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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.03.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070325017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907032501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907032501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-25
- Monat1907-03
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Slelleu-Ä »zeigen, sowie An» uud Berlins« 20 Pf, staauzielle Anzeigen SO Pf, fßr Jnieratr von an«wärt« SO Pf. NeNameu 7Ü Pf, aa«wärt« l Mark. Beilage» gebühr 4 Mark p. Tausend exkl. Postgebühr. Gkjchästsanzeigen an deoorzugtrr Stelle im Preise erhöht Rabatt nach Laris. Für Inserate vom Aaslaad« besonderer Tarif. Anzeigen-Annadm«: A»»»st»S»l»tz 8, bet sämtliche» Filialen n. allenLaaoueen. Lrpeditiouru des In- und Au-lande«. rur da« Erichetuea au deuimmten Lage» u. Mähen wird keiu« Garantie übernommen. Frjirrteill« Aufträge können nicht zurück gezogen werdeu. Haupt-Filiale Berit«: Lar lD n n ck« r,Herzal.BaqrHosbuchhaudlk> Lüküwilrabe 10 (Tel. Vl, 4603). Mlial-lrrveStttau: Dresdea-Piarieuitr^. Nr. 8L Montap, 25. März 1907. 101. Jahrgang. vrr Luna au Lsndlvittr in au rscdsircden polinir. Auf der Lande-Versammlung deS Bundes der Landwirte ich Sachsen, die am Sonnabend nachmittag in Dresden statt- stad, hat der Chefredakteur der .Deutschen Tageszeitung", Dr. Oertel, dessen Fernbleiben von der gesetzgeberischen Arbeit des Reichstage« daS Verdienst der Wähler von Freiberg ist, eine nach mehr als einer Richtung hin bemerkenswerte Rede gehalten, au- der wir in unserer gestrigen Ausgabe bereits einige Proben brachte». Sein Thema lautete: .Wohin gehl die Fahrt?", und wenn Herr Dr. Oertel sich aus die Er örterung von Fragen der Reichspolitik beschränkt hätte, so wstsden wir kaum Veranlassung nehmen, »och einmal daraus zarückzulommen. Als ehemaliger Vertreter eine- sächsischen Wahlkreises fühlte er sich aber offenbar verpflichtet, auch einen Streifzug in die sächsische Politik zu unternehmen. Was er darüber sagte, verdient wirklich niedriger gehängt zu werden, damit seine ehemaligen und zukünftigen Wähler Dr. Oertel war so jreundlich, ihnen für die Zukunft die Annahme eine- neuen Mandat- zu versprechen — genau wissen, wie er und die Partei, der er aagehort, über die Frage der Wahlrechtsänderung io Sachsen denken. Der ehsmalige Vertreter von Freiberg machte absolut kein Hehl daran«, daß er die geplante Aenderung deS Wahlrechts für die zweite sächsische Kammer keineswegs mit Jubel begrüße. „Per jetzt bevorstehenden Aenderung deS Wahlrechts für die Zweite Kammer", meinte er nicht ohne eine gewisse Wehmut r« der Stimme, „werden Sie ja doch nicht entgehen". — 48-a beachte da- Wort „entgehen"! Allerdings gab auch sr zu, daß da- jetzt bestehende Wahlrecht seine Mängel habe, tzyH man bei seiner Schaffung zu schablonenhaft preußische Verhältnisse auf sächsische übertragen habe, aber ob die Zeit häpfzu schon gekommen ist, erscheint ihm mehr als beglich. „Wenn ich sächsischer Minister wäre, — was iDs zu meiner großen Freude nicht bin, — so würde ich pielleicht mit der Aenderung de- Wahlrecht» noch gewartet haheu." Da» ist allerdings mehr als wahrscheinlich, aber wenn da- sächsische Volk sich mit Dr. Oertel eins fühlt in tser Freude darüber, daß er nicht Minister in Sachsen ge worden ist, so freut eS sich noch