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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.03.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070322010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907032201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907032201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-22
- Monat1907-03
- Jahr1907
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rsezuq^-PreiS für Leipzig and Lororte. I» der Haupt» Expedition ad« de«» Ausgabestellen ab- gehott mo»attich: Ausgabe^ (1 mat täglich) 70 Pf-, Ausgabe ü i2 mal täglich) SO Pf„ bei Zustellung in« Han« Au«gabe 80 Pf-, Au-gabe 8 l Mark. Durch »nsrre au«- wärtigeo Ausgabestelle» und durch die Post bezogen (1 mal täglich)tn»erhaIbDeotschland« luonatlichl MarkaXschl. Bestellgebühren, für Oesterreich-Ungar» bL 4Üd vierteljährlich, die übrigen Länder laut Aeitungsprei«liste. Dies« Stumm« koktet auf Ast tN alleu vahudbseu und bei I II deu Zeitung«- Berkäuser» K" I* Aebattt-n und ErseSttt»»: Zohanutsgasi« 8, Lalepho, Str. 1LL «r. 2L^ Str. I17L. Berliner cke»«M»u»-v«rem»: Berliu LIV. 7, Orinz Louis Ferdülanb- Straße L. Televbon I. Nr. 9275. Morgen-Ausgabe 8 MpMr.TWMaü Handelszettung. ÄmLsblatt -es Rates und -es Nalizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Sln,eiqen«PreiS Aneeigeu-Anuadme: AuguftuSplarz 8, bet sämtlicheu Filialen u. ollen Anaoncen- Lrprditioneo deS Ja- und Auslandes. di- S gespaltene Petüzeilr für Geschäft«» Inserate aus Leipzig und Umgebung 25 Pf„ HamUtea^ Wohaongs» u. Etellea-Aozrigeu, sowie Au- uud Verkäufe 20 Pf, finanzielle Anzeige» 80 Pst für Inserate von auswärts 30 Pf. Reklamen 75 Pf, auswärts l Mark. Beilage gebühr 4 Mark p. Taufend exkl. Postgebühr. Geschästsanzeigra an bevorzugt« Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Für Inserate vom Auslände besonderer Taris. Für da« Lrlcheiueu an bestimmten Tagen u. Plätze« wird kein« Garantie übernommen. Feslertellte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Ha»Pt-Filtale Berit». L arlD n n ck e r, Herzgl-BayrHofbuchhaudlg.. Lützowstraße 10 (Tel. VI, 4603'. Ftlial-svrve-itiour DreSPen.Mariemlr.34. Nr. 81. Freitag 22. März 1907. 1V1. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * König Friedrich August berührte auf seiuer Rück reise nach Dresden am gestrigen Abend Leipzig. (S. Lpzg. Ang.) * Am gestrigen Tage ging auch das preußische AbgeordneteuhauS in die Osterferien. Es nimmt seine Verhandlungen am gleichen Tage wie der Reichstag, den 10. April, wieder auf. * Im preußischen Herrenhaus gab gestern Ober- berghauptmann Bellen Erklärungen über das Gruben unglück auf dem Mathildenschacht ab. (S. DtfchS. R.) * Die Inden-Verfolgungen in Rumänien nehmen emea großen Umfang an. (S. Ausl. n. letzte Dep.) * Der frühere holländische Minister Sprenger van Eyk, Generaldirektor der StaalSbahnen, ist gestorben. * Der Krieg in Mittelamerika wird jetzt auch zu Wasser geführt. Englische und amerikanische KriegSschisfe sind unterwegs. Die Nicaraguaner stehen vor der feindlichen Hauptstadt. (S. Ausl.) * Rrisuli hat sich dem Prätendenten ange- schlosseu. (S. Ausl.) * Bei den gestrigen Rennen in Liverpool siegte in de« Union Jack Stakes (24 000 ^l) „Aube r", im Liverpool Spring Cup l20 000 ^l);BridgeofCann