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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.03.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070309028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907030902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907030902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-09
- Monat1907-03
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. BeznqS«PreiS fitr Leipzig and Vororte: Ju der Haupt» Expedition oder der,» Ausgabestellen ad- geholt monatlich: Ausgabe /l (1 mal täglich) 70 Ps-, Ausgabe v iS mal täglich) 60 Psi bei Zustellung tu» Hau» Ausgabe Ä 80 Pf., Ausgabe ö I Mark. Durch unsere au»- wäriigeu Ausgabestellen uud durch die Post bezogen (1 mal täglich)tuurrhalb Deutschland monatlich 1 Mart auSjchl. Bestellgebühren, für Oesterretch-llugarn 5 L 4b d vierteljährlich, die übrigen Länder laut ZeituugSvreiSliste. Dies« Nummer kostet auf Sb tN alle» Bahuhvfen uud bet III I den Zeitungs-Verkäufern ReSuttton und ExpedMou: JohanniSgass« 8. Telephon Nr. 1L3, Nr. 222; Nr. 117L Berliner NeVattionS-vureau: Berlin dNV. 7, Prinz Loui» Ferdtuaad- Straße 1. Telephon l, Nr. S27S. Abend-Ausgabe 8. MMer Tag Malt Handelszeitnng. Amtsblatt des Mates imd des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeiqen-Prers die Sgrspattrne PetUzeile jür Geschäft«- inserate aus Leipzig uud Umgebung 25 Pf, Familien-, Wohnung«- u. Stelleu-Anzrigen, sowie An- und Verkäufe 20 Ps, finanzielle Anzeigen 30 Pf, für Inserate von au-wärtS 30 Pf. Reklamen 75 Ps, auswärts l Mark. Beilage gebühr 4 Mark p. Tausend exkl. Postgebühr. GeschästSanzeigen an droorzugter Stelle iw Preise erhöht. Rabatt nach Torii. Für Inserate vom Auslände besonderer Taris. Auzeigen-Ännadme: AuguftuSPlaq 8» bei sämtlichen Filialen n. allenAnnoncrn- Expeditionen des In« und Auslandes. Für daS Gricheinen aa deslimmten Lagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Festerteiltr Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker,Herzgl.Bayr.Hosbuchhandlg.. Lützowstraße 10 (Tel. VI, 4603). Atlial-trr-edttton:TreSden.Marienstr.34. Nr. 88. Sonnabend 9. März 1907. Vas Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegangenen Depeschen steheu auf der 8. Seite Le« HauptblatteS.) Des Kaisers Reisen. Di« „Neue politische Korrespondenz" schreibt: Wir hören von einem Gerücht, wonach Kaiser Wilhelm Ansang April nach Prag zu gehen beabsichtigen soll, um dort eine Zusam menkunft mit Kaiser Franz Josef von Oesterreich zu haben. Wir halten diese Nachricht, hinter der etwas wie eine Ten denz verborgen scheint, für absolut unglaubwürdig; nnd auch an den Stellen, die von dieser angeblichen Reise etwas wissen müßten, ist nicht das mindeste bekannt. Von beab>'chtigtcn Reisen des Kaisers scheint uns nur so viel sestzustehen, daß Kaiser Wilhelm am 16. April in Bückeburg den anläßlich der Silberhochzeit des Fürsten Georg zu Schaumburg-Lippe und der Fürstin Mari« Anna geborenen Prinzessin von Sachsen-Altenburg, sbattfindenden Feierlichkeiten beizu- vxchnen gedenkt und vorher die Wartburg besuchen wird. König Friedrich August in Lissabon. Der König besichtigte gestern mehrere Teile der alten Maurenstadt und nahm die Marktplätze und städtischen An stalten in Augenschein. Er legte den größten Teil des Weges zu Fuß, den Rest zu Wagen zurück, wobei er vom König und der Königin von Portugal begleitet wurde. Im Lause des Tages empfing der König eine