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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.03.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070308011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907030801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907030801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-08
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Morgerr-AusgabeD. für Leipzig »ad Vororte: I, der Haupt- Expebltioo oder dereu A»«gabestellen ab- geholt moaatltch: Ausgabe tt (t mal täglich) 70 Ps., «u-gabe S .'2 mal täglich) 80 bei Zustellung in» Hau» Au»gade X 80 Pf., AuSgab« ft 1 Mark. Durch unsere auS- wärtigeu Au-gabeslellea und durch dir Post bezogen (1 mal t-glich)ianerhalb Deutschland» monatlich l Marl au»jchl. Bestellgebühren, kstr Oesterreich-Ungar» bL-öd vierteljährlich die übrigen Länder laut Zeitung»prei»liste. Dies« Nummer lostet ans - »b tN alle» Bahnhvfen und bet III ^1(1 de, Zeitung»-Lerkäus er» «edaMon «n» «MeAttto-r JohanuiSgafie 8, Telephon Nr. lükl. Nr. 2LL, Nr. U7L. Berliner RedakttouS-vureau: Berlin UV. 1, Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. , Telephon I, Rr. 987b. UchMrIageblaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. An^eiqen-PreiS die 6 gespaltene Petttzeil« i»r Geschäft»« Inserate au» Leipzig und Umgebung 25 Pch Familien-, Wohuuug»- n. Slellen-Anzetaen, sowie An- und Verläufe 20 Pf, finanzielle Anzeigen 30 Pf, für Inserate von ou»wärt» SO Pf. Reklame» 7b Ps, au-ivärt» t Marl. Vrilage- arbühr 4 Mark p. Tausend rxtt. Postgebühr. Geschäst»anzeigen an bevorzugter Stelle ,m Preis» erhöht. Rabatt nach Tarif. Für Inserate vom Ausland« besonderer Tarif. Anzeigen-Anuadme: Au-uftu-plaiz 8. bei sämtliche» Filialen n. allen Annoncen. Lrveditione» de» In- und Lu»lanve». Für da» lLrlchetneu au beiltmmten Tage» u. Plätzen wird lei»« Garantie übernommen. Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werde». Haupt-Ktltale Berlin. S arlD u n cke r,Herzgl-Bavr.Hofbuchbandlg. Lützowslraße lO (Tel. Vi, 4603'. Filial-lvrpedttion: Trestzen,Marienurjt. str. 67. Freitag 8. März 1907. 101. Jahrgang. Var Mtdtigrle vom Lage. * Der Kaiser empfing gestern die nach PittSburg reisenden Herren, darunter den StaatSmiaifter a. D. oon Möller. * König Friedrich August von Sachsen ist gestern an Bord de» Dampfers «Cap Ortegal" in Lissabon ein getroffen. (S. d. des. Art.) * Im Reichstag folgte gestern auf die erste Lesung de- NotetatSgesetzeS eiue Besprechung der Inter pellation über das Maigesetz. (S. Parlam.-Ber- 2. Beil.) * Die Budgetkommission de» Reichstages ver bandelte gestern über den Etat des Auswärtigen Amtes und den der Reichspost. Dabei wurde» die Fragen des amerikanischen Handelsvertrags, der marokka nischen Verhältnisse, der Haager Friedenskonfe renz und der Portofreiheit fürstlicher Person«» gestreift. (S. DtschS. R.) * Gestern fand her Stapellauf des kleinen Tur- biueukreuzers „Ersatz Wacht" statt, der den Namen „Stettin" erhielt. (S. DtschS. R.) * Der braunschweigischeRegentschaftSrat ersucht den für Dienstag eiuberufenea Laub tag nunmehr die Regeatenwahl vorzubereiteu. * Wie aus New Aork gemeldet wird, sind die Tarif- Verhandlungen mtt Frankreich in ein kritisches Stadium getreten. In Washington befürchtet man, daß Frankreich zur Erhebung von Maximalzöllen schreiten werde. * Auf der Königiu-Luisengrube bei Zabrze sind dreizehn Bergleute verschüttet worden. (S- Neues a. a. W.) fisnig ftiecklich Niigim in cirrabon. Am 27. März werden zwei Jahre verflossen sein, daß Kaiser Wilhelm unter großem Enthusiasmus der Bevölke- rung in Lissabon einzog, um dann wenige Tage darauf seine Fahrt nach