y". (S. Sport.) L«m Lose Ser graten cambsaorkt. MS Fürst Gortschakow -um Berliner Kongreß kam, um die Macklerhieniste Bismarcks in Anspruch zu nehmen, und hinterdrein ihm die Schuld zuzuschisben, daß di» russischen Bäume nach dem Türkenkriog nicht in den Himmel wuchsen, Hegleitete ihn ein junger Diplomat, Graf Wladimir Niko lajewitsch Lambsdorff. Seitdem war der junge Staats mann bei allen Aktionen zugegen, welche Rußland mit den europäischen Staaten in Berührung brachten, und keinem Menschen war es zweifelhaft, daß Graf Wladimir Nikolaje- tzritfch einmal eine allererste Nolle am Aarenhofe spielen werde. Di« Lambsdorffs sind dort ja seit langen Jahr. Hinten gut ungeschrieben, und haben ihren Platz -u ve- haupten gewußt. Graf Matwej Iwanowitsch, der „Papa Lambsdorff", prügelte als Erzieher den nachmaligen Kaiser Nikolai I. nach der Schwerenot, und die Majestät entsann sich noch lange der Jagdhiebe, die mit Ladestöcken und -Linealen von der Hand des Generals auf die Mitternacht seite des Großfürsten niedergesaust waren. Papa Lambs- dorff erzog nach mittelalterlichen Grundsätzen, nach denen Prügel „gute inxenin" machten. Aber diese schaudernde Er innerung verhinderte nicht, daß General Lambsdorff deu Grafentitel bekam, als sich sein Zögling mit Charlotte von Preußen vermählte. . Der Enkel dieses Großfiirstenprüglers ist Graf Wladimir Nikolajewitsch, der Vertraute Alexanders II. in Livadia, der sich auch bei dem großen Revirement unter dem dritten Alexander seinen Platz an der Sonne zu sichern wußte. Man konnte schlechterdings den gewandten Diplomaten, der in Alexandrowa, Skirniewice und Kremsier den Monarchen begegnungen beigewohnt, der die Grundlinien der russischen Politik unter Gortschakow und Giers genau kennen gelernt hatte und das Doppelspiel auf der deutschen und der franzö sischen Klaviatur gründlich beherrschte, nicht mehr wie einen gehaschten Springer vom glatten Schachbrett russischer Diplomatie schieben, und als der Bojar Murawiew, der größer im Studium von Modejournalen als von diploma tischen Noten war, im Eisenbahnzuge einen ganz rätsel hafte« Tod fand, war es keine Ueberrafchung, daß Graf Lambsdorff seinen Sessel einnabm. Er war «S, der die russischen Fäden in Belgrad und Sofia wieder ordnete und anknüpfte, die von Alexander IH. mit rauhem Griff des Zornes abgerissen und verwirrt waren. Jahrelang durste bekanntlich der Name Ferdinands von Koburg nicht vor den Ohren des Gatten der Dbnenprinzessin genannt werden; und als Natalie Ketschko chr russisches Spiel gegen Milan von Serbien verloren hatte, der junge Obrenowitsch in Wiesbaden von ihr getrennt tpprde, und der trotz seiner Pariser Divertissements politisch s,hr kluge Milan das Reich seines Sohnes in das öfter- reichische Fahrwasser gesteuert hatte, war auch Serbien für Alexander HI. ein Greuel. Diese verfahrenen Verhältnisse Hepkten Lrchanow, Muranjew und Lambsdorff still und ge räuschlos wieder ein. In Belgrad arbeitete ihm die physische und intellektuelle Dekadenz des letzten Obrenowitsch m, die Hände, hier brauchte der Rubel nicht Dtwal nachzuhelfen, und die Fata Morgana des Empfanges a« Aarenhofe, die man von Zeit zu Zeit vor Draga Maschin cMjfluchen ließ, besorgte das übrige. Ferdinand von Bulga- Mo'ließ seinen Sohn trotz des feierlichen Versprechens, das