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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.03.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070323012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907032301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907032301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-23
- Monat1907-03
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BezuqS-Prei- Gr -eG-tg «d Saeaew: A» dir Ha»»tz> Ervedtit»» ck« d«» »»--abckekl« ab» «edoU «omttllchr »»»«ab« L (1 «al täglich) 7V «s., »asgabe ü IL «al täglich) 80 Ä, bei stnstell»», WS -a»- »a-aad« L 80 Ps^ Aatgab« L 1 Mark. Durch unsere aus« wäriiaeu «asgobeslelle, aid durch die Bost dezygea kl «al täglichliaaerdalbDeulichlaads monatlich l Mark ausjchl. Bestellgebühren, für Oesterreich-Uagara d L 45 b vierteljSbrlich die übrigen Länder laut Zeituuasprei-tiste. Di«)« Stuauuer lostet aut ä ib rll 7 all« vadadüf« «b bei III ktztzl d« Leitung««BerkSuier, K" s Ueratttou »u» Erpe»M«»r Jahauutsgast« 8. Lelevbo, Rr. 15^ «r. LL^ Stt. »178. Berlin« Kesakttaus-Vurra». Verlst» UV. 7, Art,- Louis tzerdinanb» E trotze l. Lelevkon l, Rr. 9275. Morgen-Ausgabe 8. MpMerIaMalt Handelszeitung. Amts blatt des Males nnd -es Molizeiamtes der Lladl Leipzig. Anzeiqen-PreiS dir SgespaUea« Petit zeit« für Geschäfts» inserotr aus Leipzig »ud Umgeb»« Lü Ps, ftamUieu^ Wohnung«- u. Etelleu-Änzeigr», sowie Au- «ad Verkäufe 20 Pf, finanzielle Anzeige» SO Pf, für Juierate von auswärts SO Pf- Reklamen 7b Pf, an-wärt« 1 Mark. Beilage gebühr 4 Mark p. Laufend exkl. Postgebühr. GefchäftSanzeigen an bevorzugter Stelle ün Preise erhvht. Rabatt nach Tarif. ffür Inserate vom Ausland« besonderer Laris. Anzeigen-Anuahm«: Auguttusplast 8, bei lämtlich« Ftiial« ». all«Anaoucru. Grvedttion« des Iu- und Auslandes. Für das Gricheiara an denimmten Lagen m Bläh« wird keine Garantie übernommen, tzefiertrüt« Aufttäg« kbnu« nicht zurück- gezog« werden. Harrpt-fftliale Berlin: L arlD« n cker.Herzgl-Bayr^ofbuchbandlg, Lützowstraße 10 (Tel. Vl, 4MS). ffslial-irrvestttoturreSSea.Marienstr.8L. Nr. 82 Sonnabend 23. März 1907. IV1. Jahrgang. Var MMigrtr vsm rag«. * In Gegenwart des Kaiser- und der Kaiserin fand gestern m Berlin die Trauerseier jilr General vo« Werder statt. (S. DtschS. R.) * Die V rauuschweiaer Regierung bestreitet amtlich, daß schon eine entscheidende Stellungnahme für den Vorschlag zur Wahl de- Regenten erfolgt sei. (S. Dtschs. R.) * Deruburg dementiert die Nachricht, al- sei seine Stelle al-Kolonialdirektor nur al-Durchgangs« pastessüreiuaudere-Reich-amtgeracht. (S.Dtsch. R.) * Ein französischer General hat in Nancy den Revanche-Krieg gegen Deutschland gefordert. (S.Ausl.) * Die österreichische Regierung konzentrierte Geudarmes-Abteilunaen an der rumänischen Grenze, »m eia Ueberfluten der Baneru-Bewegung zu verhüten. sS. La-l.) * Ja Bulgarien herrscht Entrüstung gegen die französische Regierung, welche mit der Zulassung der Lnlg'arischen Anleihe einen Zwang zu einer Kanonen- Bestellung bei Creuzot verbrndea will. (S. Au»l.) * Während ein« Wohltätigkeit-Vorstellung im Saal de- Hotels St. Petersburg in Odessa brach plötzlich Heuer ans. Neun Kinder verbrannten, zehn wurden schwer verletzt. (S. Neue- a. a. W.) * Ja Liverpool gewauu gestern im Grand National Gteeple» Chase (60 000 Mr. Stahley Howards brauner Wallach ^Ereasorr" de» ersten Preis. (S. Sport.) vir stellung <ler vlocir;. In der kurze» Tagung de« Reich-Parlament-, die der Osterpanfe vorher gegangen ist. hat sich mancherlei zuge- tvagen, wovcmL die politischen Schicksalskünder ihre Schlüffe »ich« könne». Doch ist dabei merkwürdigerweise ei» Vor fall nicht recht gewürdigt worden, der schon an sich da- Staun« aller Kundig« erreg« mußte, nämlich die ein stimmige Annahme der KvmmissionSresolution zum Etats- notgesetz, die den Reich-unterbeamt« 100 ^l, de» mittler« ReichSkttnnten 150 ^l als einmalige Beihilfe -mvend-n will. Einstimmige Beschlüsse sind im deutschen Reichstage nicht eben häufig, und betreffen fast immer Formalien oder auch wohl Abkommen mit fremden Staat« wogen irgendwelcher Lerkehrserleichterung. Um eine solche Materie handelt es sich in diesem Falle aber nicht. Vielmehr stand eine hoch politische Aktion -ur Debatte, und zugleich eine Maßregel, der« Durchführung etwa 40 Millionen erfordern und neue Steuervorlag« zur sicher« Folge haben wird. Und trotz dem diese« einstimmige Votum. Die Angelegenheit ist über aus kompliziert, und man muß den verfchiedenartigsteu Jkeengängen wachspür«, um zu einem Verständnis der Rarität zu gelangen. Zunächst darf man wohl sagen, daß diese Teuerungszulage etwa« Ironische- an sich hat. Und -war richtet sich die Ironie gegen die von der ReichSleituny bekundete Auf fassung der wirtschaftlichen Lage im Deutschen Reich. Bis in di« allerletzten Tag« hinein ist unS immer von neuem erzählt Word« vom Segen der neuen Handelsverträge, auch vom brav«, teueren Schwein. Und mit offenbarem Wohl gefallen an den Zuständen ist der agrarische Kur- als Heils weg gepriesen Word«. Es fällt uns nicht «in, das ander« Extrem, den Freihandel, zu rühm«. Er ist praktisch für eine Nation unmöglich, wenn alle anderen sich mit hohen Zollschranken umgeben. Nur meinen wir, daß bereits bi« an die äußerste Grenze des AgrarschutzeS gegangen ist, daß in Einzelheit«, wie in der Beschränkung der Bieheinfuhr, diese Grenze bereits überschritten ist, und daß sehr große Teile deS deutschen Volke«, die Industriearbeiter, die Ange- stellte» und unsere Exportindustriellen, schwer darunter zu leid« habe». Das ist bisher immer offiziell und offiziös bestritten worden. Jetzt aber wird es mit dieser Notstands zulage von 40 Million« bestätigt. Zwar heißt «S, nicht die Agrarpolitik, nicht das teuere Schwein sei schuldig an dem Notstand, sonder» die gesteigerte Lebenshaltung, die all gemeine Aenderung und Verteuerung der Lebensbedürfnisse. Wer aber hier nicht den ursächlichen Zusammenhang -wisch« uwserer Wirtschaftspolitik und der Notlage der abhängigen Existenz« sieht, der bestreitet seine eigenen Behauptung«. Den» e« darf doch nicht übersehen werden, daß es geraoe Ziel und Zweck der ganzen Agrarpolitik ist, diese Teuerung herbeizuführ«. Man will hohe Getreide- und hohe Viehpreise. Mau will sie und hat sie erreicht. Und nuu, da sie da sind, muß man den Reichsangestellten 40 Millionen -uschieß«, damit sie die Teuerung überstehen können. Es ist «her wicht jeder Angestellte Reichsbeamter. Wie viele Million« wärm wohl nötig, um allen diesen Konsu ment« über ihre Notlage hinweg-uihelfen? DaS ginge in die Milliarden. Hier hat man die Kehrseite der Agrar medaille. Und dabei leben wir in einer Zeit außergewöhn lich« industriellen Aufschwunges. Wenn wir ein« Nieder gang darin oder «in« Mißernte erleb«, so wird erst die rechte Kalamität eintret«. Dan» wird Wohl auch den -u- vyrsichtlichen Lobrednern da« Lach« und Witzeln vergehen. Wie ist nun diese Resolution zu ihrer eillstimmigen An nahme gekommeu? Die Regierung hatte in da« EtatSnot» »sG sch» viel »«tag« Beärtgs, 80 «d 00 eingesetzt. Die Unzulänglichkeit solcher Beihilfen wurde allseitig, auch von der Regierung nachträglich, anerkannt, und man ver suchte, zu höheren Beträgen zu