Tanger anzutretsn. Nun hat am gestrigen Tage Lissabon wiederum den Besuch eines deutschen Fürsten, den des Königs Friedrich August von Sachsen, empfangen, nach dem die zweite Hälfte des Februar durch di« Besuche des Prin zessin Mathilde von Sachsen und des Fürsten von Hohen- zollern am Lissaboner Hofe auSgefüllt war. Der bereits tele- grcchhisch gemeldete überaus herzliche Empfang des Königs Friedrich August zeigt, daß die portugiesische Bevölkerung dem ihrem Herrscherhause verwandten Könige von Sachsen die wärmsten Sympathien entgegenbringt. Während cs sich beim Besuche des Kaisers Wilhelm um «ine Erwiderung des im Jahre 1895 erfolgten Besuches des Königs von Portugal in Berlin handelte, kommt beim Besuche des Königs Friedrich August nur die verwandtschaftliche Seit« in Be tracht. Es würde aber verfehlt sein, wenn man aus diesem Besuche nicht auch eine mehr oder minder kräftige Rück wirkung ans die deutsch-portugiesischen Beziehungen folgern wollte. DaS klein« Königreich mit dem wertvollen Kolonialbesitz ist für Deutschland durchaus kein« quantitö o^Uxsübls: dies zeigt sich schon dadurch, daß das Deutsche Reich einen seiner tüchtigsten Diplomaten, den Grafen v. Tattenbach, auf dem Lissaboner Gesandtenposten schon seit einer Reihe von Jahren sitzen hat; und andererseits dokumentiert auch Portu gal durch die schon seit langen Jahren bestehende Besetzung des Gesrndtenpostens in Berlin durch den allseitig bewander ten BiSconde de Pindella, vordem Gouverneur der reichen portugiesischen Inseln St. Thoms und Principe, welchen hlchen Wert «S auf die Beziehungen zu Deutschland legt. Infolge dieser gegenseitige» Wertschätzung war es daher auch nicht zu verwundern, wenn gelegentlich des Be suches des Kaisers Wilhelm in der Geographischen Gesell schaft in Lissabon 6000 Personen d«r Elite Lissabons, darunter alle kolonialen Koryphäen, erschienen, um das Oberhaupt der jüngsten Kolonialmacht im kolonialen Milieu Portugals zu begrüßen. Und wie beifällig wurden die Worte des Kaisers ausgenommen, als er in seiner Ansprache anssührte: „ES gereicht mir zur besonderen Befragung, hier zu er- Üären, in Gegenwart Seiner Majestät des erhabenen Herrschers Ihres schönen Landes, seiner Regierung, vor dieser illustren Versammlung, daß an der einen wie der ande ren Küste Afrikas wir als biedere Nachbarn und gute Freunde gelebt haben. Ich habe Li« feste Ueberzeugung, daß jeder von u«S durch Arbeit und AuÄauer erreichen wird, de» Frieden, die Rübe und die Ordnung in seinem Terri torium zu erhalten, sowie die «dl«, zivilisatorische Mission, welche wir unternommen haben, zu gutem Ende zu sühren. Wenn einmal die Erfordernisse unserer Nachbarschaft. Han- dett und sonstwelcher Beziehungen eine weitergehende Entent« fordern sollten, so können Sie sicher sein, in mir den besten Willen und die Neigung zu finden, welche alle Interessen zu versöhnen verstehen wird." In der Tat sind die Interessen der beiden Staaten in Afrika so mannigfach ineinander verschlungen, daß sie gar nicht besser angedeutet werden konnten, als durch diese Worte d«S Kaisers Wilhelm. Man denke nur an Li« wechselseitigen Interessen, di« sich aus der Sicherung der Ruhe bei den nördlich und südlich deS ostafrikanischen Grenzflusses Ro- vuma wohnenden, d«r deutschen und der portugiesischen Sou veränität unterworfenen Eingeborenenstämmen. ergeben: an den teils durch portugiesisches, teils durch englisches Gebiet führenden Wasserweg nach dem Südwester» Deutsch-OstafrikaS Sb« den Sambesi, Shire -um Nyassa, der jetzt durch eine Eisenbahn vom Onelimaoe auS ersetzt werden soll; an die gerade in diesen Tagen durch den Ovamboangriff auf LaS k portugiesische