S? Marie Louise von Parma gegeben hatte, nach orthodoxem ßkitpS taufen und verdarb es damit so gründlich mit Franz Josef von Oesterreich, daß ihm nichts übrig blieb, als sich mit Haut und Haar dem Zaren auszuliefern. Erst beute hat sich der Koburger wieder in der Wiener Hofburg zeigen bissen, und ob die Unruhen in seinem Lande nicht von russischen Agenten geschürt werden, weil er mit seinen öster reichischen Anwandlungen gegen die Petersburger Intentio nen verstieß, ist nicht unbedingt zu verneinen. Ser- bien und Bulgarien sind nach russischer Auffassung eben Vasallenstaaten, -war nicht deS Großtürken, wohl aber Oesterreichs und Rußlands, und da man trotz der Obreno- Witsch-Schandvirtschast und der Ränke gegen den Batten berger nicht beide Bissen hiaunterwürge» durfte, so schaffte Hraf Larub-dorff klare Verhältnisse. Er kam mit Nikolai H. nach Wiesbaden und Mürzsteg, und die Welt wußte, daß Serbien fortan zu Oesterreichs Bezirk gehöre, und Bul garien im Schatten Rußlands wohne. Die Balkanpolitik schien damals auf lange Jahre hinaus in friedliche Bahnen ge lenkt, und Graf Lambsdorff durfte den Dank Europas ein heimsen. Nur schade, daß England seither dieses schöne Pro gramm mit seinem Kommentar versehen hat. Heute schielt Bulgarien nach Wien und die Serben führen grimme Fehde um ihren Schweinehandel mit Oesterreich, in Rumänien schlägt man die Juden tot, in Sofia knallt man Minister nieder, die Komitatschi in Makedonien haben die Saison mit Sengen und Morden verheißungsvoll eröffnet — kurz, eS ist, als ob gerade vor dem Tode Lambsdorffs der Balkan ihm noch schnell habe zeigen wollen, daß an den interessanten Völkern auf itsch und ow alle Kunst der Divlomaten ver- geblich kuriere. Der französischen Politik wußte Lambsdorff keine neue Note zu geben. Er fand hier die Wegemarken gesetzt, und die wichtigen finanziellen Abschlüsse besorgte Herr Sergej Juljewitsch Witte, der noch immer der schönen Marianne die nötigen Milliarden herauszumassieren verstand. Alles in allem, man hätte dem Grasen wohl prophezeien mögen, daß er in den Sielen sterben werde — wenn es in Rußland keine Großfürsten, keine Parkettgenerale und Boudoir minister gäbe. Es ist das tragische Schicksal aller großen russischen Diplomaten gewesen, daß sie mit Westeuropa viel leichter fertig werden konnten als mit den nichtbeamteten Ratgebern und Ohrenbläsern, die den weißen Zaren noch immer in der Hand hatten, wenn es galt, das letzte Wort zu sprechen. Beging dann auf Grund dieser Einwirkungen der Zar einen politischen Fehler — nun, wozu war dann der Verantwortliche da, der Minister, der bezahlte Knecht, auf den der Gaspodin seine Wut loszischen lassen durfte? Das hat vor allem Graf Lambsdorff bitter erfahren müssen. Er hat den japanischen Krieg nicht gewollt, aber die Herrschaf ten, welche in Paris ein Luderleben führten und die Mil- lionen am Amur zu finden hofften. Die Grobfürstenpartei, die Prachtexemplare, bei mit Pariser Kokotten soupierten, während in Ostasien die Brigaden bluteten und hungerten, sie redeten und hegten den Zaren in die Politik hinein, unter welche dann Oyama und Logo den blutigen Schlußstrich machten. Aber sie wuschen nachher die Hände in Unschuld und wiese« auf Lambsdorff, der das ganze Unheil airgerichtet. Als start seiner