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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070222018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907022201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907022201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-22
- Monat1907-02
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e. »t. »4L.7» » »N. »tt. 4 »14,40 «1/— ISL.— IVV^LV E -->rx»7 '»-.TV»' - V .^'TP- "-7 V- Bezuas'Preis fkr Leipzig n»d Vorort«: I» der Haupt- SrpediXon oder deren Au-gabesiellea ab- geholt monatlich: An«gabe ck ll mal täglich) 70 Pf., Ausgabe v ,2 mal täglich) 80 Ps^ b«i Auslellaag iu« Ha»« Au«gade ck 80 Pf., ÄuSgabr v l Mark. Durch uaserr aa«- wärligen Ausgabestellen and durch die Post bezogen (l mal täglichltanerdalbDeutichlaads monatlich l Mark aatlchl. Bestellgebühren, für Qeslerreich-Ungarn 5 kl 45 b vierteljährlich, die übrigen Länder laut Aeitungsprri-liste. Diese Stummer kostet auf Sät rN? aüea Bahnhöfe» and bei III rltzl den Heftung«.Verkäufer» Vedalttou und türoedttio«: Johanai-gasfe 8. Telephon Str. 153, Nr. 222, Nr. 117L Berliner Aedatttons-Bureau: Berlin biV?. 7, Prinz Laut- Ferdinand- Strage L. Telephon I, Nr. 9275. Morgen-Ausgabe L. MWM.Tageölaü Handelszeitung. Amtsblatt des Nates «nd des Nottzeianrtes der Ltadt Leipzig. Anzeiqen-PreiS die «gespaltene Petit zelle für Geschäft«. Inserate au« Leipzig und Umgebung LL Pf„ Familien-, Wohnung«- n. Stellen-Aazeigen. jowi« An« uud Verkäufe 20 Pf, finanzielle Anzeigen 30 Pf, für Inserate von auSwLrt« 30 Pf. Reklamen 7K Pf, auSwLrt« 1 Mark. Vellage- gebühr 4 Mark p. Taufend exkl. Postgebühr. Geschäftsanzeigen au bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Für Inserate vom Ausland« besonderer Taris. Aa»eigeu.«unadme: AuguftuSPlatz 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoumn- Expeditionen de« In- und An-lande«. Für da« Gricheinen au bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Festerteilt« Aufträge können uicht zurück, gezogen werden. Ha «Pt»Ftli«le Berlin r TarkDuncker, Herzgl-Bavr^osbuchdandlg.. Lützowslrab« lO (Tel. Vl, 4603'. Fllial-^rvedttt««:TreSden.Marienstr.L1. Nr. 53. Freitag 22. Februar 1907. 101. Jahrgang. Var Aicbtlgrte vom lagt. * König Friedrich August hat gestern abend Leipzig wieder verlassen. (S. Ber.) * Gestern früh ist infolge eines Schiff-bruckS in der Nähe von Hoek van Holland der Dampfer .Berlin* gesunken. Es sind mindestens 14l Personen, darunter 21 Passagiere und unter ihnen 18 Mitglieder einer deutschen Operngesellschast ertrunken. (S. des. Art. u. Letzte Dep.) * Am gestrigen Taie fand in Coburg die Bei setzung der verstorbenen Prinzessin Klementine statt. .'S. Dischs. R.) * Im preußischen Abgeordnetevbause wurde gestern dre Debatte über das Berliner Nachtleben fort- gesetzt. Heute steht die freisinnige Interpellation über daS Grubenunglück in Reden auf der Tagesordnung. (S. DtschS. R.) * Oberbürgermeister Morueweg in Darmstadt teilte in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten- Versammlung mit, daß ihm die hessische Negierung im An'chluß an die bekannte Mannheimer Protest versammlung zugesagt habe, Hessen werbe im Bundes rat gegen die Schisfahrtsadgaben fest blerben. * Die tranSvaalischen Wahlen brachten der pro- gressistischen (englischen) Partei eine starke Minori tät. — General Botha wird al- Ministerpräsident bezeichnet. (S. AuSl.) * Die Bande Ferreira- wurde zum Tode verurteilt. Der Ber'uch der Angeklagten, die deutschen Behörden al- Anstifter vorzuschieden, wurde vom Gericht ab gewiesen. (S. AuSl.) * Infolge de- Hungerstreikes der verhafteten ruthe- oischen Studenten in Lemberg hat