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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070129028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907012902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907012902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-29
- Monat1907-01
- Jahr1907
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Die Zeche Reden liegt in dem großen Kohlengebiete des Saarrevrers, das sich über die südwestliche Ecke der Rheinprovinz, der westlichen Pfalz und dem nordöstlichen Teil von Lothringen erstreckt und von den Flüssen Saar, Nahe und Blieb ein gefaßt wird. Der größte Teil dieses Reviers gehört dem Fisbus. Aus Saarbrücken gebt uns folgender Bericht unseres Spezial-Korrespondenten vom 28. Januar zu: Von einem entsetzlichen Grubenunglück sind die königlichen Saargruben betroffen worden. Zwilchen Neunkirchen und Saarbrücken liegt u. a. die Gruben .Reden". Dort hausten beute morgen kurz nach 7 Uhr schlagende Wetter in entsetzlicher Weise. In der sünften Tiefbausohle des Fetten kohlenflözes brachten sie in einem Nu Hunderten braver Berg leute einen schauerlichen Tod. Wie die Explosion entstand, wird jedenfalls unaufgeklärt bleiben, da der Mund derer, die Aus schluß geben könnten, für immer geschlossen ist. Es bandelt sich im ganzen um mindestens 150 Bergleute, die sicher alle tot sind. Bis zu dem Augenblicke, wo ich diese Zeilen um 4 Ubr nachmittags schreibe, waren 50 Leichen geborgen, die Bergung der übrigen ist außerordentlich erlchwert, da an der Unglücksstelle Feuer ausgebrochen ist und die Rettungs arbeiten auf dem Umwege über den benachbarten Heiniy- schacht bewerkstelligt werden muffen. Groß ist auch die Zahl der Verletzten. Manche sind schauerlich zugerichtet. Mit gebrochenen Gliedern wurden sie berausgeschafft, einem batte ein Stück Eisen den ganzen Unterleib duichbobrt. Die Toten sind alle unkenntlich. Sie gleichen geschwärzten Baum strünken; Haar und Bart ist total weggesengt, so daß eure AgnoSzierung nur durch Gebrauchsgegenstände, die sich er halten haben, möglich ist. Herzer)chütternoe Szenen spielen sich an der Unglücksstelle ab. Die Kunde von dem Unglück hatte sich mit Windeseile verbreitet und es strömten aus den umliegenden Doriern, aus rer benachbarten Psalz und aus dem Kreise St. Wendel die Frauen und Kinder der Um gekommenen in Sbaren herbei. Und ach! Wie vielen mußte die niererichmetternde Auskunft werden, daß der Gatte, der Vater sich unter den Toten befinde. Meistens sind es Familienvater, welche hinweggeiaffi wurden. Das Unglück ist das größte, von dem die Saar gruben bisher betroffen worden sind. Der Voisitzende der Königl. Bergwerlsoirektion, Geheimrat Krümmer, ist sofort an Ort und Stelle gefahren uird leitet die Bergungsarbeiten. Von Rettungsarbeiten kann man eigentlich nicht sprechen, denn die noch in der Tiefe sind, haben alle veu Tod erliitcn. Die Unglücksstelle liegt etwa 2000 Meter vom Bahnbos Reden entfernt. Es ist fast unmöglich, zu ihr zu gelangen, da sie von gewaltigen Mcmchenmaffen umlagert ist. In der Unglücksstrecke stieß man zuerst auf die entsetzlich verstümmelte Leiche deS Vorführers. Heldenmütig gingen die Rettungsmannschaften vor. Große Mengen Mineralwasser wurden ihnen, die in dem giftigen Schwaden arbeiten mußten, zuaeführt. Immer wieder kam die Schreckensnachricht nack oben, daß bis zur Strecke, wo die Steigerabteilung Groß eingeichloffen ist, noch niemand habe vorbringen können. Ein Bergaffessor, welcher sich zu weit vorgewagt batte, konnte nur mit vieler Mühe ohnmächtig zurückgeschafft werden. Der Jammer ist entsetzlich. Telegraphisch wird uns unter dem heutigen Datum aus St. Johann