Gras Witte nach Portsmouth ging, war sein Schicksal besiegelt. Aber noch ehe er seinen Abschied nahm, durfte er ein Pröbchen Bojarentakt und Dank vom Hause Romanow erfahren. Die Fürsten Dolgoruki sind seit Alexander II. ja einer der Seitenflügel am Hause Romanow geworden, in denen für kaiserliche Schäferstunden Raum war. Ein Dolgoruki sollte Fürst von Bulgarien werden. Jedenfalls gehören sie zu den „russischen Leuten" des Hofes, die in Giers, Lambsdorff, Witte nur so etwas wie Kammer juden und Hofschweizer sahen, denen man Geld, Orden und Titel, aber auch einen Fußtritt gibt, wenn sie ihre ver dammte Pflicht und Schuldigkeit getan. In Doigorukis edler Seele entbrannte also der Zorn besonders heilig über den Sünder Lambsdorff, der die japanische Suppe ein gebrockt habe, die nun den Herren Großfürsten und dem Vizekönig Alexejew, diesem Unbegreiflichsten aller Mäch tigen von Unterrocks Gnaden, so übel bekam. Also ging Fürst Dolgoruki, der Patriot, hin auf den Newski Prospekt und insultierte den Sünder Lambsdorff mit der Bojaren faust. Das war das Siegel unter das Dankschreiben für geleistete Dienste. Graf Lambsdorff ging. In San Remo, wo er als ein politisch toter Mann seit Jahresfrist lebte, hat ihn der All erbarmer Tod von schweren Leiden erlöst, auch vom grollen den Gedenken an den Dank, den die Völker für ihre Staats männer nur zu oft haben. vir preuzzkche?ölen<iebatte. Die gleichzeitige Tagung des Reichstages und dez preußi schen Landtages bringt es von selbst mit sich, daß das Inter esse auch für wichtige Fragen des Landtages meist vor dem, was im deutschen Parlament verhandelt wird, zurücktritt. Zwar hat das nicht gehindert, daß eine so bedeutsame Ange legenheit wie der Vorstoß gegen die geistliche Schulaufsicht alsbald für ganz Deutschland von Interesse wurde, aber 'n den Hintergrund ist gedrängt worden, was die Debatte im preußischen Abgeordnetenhause über den deutsch-polnischen Schulkampf brachte. Und doch ist dies wichtig genug, um noch nachträglich behandelt zu werden. Hat diese zweitägige De batte doch an erster Stelle das bedeutsame Ergebnis ge habt, daß der zwischen der Zentrumspartei und ihrer eigenen Presse bestehende latente Gegensatz in der Beurteilung des polnischen Schulstreiks offen zutage trat. Schon in der Budgetkommission hatte der Zentrums abgeordnete Dr. Dittrich die Erklärung abgegeben, daß die katholische Kirche keineswegs die Erteilung des ReligionS- unterichts in der Muttersprache fordere, sondern nur ver lange, daß der Unterricht in einer den Kindern verständlichen Sprache gegeben werde. Die Zentrumsblätter, die bisher den Polen in der Frage des Schulstreiks durchweg die Stange gehalten hatten, wußten nichts Besseres zu tun, als von dieser bemerkenswerten Tatsache keine Notiz zu nehmen. Nun hat aber der Abg. Dr. Dittrich in der Debatte des Abgeordneten hauses sich in demselben Sinne ausgesprochen, und sein Parteigenosse Graf Praschma die Aeußerungen über diese« Punkt noch dahin ergänzt, daß auch Papst Pius X. den Schulstreik durchaus nicht billige. So kam es denn, daß die Polen in der Frage des Schulstreiks nicht nur von allen nationalen Parteien, sondern auch vom Zentrum selbst völlig verlassen waren. So sehr das Zentrum auch den Wunsch hatte, daß die Regierung in der Sprachenfragc