Fort Rocadas in Südangola wieder in be-1 ondcre Erinnerung gekommenen Grenzverhältniss« in Süd westafrika. Alles dies wirb auch in den nächsten Jahren noch recht ost zu Erwägungen seitens deutscher und portu giesischer kolonialer Kreise führen und wirb durch ein gegen- eitiges möglichst freundschaftliches Verhältnis eine 'eichtere Erledigung finden. Nicht selten begegnet man der Auffassung, daß da- mit Portugal verbündete England der Erledigung irgend welcher Fragen zwischen Deutschland und Portugal stets hinderlich im Wege stehen werde. Allein bisher haben, abgesehen von Handels- und Schiffahrtsinteressen .deutsche Kapitalien sich überhaupt noch nicht großzügigen Unternehmungen in den wrtugiesischen Kolonien zugewanbt, sondern sie überließen !>ies Feld großen, internationalen Aktiengesellschaften, in 'enen neben portugiesischen Kapitalien fast ausschließlich nur englisches, französisches und belgisches Kapital vertreten ist, und bezüglich derer das deutsche Kapital auch zu den jetzigen sehr niedrigen Kursen gar keinen Versuch macht, eine einiger inaßen beachtenswerte Teilnahme zu gewinnen. Während Deutschland in Portugal und dessen großem Kolonialbesitze ein wertvolles Absatzgebiet für di« verschieden, sten Jndustrieerzeugnisse in steigendem Maße findet, ist Deutschland für Portugal daS wichtigste Absatzgebiet für Kolonialprodukte, in denen Portugal weniger durch di« Produkte der deutschen Kolonien, als durch di« Produkte englischer und französischer Kolonien und Brasiliens beengt wird. Daher auch die große Aufmerksamkeit, die in Portugal dem Deutschen Reiche entgegengebracht wird, nicht bloß in Regierungskreisen, sondern auch im Volke, das kaufmännisch rechnend herauszufinden weiß, wo Vorteil« für sein Wohl ergehen liegen. Nnd in dies« Beziehung ist seit einem De zennium viel durch die führende Presse zur Aufklärung ge schehen, die früher meist nur auS zweit« Hand deutsche Nach richten brachte, jetzt aber aus erster Hand ihr« Berichte auS Deutschland erhält. Die vorzügliche Besetzung des deutschen GesandtenpostenS in Lissabon, die gegenüber Deutschland bedeutend freundlicher geworden« Presse, die zunehmeicke Berührung mit deutschen Touristen, das hohe Ansehen der in Portugal domizilier:-» deutschen Firmen, alles trägt dazu bei, daß auch dem König Fri^rich August, dem Oberhaupte eines treu deutschen Bundesstaates, noch dem überaus sympathischen Empfange in Lissabon sowohl seitens des gastlichen portugiesischen Hosts, wie seitens der Regierungsovgane und der Bevölkerung die herzlichsten Gefühle entgegengobrvcht werden. O lieber den Empfang des Königs Friedrich August in Lissabon liegt folgendes Telegramm vor: * Lissabon, 7. März. (Eigene Drahtmeldung.s Um 11 Uhr ging der Dampfer „Cap Or legal", an dessen Bord sich König Friedrich August von Sachsen befand, gegenüber dem Handelsplätze sPraca do Commercios vor Anker. Bei seiner Einfahrt wurde das Schiff durch Salven der Kriegs schiffe salutiert. Die Garnison von Lissabon, Marine truppen und die Schüler der Militärschule bildeten Spalier vom Landungsplätze bis zum königlichen Palais „Necessi- dades", wo König Friedrich August die Gemächer zur Ver fügung gestellt sind, die sonst gewöhnlich oon König Carlos bewohnt werden. Um 11l4 Uhr begab sich der König von Portugal, der Grobadmiralsuniform mit den sächsischen Orden trug, in Begleitung seiner beiden Söhne und seines Bruders mit Gefolge an Bord der „Cap Orte aal", um den König von Sachsen an Land zu geleiten. Der deutsche Gesandte in Lissabon Graf Tattenbach, das Personal der deutschen Gesandtschaft, der deutsche General konsul Dähnhardt und das Personal des deutschen Konsulats