sie an einem Tage sämtliche Kirchen Frankreichs schließen und den christlichen, wenigsten« den katholischen Kultus uniersagem wie Kaiser Diocletian durch das Edikt von Nikomedia. Sie selber haben mit aller Religion ge- brachen, glauben daS wenigstens. Da aber da« menschliche Gemüt nun einmal mit e,ner unzerstörbaren Anlage zur Religion von der Natur begabt ist, so schasst eS sich slug« eine neue Religion, wenn es die alte verliert, und erhebt die absolute Staotssouveränität, den Leviathan Hobbes, zum Range emes Dogmas und bildet sich eine neue Kirche, deren Heilige Comte, Marx s tntti quantü werden. Sie spielen d,e Freidenker und entpuppen sich al- die ärgsten Freiheits- feinde wie Bnand vorgestern so richtig bemerkt hat. Sie brutalisieren die Ketzer am StaatSdogma, wie der spanische Philipp die Zweifler an der orthodoxen Hirchenlehre. crc. »r L*"' »ar diokletianischen Verfolgung des Christeatum», habe« es ,«»« herrliche» Freidenker Frank. reichs noch nicht gebracht. Aber rechtlich hat man d.'.i Kircheneigentum, auch das an den Gotteshäusern, sequestri.:: und ist nur geneigt, einen Bittbesitz der Kirche zuzuacsie! .. Nein, nicht der Kirche! Von der Existenz einer K i r c'a . will man überhaupt nichts mehr wissen. Während u:i!..e deutsche Gesetzgebung endlich das Koalitionsrecht polnischer und sozialer Vereine legitimiert Kat, wird die kirchliche Hierarchie in Frankreich offiziell als nicht existierend behan delt und soll durch die Geietzgebungin die Atome örtlicher Gemeinden aufgelöst werden. Ter Papst wird in Minister reden als ein zufällig in Rom lebender angesehener Privat mann, mit Namen Sarto. bezeichnet, die Kardinale heißen Monsieur oder Citohen Richard usw. Alle Kindereien der Danton-Zeit sind wieder ausgelebt. Dabei möchte man aber doch gern den bürgerlichen Frieden erhalten. Und auch die Kirche wünscht ibn, weil sie einem Kriege mit Frankreich sich nicht gewachsen dünkt, vielleicht mit Recht. Es ist ung.aublich, was Rom in Frank- reich über sich ergehen läßt. Gegen die rauchenden Trümmer der preußilchen Maigesetzaebung wird noch immer in jeder EtatSdebatte Sturm gelaufen. Mit der französischen Konfis- kation des Kircheneigentums ist man bereit, sich abzufinden, wenn der Staat nur eine Notbrücke bereitstelll! Das ist jetzt geschehen. Der Staat oder vielmehr der Minister Vriand ist mit dem Kardinal Richard in Verhand lungen eingetreten. Zwar nicht direkt, sondern durch Ver mittlung des Seine-Präfekten. Man sucht nach einer For mel für einen mockus vivencki. Gefunden Kat man sie noch nicht. Selbst das Nutzniesiunqsrecht an den gottesdienst lichen Gebäuden ist zunächst bloß auf 18 Jahre zugestanden, und immer bleiben auch während dieser Zeit bei jedem Pfarrerwechsel die Katholiken der Willkür aller Dorf tyrannen preisaeaeben. Es ist kaum zu glauben, daß dre Kirche einer solchen prekären Stellung sich unterwerfen wird. Auch das durchzudrücken, hat schwere Kämpfe gekostet im Ministerrat und in der Kammer. Clemenceau und Briand betraten den Sitzungssaal Arm in Arm. Aber jeder mann weiß, daß der Riß zwischen den Kollegen nur not dürftig überkleistert ist. Und in der Kammer lauert der aste Combes auf den Nibelungenhort und erwartet sehnsüchtig, daß Siegfried und Jafner beide sich umbringen. Deutsches Deich. Leipzig, LI. Februar. * Tie dentsche Thronrede und das Ausland. Bei der Besprechung der deutschen Thronrede sagt das »Wiener Fremd en blatt": Diejenigen fremden Beurteiler, die sich beeilt haben, den Ausfall der Wahlen tendenziös al» eine« Sieg deS Chauvinismus hiuzustellen, werden gestehe« müssen, daß die Thronrede zwar ein vollkräftiqer Aus druck deS NationalgesühlS, aber vor allem eioe Ver kündigung der Einigkeit von