Abordnung der sächsischen Kolonie und dankte ihr herzlichst für die Begrüßung und das dargebrachte Trinnerungsgeschenk. — Bei dem Besuche der Vorstellung im San Carlos-Theater wurde dem Könige von Sachsen ein freundlicher Empfang bereitet. Das Orchester spielte die portugiesische und die deutsche Hymne. — Heute findet auf dem Schlöffe Ajuda Galatafel zu 260 Ge decken statt. — Die Teputiertenkammer hat gestern eine Tagesordnung angenommen, in der sie der Freude über den Besuch des Königs von Sachsen Ausdruck gibt. Der Grotzherzog vou Baden. Der Hofbericht meldet: Die Rekonvaleszenz des Groß herzogs schreitet bei vollkommener Fieberlosigreit in nor maler und durchaus befriedigender Weise fort. Interpellationen im Reichstag. In den heute schon um 11 Uhr begonnenen Verhand lungen des Reichstages stand, wie uns ein Privattelegramm meldet, als erster Punkt auf der Tagesordnung die Inter pellation wegen der Schiffahrtsabgaben. Graf Posad<?wsky erklärte, der Kanzler sei zur Beantwortung bereit, werde aber den Tag noch angeben, an welchem er die Antwort geben wolle. Darauf ver tagte man diese Interpellation. Der Staats sekretär des Innern, Graf Posadowsky erklärte sich dann bereit, die Interpellation des Zentrums zu beantworten, die betreffe die Rechtsfähigkeit der Bcrufsvereinc, die Einfüh rung des kleinen Befähigungsnachweises, Verschärfung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, Maximalaroeits- zeit von 10 Stunden für Arbeiterinnen und die Arbeits kammern. Der Arbeitskampf im Hamburger Hafen. Zwei der größten Getrcidestauerfirmen haben, wie schon gemeldet, ihren Austritt aus dem Hafenbetriebsverein er klärt, da die ungelernten fremden Arbeiter die Schauerleute nicht zu ersetzen vermögen. Auch sonst herrscht in den Krei sen der Unternehmer vielfach Mißstimmung über das Vor gehen des Hafenbetriebsvereins, nachdem heute durch die Er klärung des Vorsitzenden des Hafenarbeitervereins bekannt geworden ist, daß die Schauerleute wegen der Regelung der Frage der Nachtarbeit verschiedentlich mit den Reedern haben unterhandeln wollen, ihre Anfragen aber unbeantwortet geblieben sind. Die Hamburg- Amerika-Linie zahlt den fremden Arbeitern 20 Mark Hand- aeld, 5 Mark für den neunstündigen Arbeitstag und 1 Mark für jede Ueberstunde bei freier Wohnung und Beköstigung und freier Her- und Rückreise. Die Koalitionsverhandlungen. Gegenüber den Meldungen englischer und amerikanischer Blätter über einen französisch-englisch-rufsisch-japanischen Vertrag erklärt „Petit Parisien", daß Frankreich an den gegenwärtig zwischen England und Rußland, sowie zwischen Rußland und Japan schwebenden Vertragsvcrhandlungen nicht beteiligt sei. Das russisch-japanische Abkommen werde durch eine Klausel, nach welcher zwischen den beiden Mächten etwa auftauchende Streitfragen einem Schiedsgericht unter breitet werden sollen, eine große Tragweite erhalten. Das englisch-russische Abkommen betreffe namentlich die Abgren zung des handelspolitischen Einflusses beider Staaten in Persien. Oesterreichs Vormarsch. Nach einer offiziösen Wiener Auslassung bilden die Vor gänge m Novibazar den Gegenstand von eingehenden Er örterungen der maßgebenden offiziellen Kreis«, die zur Folge haben dürften, daß für olle Fäll« di« notwendigen mili tärischen Vorkehrnngen getroffen werden würden. Sollten die Verhältnisse in Novvoazar sich nicht günstiger gestalten, dann würde sich die Notwendigkeit ergeben, bei der