die Regierung eine Beschleunigung de- gerichtliche» Verfahren- an geordnet. (S. AuSl.) * Die kretisch« Natioaal-Bersammlung ist gestern zu einer kurzen Sitzung zusammeugetretey. (S. AuSl.) ver Verba»- rScbrircber kn-urtrieller. Der Verband sächsischer Industrieller hielt gestern im Hotel Bristol zu Dresden seine diesjährige Generalversammlung ad, die insofern ein besonderes Interesse beanspruchte, als sie den Abschluß des ersten halben Jahrzehntes erfolgreicher Werbe» und Organisationsarbeit bildete. Der Besuch war daher auch außerordentlich stark, denn es waren nicht weniger als 200 Firmen aus allen Teilen Sachsens, sowie zahlreiche Vertreter angeschloffener und befreundeter Ver bände vertreten. Der Verhand sächsischer Industrieller hat alle Ursache, mit Befriedigung auf die ersten fünf Jahre seines Bestehens zurückzublicken, denn daS rasche Wachstum in bezug auf Mitgliederzahl und handelspolitische Bedeutung hat dank der Entwickelung des Weltmarktes und der wirt schaftlichen Kämpfe ohne Unterbrechung angehalten, so daß nach dem Neubeitritt von 1074 sächsischen Fabrikbetrieben, dem nur verschwindend wenige Austritte durch Erlöschen von Firmen usw. gegenüberstehen, jetzt 3024 Firmen mit über 300 000 Angestellten in sich vereinigt und damit einer der größten wirtschaft lichen Verbände Deutschlands' geworden ist. Als körperschaftliche Mitglieder sind dem Verbände im vergangenen Geschäftsjahr der Fabrikantenverein Hainichen, der Jndustrieverein für Reichenbach und Umgegend, E. V, der Verband WaldHeimer Stuhlfabri kanten und der Verband von Steinbruchsbesitzern in der Amtshauptmannschaft Pirna beigetreten. Die Hauptarbeit des verflossenen Geschäftsjahres lag naturgemäß auf sozialpolitischem Gebiete, das heißt in der Vertretung der berechtigten Interessen der Arbeitgeber gegenüber den gewaltigen Organisationen der Arbeiter, die die Unternehmer geradezu zwangen, zu Abwehrmaßregeln zu schreiten. Diese Abwehr mußte natürlich mit der gleichen Waffe geschehen, die den Arbeitern offensichtlich so vorzüg liche Dienste im Kampfe um wirtschaftliche Vorteile, um Fragen der Macht und des Prinzips geleistet hatte: die Waffe der starken, finanziell leistungs fähigen und rasch arbeitenden Organi sation. Diese Organisation war nötig, wie der Syndikus deS Verbandes, Reichstagsabgeordneter Dr. Strefe- mann, in seinem Dortrage über wirtschaftliche Zeit fragen in der auf die Generalversammlung folgenden Allgemeinen Versammlung betonte, gegenüber den gewaltigen gewerkschaftlichen Verbänden, die wirtschaftliche Fragen in unheilvoller Weise mit Parteipolitik verquickten und mit politischen Schlagwörtern arbeiteten, gegenüber den Handwerker- und Mittelstandsvereinigungen, die rasch zu ungeahnter Blüte «mporstiegen. Aus der Erkenntnis dieser Notwendigkeit heraus ist bekanntlich zunächst der Verband sächsischer Industrieller selbst entstanden, dessen rasches Wachstum die Gründung glänzend gerechtfertigt hat. Die scharfen Lohnkämpfe, die Zuspitzung der Gegensätze zwischen Unternehmer und Arbeiter, die zur Folge halten, daß der Unternehmer oft durch plötzlich vom Zaune ge brochene Arbeitseinstellungen schwer geschädigt wurde, legte» aber im verflossenen Jahre den Gedanken einer be sonderen Organisation nahe, die in Lohnkämpfen zur Unter stützung des Unternehmers auf dem Plane zu erscheinen habe. So entstand die schon längere Zeit vorbereitete Ge - 'ellschaft deS Verbände- sächsischer In dustrieller zur Entschädigung bei Arbeits einstellungen, die am 25. Mai 1906 gegründet wurde und am 1. Juni ihre Tätigkeit begann. Ihre günstige Ent wickelung hat gewiß auch den nicht unmittelbar Inter essierten