mehr darüber, daß Graf Hohenthal offenbar nicht seiner Ansicht über die Wahlrechts- frage ist. Die Forderungen, die die Agrarier an die Regierung bei der Schaffung und Beratung deS neuen Wahlrechts ifchteu werden, sind von ua» schon wiederholt besprochen worden, besonder» die Verschiedenheit der ländlichen und der städtischen Wahlkreise, die bekanntlich die Wurzel ihrer Kfast bildet, die ihnen den ungeheuren E nfluß auf die sächsisch« Politik verschaffen, der ihnen nach der Bedeutung Var Aicbtigrie vom Lage. * Der Reichskanzler Fürst Bülow ist gestern, wie unS aus Berlin mitgeteilt wird, nach Rapallo (Provinz Genua) ab gereist. (S. Letzte Dep.) * General Bailloud ist gestern in Paris vom Kriegs- Minister und späier vom Ministerpräsidenten empfangen worden. (S. Lepte Dep.) * Der Pariser .Temps" berichtet auS Rom, daß das englische KouigSpaar Ende April dort inkognito einen Besuch machen wird. * Der neue amerikanische Botschafter White in Paris ist gestern im Ely Ise empfangen worden. Der Botschafter richtete eine Ansprache an Fallisre», in der er der Hoffnung Ausdruck gab, daß die Beziehungen zwischen den beiden Nationen sich noch herzlicher gestalten möchten als bisher, uud daß beiderseits die Bestrebung:» dahiugehen möchten, den Weltfrieden aufrecht zu erhalten. FaÜibreS antwortete in ähnlichem Sinne. * Da-Marokko-Komitee in Pari- erhielt ein Tele gramm au» Tanger, welche- besagt, dasi in Marakesch die Rübe wiederbergestellt ist. Sämtliche Fiauzosen seien m Sicherheit. (S. letzte Dep.) * Nach Meldungen an- Bangkok ist der französisch siamesische Vertrag gestern unterzeichnet worden. * Die rumaui sche Deputiertenkammer hat da- Budget für 1907/08 angenommen. * In Bukarester RegieruugSkreisen wird ver sichert, daß die im Ausland« verbreiteten Nachrichten über den Umfang der Bauer ubewegung übertrieben seien. Die Bew-guag werde mit Hilf« de- Militärs bald unterdrückt werden. (S. Letzte Dep.) * Vor dem Schwurgericht de- Berner Oberland«- in Thun beginnen heute die Verhandlungen in dem Prozeß argen die russische GeneralStochter Tatjana Leoaliew, die im vorigen Jahr in Interlaken den Pariser Rentier Eharle- Müller erschossen hat. (S. GerichtSsaal.) * In PariS-Auteuil siegte gestern im Prix Murat (SO 000 FrcS.) Mons. AltmanuS .Journaliste" mit L. Carter im Sattel in einem Felde von elf Pferden. (S. Sport.) der Landwirtschaft in unserem industriellen Königreich gewiß nicht zukommt. Aber gerade in diesem Punkte wird den Agrariern und der mit ihnen veibüuveten Partei eine schlimme Entiäuschung blühen, denn wir haben auf Grund zuverlässiger Informationen Ursache anzunebmen, daß einer der wichtigsten Punkte in der Regierungsvorlage die Gleichstellung der Wähler in Stadt und Land sein wird. Das ist eine alte liberale Forderung, uud die Ausführungen deS Dr. Oertel bestäiigen unsere in den letzten Wochen mehrfach geäußerte Ansicht, daß in den wichtigsten Fragen, die dem Landtag in der kommenden Session unterbreitet werden muffen, tiefgehende Differenzen zwischen den beiden großen bürgerlichen Parteien in Sachsen bestehen, Tuffe- reazen, die sich nicht durch Ausrufe zum gemeinsamen Kampf gegen daS rote Gespenst verschleiern lasten. Zum Schluß noch einige Bemerkungen über interessante Parallele, die Dr. Oertel zw scheu dem Reichskanzler und dem Grafen Hohenthal zog. Er ist von der Ehrlichkeit des Reichskanzlers überzeugt