Pforte entsprechende Schritte zu unternehmen und sie auf dieFoIgen aufmerksam zu machen, die ein Uebergreifen <der Unruhen auf das Okkupationsgebiet nach sich ziehen müßten. — Also Oesterreich rüstet zum Vormarsch jusgu' au ckelü cis idlitrovitra! Neutralisierung der Philippinen? Aus Washington wird gemeldet: Von maßgebender Seit« wird angeregt, ernstlich den Plan ins Auge zu soffen, die Philippinen für immer aus dem Kreise der internatio nalen Politik auszuschalten und die Inseln nicht länger als mögliche Ursache eines Krieges bestehen zu lassen. Die betreffende hochstehende Persönlichkeit faßt dabei sie Neu tralisationserklärung der Inseln ins Auge. — Die Vorbedingung dieses Planes wäre doch, jedes politische Band zwischen der Union und den Inseln aufzuhcben. Au«,«PUche Niederlage der Mahalla. / In Tanger sind Nachrichten eingegangen, nach denen die Mahal la im Kampfe gegen die Beni-Aros einen Verlust von etwa hundert Toten, unter denen sich mehrere Offiziere befinden, erlitten haben soll, während die Verluste der Rebellen unbedeutend seien. Eisenbahnunglück. In Wunstorf bei Hannover entgleiste gestern abend 8^2 Uhr der Zug der SteiNbuder Meer-Bahn an der Weicbc bei Bahnhof Hagenburg. Die Maschine liegt gurr über den Gleisen. Durch Verbrühen kamen der Lokomotiv führer und ein Heizer nm: außerdem wurde ein Postschaffner leicht verwundet. Passagiere wurden nicht verletzt. Der Verkehr wird durch Umstcigen aufrcchterhalten. Hinrichtung. Heute morgen wurde im Hose des Aachener Gefäng- nisses der 19jährige frühere Fürsorgezögling Schillyhin - gerichtet, der im Herbst des vorigen Jahres den Schuh mann Jungnickel erschaffen hatte, als dieser ihn verhaften wollte. Zum zweitenmal zum Tode verurteilt. Vom Schwurgericht in Bayreuth wurde der des Movdes an der Privatierswitwe Enders in Bayreuth ange- klaqte Lehrer Müller »um Tode verurteilt. (S. Ge richtssaal.) poMisebes. * Oberst Krause si. Wie schon kurz gemeldet wurde, ist der bekannte Berliner Polizeioberst und Kommandeur der Schutzmannschaft Oberst Krause im 76. Labensjahre gestorben. Er hat in den Maßnahmen ur Sicherheit der Reichshaupt- stadt den verschiedenen Polizeipräsidenten, di« er erlebte, gewissenhaft zur Seite gestanden, und es hat denn auch nicht an Versuchen gefehlt, ihn unschädlich zu machen, wie bei der Absendung einer Höllemmaschine an ihn von selten des Anarchisten Koschemann. Krause war der Sohn eines kleinen Landbesitzers in Bollstedt (Thüringen) und selbst ursprüng lich Landwirt, bis er als Freiwilliger beim 2. Garderegiment zu Fuß eintrat und in diesem vornehmen Regiment wegen seiner außerordentlichen Tapferkeit bei Königgrätz zum Offizier befördert wurde. 1867 wurde er Polizeileutnant, 1881 Polizeihauptmann und 1894 Polizeioberst. cxl. Das Oberpräsidium in Schleswig-Holstein. Ter neue Obcrpräsident v. Bülow hat den Vertretern der Stadt Schleswig, Bürgermeister Helberg uno Polizeimeister Plewka anläßlich ihres Empfanges erklärt,/daß auch er die Verlegung des Oberpräsidiums nach Kiel für notwendig er achte, während er für die Wahrung einer einheitlichen Re gierung in Schleswig eintreten werde. * Japanischer Besuch in Deutschland. Prinz Sadcniura Fuschimi von Japan, der den im letzten Jahre anläßlich der Verleihung des Hosenbandordens an den Mikado erfolgten Besuch des Prinzen Arthur Connaught in Tokio offiziell er widern wird, gedenkt von London auch nach Deutschland zu kommen. Das Eintreffen