des Religion«. Unterrichts «ach einem Einvernehmen mit den kirchliche« In' stanzen streben «löge, konnte «S sich doch der Erkenntnis nicht verschließen, daß das frivole Treiben der Polen mit dem Schulstrcrk nur sittlich verwildernd und verwüstend nach alle» > Seiten wirken könne. An zweiter Stelle muß hervorgehobe« werde«, daß I die Polendebatte di« von den polnische« Abgeordneten und der Zentrumspresse seit Jahren verbreitete Legende zerstört hat, das Konzil von Trient habe die Erteilung des Religions unterrichts in der Muttersprache als unabänderlichen Grund satz der katholischen Kirche proklamiert. Der Abg. von Jazd- zewski hatte diese Behauptung schon vor fünf Jahren in der Debatte über den Schulaufruhr von Wreschen in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. Januar 1902 ausgestellt. Das Bezeichnende aber ist, daß damals weder im Abgeord netenhause noch in der Zentrumspresse darauf im geringsten reagiert wurde. Dagegen begann die polnische Geistlichkeit gleich beim Beginn des Schulstreiks im »origen Jahre als bald mit.dieser Behauptung aufs eifrigste zu operieren, und der Erzbischof v. Stablewski nahm sie sogar in seinen Hirtenbrief vom Oktober v. I. auf, der bekanntlich den Schul- streik erst zum vollen Ausbruch brachte. Auch in den ultra montanen Blättern wurde seitdem in der Bekämpfung des deutschen Religionsunterrichts der Hauptnachdruck auf die angebliche Verordnung deS Konzils von Trient gelegt. Und richtig kam auch der Abg. v. Jazdzewski am 15. d Mts. wieder auf seine alte Behauptung zurück. Der Kultus minister war aber diesmal vorbereitet und hatte eine Unter suchung der Frage von unterrichteter Seite vornehmen lassem Er erwiderte d>Äer dem Abg. v. JazdzewSki: „Diese Vorschrift (des Konzils von Trient) bezieht sich alber überhaupt nicht auf den Religionsunterricht, sondern auf die Unterweisung in kirch lichen Dingen. Volksschulen in unserem Sinne bestanden da mals überhaupt nicht, und die Urxua vulgaris (Volkssprache) wird dort nur im Gegensatz zur lateinischen Sprache vorge schrieben, wenn die lateinische Sprache nicht verstanden wird, bedeutet aber nicht Muttersprache. In den Volksschulen in Posen ist nun ausdrücklich der Religionsunterricht zunächst in der polnischen Sprache und erst dann in der deutschen Sprache vorgesehen, wenn die Kinder das nötige Verständ nis dafür haben. Hiermit ist der angebliche Grundsatz der katholischen Kirche durchaus beachtet." Das entspricht auch völlig den Forderungen des Zentrums, die in der Debatte gestellt wurden, und man kann gespannt sein, wie sich die Presse der Partei zu diesem Ausgang der Verhandlungen stellen wird. Bis dahin hat sie dafür noch keine Worte ge funden, Vie -flbeit Ser neue» sieichriager. Der neue Reichstag hat voin 19. Februar bis zum 20. März 24 Plenarsitzungen abgehalten. Die praktische und gesetzgeberische Arbeit, die er in dieser Zeit geleistet Hal, um faßt folgendes Pensum: Von den zehn Regierungsvorlagen, die dem Reichstage in dieser Zeit zugegangen waren, hat er folgende vollständig in allen drei Lesungen verabschiedet: 1) die beiden Kolonialnachtvagsetats für 1906 ^Besoldungen (29 Millionen) und Eisenbahn Kubub-Keetmansboop (1. Rate 8900000 ^l.)s, 2) den Entwurf betreffend oen Hinterbliebe- nenversicherungssonds, 3) die