gelangen. Da boten sich zwei Wege. Der eine war die Erhöhung der Sätze im Etat. Aber damit war die Regierung nicht einverstanden. Von ihrem Standpunkte aus nicht ohne Grund. Es ist tatsächlich noch heute eine Streitfrage, ob das Parlament das Recht hat, Etatsansätze selbständig zu erhöhen, während ihm Ab striche unbestritten freistehen. Wir sind durchaus der An sicht, daß der Reichstag als gleichberechtigter Faktor der Gesetzgebung auch daS Recht zu Erhöhungen hat, verkennen aber gleichwohl nicht, daß die Frage eben noch strittig ist und daß mit dieser Ueberzeugung praktisch nichts anzu fangen war. Denn mit einem Kompetenzkonflikt war den Beamten nicht gedient, nachdem die Regierung erklärt hatte, für sie sei eine Erhöhung der EiatSsätze unannehmbar. ES ist ferner zu bedenken, daß die Erhöhung der Etatssätze tat- sächlich den ganzen Etat amgeworfen hätte, und daß es schon deshalb ratsam war, die 40 Millionen als Sondertitel zu behandeln. So kam e« zu der Resolutiou der Kommission. Nur das Zentrum schloß sich ihr nicht an. Es wollte die Einstellung der höheren Ziffern in den Etat durchsetzen, und bei der prinzipiellen Stellung der bürgerlichen Linken und der Sozialdemokratie zu der ausgerollten Verfassungs frage konnte es zweifelhaft sein, ob es ihm nicht gelingen würde, seinen Willen durchzusetzen. Dann war der Konflikt da, den Beamt« aber war nicht geholfen. Gleichzeitig wäre aber auch der Block gesprengt gewes«. Und das wäre allerdings ein Ereignis von schier unabsehbarer Bedeutung geworden. Und es kommt hinzu, daß dann die Regierung und der Nest der Blockparteien mit dem Odium behaftet gewesen wären, den Beamten die dringend nötig« Hilfe versagt zu haben. Das hätte in einem Wahlkampfe verhängnisvoll werd« können. In dieser Lage traf nun die Regierung des Fürsten Bülow eine wahrhaft weise Entscheidung. Sie rettete sich und den Block auS der Situation, indem sie er klärte, auf den Boden der Kommissionsresolutton treten zu wollen. Damit setzte sie alle verfassungsrechtlichen Prin zipienreiter ins Unrecht. Die etwa schwankend« Liberal« gaben sofort ihre Opposition auf. Eine Mehrheit für die Resolution war gesichert. Und nun wären Zentrum und Sozialdemokratie in der üblen Lage gewesen, gegen die von ihnen selbst als notwendig anerkannte Hilfsaktion zu stim men. Das riskierten sie aber aus wahltaktischen Gründen nicht, denn den Beamten ist eS naturgemäß ganz gleich gültig, ob die Zulagezissern im Notetat, im ordentlichen Etat, in einem besonderen Gesetz oder sonstwo stehen. Sie hätten sich einfach die Leute gemerkt, die gegen die Bewilli gung gestimmt hätten. DaS war der durchschlagende Grund» der das Zentrum seinen Sonderantrag in letzter Minute zu rückziehen und mit den Polen und Sozialdemokraten für die von der Regierung gebilligte Resolution stimmen Ileß. Die Resolution wurde einstimmig angenommen. »It Seralr- uncl vettiebrräblung i--7. td. Bekanntlich soll im Juni d. I. im Reiche eine allge meine Berufs- und Betriebszählung stattfinden. Dem Reichstage ist eine sie betreffende Vorlage zugegaagen und er hat sich bis auf einige Ausstellungen an den Fragebogen mit dieser Idee einverstanden erklärt. Eine solche Zählung macht naturgemäß viele Vorbereitungen nötig und die Bearbeitung des Zählmaterials dauert meistens Jahre lang. Es dürste den Leser interessieren, etwas Genaueres über diese Zählung zu erfahren: Für den Umfang des Reiches wird eine Berufs- und Betriebszählung nach Fragebogen vorgenommen, die jeder selbst auszufüllen hat wie bei VolK- zählungen und den alljährlichen Personalstandsaufnahmen. In Verbindung damit wird