gemeldet: Als großes Glück ist es zu betrachten, daß die Schicht nickt belegt werden konnte, weil ei« Teil der Mannschaft nickt erschienen war. 64 Mann entkamen durch die Grube Heinitz, 2 wurden durch Zufall gerettet, indem sie ein Be amter im letzten Augenblick fortsandle. Inspektor Mehrer, der schon verloren gegeben war, konnte noch gerettet werden. Weitere Bergungsverfucke sind zurzeit unmöglich, da eine neue Explosion erwartet wird. Heute soll ent schieden werden, ob der Schackt unter Wasser kommen oder abgemaurrt werden soll. Ju diesem Falle wäre die Leichenberguug ausgeschlossen. Die Verunglückten wobulen fast alle in Reden oder Heiligenwald, Landsweiler oder Schiffweiler. Einzelne Familien sind surcktbar betroffen; so verlor eine Witwe auch noch ihre drei Söbne. DaS 70. Regiment in Saarbrücken Hal alle MannlchaNen beurlaubt, deren Angehörige in Reben arbeiten. Die Militärärzte und die Rettungsgeselllckasten, die sich zur Verfügung gestellt haben, stehen untätig. Die Rettungs mannschaften von Herne wurden gestern abend in Saarbrücken erwartet; es sind dieselben, die bei Courriöres so Hervorragendes leisteten. Aus Berlin wird uns ferner mitgeteilt: Der Handels minister ist mit dem Berghanpimann v. Velsen gestern abend nach der Unglücksstätte im Saarrevier abgcreist. An den Reichskanzler und den Kaiser ist über die Kata strophe eingehend Bericht erstattet worden. Wie lebhaft Frankreichs Mitgefühl ist, das bekunden folgende weitere Depeschen aus Paris: Der Präsident der Republik hat an Kaiser Wilhelm folgendes Telegramm gerichtet: „An Se. Majestät Wilhelm, Deutscher Kaiser und König von Preußen, Berlin. Mit tiefer Bewegung erfahre ich die furchtbare Explosion schlagender Wetter, welche unter den Bergleuten des Bild- stockschacktes der Grube „Reden" so viele Opfer gefordert hat. Es liegt mir am Herzen, Eurer Majestät mein auf richtige« Mitgefühl auszusprechen und Anteil zu nehmen an der Trauer der so grausam heimgesuchten Bergwerks bevölkerung. gez. FalliöreS." Die Nachricht von dem Grubenunglück bei Saarbrücken wurde in der Kammer durch ein vom Arbeitsminister mitgeteiltes Telegramm bekannt und machte überall schmerz lichen Eindruck in der Erinnerung an die Katastrophe von CourriöreS. Die damals von deutschen Bergleuten geleistete Hilfe erhöhte hent« noch das Mitgefühl für die Ver unglückten. * PolonyiS Rücktritt. Wie „Az Njsag" meldet, wird das Amtsblatt die Demi'sion PolonyiS veröffentlichen. Polonyi wird nur bis zur Ernennung des neuen Justizministers noch amtieren. Budget genehmigt. Die französische Deputierlenkammer hat da« Budget in seiner Gesamtheit angenommen. Tic zweite Duma scheint eine konservativ-oktobristische Mehrheit zu bekommen, wie vorausgesehen war. Nach den bis jetzt vor liegenden Ergebn ssen der Vertrauensmännerwahlen von Arbeitern und Kleingrundbesitzern sind 2927 Vertrauens männer gewählt, von denen 1k67 der Rechten, 790 den Gemäßigten angehören. Unter den übrigen Vertrauens männern befinden sich 48 Kadetten. Unter der Gesamtzahl der Gewählten sind KK7 orthodoxe Priester. In der Provinz Orel wurden 394 Vertrauensmänner gewählt, darunter be finden fick 40 Mitglieder der Reckten und 296 Gemäßigte. In der Provinz Kiew find 520 Vertrauensmänner gewählt, darunter 298 Mitglieder der Rechten, und 222 Gemäßigte. Et« Kofaleu-Regiment deserticrlk Der Tatarengeneral Enlchu in Kirin meldet, daß das nördlich von Tichangtichu stattonierie Kotalen-Regiment unter Mitnahme von Scknellseuergeschützen desertiert sei. Das Regiment befinde fick jetzt an der Grenze der Mongolei und sucke sich durch Plünderungen Unterhalt zu verschaffen. Enschu, der nicht imstande ist, ihrer Herr zu werden, bat den