bewiesen, daß dieser Gedanke langgehegten Wünschen entgegenkam, und daß die der Gesellschaft gegebene Form derartig den Bedürfnissen der weitesten Kreise an gepaßt ist, daß ihre stetige Weiterentwickelung sicher er scheint. Die in den Kreisen mancher Sozialpolitiker früher ausgesprochene Befürchtung, daß die Gründung der Streik entschädigungsgesellschaften zu einer Verschärfung der sozialen Gegensätze führen könne, hat sich nicht erfüllt, viel mehr hat die Leitung der Entschädigungsgesellschaft wieder holt Gelegenheit gehabt, eine große Anzahl Streiks im Ent stehen zu verhüten, und auch sonst ausgleichend auf bestehende Gegensätze zu wirken. Allerdings ist die Entschädigungs gesellschaft da, wo es sich um unberechtigte Aufzwängung von Machtproben seitens der Arbeiter handelte, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Entschädigung der be teiligten Unternehmer eingeschritten. Der Verband hat sich jedoch nicht auf die einseitige Interessenvertretung seiner Mitglieder beschränkt, sondern auf politischem Gebiete eine eifrige Tätigkeit entfaltet. So ist es bekanntlich seinen Bestrebungen zu danken, daß der sächsische Landtag sich in der letzten Session mit einem Ge setzentwurf der Negierung zu beschäftigen hatte, der der Industrie eine angemessenere Vertretung in der Ersten Kammer verschaffen sollte. Der Verband erwartet mit Bestimmtheit, doß die industriefreundlichen Mitglieder beider Ständekammern eine Reform der Verfassung in dieser Richtung erneut aufnehmen. Auch der Frage der Schiffahrtsabgaben hat der Verband sortgesetzt seine Aufmerksamkeit zugewendet, indem er alle Bestrebungen unterstützte, die sich darauf rich teten, die Abgabensreiheit der natürlichen Wasserstraßen auch fernerhin zu erhalten. Auf dem Gebiet der Reichs finanzreform hat der Verband gleichfalls Anstrengungen ge macht, um eine einseitige Belastung der Industrie zu ver hüten. Der Erfolg entsprach jedoch hier nicht den Auf wendungen. Alles in allem war der Verband jedoch auch im verflossenen Jahre in seinen Bestrebungen erfolgreich. — Die Generalversammlung wählte als ersten Vorsitzenden Herrn Bernh. Lehmann, i. Fa. I. M. Lehmann, Maschinenfabrik, Dre8den,A., und zum zweiten Vorsitzen den Herrn Paul Franke - Augustin, i, Fa. Sächs. Konservenfabrik Pool Augustin und Sächs. Margarinefabrik Paul Augustin - L e i p z i g. Durch den Tod auSgeschieden sind, wie seinerzeit erwähnt, Syndikus Paul Schulze und der Gründer des Verbandes Franz Hoffmann. Vier andere ausscheidende Mitglieder deS Vorstandes wur den wiedergewählt. Die Versammlung sandte an den deutschen Kaiser und den König von Sachsen HuldigungS- tclegramme folgenden Wortlauts: Sr. Majestät Kaiser Wilhelm, Berlin. Ew. Kaiser!. Majestät bittet der heute in Dresden zu seiner vierten Hauptversammlung zusammentretende Ver band Sächsischer Industrieller den Ausdruck ehrfurchtsvoll ster Begrüßung übermitteln zu dürfen. Insbesondere be grüßt der Verband in Ew. Majestät den erhabenen Be schützer und Förderer einer auf die Größe und Macht deS deutschen Volkes gerichteten Politik des Friedens, unter dessen Herrschaft sich die deutsche Volkswirtschaft zu un geahnter Blüte entfaltet hat und dessen fernere Dauer die vaterländische Industrie zum Wohle des gesamten Vater landes erhofft. Verband Sächsischer Industrieller Fabrikbesitzer Lehmann Dr. Stresemann Vorsitzender. Syndikus. Sr. Maj. König Friedrich August, Leipzig. Der heute in Sachsens Hauptstadt versammelte Verband Sächsischer Industrieller, der mit seiner heutigen General versammlung das fünfjährige Bestehen des Verbandes ver einigt und mit seinen mehr als 3000 Mitgliedern den größ ten Teil der sächsischen