hatten sich schon vorher an Bord des „Cap Orte gal" begeben. Unter einem Zelte, das am Spange des Handelsplatzes ausaeschlaycn war, wurden dem König von Sachsen die Minister mit Ausnahme des erkrankten Mi nisterpräsidenten vorgestellt, und hier richtete auch der Ver treter der Stadtverwaltung eine Begrüßungsansprache an König Friedrich August. Unt« den zahlreichen bei dem Empfange Erschienenen bemerkte man auch den Patriarchen Kardinal Nette. Dann begaben sich die Fürstlichkeiten in sechs Galawagen nach dem Schlosse. In dem vorletzten Wagen fuhren der portugiesische Oberzeremonienmeist« Gras de Figueirö und Legationsrat von Nostitz-Wallwitz, während in der letzten Karosse König Friedrich Auaust, der den Großkordon des portugiesischen Turm- und Schwerter ordens trug, der Kronprinz und der Herzva von Oportv Platz genommen hatten. Die Bevölkerung bereitete dem Könia von Sachsen einen herzlichen Emvfang. Die Kapelle spielte die portugiesische und die deutsche National hymne. stall Heinrich von Mticlm P. Bismarcks Mitarbeiter zu sein, war doch wohl mehr eine Ehre als ein Vergnügen. Wir wissen es aus den Memoiren des Herrn v. Tiedemann, seines Kanzleichefs, wie die Wucht seiner Persönlichkeit auf ihnen lastete, wie seine Anforde rungen die Kräfte spannten und verbrauchten. Drei Jahre nur war He« v. Tiedemann unter Bismarck tätig. Dann fühlte er sich der Aufgabe nicht mehr gewachsen. Und Bötticher hat zehn Jahre unter Bismarck gedient in der ver antwortlichsten Stellung, als Staatssekretär des Innern, als Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums, als Geschäftsführer des BundeSrats, als stellvertretender Han delsministers und nicht zum wenigsten als Parlamentsver treter des Kanzlers, als Sprechminister. Ministerposten sollen ja überhaupt keine Sinecuren sein. Indessen mag Herr v. Bötticher immerhin einigen persönlichen Grund zu dem Aufatmen gehabt haben, das Chlodwig von Hohenlohe so nüchtern und doch so lebendig beschreibt. Es mag schon schwer genug gewesen sein, ein Jahrzehnt lang die eigene Ueberanstrengung, die ewige Unrast, den nie weichenden Druck über den Gedanken zu vergessen, dies alles müsse er tragen werden in uuftoreiu patria« gslorrLn. Und noch etwas mußte hinzukommen, um andererseits Bismarck einen so hochintclligenten Mann wie Bötticher die langen Jahre >der wichtigsten Schöpsungsarbeit, der sozialpolitischen I Fundamentierung des Reiches neben sich ertragen zu lassen. I Dieser Mann mußte von einer ungemeinen Beweglichkeit de- Geistes, einer abenteuerlichen Schmiegsamkeit und — einer gewissen Sterilität sein. Bismarcks rechte Hand durfte nie versuchen, dem Kopf des Ministers Konkurrenz zu machen, sonst wäre die Freundschaft in vierundzwanzig Stunden in die Brüche gegangen. Aber alle diese Qualitäten waren Karl Heinrich von Bötticher eigen. Als er nach kaum einjähriger Oberpräsi dententätigkeit in Schleswig-Holstein im Jahre 1880, dem siebenundvierzigsten seines Lebens, Staatssekretär des Innern und preußischer Minister wurde, hatte er schon eine, für den nicht mit Glücksgütern Bedachten glänzende Laufbahn durchmessen. Nnd doch wurde er Wohl erst vor die schwerste Aufgabe seines Lebens gestellt, als der Meister sich grollend zurückzog und die Last der laufenden Geschäfte, ohne sachverständige Direktive, von ihm getragen werden mußte. Hier setzt bekanntlich der noch heute in seinen Mo tiven völlig dunkle Konflikt zwischen Bismarck und v. Bötticher ein, die vorh« fast friktionslos miteinander aus gekommen waren. Der Kanzler sparte die Vorwürfe nicht, und der schwersten einer war der Vorwurf der Undankbar keit. Was Herr v. Bötticher nicht nur dem