Kaiser und Ratio« und ein Aufruf zur Arbeit sür das Wohl aller ist. DaS »Neue Wiener Tagblatt* führt auS: Au« der Thronrede tönt als Leitmotiv die Genugtuung über de« Sieg der nationalen Forderungen und damit zugleich über die sozialdemokratischen Verluste. Die »Oesterreichische Volkszeitung* schließt ihre AuSsübrungen wie solgt: 9« der fast eidlichen Erklärung des deutschen Kaiser-, daß aa die verfassungsmäßigen Rechte nicht gerührt werde, in der feierlichen Veikündigung, daß die soziale Fürsorge-Gesetz gebung keinen Stillstand ersahreu solle und in der ruhige« Versicherung, daß der Friede auch weiter den Fleiß deS deuiichen Volke- schützen Werve, liegt der Kern unv die Bedeutung der Thronrede: sie kann in die Worte zusammengefaßt werden: Freiheit, Friede, Wohlfahrt. Das „Vaterland* lagt: der räsonierende Teil der Thron rede «ei mehr relrospeklivcr Natur, er vermeide Prophe- zeiungen und Versprechungen sür die Zukunft. DaS „Extrablatt* weist besonders auf die scharfe polemische Spitze gegen die Sozialdemokratie hin. DaS „Deutsche Volks blatt* bemerkt, die Thronrede stelle sich als ein außerordentlich gesch ckt abgesaßleS Dokument rar, das daS deutsche Volk mit lebvaster Freude begrüßen könne. * Ter Verband Tnchsischer Industrieller unv die Zchisf- fahrisabgabeii. Zu dem Bericht über die in Mannheim veranstaltete Versammlung, bctr. Proiesterhebung gegen die Einführung von Abgaben auf schiffbaren Flüssen, wird nns mitgeteilt, daß der Verband Sächsilcher Industrieller, welcher zu dieser Berlammlung in Mannhe m ungeladen war, zwar infolge der Vorbereitung zu feiner Generalversammlung niä t an der Berlammlung teilnebmen konnte, jedoch der präsi dierenden Kammer Mannheim ein Schreiben übericich:«, in welchem er feine vollste Sympathie für die in der Kni r- gebung zum Ausdruck gebrachten Bestrebungen zur Au recht- erhaltung der Adgabensreikelt reulscher Sirönre ausiviach * Der Ausbau des Minenwescns. Als durch den rnffisch- japanischen Krieg die gewaltige Bedeutung der Minen ,ur den Hafen- und Küstenkrieg Len Völkern eindcaesuuk vor Augen geführt worden war, zog die deutsche Marineoerwal- turg unverzüglich die notwendigen Konsequenzen, indem sie die Schaffung eine: Reihe Einrichtungen beschloß, nm unsere Marine nach Möglichkeit vor solchen Vorgängen, wie sie Rußland und Japan gleichermaßen getroffen haben, zu bewahren. In den letzten beiden Jahren ist in dieser Be ziehung schon vieles geschehen. Die Bildung einer Minen kompagnie, die Formierung einer Minensuchdivision, der Bau von Minendampfern und Minenlegern ist schon auSge- führt worden. Als Zentralpunkt für das Minenwesen wurde Cuxhaven ausersehen, das nach seiner Lage und Bedeutung auch der geeignetste Punkt für den Minenbetrieb ist. Tie inzwiscl>en gswonnenen Erfahrungen haben die Notwendigkeit der Bildung eines SpezialkorpS für Minenwcsen voll be stätigt. Um nun die neuerwachsenen bedeutungsvollen Auf gaben auch im ganzen Umfange erfüllen zu können, ist eine Personalvermehrung vorgesehen. Die Minenkomvagnie soll in diesem Jahre auf den doppelten Bestand gebracht und in eine Minenabteilung umgewandelt werben. Weiter ist die Erweiterung des Minendepots in Cuxhaven, die Verstärkung der Unterwasserverteidigung der Elve, die Aenderung der veralteten Torpedos her Küstenverteibigung und die Be schaffung von Schutzsperren vorgesehen. Diese kurzen An gaben zeigen deutlich, daß das Minenwesen allmählich zu einem bedeutungsvollen Faktor in der maritimen Krieg führung h«ranwachst und daß die früher ost gehörte itte- hauotung, Minen seien nur ein« sehr untergeordnete Ber- teidt-uugswaffe, kein« Geltung -al. S« handelt sich keines-
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