Industrie vertritt, entbietet Ew. Majestät ehrfurchsvollen Gruß und verbindet damit die ehrerbietige Bitte, Ew. Majestät möge der sächsischen In dustrie das bisher in so reichem Maße betätigte Wohlwollen huldvoll erhalten. Verband Sächsischer Industrieller Fabrikbesitzer Lehmann Dr. Stresemann Vorsitzender. Syndikus. In der auf die interne Generalversammlung folgenden allgemeinen Versammlung, der im Auftrage der Regierung der Ministerialdirektor Geh. Rat Roscher, Vertreter der Handelskammer und der Kaufmannschaft Dresden, General direktor Wendlandt im Auftrage des Bundes der Industriel len in Berlin beiwohnten, wies Kommerzienrat Collen busch, der die Grüße und Wünsche der Handelskammer überbrachte, darauf hin, daß die Industrie auf ihrer Hut sein müsse, da auf die jetzigen goldenen Zeiten wohl auch wieder solche folgen würden, in denen der Industrie nicht Gold, sondern nur Silber, vielleicht auch nur Kupfer in den Schoß fallen würde. Er hoffe aber, daß die jetzige gute Zeit noch lange andauern und daß die schlimmen Zeiten die sächsische Industrie nicht unvorbereitet finden werde. Der Vortrag des VerbandSshndikuS Reichstagsabgeordneten Dr. Stresemann über „Wirtschaftliche Zeit fragen" mußte naturgemäß vieles bringen, was in dem eben beendeten ReichstagSwahlkampf in Wort und Schrift eingehend behandelt worden ist. Er enthielt aber auch eine Fülle von Momenten von aktuellem Interesse. So ant wortete dem Redner lauter Beifall, als er nach einer schar fen Verurteilung der Fahrkartensteuer sich gegen den Plan des größten deutschen Bundesstaates wandte, durch Ein führung von SchiffahrtSabgaben nnter willkürlicher Auslegung der Reichsverfas sung die freien Ströme zu Kanälen mache» wolle. Er verurteilte auf das schärfste diese engherzige Politik und erklärte, die sächsischen Industriellen ständen überall auf dem Standpunkt des freien Verkehrs, deshalb sei der Verband auch für den Anschluß Leipzigs an daS Kanalnetz. Geueralsekretär Dr. Votberg-Reckow- Berlin sprach dann noch über: „DaS Interesse der sächsischen Industrie am ostasiatischen Markt". Er gab eia fesselnde- Bild von den kommerziellen Eigenschaften «nd Gepflogen heiten der Chinesen und Japaner, die aber keine besondere Nutzanwendung für sächsische Verhältnisse enthielten, son dern allgemeiner Natur waren. An die Versammlung schloß sich ein gemeinsames Essen. Vie stslomallisnkerenr. (Von unserem Londoner L-Korrespondenten.) Das liberale Kabinett hat soeben wieder einen großen parlamentarischen Erfolg davongetragen, den zweiten binnen Wochenfrist. Und noch dazu bei einem Anlaß, bei dem ihm die gesamte konservative Presse eine häßliche Bloßstellung prophezeite, und den die Unionisten zu einer mehrtägigen imperialistischen Debatte größten Stiles gegen die Ltttle Engländer auszunutzcn gedachten. Der bedeutsamste Be gleitumstand, der die Niederlage der Unionisten vollständig macht, war aber, daß der Oppositionsführer »m Untcrhause, Mr. Balfour, durch eine groß angelegte Rede in solchem Grade zum Siege des Kabinetts beitrug, daß Mr. Winston Churchill halb >arkastijch von der „tiefen staatsmännischen Weisheit" seines Angreifers sprechen konnte. Halb sar kastisch. Denn wenn Balfour im Uebereifer, um eine schwächliche liberale Interpellation zu zerfleischen, in der er ganz richtig bestellte Arbeit sah, in eine geschickt angelegte Falle ging, so war seine Rede ,n ihrer bedeutsamsten Hälfte doch eigentlich mehr gegendieChamberlaini st ische U n t e r st r ö m u ng in seiner eigenen Fraktion als gegen die Liberalen gerichtet. Man hat so kategorisch behauptet, das Kahinett sei in der Frage der Kolonialkonferenz ge spalten, und