eine Zählung veranstaltet be treffs der Personen, die Jnvalidenbeiträge zahlen, Unfall- und Invalidenrenten beziehen, und eine Zählung der Witwen und Waisen. Die statistischen Aufnahmen werden von den Landesregierungen bewirkt. Die Lieferung der Erhebungsformulare und die Verarbeitung des Urmaterials erfolgt von Reichs wegen. Die in den Fragebogen vorzu legend« Frag« dürfen sich nur auf den Personen- und Fa milienstand, das Religionsbekenntnis, die Berufsverhältuisse — bei Waisen unter 18 Jahren und bei Witwen auch auf diejenigen des verstorbenen Vaters resp. Ehemanns —, auf sonstige regelmäßige Erwerbstätigkeit, sowie auf die reichS- gesetzliche Invaliden- und Unfallversicherung beziehen. Jedes Eindring« iu die Vermögens- und Einkommensver- hältnisse ist unstatthaft. Wer die Frag« falsch beantwortet oder gar nicht boautwortet, kann mit Geldstrafe bis zu 30 X bestraft werden. Wozu wird»»« diese Zählung verarr st alt et, die große Unkosten verursacht? Der Entwicke- lungSgang, welchen die deutsche Volkswirtschaft im letzt« Jahrzehnt genommen hat, rechtfertigt die Annahme, daß seit der Berufs- und Gewerbezählung vom Jahre 1895 i» der Erwerbstätigkeit der Reichsbevölkerung wesentlich« Ver schiebungen stattgefund« hab«. Im Interesse der Gesetz- gebung und Verwaltung muß deshalb auf eine Wiederholung der Zählung Bedacht genommen werden. Für alle auf diesem Gebiete zu lösend« Aufgabe» ist die genaue Kenntnis der Veränderungen in den Erwerbs- und Berufsverhältnifsen der Bevölkerung so notwendig, daß die Beschaffung neuer zuverlässiger Zahlennachweise über die Gestaltung unseres Erwerbslebens ein« Aufschub nicht erträgt. ES kommt namentlich auch in Betracht, daß für die zum 31. Dezember 1910 zu bewirkende Prüfung der Zulänglichkeit der Beiträge »ur Invalidenversicherung berufsstatistisch« Erhebungen er sorderlich sind, aus den« die bisher nur schätzungsweise er mittelte Zahl der invalidenversicherungspflichtigen Personen durch Zählung festgestellt werden kann, und daß auch für die Regelung der Witwen- und WaistufLrsorge statistisch» Unter- la»» Vorhand« sei» «M« Die Kosten der Zählung belaufen sich auf 4l4 Millionen Mark. Für die Vorarbeiten sind 21000 bewilligt worden. Die Erhebungskosten (Erhebung der Zählpapiere, Versen- mng und Rücksendung! stellen sich auf 288 482 die Be arbeitung des Urmaterials auf 3548 127 X, die Zusammen- tellung und Veröffentlichung der Ergebnisse für das Reich auf 308 418 ^l, die Miete für Bureauräume auf 25 626 >ie allgemeinen Kosten auf 59 500^., darunter sind 17000 X. für Reisekosten und Tagegelder angesetzt. Insgesamt ver ursacht die Zählung an sich (Erhebungskosten und Bearbei tung) pro Kopf 6,20 Unkosten, wobei die Seelenzahl auf 61900 000 ^l. angeschlagen ist, Die ZähltzA, soll am 12. Juni dieses Jahres ftattfinden. Hur Sem aunlrelrten Italien. (Von unserem römischen Korrespondenten.) In Neapel war kürzlich daS Staunen sehr groß, als die Polizei gelegentlich einer auf Geheiß des autonomen Trcku- nals der „Ouarata soelotä lki oaruorrL cki Napoli" voll zogenen Mordtat eine ansehnliche Zahl mehr und minder angesehener Mitglieder dieser ehrbaren Gesellschaft zu ver haften und gewissermaßen das Hauptquartier der Camorra hinter die Gefängnismauern zu verlegen sich unterfing. Die Negierung mußte sich entschieden geirrt haben! Hatte doch selbst der Bürgermeister von Neapel, Marchese di Campo- lattaro, — natürlich erst nach Ablauf seiner eigenen Amts zeit — öffentlich und ausdrücklich zugegeben, daß -hohe und niedrige Camorra nur infolge der Duldung der Polizei existieren, die nicht selten für ihre Zwecke die