Kanzler, auch dem Menschen Bismarck verpflichtete, kann man nur mut maßen. Es spielte da in den nächsten Verwandtenkreisen des Staatssekretärs eine Unglücksgeschichte, die Bismarck seinem Vertret« wohl hat überdauern helfen. Jedenfalls darf man wohl annehmen, daß bei dem späteren sehr, sehr abfällige» Bismarckschen Urteil über Bötticher persönliche Momente von entscheidendem Einfluß waren. Mehr noch als Bismarck selbst war wohl seine Umgebung in einer rein persönlichen Anschauung aller mit der deutschen Kanzlerschaft zusammen hängenden Dinge befangen. Und schließlich kann auch «iu gerechtfertigtes scharfes Urteil über Bötticher als Freund des Bismarckschen Hauses doch nicht die Verdienste aus der Welt schaffen, die sich der Mann redlich und selbstlos erworben hat. Denn es bleibt immer zu bedenken, daß neben dem Glanz des Bismarckschen Ruhmes alles verblaßte, was seine politischen Mitarbeiter für sich in Anspruch nehmen konnten. Zwar war es Bis marcks schönste Seite, im Bewußtsein der eigenen Größe auch fremdes Verdienst nicht zu schmälern. Und die Worte, die der Fürst Herrn v. Bötticher im Reichstage für sein« unendlich!-chwierigc und mühevolle Arbeic bei der Mters- und Jnvaliditätsversicherung widmete, zeugen hierfür: „Ich hätte das, was er in dieser Sach« getan und geleistet hat, nicht leisten können, selbst wenn ich in der Möglichkeit ge wesen wäre, mich ausschließlich dieser Angelegenheit zu widmen. Jeder hat sein eigenes Jach, und in diesem Fach sehe ich neidlos das Verdienst meines Kollegen als größer an als das meinige." Doch können auch solche wahrhaft vornehmen Worte, die den damaligen Vertrauten Bis marcks wertvoller gedünkt haben mögen als der höchste Orden, die Tatsache schließlich nicht verdunkeln, daß schließ lich alle Arbeit jener Periode ihren persönlichen Stempel nur in dem Namen Bismarck erhielt. Für Streber war jedenfalls kein Raum, und der Bötticher jener schweren Ar beitsjahre ist auch kein Streber gewesen. Herr v. Bötticher ist noch Staatssekretär und Staats minister unter Caprivi und Hohenlohe gewesen. Und ge fallen ist «, eine Augenweide für den guten Hasser im Sachsenwalde, im Mai des Jahres 1897, als Eugen Richter seine durch den Erfolg berühmt gewordene Reichstaasrede gegen das ldamals noch nicht so getaufte) persönliche Regi ment hielt, als er von „Höflingen, avancierten Bureau- kraten, schneidigen Husarenpolitikern, Handlangern, aber im gewöhnlichen Sinne des Wortes" sprach, und He« v. Bötticher nichts darauf antwortete. Warum er ge schwiegen hat, wußte niemand. Daß diesem gewandtesten aller Sprecher die Worte gefehlt hätten, um ein paar Redensarten zu drechseln, ist nicht anzunchmen. Genug, er schwieg. Und fiel. Konnte sich übrigens später auf ein längst eingereichtes Abschiedsgesuch berufen. Ging nach Magdeburg als Oberpräsident. Und schwieg weiter auch auf alle Anzapfungen aus dem Bismarckschen Lager. Nahm vor wenig Monaten seinen Abschied. Und schwieg weiter als Domdcchant von Naumburg. Wird er nach seinem Tode in Memoiren reden? Man weiß es nicht, glaubt es auch nicht. In üer steichrüuma am kröNnungttage. (Bon unserem Petersburger U-8-Korrespondenten.) Vor dem schmucklosen Gitter, daS den Garten der Reichs- duma gegen die Straße abjchließk, steht seit Stunden eine wartende Menge. Alle sind sie dort vertreten: sie, die sich stolz „Tschjornosotniki" nennen, die „wahrhaft russischen Leute" in bohen Stiefeln uns guter Pelzmütze, die auf einen gewissen Wohlstand schließen läßt; Studenten in ibren ab getragenen Uniformen, Arbeiter, die bereits den Morgen trunk hinter sich haben; zwischen den AlltagSmenjchen interessante Gesichter, Grübler. Idealisten, Fanatiker. An