Fuschimis in Berlin dürfte Mitte Juni zu erwarten sein. * Politische Schulschwesteru. Wegen Mißbrauchs ihrer Amtsgewalt während der letzten Reichstagswahlen wurden an der katholischen Mwxhen'ckul« in Montigny beide Schul schwestern ihres Amtes enthoben; sie hatten während der Wabl di« Mädchen für den Zentrumskandidaten beten lassen, z i - H * Das düstere Paris. Der Ausstand der Elektrizitäts arbeiter kam, obgleich der Beschluß des Syndikates durch die Blätter vorher bekannt geworden war, ganz unerwartet nnd rief eine große Verwirrung hervor. Die elektrisch be triebene Untergrundbahn, sowie die elektrischen Trambahnen verkehrten jedoch ungestört, da sich die Arbeiter ihrer elektri schen Stationen bisher dem Ausstande nicht angeschlossen haben. Dagegen hörten die Fahrstühle in den Häusern auf, zu funktionieren, was zu mancherlei unangenehmen Vor fällen Anlaß gab. Die Polizei hat umfassende Vorsichts maßregeln getroffen, weil sie befürchtet, daß die in den Straßen herrschende Finsternis zu Angriffen auf die Passan ten und zu Diebstählen in den Geschäften Gelegenheit geben könnte. An verschiedenen Punkten, namentlich in den ent legneren Vorstädten, wurden Polizisten mit Leuchtfackeln aufgestellt. — Die ausständigen Elektrizitätsarbeiter konnten gestern ihre in der Arbeitsbörse angesetzte Ver sammlung nicht abhalten, weil der Präfekt Befehl gegeben 101. Jahrgang. hatte, sie zu schließen. Der Sekretär des Verbandes der Arbeitersyndikate hat dagegen protestiert. Die Versammlung sand trotzdem, und zwar auf einem Hofe, statt. Es gelangte eine Tagesordnung zur Annahme, in der der Ausstand pro- klamiert wird. In Gruppen zogen sodann die Aus ständigen nach den Boulevards, wo sie Kundgebungen ver anstalteten, die bis in die späte Nacht dauerten. — Infolge des Ausstandes der Elektrizitätsarbeiter herrschte die ganze Nacht auf den Bahnhöfen Dunkelheit. So mußte der Nord bahnhof notdürftig mit Petroleum erleuchtet werden. Tie Mehrzahl der Morgenblätter konnte nur verspätet und in geringerem Umfange erscheinen. — Die Einstellung der Ar beit ging in fast sämtlichen elektrischen Zentralen in Ruhe vor fick. Beschädigungen des Materials kamen fast nicht vor. Nur in zwei oder drei Anstalten wurden die Feuer ausgelöscht oder gewisse nur schwer zu ersetzende Maschinen teile vernichtet. Da der Ausstand unvermutet eintrat, war für die Zwecke der Beleuchtung, wie für die Kraftlieferung keinerlei Reserve vorgesehen worden. Besonders starke Störungen rief der Ausstand im Zentralfernsprechamt und im Nordbahnhofe hervor. Außer den Theatern mußten auch zahlreiche Konzert- und Tanzlokale geschlossen werden. Tie Menge verteilte sich scherzend in die spärlich erleuchteten Cafös auf den Boulevards. Die Schutzleute', die in den Straßen, die nur mit elektrischen Lampen versehen sind, mit Pechfackeln ausgestellt sind, lösen sich von Viertelstunde zu Viertelstunde ab. Die Zeitungen machen die größten An- strengungen, um das Erscheinen der Morgenausgabe zu er möglichen, Akkumulatoren und Lokomobilen usw. werden mit großen Kosten beschafft. — Etwa 1250 ausständige Elektri zitätsarbeiter versammelten sich abends, da die Arbeitsbörsc geschlossen ist, in den Räumen der Oonköckänation x-änei-sls cku truvsil und nahmen einstimmig eine Tagesordnung an, in der sie erklären, daß sie im Kampfe verharren und ihn erst einstellen, wenn ihre Forderungen erfüllt worden sind. Nach Schluß der Versammlung