Hilfe der Camorra in Anspruch nimmt und dieser sodann natürlich die Dienste vergelten muß". „Wäre dem nicht so^ hat dieser Herr, der cs doch wissen muß, erklärt, „und nähme die Re gierung die Camorra nicht bei ihren Wahlmanovern direkt in Anspruch, so gäbe es schon längst keine Camorra mehr. Die findet sich nur an Orten, in den« der Bürger sein Recht auf direktem Wege nicht erlangen kann. Hier wird daS Recht durch den politischen Stimmzettel oder durch Tribut leistung an die Camorra erkauft." Und was in Neapel der Brauch ist, ist für daS übrige Süditalien vorbildlich. Ein sehr erbauliches Beispiel hat hierfür vor einigen Tagen der Deputierte Fera in der Deputiertenkammer entwickelt. Er hat dem Appellationsgerichtshof von Catanzaro nachgesagt, <r sei von Grund au« verderbt, er sei seit einer Reibe von Jahr« in den Händen intrigierender Priester und ver rufener Frauenzimmer, an die sich Parteien und Advokat« zu wenden haben, um Gerechtigkeit -u erlangen. Ewige Richter, so legte dieser Herr vor der nicht übermäßig über rascht erscheinenden gesetzgebenden und mitregiercnden Ver- sammlung des weiteren dar, hängen von dem Win! erne« Gerichtsvollziehers ab, der gegen Wucherzinsen Kredit gibt; bei der Entscheidung der Prozesse waltet die stärkste Partei lichkeit, und in wichtigen Prozessen sind die von der Camorra beschützten Schuldigen freigesprochen und die der Anhänger und Mittel entbehrenden Unschuldig« verurteilt worden; in den GerichtSkanzleien wird intrigiert und geräubert: die Haftbefehle werden gegen gute Trinkgelder beiseite geschafft, die Kostenrechnung« und Gebührenaufstellungen werden schachermäßig ausgcsertigt, Deposit, engelder werden unter schlagen, Kopien und Gutachten gefälscht; an vielen Gericht« des Bezirks fehlt die Mindestzahl von Beamt«. Und für diese unübertreffliche Justizpfloge hatte in seiner Antwort aus die Requisition des Deputierten der Unterstaatssekretär im Justizministerium keine andere Entlastung als das Wort, daß es in Catanzaro — auch gute Richter gebe, und daß er die Verhältnisse durch eine NntersuchunqSkommission (Friede sei mit ihr!) prüfen lassen werde. — Nun ist in zwischen der Herr Uuterstaatssekretär den Weg seiner Vor gänger Mangen, und sein Nachfolger und der neue Herr Justizminister Orlando, der ja aus Süditali« stammt, wird sich's natürlich „im einzelnen" noch einmal überleg« müssen, was dieser UntersuchungÄommission anfzugcben ist. Und da können die Herr« sehr Wohl -u ganz überraschenden Ergeb niss« gelangen. So eine Kommission kann nämlich zu leicht di« politische Suppe versalzen. Hat doch erst soeben und recht plötzlich der Präfekt von Catanzaro von der Regierung seines Postens enthob« werden müssen, weil er eine unumgängliche Untersuchung über den Verbleib des für die durch das große Erdbeben Geschädigten ausgebrachten staatlichen und pri vaten Geldes — zu rücksichtsks geführt hatte! Oder der Bürgermeister von Reggio in Kalabrien, der einmal rech!- schcrffenerweise sein Amt hat versehen wollen und die lokalen Freunde des Deputierten dabei vor den Kopf gestoßen hat, so daß ibn eben di« Regierung hat absehen müssen! Denn daran ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen und Per sonen gar nicht zu rütteln, daß die Voraussetzung eines mini steriell gesinnt« und vor allem abstimmenden Deputierten die ist, daß er direkt oder vermittels seiner unbedingten Freunde das Monopol der Beeinflussung und Leitung der Lokal- und Provinzialverwaltung hat. Ue-brigens vermögen ein« stattliche Zahl süditalienischer Stadtverwaltungen über haupt nur vorwärt« zu kommen dank dem vom D«-utierten