Wainupu gebeten, Truppen zu senden. — Es ist höchste Zeit, daß die Bande nach Ruß land zurückgeschafft wird. Marokko he« Marokkaner«! Der marokkanische Vertreter aus der AlgeciraSkonferenz, El Mokri, der augenblicklich sich in Andalusien aushält, äußerte sich einem Interviewer gegenüber, daß Marokko iu der Lage sei, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen ohne di« Mit wirkung Europas, und daß er persönlich Anhänger der Theorie sei: Marokko den Marokkanern! Die Mächte hätten in Marokko nur eine Politik zu befolgen, nämlich: Enthaltung von jeglicher Intervention! Neuer Erfolg Gebbas Paschas. Der ganze Stamm der Beni Msuar hat sich, wie „Daily Telegraph" auS Tanger meldet, den scherifischen Truppen ergeben. Raisuli hat Zuflucht zu den irr den Bergen wohnenden Beni AroS genommen. politisches. eck. 8»r Behandlung her Majeftätsbeteidtgung meldet ein Privattelegramm aus Celle: Im Bereich« deS Ober- landeSgerichtS Celle sind von der Oberstaatsanwaltschaft Erhebungen über etwaige wegen Majestätsbeleidigungen in den Strafanstalten befindliche Verurteilte eingeleitet worden. Es ist diesen Erhebungen zufolge dem kaiserlichen Erlaß rückwirkende Kraft beigelegt worden. * Zur Posener tkrzbtfchofswahl. Von unterrichteter Seite wird uns geschrieben: Nachdem die Domkapitel von Gnesen- Posen der Staatsregierung eine Liste von Kandidaten für den ErzbischosSsitz Goesen-Posen eingereicht baben, dürfte schon im Hinblick auf die Neuwahlen zum Reichstage und die damit zusammenhängende parlamentarische Geschäftslage im Reiche und in Preußen, noch geraume Zeit vergehen, ehe die Regierung binsicktlick jener Kandidatenliste eine Ent scheidung trifft. Der Gedanke, das Erzbistum in ein Bistum Posen und ein Bistum Gnesen zu zer legen, hat seinen Ursprung in amtlichen Kreisen nicht. * Die Schule im Kampf gegen ven Alkohol. In der richtigen Erkenntnis, daß die Schule als wesentlicher Faktor bei der Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs mehr und mebr berangezogen werden muß, hat das Herzogliche Schulamt in Gotha an sämtlich« Lehrer des Herzogtums eine Schrift ge langen lasten, die neben statistischen Erhebungen über Alkohol genuß der Schulkinder, Schädlichkeit alkoholischer Getränke usw. eine Zusammenstellung der wichtigsten behördlichen Er laße und Maßnahmen, betreffend Mitarbeit der Schule im Kampfe gegen den AUoholismus gibt. cck. Wahlprotcft. Aus Hannover meldet ein Privat telegramm: Die bürgerlichen Parteien beabsichtigen gegen die mit rund 100 Siimmen Mehrheit erzielte Wahl des Sozial demokraten im Wahlkreis Hannover-Minden wegen zahlreicher ichwerer Wahlverstöße Protest einzulegen. Nack vor läufigen Feststellungen wurden bei der diesjährigen Reichs- tagswahl in der Provinz Hannover rund 140 000 sozial demokratische Stimmen abgegeben gegen 130 000 Siimmen bei der Hauptwahl 1903. Feuilleton. Lin tlcksnn soll nicht im Oeick verengen In küeucken nicht ru hoch sich wagen. filMmt 1577. Oin bereckter IVlunn reckt, vss rur 8uche ckient. eiuMopN lietimsnn ISSL. kAnn lernt cken INsnn nicht in einem fuhr. SNiikelpeiire, OlteNo. Oer Kunde phantasiert, cker süngling begehrt, es denkt cker tttann. ?eu8ile»sleden. Neuere ^»rschttngen über LiWeih, Vlrrt rrn- Ältttsverwandtscliaft- Don Prof. Dr. Hermann Dürk (München). H. Man sieht, daß all die verschiedenartigen Stoffe, von de.aeu bisher die Rede wir, die Antitoxine, di« lUaktcrio.y- sine, die Agglulimine und Präzipitine, als Folge von Rcak- tionserscheinungcn auftreten, welche sich im Körper nach dem Eindringen von belebten Krankheitserregern, von fremden, parasitisch wirkenden zellig-n Gebilden hcrausbil-cn und die Wirksamkeit dieser Eindringlinge erfolgreich