wurde die Internationale gesungen; auch wurden Rufe: „Es lebe der Ausstand!" aus- gebracht. — In der Sitzung des Gcmeinderates erklärte der Präfekt des Seinedepartements über den Ausstand der Elektrizitätsarbeiter, daß Maßnahmen ergriffen worden wären, um den plötzlichen Ausstand zu verhindern. Die Arbeiter glaubten, durch ihr Vorgehen den Gemeinderat zu größerem Entgegenkommen zu bringen, sie befänden sich aber in einem Irrtum. Er gebe ihnen den Rat, die Arbeit wieder aufzunehmen und dem Wohlwollen des Gemeinderates zu vertrauen, der sie jederzeit geschützt habe. — Zahlreiche Zei tungen konnten heute morgen nicht erscheinen, weil infolge des Ausstandes der Elektrizitätsarbciter ihre Rotations- vresscn außer Betrieb ges'tzt waren. Nur in zwei Thecftcrp. vem TheLtre Refane und dem kleinen TbeLtre Grevin, die ihr elektrisches Lickt selbst erzeugen, konnten Vorstellungen stattfinden. Die übrigen Theater gaben das Geld zurück. Es heißt, daß die Theaterdirektoren heute eine Versammlung abhalten wollen, um wegen eines eventuellen Schadenersatz prozesses gegen die Elektrizitätsgesellschaften gemeinsam vor zugehen. Die Postbediensteten konnten heute nacht wegen der mangelhaften Beleuchtung nicht arbeiten: die Briefe dürften deshalb erst mit starker Verspätung ausqetrageu werden. Von sozialistischer Seite wird gemeldet, daß auch die Beamten und Werkführer der Elektrizitätsgesellschaftco sich dem Ausstande anschließen wollen. Tie konservativen und die gemäßigt-republikanischen Blätter äußern ihren Unwillen über den Streik in schärfster Weise und machen die Radikalen im allgemeinen und die sozialistisch-radikale Mehrheit des Gcmeinderates im besonderen für die schweren Schädigungen verantwortlich, die der Variier Bevölkerung aus diesem Ausstande erwachsen. Ter „Figaro" weist darauf hin, daß die städtischen Arbeiter in einer bedeutend besseren Feuilleton. kläsn soll sich trösten, keine großen Laben ru Haden, wie man sich Irüstet, keine hohen Stellungen einrunehmen; über beickea kann man emporragen cturch cka8 Uerr. ääan muß ckie Rüstigkeit cles I^eidea pflegen, um clie cle8 Leister; ru erhalten. Löse Menschen sincl stet8 überrascht, such in guten auf Schlauheit ru stopen. Oberflächliche Menschen neigen rur OefSlligkeit. kAan sagt wenig Orünclllches, wenn man nur Zuperorckentlichea ru sagen strebt. Zuch clie Schriftsteller recken ru viel. La ist ein ttilfamittel mangelncker Phantasie. ru fabeln. vnuvensrgueL. Die Frau im §8. Jahrhundert. Edmond und Jules de Goncourt wären nie auf den Gedanken gekommen, als berufsmäßige Schriftsteller die Feder zur Hand zu nehmen^ hätten sie im achtzehnten Jahr hundert gelebt. Aber da sie Kinder des neunzehnten sein mußten, io sanden sie in einem uneinheitlichen, verworrenen und stillosen Zeitalter die Möglichkeit eines gesteigerten und gefüllten Lebens nur darin, daß sic Literaten wurden. Sie entbehrten jener Unmittelbarkeit, die zwar plebejisch ist, aber die revolutionären Träger der Entwicklung ausmacht; indem sic jedoch die ganze geschmeidige und unauffällige Ele- ganz ihres Geichmackes, die vollendete Sicherheit ihres Ge lübles an die Reinheit einer Zeile und die Objektivität einer Eharakterstudie anwandten, wird schon ihre bloße Existenz durch die künstlerische Stimmung, die von ihr ausg«ht, be wunderungswürdig und bedeutsam — es wird an ihnen sichtbar, eine wie aristokratische Angelegenheit die Kunst sein kann, aber auch, wieviel