zu ihren Gunst« in den Präfektur« und Ministerien aus geübten Einflüsse, nnd in dankbarer Anerkennung wird der Deputierte von d« Protegiert« brav gewählt, wiedergewählt und gefeiert. Di« Präfekten, den« ihr Posten lieb ist, be günstigen im Sinne oder gemäß de» Disposition« auf ied- wede Wesse bei Vergebung öffentlicher Arbeiten nick ander- weit di« groß« und klein« Wähler des Deputierten, der seinerseits durch fein« Abstimmung in der Kammer das Gr ollen des Ministers deS Inne« erzielt und so dem Prä fekten dessen Wohlwollen garantiert. Und da ergibt sich not wendig, daß die Wahlen zu d« Stadt- und Provinzialräte» sich nicht nach politischen oder administrativ-technischen Kriterien vollziehen, sondern nur oder wenigsten« in erster Linie dazu, um di« Prävalenz der einen Koalition von Klientel« über die andere Koalition zum Ausdruck zu bringen. Selbstverständlich ober werden all diese schönen Dinge nicht hei ihrem wahren Nam« genannt: im schön« Napoli kämpf« jetzt die D«nokraten mit den Gemäßiat-Lihe- ralen um di« Herrschaft der Stadt, wie anderweit die Rodika. l« und die Klerikalen usw. Wenn irgendwo einmal die Macher sich im eigen« Netze zu fangen furchten, dann schreitet die Regierung gewichtig ein, revidiert und maßregelt; bei solcher Gelegenheit war es neulich, daß der die Stidtkasse vom Neapel revidierende Kgl. Kommissar einige Pakete fix und fertiger Anleihescheine der Stadt Neapel entdeckt«, die viele Millionen Lire über den genehmigten und in Kurs be findlich« Betrag von 85 Million« Lire hinaus darstcllk« und ganz schlicht als Pakete weißen Papiers inventarisiert Ware». Mamchmol wird eS freilich dem arm« geknechtet« N»d ttuSgedentedkL Volke -» viel iwd e« kommt -» blutige» Revolten, wie erst vor ei» paar Tao« Wicker iu Gravina. Infolge derlei auffälliger Geschehnisse trägt «iu meist sozia listischer Deputierter »m Stil einer Anfrage an die Re gierung die ganzen Verhältnisse iu der Deputierteussaurm«r vor, und dann — bleibt alles Wicker beim altes. Deutsches Keich. Leipzig, LS. März. * König Friedrich Ll»gaft i» Paris. Ucker de» kurze» Aufenthalt deS König- iu Pari- schreibt uu» »user Pariser Korrespondent unter der» LI. März: »Eia deatscher König auf de» Boalevards", da-hat r»«ur seit bald vier Jahrzehnt« sicht »ehr gesehe». Körrig Friedrich Allgast von Sachs« kam gester» abend mit dem Südexpreß vo» Madrid am Bahnhof Quai d^Orsay an. Der Polizeipräfekt hatte für alle Fälle eiue» größer« Ordrmug-dimst oraa»»- sieren lassen, au dess« Spitze der Spezialkvmmiffar Olive und der Polizeiosfizier Krorrtzler staube». Der Ordonua»- dieost war ganz überflüssig gewes«. Wen» scho» i» all« Zeitung« die Ankunft bekaunt gegeben Word« war, hatte kaS keine Neugierig« angelockt. Selbst weurr König Friedrich August nicht inkognito, sondern als sächsische Majestät ein getroffen wäre, hatte eS keine Kundgebung« gegeb«; di« Zeiten sind vorbei. Auf dem Bahnhöfe war« Botschafter Fürst Radolin und zwei Attaches erschien«; der Söaig, i» weitem dunkelgrauem Reisemantel, begrüßte sie sehr freund lich und verließ mit dem Botschafter zu Fuß de» Quai d'Orsay. E» blieben zwei Stund« Zeit übrig dis zum Abgang de- Kölner Schnellzugs; man benutzte sie zu einer Promenade auf den Große» Boulevards, wo auf den (Lass-Terrassen de- schönen Wetters weg« viele Mensch« saß«. 