und zollte ihm daS höchste Lob, besten ein Agrarier fähig ist, indem er sagte, man Werve auf seinen Leichenstein einst schreiben tonnen: Er ist ein agrarischer Min ster geworden und — hoffentlich — auch gebl eb.n. Und daun verflieg er sich zu der kühnen V-Haupiung, Graf Hohentbal würbe, wenn rr bei e ner ähnlichen Gelegenheit eine Festrede zu halten hätt', auch sagen: Ich bin rin agra rischer Minister. Graf Hohentbal wird vermutlich diese Worte, die offenbar eine Schmeichelei sein sollen, kaum als ' solche empfinden, denn er hat bisher den Aarariern nicht die geringste Veranlassung zu einer solchen Annahme ge geben. N cht als ob wir ihn für einen Feind der Landwirt schaft hielten, aber die Agrarier verlangen von einem agra rischen Minister, daß er ihren kimeitigen Jnte>esftnstanvpunlt billige und vertrete, wie das Dr. Oertel so schön au^drückte, al» er sagte, die Landwirtschaft nehme das Recht der Elft geburt für sich in Anspruch, das dadurch nicht aus der Welt aeschafft Werve, daß die späier Geborenkn den Aeltcsten im Wachstum übe'bdlen. Für diese Auffastuna dürfte Gras Hohvulhat kaum da» rechte agrarische VeiständruS haben. psbiedsnorrelv -j-. Es ist ein bemerkenswertes Zusammentreffen, daß der typiiche B-rireter der ruisischen Rcaklionäre m den'elbcn Tagen gestorben ist, in veuen ein schwacher Hoffnungs schimmer austeuchtet sür eine endgültige Hinilberleitung der zurückgebliebenen „Autokratie" in eine schönere Zukunft. Vor wenigen Tagen gelang es dem Ministerium Stolypin, mit der an Einfluß, an Talenten und an Kenntnissen b-stauSgestatie- ten Duma-Partei, den „Konstitutionellen Demokrat n", sich über ein Grund Problem des heute sür Rußland möglichen Ver- fastung-Rechtes zu verständigen. Am Sonnabend ist PobzedonoSzew verschieden, der frühere Ober-Proluralor des Heiligen Synods. Der Name Pobjedoiios:ew war identisch mit dem »System Alexanders III.". Nicht, als ob dieses System aus rem Geiste dieses Zaren geboren, von seiner Thronbesteigung datiert und mit vem frühen Tode veS finstern Herrschers beschlossen wäre. Die Katkow, Aksakow des zweiten Alexander batten den Ton angeschlagen, den der jetzt verstorbene Kirchen sürst in seiner Wirksamkeit variierte. Auch sie besaßen daS Obr des Zaren ihrer Periode. Aber sie beiaßen eS nicht allein, nicht jeverzeit. Der „Zar-Betreier" hatte die liberale Toga, mit der er sich in den Anfängen seines Regiments drapierte, nie >o völlig abgestreist, daß er rm Grundsatz die Notwendigkeit einer künftigen Fortbildung der russischen Verfassung verleugnet hätte. Nur daß er so viel lieber sich in dem bequemen Hausrock deS politischen Philisters wärmte, für den eS immer noch Zeit hat mit einer gründlichen Ver änderung der liebgewordenen Lebensweise. Sogar die Todes strafe war gesetzlich abgeschaffl in Rußland, und in der Wirklichkeit wurden die Galgen niemals leer! PobjedonoSzew war kein Original. Alles, waS zugunsten der Selbstherrschaft gesagt werden konnte, war von Katkow längst gesagt. Ader PobjeeonoSzew vertrat die Ideen Katkows unter einem Kaiser, für den alle abweichenden Ideen Konter bande waren. Alexander II. glaubte an OrmuSzd und an Murawiew. Der Berater veS dritten Alexander hatte keine anderen Götter neben sich. Orthodoxie, Selbstherrschaft, Panslawi-muS waren die einzigen Glaubens Artikel, uud die Ketzer kosteten alle Höllenqualen Sibirien- und der