deshalb sei rede Anspielung daraus in der Thronrede unterblieben, daß dieses erste scharfakzentuierte Hervortreten der Spaltung unter den Unionisten in dieser Frage, proklamiert vom Parteiführer, um so ein drucksvoller wirkt. Campbell-Bannerman batte Balfour schon am ersten Tage der Aüreßdebatte mit der geschickten Erinnerung aus der Reserve gelockt, doß die Unionisten die beiden letzten Kolonialkonserenzen selber in ihren Thron reden nicht erwähnt hatten. Diese sarkastische Anspielung auf Balfours Zwist mit Chamberlain in der Frage der kolo- nialen Vorzugszölle — Chamberlain nötigte dem sterbenden Kabinett Balsour die ietzt berufene Kolonialkonferenz durch die Drohung ab, Balfour als Unterhausführer adzusetzcu — diese Reminiszenz hatte den erzschlauen Balfour nicht gewarnt. Er und seine Partei sielen blutig in die von Dannerman vorbereitete Grube, «nd Presse und Fraktions arrangeure sind in der tödlichsten Verlegenheit, wie sie da schlimme Resultat wieder gut machen sollen. Das Resultat ist, daß Balfour wiederholt und mit größtem Nachdruck den allbritischen Zollverein als ein Ziel ohne sichtbare Distanz der Verwirklichung be- zeichnete. Daß Balfour gemäßigter Schutzzöllner ist und bleibt, hat er allerdings wenige Stunden darauf beim Klub diner der Unionisten im Savoy-Hotel in einer großen Rede von neuem betont. In dieser Rede war alles scharf und klar. Nur die Frage des Reichszollvereins wurde mit folgenden inhalts leeren Worten abgetan: ^,Dann haben wir das Problem unserer Kolonien. Wir muffen mit den Augen des Propheten darauf blicken, was aus diesen großen selbstregierten Län dern werden wird." Schutzzoll für England hat den Reichs zollverein nicht notwendig im Gefolge, noch zur Voraus setzung. Darin trennt sich Balfour von Chamberlain. Mit ihm, aber auch mit den Liberalen ist Balfour darin einig, die Vorzugszölle der Kolonien zu akzeptieren. Mit den Libe ralen sieht Balfour in einem auf Englands Bedürfnisse zu geschnittenen allbritischen Zollband dasselbe Exvlosivmittel wieder auftauchen, das zur Absprenauna der Vereinigten Staaten führte. Freilich bekundet Balfour damit, was Churchill seine „geistige Vorliebe für die der Mode abge wandte Seite der Dinge" nannte, und nimmt, um wieder Churchill zu zitieren, „den kürzesten und geradesten Weg, um sich eine Position erhabener Vereinsamung" in seiner Partei zu sichern. Diese Schwäche des Unionismus bei Gelegen heit einer seiner Hauptangriffe schlagend veranschaulicht zu haben, ist das Verdienst der taktischen Behandlung der Konferenzinterpellation durch Bannerman. Der Interpellant war Mr. Harold Cox, der ehemalige Sekretär des Cobdenklubs, der als solcher schon wie ein rotes Tuch auf Balfours Kampflust wirkte, sich aber auch durch seine sattsam bekannte eigenbrödlerische Kleinlichkeit und seine geschmacklosen Vergleiche herausfordernde Blößen gab. Er berechnete den Beitrag der Kolonien zu den Kosten der Reichsverteidigung auf knapp 1^ Prozent und kon struierte die Forderung eines 50prozentiaen Beitrages recht schwächlich. Sein Vergleich, nach dem sich die Kolonien zum Reich benähmen, wie ein Parlamentsmitglied, daS mit dem anderen die Droschke vom Klub zum „Hause" teilt, aber sich um die Fahrpreishälfte drückt, erregte laute Heiterkeit bei den bl. ?., unter denen dieser Trick Gegenstand eines ge läufigen Sports ist, war aber politisch furchtbar taktlos. Nm so besser war das Sprungbrett, das der unglückliche Cox damit Winston Churchill darbot, um das Haus durch einen Salto über die gefährliche Frage der kolonialen Prä- ferenzialzölle hinweg zu dem eigentlichen Thema der Kolo nialkonferenz, zu der Reichsverteidigung durch