der Toreinfahrt steht ein Männchen im — Gebrock. Er hat Feiertag gemacht. DaS Tuch seines RockeS glänzt, aber seine Begeisterung ist ehrlich. Das glaubt man ibm, obgleich der Alkohol seinen Anteil au diesem Enthusiasmus haben mag. Hurrarufen, Hüteschweuken, Schreien begrüßt die Boten des VolftS. Sie danken nach rechts und nach links und tauschen vertraulichen Gruß mit ihren Getreuen aus. Da ist Kruschewan, der „Held" von Kischinew. Er kommt in einem prächtigen Landauer anaesahren, deu offenbar seine Gläubiger bezahlen müssen. Ihm zur Seite Biedermann Purischkewitsch, gleichfalls Antisemit von reinstem Wasser. Kruschewan hat sich schon vorgestern im Dumasaale, natürlich ganz auf der rechten Seite, einen Platz ausgesucht. Auf dem Pultdeckel leuchtet seine Visitenkarte „Pawolaki Alexandrowitsch Kruschewan, Abgeordneter der ReichSduma". Struwe kommt, d« populäre Fürst Dol gorukow, der trotz aller Andeutungen der hohen Aristokratie leioe Mitgliedskarte im exklusiven „Kaiserlichen Jachtklub" erneuert hat, Golowin, der beliebte Laudschastler und — mit sreoetischem Jubel begrüßt — Kuttler, der einstige Ackerbau minister und jetzige Regierung-feind. Au der Tür deS hohen HauseS: der würdige Pristaw, der chon im vorigen Jahre das wichtige Amt der BiUeuloiurolle ausübie. Er hat es dieses Jahr leichter, da für das Publikum ein separater Eingang angelegt ist, der in die Logen führt, ohne daß sie mit den Deputierten in Berührung ommen. Nur der Presse ist eS gestattet, mit den „Bisten des Volkes" die Räume zu teilen. In der Kanzlei ver Duma sagte man mir, eS seien bereits 2500 Personen für die Logen des Publikums vorgemerkt. Da von den 300 Plätzen, die dies« Raum faßt, sage und schreibe! 70 deu sogen. „Ssistscheki" d. h. Geheimpolizisten, reserviert sind, so »st der Besuch der Duma für die nächsten zwei Wochen beinahe gedeckt. Das Ausland bat zahlreiche Journalisten zur Duma eröffnung geschickt. Frankreich mit 82 Korrespondmten bat den Rekord ausgestellt. Sogar die japanische Presse ist ver treten. In den Couloirs ein buntes Bild. Bischöfe (EulogiuS und Platon) in ihren Ornaten, Bauern mit bastumwickelteu Füßen, dazwischen Kavaliere in tadellosem Gehrock — das selbe farbenreiche Bild, das schon das Vorjahr un- gezeigt hat. Priester Petrow fehlt; erst die eröffnete Duma kann seine Freigabe fordern. Sämtliche Minister deS Kabinett- haben sich eiogesunden. Nach dem Gottesdienst, der vom Metropoliten Antonius zelebriert wurd-, verlangt eine Gruppe Abgeordneter »ach d« „Hymne". Sie wird dreimal gesungen. Dao« strömt alles in den Sitzungssaal, Abgeordnete und Journalisten. Die Kürze der Thronrede enttäuschte höchsten- die wahr haft russische» Leute, die gar zu gern ein Xpag» 8at»u» lüdortatis darin gehört hatten. Nicht einmal die kleiuste Drohung, wie schade! Kaum hatte der wackere Golubew, dessen Brust das breite rote Band deS Aooenordeu- schmückte, geendet, als sich die Rechte de- HauseS allem parlamenta rischen Brauch entgegen erhob und au- eigener Initiative ei« Hurra für den Kaiser erschalle» ließ. Die Linke, da- Zeuirum — blieb sitzen. Im großen und ganzen zeigte die Dumaeröffuung^vnrig Feierlichkeit. Draußen aber, hinter de» Ketten der Schutz leute und Kosaken, wogten die Massen de- Volke- »och immer auf und ab. Nur eine schmale Gaffe hat man frei gelassen für die Wagen und Schlitten der zurückkehreode« Deputierten. Danuwiro wieder da» Fragen lo-zeheu: „Wa- für ein Deputierter? Recht- oder liuk-?" Und jeder Antwort wird wiederum Zische», Pfeifen oder Beifallsrufe» folge». Ein- läßt sich schon letzt sagen: e« ist mehr parlamen tarischer Geist in der zweiten Duma al- iu der