abzuwchren ver mögen, solange sich -i-se nicht in einer allzu großen nume rischen Uebermacht gegen die Körperzellcn oder in einem Zustand außergewöhnlich starker Gislproduktion befinden. Nun ist es aber eine Tatsache van allergrößtem allgemein biologischen Interesse, daß die Bildung dieser Schutzstosse rder Antigene, wie wir sic mit einem gemeinsamen Namen nennen, nicht nur durch dic Invasion des Körpers mit 'solchen Mikroparasiten aufgelöst wird, sondern daß manche von ihnen auch dann entstehen, wenn Körperzellcn oder ge löste Eiwrißstoffe eines anderen Individuums, mit anderen Worten, wenn ein artfremdes Eiweiß in den Säftestrvnz hereingebracht wird. Es ist eine Erfahrung, welche man in der Medizin Ur in der Physiologie jchon seit langer Zeit gemacht hat, daß die Transfusion von artfremdem Lfiut nicht ertragen wird. Man kann z. B. einem durch Blutverluste schwer gefährdeten Menschen nicht dadurch retten, daß mau ihm Blut irgend einer Tierart in das leer gewordene Gesäßsystem «inspritzt. — Auch jedes Tier gebt unweigerlich zugrunde, sobald man den Versuch macht, ihm größere Quantitäten eines art fremden Blutes beizubrineen. Die Physiologie hat gezeigt, daß die roten Blutkörperchen, die Träger des für die soac- narmte innere Atmung, die Oxy^ationsvorgänqe in den Ge weben notwendigen Blutrote» oder Hämoglobin» in dem Serum der fremden Tierart eiwach aufgelöst werdcn. Die seine Hülle, welche das Blutkörperchen umgibt und welche normalerweise die Diffusion des Hämoglobins in das eigene Serum verhindert, wird durchlässig und dadurch tritt die Auslaugung und der rasche unaufhaltsame Tod ein. Diese Eigenschaft der Blutauflöjunz läßt sich nun künst lich sehr hochgradig steigern und zu einer spezifischen ge stalten, tvonn man ein Tier genau wie bei der aktiven Jmmu- u'sierung gegen ein B.kterium mit vorsichtig steigenden Dosen einer bestimmten Blutart vorbehandelt. spritzt man z. B. einem Pferde auf diese Weise Kaninchenblut ein, so ge winnt sein Serum allmao > wrordentlich aggressives Verhalten gegen die Kaninchenblutkörperchcn, weil sich in ihm ein Störs, den man hier als Hämolysin bezeichnet, neu gebildet hat. Aber auch die Präzipitine, welche wir bei der Einwirkung von Jminunscrum auf das keimfreie filtrierte Nährsubstrat sich bilden jaden, finden bei der Einverleibung von physiolo gischen Flüssigkeiten ihr genaues Analogon. Wird ein Tier mit dem Blutserum oder dem ganzen Blut einer anderen Tierart oder des Menschen voroehanveli. gewu üicp., auo immunisiert, so gewinnt sein Serum dic Eigcnchsaft, im Serum dieser anderen Tierart oder in unendlich vervunnter Blutlösung derselben einen N-ederichlag, ein Präzipitat hcr- vorzurufen. Dieses Verfahren gelingt auch bei anderen Körpersäften, so läßt sich z. B. durch Injektion von Milch ein sogen. Lakto- jerum Herstellen, welches die Eigenschaft hat, einen Nieder schlag in der beireffcnden Milchart und n u r in dieser her vorzurufen. Prof. Dr. Uhleuhuth, früher in Greifswald, jetzt in Berlin, hat Tieren zuerst Eiereiweiß infiziert und sah danach in ihrem Blutserum die Fähigkeit auftretcn, in den klcinston Spuren dieser Eierciwcißlösung einen Niederschlag zu erzeugen. Diese Reaktion erwies sich als uuendlich fein und jeder chemischen Probe bei weitem überlegen, denn unsere feinsten chemischen Reaktionen sangen schon bei einer Eiereiweißverdünnung in Kochsalzlösung 1:1000 an zu ver sagen, während diese biologische Metiwde mit Leichtigkeit noch Verdünnungen von 1:100 000 erkennen läßt. Gleich zeitig mit dieser Erkenntnis lies; sich nun noch eine andere Tatsache erweisen. Das Eiereiweißantiscrum, wie wir cs von jetzt ab nennen wollen, reagierte nämlich nicht