Pauls-Festung. Die Regierungsgrundsätze Alexander- III. übernahm der Sohn al- ein heilige« Erbgut. Man tut dem Vater unrecht, wenn man ihm die persönliche Achtung versagt. Die UeberzeugungS- treu«, die strenge Tugend, der Familiensinn veS dänischen Schwiegersohnes waren weit achtbarer als die Grundsatzlosig keit deS Vorgänger- und die Schwachmütigkeit des Nach folger-. Nikolaus II. übernahm die Allgewalt Pobjedo- uo-zew-, weil er sie vorsand, und weil ihm jede Bejähigung abgrug, ein Vorgefundenes aus seinen Wert im eigenen Denken zu prüfen. PobjedonoSrew wurde gehalten, solange er irgend zu halten war. Schließlich schwemmten die Fluten der Revolu tion ihn weg. Er mußte aus seinem Amte entlassen werden, al» jene schrecklichen Morde gekommen Warrn, in denen der Herrscher Rußland- Ballast auf Ballast auSwerfea mußte, um da- Lustschiff vor dem völligen Niedersturz in die brandenden Wogen z« bewahre«. Freilich behielt auch der amtlose Man« da- Ohr de» Zaren mehr, al» sür Rußland gut war. Er muß neben Trepow und dem noch lebenden Durnowa unter denen genannt werden, die Rußland» furcht- ! bare Krisis verlängert baden, die vom Portale ZarSkoje Se oS I hinLllSgrstoßtn, nicht entsagung-jähig genug waren, um sich I der ihnen wohlbekannten geheimen Zugänge zum Kaiserschloß nickt zu bedienen. Erst schwere Krankbeit und jetzt der Tod haben Rußland für immer von dem unheilvollen Mauue befreit. Konstantin Petrowitsch PobjedonoSzew wurde im Jahre 1827 in Moskau geboren, wo kein Baler Prosesjor an der Universität war. Der junge Pobievoaoezew erhielt seine Erziehung im Moskauer geiulrten S-minar, Las ec im Jahre 1846 mit Auszeichnung absolvierte. Jin Jahre 1860 habilitierte er sich an der Moskauer Universität als Dozent tür Zivil- und Strafrecht. 1861 bereits wurde er nach Petersburg beruien, um dort den damaligen Thron folger Nikolai Alexanürowitsch, den jväteren Kaiser Alexander lll., in die Rechts- uns Staalswisseniäiaslen einzusühren, und aas jener Zell datiert die Freundschaft, die ihn dis zum Tode Alexanders lll. mit diesem Zaren verband. 1865 wurde er ins Justizministerium brrusen, >872 wurde er Mitglied des Reichsrats, und 1880 wurde er zum Oberprokuralor des Heiligen Eynoüs und Mitglied dr« Ministerkvinitees ernannt. Pobjeoonoszew ist literarisch vielfach hervorgetrelen, und zwar nicht nur auf juristischem, sondern auch aus religiös-philosophischem Gebiet. Leine Lchrifrea zeichnen sich durch rdre große K.arheich prägnante Darstellung und euren glänzenden Stil uus. Deutsches Keich. Leipzig, 25. März. * Tentsch-österreichische Katserzusammenkunst. Die von diplomatischer Seile verlautet, soll im Anschlüße an den Besuch des Kaisers Franz Josef in Prag eine Begegnung des Monarchen mit dem deutschen Kaiser im Schlöffe des ebe. maligen Ministerpräsidenten Grafen Kranz Tbun in Tetsckeu stallsinden. Tatsache ist, daß gelegentlich der Reise des Erz herzog- Franz Ferdinand nach Berlin Graf Thun den Salon wagen des Erzherzogs bestieg und ihn mehrere Stationen weit begleitete. Daraus wird geschloffen, daß es sich bei der Besprechung de» Erzherzogs Kranz Ferdinand mit dem Kaiser Wilhelm um die Enlrevue in Telschen gehandelt habe. " Vizeadmiral v. Ahlcscld. der zuletzt lang: Jahrr das Werfst-epariement des Reichsmcruieamts als Direktor und stellrerlrelender Bevollmächtigter zum Bundesrat leitete, scheidet aus der Reichsbehörde. um im