Vorlage über die Berufs- und Betriebszählung im Juni d. I., 4) die Kontingentierungs vorlage für Brennereien, 5) den Vertrag über den Beitritt Luxemburgs zur norddeutschen Brausteuergemeinschaft, 6) das Etatsnotgesetz für April und Mai. In erster Lesung wurden erledigt: der Etat für 1907, der Ergänzungsetat für 1907, die Maischbottichsteuer novelle. Noch gar nicht beraten wurde der Entwurf sür den Gebührentarif des Kaiser Wilhelmkanal. Von Interpellationen hat der Reichstag gerade ein Dutzend besprochen, zehn wurden von der Regierung be antwortet, bei zweien wurde die Beantwortung abgelehnt (Wahlbeeinflussungen und polnischer Schulstreik). Die Be ratung dieser Interpellationen hatte allein I^> Wochen in Anspruch genommen. Von den 141 Initiativanträgen wurde keiner beraten, dagegen 7 schleunige Anträge auf Einstellung von Strafverfahren gegen Reichstagsabgeordnete erledigt. Unerledigt geblieben sind, d. h. noch gar nicht beraten wurden: vier Denkschriften: Tätigkeit der physikalisch-technischen Reichsanstalt, Beschäftigung von Ge fangenen, Verlauf des südafrikanischen Aufstandes, Entwiche- lung der Schutzgebiete: ferner fünf Uebersichten, Be richte, Nachweisungen: Geschäftsübersicht des Reichsmilitärgerichts, Bericht der Tätigkeit der Zentral auskunftsstelle für Auswanderer, Berichte der Tätigkeit der Reichsbeamten für das Auswandererwesen, zwei Nach weisungen über die Gesamtrechnungsergebnisse der Berufs genossenschaften. Zwei Verträge: Auflösungsvertrag mit Tippelskirch, Pachtvertrag mit Lenz und Co. wegen der Togobahnen. Vier Bekanntmachungen über Bunde«, ratsverordnungen. Fünfzehn Rechnungssachen, meist kolonialen Inhalts. Fünf Berichte der Wahlprü- fungskommission über Wahlprüfungen. Die Arbeit des Reichstages nach Ostern beschränkt sich zunächst auf Erledigung des Etats und des Ergänzungsetats (2. und 3. Lesung), Verabschiedung der Maischbottichsteuar- novelle und des Äebührentarifs für den Kaiser Wilhelm- kanal, sowie der Denkschriften, Uebersichten usw. Diese Ar beit kann der Reichstag, wenn er seiner Beredsamkeit etwas Zügel anlegt, gut bis Pfingsten erledigen. Die Regierung will ihm sogar noch den Entwurf über die Einschränkung der Majestatsbeleidigungsprozesse und den Entwurf über Verbreiterung des Kaiser Wilhclmkanals gleich nach Ostern vorlegen. Ob dagegen das Relchszivilbeamtengesetz, das der Bundesrat zurzeit erkalten hat, und der Versicherungsver tragsentwurf dem Reichstage noch in der ersten Session zu gehen werden, ist zweifelhaft geworden. Die Regierung und auch der Reichstag wollen die erste Session nicht über Pfing sten ousdehnen. Von der Gestaltung des Gesetzentwurfes für 1907 wird es auch abbängen, ob die Regierung noch einen Ergänzungsetat für Beamtenbeihilfen in der Höhe, wie der Reichstag sie am 18. März gewünscht hat, dem Reichstag wird zugehen lassen können. Die vom Reichstage angenommene R-ssolution fordert eine Ausgabe von 20 Mil- bonen Mark, ohne auf di« Deckungsmittel hinzuweisen. Solche Deckungsmittel können nur neue Steuern sein, auch für die im Jahre 1908 beabsichtigte allgemeine Gehaltsauf- besseruna der Beamten. Daß der Reichstag sich vor Pfing sten noch mit Steuerprojekten beschäftigen möchte, glauben wir kaum, zumal dadurch die Session verlängert wird, waS in Anbetracht des