die Kolonien, in Erstaunen zu setzen. Dieser Sprung war um so geschickter, als kein anderer^ als der Premier Balfour in seiner Eigen schaft als Präsident des von ihm geschaffenen Rerchs- verteidigungsrats im Jahre 1905 dieses Thema für die Ko lonialkonferenz zur Beratung gestellt und daraufhin die Konzentration der Flotte,:« den heimischen Gewässern in An griff genommen hatte, während die Chamberlainisten immer glaubten, er habe einen großen handelspolitischen Coup in Vorbereitung. Was dann Churchill als Beratungsthemen mitteilte, war die genaue Ausführung deS alten Balsour- schen Entwurfes, enthielt aber nichts r« puncto ReichSzoll- verein. Gegen das Verteidigung-Programm konnte Balfour nicht, gegen das Fehlen deS ReichszollvereinSthemas konnten nach Balfours vorausgegangener Rede die Unionisten nicht austreten. Und so lieferte das Parlament wieder einmal daS bekannte stolze Bild des in allen nationalen Fragen von einiger Bedeutung einigen Unterhauses. DaS Derteidigungsprogramm, da- die Kolonialkonferenz beschäftigen soll, ist wichtig genug, um in der Churchitlschen Fassung zum Nutzen unserer Flotten- und Ärmeeoegner wiedergeaeben zu werden: „Wir werden die Zusammensetzung der Reichsverteidigungskommission und die Möglichkeit einer kolonialen Vertretung darin berate« können. Wir werden die Angelegenheit des Marineabkommens mit Australien «nd die sehr verwickelten allgemeinen Fragen der Marine- politik überlegen. Wir werden ferner überlegen die stra tegischen Grundsätze der ReichSmilitärverterdigung, di« Durchführbarkeit de- Gedankens, daß die Kolonien ihre Streitkräfte für de» Kriegsfall nach den bei uns geltende« Grundsätzen organisieren, die AnSvchmmg der kolonialen Reserven und der Kriegsvorräte für den Mobilisierungs gebrauch, die nach dem im Vereinigten Königreich gültigen Muster eingerichtet werden sollte, und, wenn es die Leit er- laubt, können wir hoffentlich ferner die Frage erwägen, ob zwischen dem Königreich und den Kolonien Cadres aus- getauscht werden können, schließlich die Bezahlung und die Dienstbedinaungen der kolonialen Kontingente diskutieren, welche die Kolonien uns danach in Kriegszeiten etwa an- bieten, den Austausch von Offizieren zwischen England, den Kolonien und Indien und andere Angelegenheiten von so fortigem und praktischem Nutzen." Nach endlosen Verhandlungen die Kolonialminister auf dieses Programm geeinigt zu haben, ist allerdings ein großer politischer Fortschritt. Die Frage nach dem „Zollvereins angebot" der Kolonien tauchte danach überhaupt nicht mehr in der Diskussion auf. Daran können am besten die Be deutung des liberalen Sieges und die wahre Bedeuturg der Kolonialkonferenz auch für uns bemessen werdest. Nicht Reichszollverein, sondern Reichswehr ist daS Damoklesschwert, das auch das liberale England über uns hält. O- Ein Privattelegramm desselben Korrespondenten meldet über die gestrig« Sitzung: Der Ausschluß Mr. HuntS, der Bal four, weil er untüchtig sei als protektionischer Führer, an gegriffen batte, aus der Uniouistenpartei, anderseits der gestrige heftige Vorstoß Balfours und Arthur Chamber- lainS für koloniale Vorzugszölle und deren Behandlung auf der Kolonialkonferenz gehören eng zusammen und beleuchten die Intrigen hinter den Kulissen der Unionistenpariei. Bal- fours offene Preisgabe der ZollvereinSidee ist von enormem Agitationswert für den Liberalismus. Seine glatte Befür wortung des Protektionismus oans pbinss mag gegenwärtig die Nnionistenfraktion geschlossener machen, wird aber im Lande heftigen Widerspruch finden. Gotter Zcdillrungijicik bei koeir van holla»-. Die erste Lunde von de» Unglück. Die großen Stürme der