Kultur und reifer Sinn für die Oberfläche der Dinge zu ihr gehört. Di« Ruhmestat der Goncourts ist, daß sie die japanische Kunst für Europa ent deckten; ihre ureigenste Aufgabe aber erledigten sie, als sie das achtzehnte Jahrhundert Wiedererstehen ließen, seinen Geist, feine Sitten, seine Menschen, seine geringsten Doku mente in einer Reihe von Büchern niederlegten, sür deren Gesamtheit sie wie ein Balzac der Kulturgeschicht« den Titel einer „Geschichte der französischen Gesellschaft im 18. Jahr hundert" vorgesehen hatten. Das 18. Jahrhundert erlangtes in ihnen Bewußtsein, si« erst verstanden es ganz, indem sie Distanz von ihm gewonnen. Im Jahre 1862 erschien die erste Ausgabe der «Frau im 18. Jahrhundert".*) Der Historiker erlebt, sobald er sich mit irgendeiner Epoche des Menschlichen näher beschäftigt, dasselbe wie der Dichter, der das Leben zu gestalten unternimmt. Alle festen Begriffe schwanken, Andeutungen fremder Möglichkeiten, Widersprüche und Wechsel jagen einander. Die Idee, die wir von einer solchen Epoche haben, stellt sich als viel zu unkompliziert und oberflächlich heraus. Nietzsche z. Ä. konnte darum gegenüber dem „apollinischen" Griechenland der landläufigen Auffassung die „dionysische" Unterströmung als Ergänzung finden. Auch vom 18. Jahrhundert haben wir nur schematische Begriffe und wenige lassen es sich an gelegen sein, seinen Geist zu entdecken, d. h. zu verstehen, daß seine Manier, das Leben zu betrachten und zu gestalten, auch sür uns. die wir eine andere haben, eine Möglichkeit darstellt, in der wir leben könnten. Auch die Auffassung oder der Stil des 18. Jahrhunderts ist eine Form, in der alle Bedürfnisse der menschlichen Seele, wenngleich sic teil weise hineinaepreßt erscheinen, doch vorhanden sind. Im allgemeinen hat man von diesem Jahrhundert eine viel zu unerlebte, gleichsam eine opcrnhaftc Auffassung, man sieht hinter den Kavalieren und Domen zu wenig die Menschen. Denkt man an zwei Begriffe, wie den der Leidenschaftlich keit, die Rousseau in die französische Seele einströmen lieg, und an den der genußsüchtigen Galanterie, die das Kenn zeichen derselben Gesellschaft ist, so muß man sich klar machen, daß die Energie, die in jener zutage trat, unmög lich vorher in der Zeit des galanten Stiles nicht vorhanden sein konnte. Der Kulturhistoriker wird daher, wenn er ein Psychologe ist (oder ein Künstler), aut einen Punkt zurückgreifen, wo beide Begriffe noch nicht getrennt waren und wo man ver steht, daß die höfische Galanterie ein ebenso umfassendes System der Lebcnsordnung gewesen ist wie jede „Welt- anschairung", oder vielmehr wie jede Weltanschauung nur ein Versuch dazu. Sie stellte sämtliche menschliche Regungen unter die Herrschaft eines großen Prinzips, das als solches unvergänglich und eine unmittelbare Notwendigkeit ist, die auch heute noch in jedem als Stimmung lebt: die aristokratische Distanz, die souveräne und leichtblütige Stili sierung. Das 18. Jahrhundert war nicht, wie man so oft hören kann, eine Periode der Dekadenz, sondern — und dies ist ganz unromantisch gemeint — der Reife und Voll kommenheit. Nie konnte der Mensch auf eine so weite Ent wicklung zurücksehen wie damals, als er den größten Ab stand von dem, was er ursprünglich gewesen war, non der Natur erreichte und an ihre Stelle etwas, das er ganz allein gesunden, erworben und ausgebildet hatte, die Zivilisation, die Künstlichkeit, den Stil setzte. Jene