frühen Beginns der 2. Session (Ende Oktober) nicht,-» wünschen ist. vom rpanircben siönigrboke. (Von unserem Londoner L-Korrespondenten.) Man wußte in England längsll daß die arme Ena von Battenberg — denn das ist die Königin Viktoria Eugenic für die Engländer durchaus geblieben — kein sehr ver gnügtes Leben am spanischen Hofe führe. Selbst die be zahlten Lobredner in den englischen Gesellschaftsblättern sind in der letzten Zeit müde geworden, den fortgesetzten Honigmond der beiden „1»v«r «n dbron«" zu schildern. Der König selbst ist ja in England niemals sehr populär ge wesen. Das ist seinerzeit deutlich heroorgetreten, als bei dem Attentate am Hochzeitstage die junge Königin nicht von ihrem Gatten, sondern von zwei Engländern, Colonel und Captain Esmond, aus einem alten, dem Hofe nahestehenden Hause, in Sicherheit gebracht wurde. Das hat man in Eng land dem stolzen Spanier übel genommen. In der legten Zeit scheint sich aber die Lage der jungen englischen Prin zessin noch etwas weniger behaglich gestaltet zu haben, als selbst die Skeptiker daheim vor ihrer Abreise in Aussicht nahmen. Und zwar scheinen Umstände, welche eigentlich einsm erhöhten Einfluß der „Engländerin" hätten den Wog ebnen sollen, gerade das Gegenteil bewirkt zu haben. Be kanntlich sieht die Fürstin in einiger Zeit einem freudigen Ereignis entgegen. Sie bat infolgedessen seit einigen Mo naten mehr zurückgezogen gelebt. Und damit hat sie offenbar einen Teil ihres Einflusses auf Alfons XHI. selbst, wenig stens vorübergehend, eingebüßt. Der sehr lebensfrohe Fürst scheint auch sonst die gerade in solcher Zeit gebotene Rücksicht außer acht gelassen zu haben. Der König, der auch von seiner früheren Hoffnung, politischen Wandel m seinem Lande per sönlich schaffen zu können, abgekommen ist, soll ferner glaub haften Nachrichten zufolge, an Schwermutsanfällen leiden, die in jähem Wechsel mit seiner sonstigen Lebenslust aus getreten sind. Offenbar ist ein Teil dieier Gemütsbeschwer- den auf den neuerdings wieder stärkeren Einfluß der ultra montanen Beichtväter zu setzen. Die Königin selbst scheint sich nicht immer strikte an die Forderungen der strengen »panischen Etikette halten zu wollen, ia manchmal so lebhaften Anstoß durch ihre „Jnsularität" zu erregen, daß in Hof kreisen der Wunsch ausgesprochen worden ist, wenn es der „Engländerin" in Spanien nicht gefalle, so möge sie wieder nach ihrer Heimat zurückkehren. Gewiß kann die Geburi eines Thronerben die nicht sehr glänzenden Aussichten der Dynastie und der jungen Prinzessin verbessern. Aber auch die bloße Erwartung dieses Ereignisses hat zu lächerlich au- mutenden, aber in Spanien doch keineswegs ganz harmlosen Intrigen Anlaß gegeben. Nach einer alten spanischen Hof sitte müssen bei der Entbindung zwei Granden anwciend fein, welche Hofämter mit Ministerrang bekleiden. Die lunge Fürstin wehrt sich begreiflicherweise gegen den alten Brauch, der ursprünglich den Zweck hatte, Kindesunter- schiebuugen oder Vertauschungen zu verhindern. Das äußerste Zugeständnis, zu dem sich Ena herbeilassen will.' geht dahin, daß die Herren im Vorzimmer warten sollen. Da die Königin letzthin nach schwerem Kamps« auch durch gesetzt hat, daß sie einen englischen Leibarzt in der Person des Dr. Glendinning vom Londoner Guvs