nur au; Hühnereiweißlösungen, sondern, wenn auch schwächer, auf das Eiweiß von Taubcneiern; Enteneierantiserum auch auf Gänseeier, dagegen auf keinerlei andere als Eiweißlösunyen von Eiern. Es findet also schon bei dieser Reaktion eine Art von Gruppenwirkung statt, d. h. die Eiwcißlvsumgen ver wandter Tierarten werden in ähnlicher, wenn auch schwächerer Weise beeinflußt wie eine Eiweißlösung der gleichen Art und es lassen sich auf diesem Weg« Unterschiede feststellen, welche mit keiner chemischen Methode gezeigt wer den können. Es war nur ein Schritt, diese? Verhalten auch kür doS Blut verschiedener Arten zu prüfen. Diesen bedeutungs vollem Schritt getan und seine unübersehbare Wichtigkeit iür die Praxis, besonders für die gerichtliche Medizin, sogleich richtig erkannt zu haben, ist das unvcvgänzfliche Verdienst Uhlenhuth». Dieser Forscher hat gezeigt, daß, wenn man einem Tiere, am besten einem Kaninchen, Menschcnblut in langsam ab- gestuster Dosierung beibringt, sein Scrum die Eigc'nscha t erhält, auf Menschenblutlösungen bis herab zu un.'n>lichen Verdünnungen in spezifischer Weise cinzuwirken, S. h. einen Niederschlag in dieser Lösung zu erzeugen. Mit anderen Worten, es läßt sich Menschenblut aus allen anderen Blut sorten heraus mit Sicherheit erkennen. Es ist einleuchtend, wie ungeheuer wichtig eine derartige Möglichkeit in erster Linie für den Gerichtsarzt sein mußte, denn wir besaßen tat- sächlich keine einzige zuverlässige Methode, um Menschenblut von Säugeticrblut und im vertrockneten Zustand svgar von irgend einem Wirbcltierblut zu unterscheiden. Tiefe bio logische Methode ist aber von einer, man kann sagen, geradezu unbegrenzten Leistungsfähigkeit, denn es genügen die aller kleinsten Blutspuren, ein winziges Spritzerchen auf irgend einem beliebigen Material für die Anwendbarkeit. DcS Blut kann vertrocknet, verfault, gefroren sein; es kann Jahre oder Jahrzehnte alt sein' stets bewahrt die Methode ihre gleiche Zuverlässigkeit. Aber sic ist nicht nur au: das Blut allein beschränkt; alle eiweißhaltigen Satte und Gewebs flüssigkeiten werden in gleicher Weise von ihr beeinflußt und damit erweitert sich natürlich ikrc Anwcndungsmözlichkeit. Es gelingt nämlich nach demselben Prinzip, ohne weiteres auch Fleischarten verschiedener Tiere zu erkennen und Fleischvcrfälschungen, z. B. die Anwesenheit von Pferde fleisch in einer als Schweinefleisch oder Rindslei'ch ver kauften Wurst oder Näuchcrwarc aufzudecken. Nur an ägyptischen, mehrere tausend Jahre alten Mumien gelang cs Uhlenhuth nicht mehr, dic Menscheneiwcißreaktion zu be kommen, dies dürste aber nur auf die chemischen, eiu'eiß- koaguliercnden Stoffe zurückzuführen sein, nicht auf Alters veränderungen. Aber die Entdeckung Uhlcnhutds hat wach ein weiteres allgemein-naturwissenschaftliches Interesse. Schon die Untersuchung der Eiereiwcißantisera hatte ergeben, daß diese eine sogenannte Gruppcnrcaktion entfalten, d. h. in ähnlicher Weise, wenn auch etwas schwächer, ain Ei-'re'weißlö'wngen verwandter, Vögel cinwirktcn. Dasselbe Vervaltcn kannte Uhlenhuth für seine Blutantisera erweisen. Ein Pferdanti serum erzeugt nicht nur in Pserdeblut, sonder», wenn auch etwas schwächer, in Eselblut einen Niederschlag; ebenso rea gierte Sebafblutantiserum etwas geringer, aber doch nack sehr deutlich auf Ziegcnblut, und noch etwas schwächer auf Nindcrolvt. Hundeantifcrum auf Fuchsdlut usw. Dem Mcnfchenblutantiserum aber ließ sich zeigen, Laß eS auch in Aifenblutlösungen einen Niederschlag hervorrief. Es war also offenbar in der biochemischen Blutreattion ein Mittel gegeben, um des VerwanatschastSverhältnis d-r Tiere unter einander, sowie des Menschen zu den