Generationen fühlten sich in der Tat am Ende de? Weges, jenseits oder besser über allem seelischen Zwiespalt und allem Suchen. *) Soeben deutsch bei Julius Z eitler erschienen, I in «in«r von dem Mitglied des StadttheaterS, Herrn IPrina besorgten Uebersetzung. Und da dies Problem der Reife das Grundproblem jeder Entwicklung, der künstlerischen, der philosophischen, der menschlichen überhaupt ist, so kann man ermessen, welche Be- deuftamkeit das „französischste" aller Jahrhunderte besitzt. Und um der Idee der aristokratischen Stilisierung des Da seins so nahe wie möglich zu kommen, war es unabweisbar, die Hypothese der „wirklich guten Gesellschaft" streng durch zuführen und das Voll und die verschiedenen Schichten des Bürgerstandcs ganz zu übersehen. Auch die Goncourts fanden es notwendig, das 18. Jahr hundert zu einem Erlebnis werden zu lassen und setzten sich die Aufgabe, „von seinem Augenschein bis zu seinen Ge- Heimnissen, von seiner Trockenheit bis in sein Herz, von seiner Korruption bis in seine Fruchtbarkeit, von jeincn Werken bis in sein Bewußtsein hindurchzudringcn". Sie erreichten dies Ziel auf dem Wege der Anschaulichkeit, in dem sic die Frau des 18. Jahrhunderts wieder erstehen ließen. Es war schlechthin das Jahrhundert der Frau, und die Iran war Licht und Schatten dieser Zeit, wie die Brüder Goncourt. selbst einmal sehr schön sagen. Dies ist noch in einem tieferen, als dem bloß galanten Sinne wahr. Das Niveau der Frau kam in einer beispiellosen Welle dem des Mannes gleich. Es war nur dadurch möglich, oaß dasjenige der Männer niedriger geworden war: eine so absolut aristo kratische Zeit ist in ihren Intelligenzen ausgeglichen und was sie an Feinheit gewonnen hat, hat sie an brutaler, aber schöpferischer Kraft verloren — dies alles tam dein Niveau der Frau zugute, die nicht mehr das Genie des Mannes zu befürchten brauchte. Während der Frau in der Mehrzahl der Fälle die Zustände einer Seele, die sich in einer künst lerischen oder philosophischen Entwicklung befindet, ver schlossen sind, konnten ihr die Resultate einer Epoche, deren Wesen in einer geschmackvollen, unlyrischen Vernünftigkeit besteht, kein«.Schwierigkeiten bereiten. Sie spielt also nicht bloß, weil sic der Gegenstand des erotischen Triebes dcr Zeit ist, ihre ausschlaggebende Rolle. Die Frau ist die Seele des Jahrhunderts und dieses Lob bedeutet für den Mann einen Tadel: er ist, aristokratisch und unauffällig wie es die Entwicklung bedingt, einen Grad zu weiblich ae- worden. Ein Bild vom Wesen der Frau zu entwerfen, er schöpft das Wesen der ganzen Zeit. Der hervorragende Zug im Charakter der Frau wird dal>er ihre auf das Praktische gerichtete Energie sein. Die „Ideale" sind abgesckuffst, Kultur bedeutet (mit Reckt) nicht mehr eine. Bewegung zugunsten einer zukünftigen Vollendung, sondern Gegenwart; es gilt nicht mehr, zu streben, sondern seine reife Eleganz anzuwenden: daher ist das Leben nur noch eine Gelegenheit, sich als ein in jeder Minute nnd in jeder Lage souveräner Mensch zu zeigen: in diesem Sinne ist man praktisch geworden. Denn da statt des Erträumten aus guter Künstlerschaft heraus nur noch das Gegebene gilt, so sind schließlich nur noch zwei Ziele übrig geblieben: der Genuß und der Ehroeiz. Die Frau des nnaion rchrimo erschöpfte beide. Die Goncourts, die den glücklichen Gsdanken hatten, Kupferstiche, Miniaturen und Porträts als Dokumente zu sammeln und zu verwenden, kamen M