ersten. Weniger Begeisterung, aber mehr Arbeitslust. I» der Ministerloge waren sämtliche Minister anwesend. Hoffentlich werden sie auch nicht fehlen, wenn eS gilt, ein Gesetzesprojekt zu debattieren und zum Ziele zu führen. Man hat ibne» im Garten deS Taurrschen Palais um 85 000 Rubel einen so schönen Pavillon erbaut: da- verdient doch einigen Dank. Die Wahl Golowins zum Dumapräsivruten (mit 381 Stimmen) ist alle» genehm. Man kennt den alten Land» schastler Golowin als Mann von Takt, dem eiue kräftige DosisHulliorS beigemischt ist. Wieviel unnützes Parlamentiereu und Streiten ein witziges Wort zur rechten Zeit verhiuderu kann, dajür hat Gras Ballestrcm, der einstige Reichstags präsident, einen klassi'chen Beweis gebracht. Auch Muromzew, der vorige Dumapräsident und Leiter der ominösen Wiborger Versammlung, war im Hause. Äuropatkin schmückte die Hof loge. Der kleine englische Berichterstatter, der einem japa nischen Blatte telegraphiert, wird dieses interessante Moment sicher nicht übersehen haben. Deutsches Keich. Leipzig, 8. März. * Stapellauf -c- Turbinenkreuz«- „Stettin". Auf der Werst Vulkan lief gestern mittag 12 Uhr der kleine Turbinen kreuzer „Ersatz Wacht" vom Stapel. Der Feier wohuteu iu Vertretung des bebinderten Staatssekretärs deS RcrchSmariue- amtS Admirals v. Tirpitz Kontreadmiral v. Heeringen, Ver treter deS Offizierskorps und zahlreiche geladene Ehrengäste bei. In der Taufrede gab Oberbürgermeister Haken dem Dank und der Freude der Bürgerschaft Ausdruck, daß ihr der Kaiser einen erneuteu Beweis seiner Huld gegeben habe. Das bei der Eröffnung d«S Stettiner Freihafens 1898 ge sprochene prophetische Wort deS Kaisers „Unsere Zukunft liegt auf dem Mass«" sei für ganz Deutschland zur Wahrheit geworden. Nach einem Hurra auf den obersten Kriegsherr» lauste er das Schiff auf Befehl des Kais«» auf den Namen „Stettin". Unter den beaeisterteu Hurrarufeu der Anwesende» glitt vaS Schiff in die Fluten. * Tie vnv-etkommisfiou des Reichstag» verbandelte gestern über die ihr überwiesenen Titel auS dem Etat deS Auswärtigen. Der Referent Frhr. v. Hertling dob hervor, daß der Etat mit großer Sparsamkeit ausgestellt sei. Für da« Auswärtige Amt werben neu bewilligt: für einen dritten Direktor 20 000 für die ständigen Hilfsarbeiter 5100 für Mehrbedarf infolge der Regelung der Gehälter nach Dienstaltersstufen 13 100 al» Zulage für den Botschafter in Washington (Nordamerika) werden 20 000 bewilligt, für den ersten Botschaftssekretär 2500 -6 Im Lause der Debatte wurde vom RegierungSlisch hinsichtlich der Handels- vertragsverhaudlungen mit den Vzreinigren Staaten folgende Mitteilung gemacht: Die amerikanischen Delegierten hatten nicht deu Auftrag gehabt, einen Handelsvertrag abzu'chließeo, sondern eS hätte sich darum gehandelt, geeignete Grundlagen zu finden, nach denen die Erschwernisse, die sich bei der gegenwärtigen Zollabfertigung ergeben hätten, in Zukunft beseitigt würden. Die Kommission bewilligt die Forderungen sür die Umwandlung deS bisherigen WadlkoniulatS in Bagdad in ein Berufskonsulat, sowie für die Errichtung neuer BernsSkonsulaie in Fez, für die Mantsckure« und sür Ecuador und eines Vizekonsulats in Conia. Im Lause der Debatte «klärte aus eine Anfrage StaalStekretär v. Tscbirfchly, die beiden Offiziere, die in letzter Zeit nach Marokko gegangen seien, seien als Ingenieure und nickt als Reorganiiaioreii ver dortigen Armee hingegaogen. Die Elrichiuog ciner Bank I sei zustande gekommen. Deutschland bade darin e ne Vize- I präsivenrenstelle erkalten. Aut die Frage Dr. Paasche- IsNatl.) nach dem Programm sür die Haager Fried«»-«
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