Hospital erkält, so kann man sich di« intrigante Geschäftigkeit der Hvf- fchvan-en denken. Dies« kleinen Hofskandale sind um so un angenehmer, als gleichzeitig die dynastischen Interessen durch einen recht großen Skandal bedroht werden, den Alfons XII. seinem Sohne als Legat hinterlassen hat. Der König batte in dem letzten Jahre seines Ledens eine wahnsinnige Leiden schaft zu Helene Sanz, einer schönen Sängerin, gefaßt. Aus seinem Sterbebett bedachte er seinen Sohn aus dieser Liaison — oder Ehe, wie andererseits behauptet wird — mit einem reichlichen Legat. Es scheinen aber seitens der Treuhänder wiederholt Unregelmäßigkeiten vorgekommen zu sein: vor einigen Jahren wollte Sanz schon einmal klagen, und neuer dings scheint er trotz aller Anstrengungen der königlichen Familie, die Angelegenheit geheim zu halten, die Gerichte ernstlich in Ansvruch nehmen und die ganze.Mfäre an die Oefsentlichkeit bringen zu wollen. Politische Momente spielen natürlich auch in den Handel hinein: der republi kanische Senator Nouges führt die Sache vor dem Madrider Gericht. Das Zusammentreffen König Eduards mit Al fons XIH. dürfte daher nicht bloß dem Vergnügen gewid met sein Deutsches Keich. Leipzig, 22. Marz. * Bundesrat. In der gestrigen Sitzung des BundeS- rateS wurde den Ausschußberichten über die nachfolgenden Vorlagen zugestimmt: Vorlage über die Aeuderung der Grenze des Braker Freibezirks, ferner die Vorlage über die Aenderung der AussührungSbestimmungen zur Bekämpfung der Cholera; Vorlage über Entwürfe von DeSinfektionS- anweisungen sür gemeingefährliche Krankheiten. * Des Reichskanzlers Urlaub. Der Reichskanzler wird seinen Osterurlaub am Sonnabend antreten. Wie schon mitgeteilt, wird Fürst Bülow sich mit seiner Gemahlin nach Rapallo an der Riviera di Levante begeben. Der Geheime LegationSrat v. Below, der den Kanzler gewöhnlich auf seinen Reisen begleitet, wird auch an dem Osteraussluze teilnehmen. Fürst Bülows Aufenthalt in Rapallo ist auf zwölf Tage bemessen. * Die Rcchnungseracbnifse der BerufSgenoffenschafteu usw. für IM» sind dem Reichstage vorgelegt worden. Darnach umfaßten die 66 gewerblichen BerufSgenossenschaften durch schnittlich 8,1 Millionen versicherte Personen, die 48 land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften durchschnittlich 11,1 Millionen Versicherte. Von den Reichs-, Staats- und sonstigen AuSsührungSbehörden wurden rund 857 000 durch- fchnittlich Versicherte nachgewiesen. Bon den 114 Berufs genossenschaften wurden in runden Summen gezahlt: als Entschädigungen 122 Millionen Mark, als Kosten der Fürsorge für Verletzte innerhalb der Wartezeit 700 000 als Kosten der Unfalluntersuchungen und der Feststellung der Entschädigungen 4,3 Mill. Mk., als Kosten deS Rechtsganges 1,7 Mill. Mk., al« Kosten der Un fallverhütung 1,3 Mill. Mk., als lausende Verwaltungskosten 11,8 Mill. Mk., als sonstige Ausgaben 1,2 MiL Mk., als Einlagen in den Reservefonds 18 Mill. Mk. Die Gesamt ausgabe belief sich auf 162, die Gesamteinnabme auf 164,5 Mill. Mk. Die Gesamtsumme der gezahlten Entschädigungs beträge (Renten usw.) stellte sich auf 135,4 Ml». Mk. ge.ien 126,6 Mill. Mk. im Jahre 1904 und gegen 1.9 Mill. Mk. im Jahre 1886. Die Zahl der Unfälle, für die im Jahre
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