Radfahrer-Zeitung. n. Jahrgang. Amtliches Organ. Nr. 2. Verantwortl. Schriftleitung: Hprmnwphpr- Geschäftsstelle: Max Möller, Leipzig Sächsischer Radfahrer - Bund Theophil Weber ’ Leipzi8, Elsterstrasse 53. OdtHblbbilcI ndUldlllci DUIIU. i| Nürnbergerstrasse 29.1. Ziele und Aufgaben des S. R.-B. ii. Haben wir unter vorstehender Ueberschrift in dem vorigen Artikel die in § 4 der Bundessatzungen angeführte ,, Verbreitung des Radfahrsports im Königreich Sachsen“ besprochen, so wollen wir heute auf die weiteren Ziele, welche jener Para graph ausspricht, näher eingehen und zwar auf die „Pflege des Renn-, Touren- und Kunst fahrens“. Greifen wir aus diesen drei grossen Classen der Ausübung des Sports zunächst das Tourenfahren heraus, da diese Classe hinsichtlich der Verbreitung die weitaus bedeutendste ist, während das Renn- und Kunstfahren Abarten sind, welche nur von einzelnen Wenigen cultivirt werden. Das Tourenfahren ist sozusagen die Seele des Radfahrsports, in ihm tritt der Sport am bedeu tungsvollsten in die Erscheinung des öffentlichen Lebens und deshalb gebührt auch ihm die sorg samste Pflege und Veredelung. Das Tourenfahren greift tief in die sociale Frage hinein, denn es ist das Schaffungs- und Förderungsmittel der Begeg nung, Vereinigung und Verbrüderung der Sports genossen. Auf der „Tour“ reichen sich freund lich oder freundschaftlich Diejenigen die Hand, welche sonst durch Raum und Zeit von einander getrennt sind, auf der Tour lernt man Kameraden kennen, auch wohl lieb gewinnen, die das Berufs leben sonst für einander scheidet und welche - die menschliche Gesellschaft nach höheren und niederen Classen eingetheilt — theils neben uns, theils über uns, theils unter uns stehen. In diesem durch den Sport herbeigeführten Zusammen fluss der verschiedensten Bildungsclassen der Men schen liegt ein Culturschatz von hochbedeutsamen Werthe, und leider noch viel zu gering wird Seitens der Regierungen und Staatsoberhäupter die Thätig- keit bewerthet, welche den Radfahrsport, im Spe- ciellen das Tourenfahren, an dem Ausgleiche der durch Rassen- und Parteikämpfe sich befehdenden menschlichen Gesellschaft entwickelt. Jeder Sport genosse ist in unseren Augen ein „Kamerad“, gleichviel welcher Vereinigung er angehört, welche Sprache er spricht, welche Berufsstellung er ein ¬ nimmt, befleissigt er sich nur der edlen Mutter „Sport“, welcher er als Sohn angehört, würdig zu sein. Der Sport geht in diesen culturfördernden Be strebungen aber noch weiter, indem er durch Clubs und kleinere oder grössere Verbände alle jene Elemente auch gesellschaftlich zu vereinigen und aneinander zu fesseln versucht, welche sich sonst wohl niemals begegnen oder miteinander verkehren würden und könnten. Es wird daher einleuchten, dass die wenigen Worte, welche der § 4 unserer Satzungen in sich schliesst, einer so weitgehenden Auslegung be dürfte, dass ungezählte. Seiten nicht ausreichen würden, um das zwischen den Zeilen Liegende er schöpfend zu interpretiren. Auch unsere Aufgabe kann und soll es nicht sein, bei Besprechung des culturellen oder ethischen Werthes des Sports, im Speciellen des Touren- | fahrens, in die Breite zu gehen, wir müssen uns ' begnügen, einen Lichtstreifen nach der socialpoli tischen Richtung hin geworfen zu haben und kehren zu dem eigentlichen Zwecke unserer Ab- j handlung, zu dem Tourenfahren als solchem j zurück. Der Feuereifer vieler Vereinigungen schiesst, 1 was zunächst die Abhaltung des Tourenfahrens an betrifft, wohl zu weit über das Ziel, indem nicht ■ nur zu häufige, sondern auch räumlich und zeit- ■ lieh zu weit begrenzte Touren angesetzt werden. Zugegeben, dass der junge, „unbeweibte“ Radler denjenigen Sonntag zu den verlorenen zählt, an welchem keine volle Tagesfahrt angesetzt ist, so betrachten wir es als einen taktischen und stra tegischen Fehler, wenn neben der wünschenswerthen einmaligen wöchentlichen Abendausfahrt jeder Sonn tag der ganzen Saison mit Tagestouren belegt und das Erscheinen aller Mitglieder eines grösseren Ver bandes zur moralischen Pflicht gemacht wird. Solche Bestimmungen befördern den Tourensport nicht, sie hemmen und schwächen ihn. Es ist grundfalsch, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass, wenn an der Sonntagsfahrt auch nur einige