Primaten zu studieren, -um,sichtbaren Ausdruck zu bringen umd die Ergebnisse der Paläontologie, der vergleichenden Anatomie und der Ent wicklungsgeschichte mit einer biologischen Untersuchungs methode von außerordentlicher Feinheit nachzuprüfen. Der -nqlische Bakteriologe Nutall in Eambridoe bat dick« dfachprüsung im größten Umfang an dem unge§»euren Mate rial von über 900 Vlutsorten in mehr als 1"000 Reaktionen mit 35 verschiedenen spezifischen Arttisera durchaesührt und di« Ergebnisse dieser ungeheuren Arbeit in dem höchst inter essanten Werk „Uloock immunitz- nill lUn.ack-eolation^vili" (Oumbrichra Oniversit^ ?re8ki 1901) niedcrgelegt. Seine 'Untersuchungen sind der glänzendste Beweis sowohl für die Leistungssähiakeir der bioä>cmischen Methode, wie für die Exaktlzcit, mit welcher der Stammbaum der Tiere a.n Grund der bisher allein möglichen morph. logischen Forschung ausgestellt werden konnte. Um nur eines aus der Fülle des reichen Materials her- vvrzüheben, so konnte der Latz, welchen Huxlcy aus Grund vergleichend-anatomischer Studien ausgesprochen hatte, daß dic trennenden Verschiedenheiten zwischen dem Menschen i ud den anthropoiden Äffen (Gibbon, Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse) kleiner seien als zwischen diesen und den niederen Äffen, seine volle Bestätigung erfahren. Das Serum eines mit Menschenblut vorbelwndctten Kaninchens ergab zu 34 verschiedenen Blutsort n ver schiedener Menschenrassen zugcsetzt in allen Fällen einen starken Niederschlag. Dasselbe Serum zu acht Biutfortcn van menschenähnlichen Affen zugcsetzt (Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse!, ergab in allen acht Fällen einen fast cberfio starken Nied:rsch!ag wie in Mcnschenblut. Dagegen reagierte auf dieses Serum das Blut dcr Humdsaffen und Meerkatzen schwächer; von 30 Blutsorten dieser Gruppe ergaben nur vier eine volle Reaktion, in allen anderen Fällen war eine ztvar deutliche, aber erst nach längerer Zeit eintretendc Trübung zu erzielen. Bei den Affen der neuem Welt, den sogenannten Breit nasen oder Plotyrchini, ergab dasselbe Serum, zu 13 der Eebidcmgruppe gehörigen Affeablutwrte: zugcsetzt, k ine voll- Reaktion mehr, ein Niederschlag trat überhaupt nicht mehr auf, und cs war nur noch nach länacrer Zeit eine leichte Trübung zu erkennen. Das gleiche Resulta: ergab sich bei vier Hapalidcn (Krallenaffen). Dos Blut von zwei Lemuren (Halfasfcn) reagierte über haupt nicht mehr. Äbcr auch phylogenetische Tatsachen, welche bisher nur mit Hilfe der Paläontologie zu erschließen waren, fanden in Nutalls Studien ihre Bestätigung, so z. N. trat die Ver wandtschaft zwischen Vögeln und Reptilien aus das deutlichste hervor, ihre Merkmale konnten auch durch die ungeheuren Zeiträume, seit denen diese Gruppen von einander getrennt wurden, nicht ganz verwischt werdcn, aber in einer Reil« von 385 Proben, in welciwr Vocelblutantijerum mn Säu^- ticrblut geprüft wurde, ergab sich kein einziges positives Resultat. Vor einiger Zeit prüfte Uhlenhuth das Blut eines Tapirs mir Pferdeantiserum und siehe, es ergab sich eine deutliche Verwandtskhaitsreaktion. Tie Zoologie aber hat den Tapir, den letzten Nest einer vor unvordenklichen Zetten aus- gestorbenen Tierfamilie, za den Pferden gestellt, weil palä ontologische Zwischenglieder vorhanden sind. Dies« Beispiele ließen sich leicht noch vermehren.*) Prüfungen, welche mit den übrigen "rannen deS tierische» Körpers bezw. mit deren Extrakten awdstellt wurden, haben ergeben, daß auch diesen di: gleiche fpezisifcl)« Reaktion zu- *) Deral. A. Abel»: Giganten der Vorwelt. A. Reusch» Verlag, München, 1908. Seit« 20 ff.
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