dem Ryultasi' „Studiert man diese Gesichter, die, je mehr man sie betrachtet, um so ernster werden, so tritt unter der Grazie ein deutlicher Charakterzug zutage; der Scharfsinn, die Kaltblütigkeit, die geistige Energie er scheinen nur noch halb verhüllt — hinter dem heiteren Ge sichtchen bricht eine große Lebensklugheit Ixroor." Diese Frauen sind kühn und geschmeidig, und ihre Kühlheit ver hindert nicht, daß sie einen durchdringenden Sinn sür die Natur dcr Leidenschaften besitzen. Wie sür gewisse roma nische Dichter war auch sür dies« Frauen die Welt der Ge fühle nur noch ein Material, an dem sie die sichere und spielerische Künstlersckwft, die ihre späte Rasse sich erworben hatte, darstellen konnten. Was früher Leidenschaft uud Sehnsucht gewesen war, ist angewandte Energie geworden, und jetzt erst glauben wir dieses typische Gefickt der Fran- Minnen zu verstehen, in dem ein kleiner, frauenhafter Mund, aber eine, trotz aller Unauffälligkeit, sehr energische und verführerische Polsterung unterhalb des Kinnen ist sie deutet jene Grausamkeit an, die in den Menschen der I,ikNMN8 ckarrgorouse-i und dcr Romane des Marquis de Sade hart oder maßlos wurde. Das Machtbereich der Frau des 18. Jahrhunderts ist unbeschränkt. Ihr Salon ist nicht nur eine Einrichtung der Geselligkeit, sondern vor allem auch ein Mittel, ihre Herrschaft zu organisieren: hier laufen die Fäden der Po litik zusammen, von hier aus nimmt dcr Erfolg dcr Künst ler, Dichter und Gelehrten seinen Ausgang. Tic Frau füllt mit ihren Kreaturen den Staatsdienst, sie ist die Herrin dcr Laufbahn des Mannes. Die innere Logik dieses Systems ist bewunderungswürdig und vollkommen. Was mit seiner unscntimentalcn und bewußt-oberflächlicken Idee unvereinbar ist, wird schon von der ersten Erziehung der Kinder ausgeschlossen, die die Goncourts eine antinatura- listischc nennen, weil sie allen Zusammenhang mit dcr Na tur und alle naive Leidenschaftlichkeit verbannte. Das Kind galt diesem Jahrhundert nichts, dcr Frau war in dem Augenblick, als sie aus dem Kloster hinweg heiratete, alles erlaubt. Aber immer bestand in einem Dasein, das nur den Salon und die von Kerzen beleuchtete Nackt kannte nnd den Teint ohne Puder und Rot, das Haar obnc den künstlichsten Auiban unerträglich fand, jene abwlntc Trevnnpn van nnd kosmischem Gefühl: cs fehlte jeder landschaftliche Sinn und ein Aufenthalt aus dem Lande war nur als Exil möglich. — Es bleibt dabei, daß nie eine Zeit kühner uud folgerich tiger ihre Künstlichkeit durckgcführt bat. Aber in dcr Wirklichkeit war dieses System wie alle menschlichen Zustände auf die Tauer nickt haltbar. Es litt an seiner Vollkommenheit und an seiner Ausschließlichkeit, cs erlag dem Fluch, dem alles Fertige entgcgcngeht, dcr Langeweile. Da dcr Genuß neben dem Ehrgeiz das einzige Ziel für Menschen, die sich als ein Ende empfanden, war, so mußte er in das Tempo einer maßlosen Steigerung vcr- sallen, um die Leere zu übertönen, die daS Verbot jeder Leidenschaftlichkeit erzeugte. Tas ganze Temperament dieser Menschen ergoß sich in bcn Taumel eine" ununterbrochenen Folge gesellschaftlicher Geschäftigkeit. So war die Fran nicht nur die Königin, sondern auch die Märtyrerin der Zeit. Eines Tages aber, als die notwendige Idee deS aristokra- tifchen JabrhundertS in ihrer ganzen Ausdehnung Bewußt sein und Wirklichkeit geworden war, und als sie d«m Schicksal
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