letzten Tage haben in der Frühe de- gestrige» Morgens eia schwere- Opfer an Marschen lebe« gefordert. Wie wir schon gestern nachmittag durch Extra blatt «nd eine kurze Wiedergabe der zuerst eia getroffenen Depeschen in der Leipziger Abendausgabe unsere« Blatte- meldeten, ist der englische (uicht holländische) Dampfer „Berlin" unmittelbar vor der Landungs stelle Hoek vau Holland an der holländischen Küste an der dort befindlichen Moer-mole gescheitert. Der Dampfer zerbrach in zwei Teile, ein Teil sank sofort. Die Passagiere und die Besatzung scheinen sich zu einem Teil auf den Hinteren Teil d«S Schiffe- gerettet zu haben. An die Unglücksstelle eilende Rettung-bote machten zwar die größten Anstrengungen, um die an Bord des Dampfer „Berlm" be findlichen Personen zu retten, konnten sich aber wegen des heftigen Sturme- und der wilde« See dem Schiffe nicht nähern. «s fotlea 144 Personen ertrnnken fei», darunter 91 Passagiere. Bis mittag Ware« 25 Leichen geborgen. Eiu Geretteter wurde an Land gebracht. Der gestrandete Tampfer. Da- Unglück ereignete sich mit dem Dampfer „Berlin" der Linie Harwich—Hoek van Holland, die der Great Easteru Railway und der holländischen Eisenbahn-Gesellschaft dient. DaS Schiff gehört zu den Post- «ud Paffagierdampfer», die den täglichen Dienst zwischen dem englischen Hafen von Harwich uud dem holländischen LaudungSplatz Hoek vau Holland versehen, und zwar in unmittelbarem Anschluß an die auf dem Kontineut bi« Hoek und von Loudon »ach Har wich lausende» Eisenbahnzüge. DerDamvfer „Berlin", deu da- Unglück betroffen hat, besitzt eine Lauge von 302, eine Breite von 36 Fuß, einen Touueugehalt von 1775 und ver fügt über 5000 Pferdekräste. Die vom lluglück betroffene SchtffSltnle. Die Verbindung zwischen England und Deutschland über Harwich—Hoek van Holland ist einer der besten und angenehmsten Reisewege. Durchgaag-Wageu von Berlin, Wien uud Basel nehmet die Reisende« in Hoek van Holland auf uud iu Harwich stehe« Korridor wagen nach den größeren englischen Städten bereit. Speisewagen in den Auschlußzügeu gestatten den Reisenden, sofort nach Ankunft in Holland resp. England oach der Ueberfahrt zu frühstücken. — Die Dampfer gehören zu deu bestau-gestatteten des Kanaloerkehr- uud werden an Be quemlichkeit uud Sicherheit nur von deu Southampton- Have-Bootea erreicht. Die erste Kajüte liegt mittschiffs. Die Kabinen sind teils überdeckt, teil- um de» Speisesaal angeorduet. Die zweite Kajüte ist nicht mit Kabinen auS- gestatte», sonder» der im Heck de- Dampfer- liegeade Salon 2. Klaffe besitzt amphitheatralisch augeorduete breite Bänke, die mit Polstern bedeckt, deu Reisenden eiv bequeme-, wen» auch einfache- Lager bieten. Das lluglück. Der Dampfer ist wohl fahrplanmäßig am 20. Februar abend- um 10 Uhr von Harwich abgefahren und sollte um 5 Uhr 5 Miu. morgen« iu Hoek vau Holland eintreffeu. DaS Wetter war allen Berichten zufolge ganz außerordentlich stürmisch uud zwar dürste eiu starker Nordwest sturm den Dampfer die ganze Nacht hindurch steuerbordseitig getroffen haben, wa- wohl ein Abtreibea de» Dampfer- nach Osten bewirkt haben mag, uud den Kapitän beim Einlaufen in den Neue» Wasserweg, an dem die Landungsstelle Hoek van Holland liegt, zwang, halb gegen den Sturm zu laufen, um deu Molenkops zu passiere». Die außerordentliche Stärke und Gewalt de« Sturme- werdea dann die „Berlin" im Augenblick der Einfahrt in die Mündung auf die der Mole vorgelagerten FelS- blöcke oder auf eine Sandbank geworfen uud die den Dampfer voll breitseitia treffenden Wogen werde» da sofortige Breche» deck Schiff-rnmpfe« bewirkt habe».
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