11 Uhr SO Miuutm bestieg der Monarch sein« Salonwagen, nach dem er sich herzlich von dem Botschafter und deu anwesenden Persönlichkeit« verabschiedet hatte. * Ei» kaiserliches Geschenk. Der Kaiser hat dem K. bayerischen Infanterieregiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen", da- in Amberg garnisoniezt und dess« Ehes der Kaiser ist, ei» Gemälde al- Geschenk zugedacht »ud »it der Ausführung des Bilde- d« Professor Röchling betraut. E- zeigt da« Regiment in der Schlacht bei Seda». * Tie vrauuschweiger Negentenfrage. Die „Braus schweiger Lande-zeitung" hatte, wie wir meldet«, vor wenig« Tagen die Nachricht gebracht, der Regeutschaft-rat werde den Herzog Johann Albrecht zu .Mecklenburg dem Lrmdtag zur Regenteuwahl Vorschlägen. Dem gegenüber stad die amtlichen „Braunschweiger Anzeigen" vom herzoglich« Staatsministerium ermächtigt, eiue Erklärung zu veröffent lichen, in der eS ir. a. heißt: Es hat bis jetzt weder im Regentschaftsrat, noch in der LaubeSversamml»ug, noch im herzoglichen Staatsministerium, noch in der letzten geheimen gemeinschaftlichen Sitzung de- Regeutschast-rate- uud der staatsrechtlichen Kommission deS Landtage- irgend eine entscheidende Stellungnahme bezüglich de- Borschlaze- und der Wahl eine- Regeuteu stattgefund«. Auf welche Persönlichkeit sich Vorschlag und Wahl richt« werd«, ist noch völlig ungewiß. Die Erklärung weist ferner darauf hin, daß die erwähnte Meldung iu einer Fassung verbreitet sei, die dem Inhalt der vertraulich« Verhaudlnug -wisch« der Regierung und der staatsrechtlich« Kommission durchaus nicht entspricht. * Die Trauerfeier für General Werder. Geste« nach mittag 2 Uhr fand iu der Kirche am Jnvaliveohause zu Berlin eine Trauerfeier für General von Werder statt. Unter dm Kränzen am Altäre befand« sich solche vom Kaiser und der Kaiser« von Rußland. Vom Gouverneur' des Jnvalidenhause-, Hammersteia-Loxt« empfangen, betraten der Kaffer und die Kaiser« das Gotte-Hau- und nahmen »eben dem Sarge Platz, nachdem der Kaffer einen Kranz niedergelegt hatte. Unter anderem hatten sich auch eingefunden Prinz Friedrich Leopold, Prinz Albrecht von Holstein-Glücksburg und die Mitglieder der rusfffchen Botschaft. Militaroberpfarrer GoeuS predigte über die Sprüche Sal. 2, 7. Nach der Feier verließ« die Majestäten das JovalidenhauS, wonach die Beisetzung auf dem Jnoalidenkirchhofe stattfand. * Eine Erklärung TernburgS. Die von unS schon in einem Teil der letzten Ausgabe unter de» Depeschen kurz erwähnte Erklärung DernburgS über seine Stellung zum Kolonialrat liegt jetzt im Wortlaut vor. Am 19. Marz brachte der Breslauer „General-Anzeiger" einen Artikel unter der Ueberschrist: „Personenwechsel iu den höchst« ReichSämtem", in dem auf den Kolouialdirektor Deruburg zur Besetzuvg de- in naher Zeit frei werdenden Reichs schatzamts hingewiesen, er aber für das Kolonialamt al- unentbehrlich bezeichnet wurde. Heute veröfftutlicht da» Blatt folgende, an sei»«» Chefredakteur gerichtete Erklärung: In dem Artikel „Personenwechsel in deu höchsten ReichSämteru" werf« Sie die Frage aus, ob eS wohl iu meinen Wü»sche« und Absicht« liegen möchte, meine gegen wärtige Stelle mit einer ander« im RrichSdieust zu ver tauschen. Da diese Frage wiederholentlich, ohne daß dazu eine äußere Veranlassung vorliegt, Gegenstand der Be sprechung iu der Presse gewesen ist, so möchte ich nicht an steh« zu erklär«, daß ich die Aufgabe der Forderung und Entwicklung unserer Kolonien »ach keiner Richtung als eine Durchgangstelle betrachten kann. Ich erachte diese Auf gabe ftr so wichtig für unsere gesamte Volkswirtsckaft, daß e- nur meinen Wünschen entspreche» kann, solange mir das Vertrauen der dafür maßgebenden Stellen erhalten bleibt, wenn ich meine Kraft diesem Problem widmen darf. Diese Aufgabe ist ihrem ganze» Wes« »ach ia karzer Frist nicht zu lös« »»d bedarf eme«
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