Flottensrontdienst weitere Verwendung zu finden. L. Die Natioualliberalen uud die Einigung deS Libera- lismus. Aus Stuttgart schreibt man uns: In der Generalversammlung der hiesigen Deutschen snationallibe- ralen) Partei dielt der Parteisekretär Professor Keinath eine sehr bemerkenswerte Rede über das Frankfurter Mindestprogramm und den Zusammenschluß der Liberalen. Seine Ausführungen und der lebhafte Beifall, den sie fanden, lassen erkennen, daß die Deutschparteiler in Württemberg erfreulicherweise bereit sind, der liberalen Be wegung sich nicht zu entziehen. Professor Keinath begrüßte die Gründung des Nationalvereins, „dessen Name und Pro gramm uns lympathischer sind als das Programm mancher sogenannter jungliberaler Vereine". Verständlich und er freulich sei es, daß auch in drei linksliberalen Parteien fick das Bedürfnis nach einem Zusammenschluß neuerdings in so kräftiger Weise rege. Wenn die nationalliberale Partei sich bisher einige Zurückhaltung auserlegt habe, so sei das im Hinblick auf frühere Erfahrungen geschehen. Der Erfolg der Einigungsversuche der linksliberalen Gruppen werde wesentlich davon abhängen, wie sie sich einerseits zu der Sozialdemokratie, andererseits zu den Nationalliberalen stellen werden. Darüber herrsche aber, gelinde gesagt, noch große Unklarheit. Man sehe bei den Linksliberaten einen starken Einschlag ins Nationalsoziale, dessen Ideal weniger in der Richtung einer Einigung von Demokratie und Natw- nalliberalen, als in einer Einigung von Demokratie und Sozialdemokratie liege. Das werde für die Deutsche Partei in Württemberg der entscheidende Punkt sein. Die neue politische Lage verlange nun aber entschieden ein Zurück stellen der Gegensätze unter den Mehrheitsparteien. Auch die Deutsche Partei werde daS tun, und schon darum sich ver anlaßt fühlen, der neuen Bewegung nicht ablehnend Legen- Lberzustehen, sondern die Hand zu bieten zu einer möglichst weitgehenden Verständigung. An dem Frankfurter Mindest- Programm müsse die Nationalliberale Partei in den wirt schaftlichen und nationalen Punkten erhebliche Ausstellungen machen. Dennoch werden die Nationalliberalen die Hand bieten zu einer Einigung, von der es allerdings zweifelhaft sei. ob sie auf Grund eines solchen Mindestprogramms werd« erfolgen können. Ersprießlicher werde e» sein, wen» dl« knglaml und die Aonirien. Die englische Regierung gibt durch ein Zirkular ihren zahlreichen Agenten in der Levante, in Syrien und Pa lästina ausführliche Instruktionen, die Juden nach Möglich keit zu protegieren und die lokalen Äuiorikälen nachdrücklich fühlen zu lassen, daß die britische Regierung an dem Wohl ergehen der jüdischen Bevölkerung im Orient ein großes und geschichtlich wohlbegründetes Interesse nimmt. England datiert sein Recht auf das Protektorat über die jüdische Bevölkerung im Orient aus der Zeit des Lord Palmerston, der sich als Minister des Auswärtigen überall einmijchte und dadurch vielfache Unzufriedenheit erweckte. Er erhielt den Spitznamen Lord Fircbran) sFeuerdrand) zur Charakterisierung seiner gefährlichen Machenschaften. Palmerston sicherte lenes Vorrecht Großbritannien als Resultat seiner Vermittlung zugunsten der Jude» in der DamaSkusafsäre. Er erwirkte damals von dem Sultan die Anerkennung des Rechtes Englands, über die Erfüllung der Zugeständnisse jener Jrade zu wachen, die der Sultan zum Schutz der nichtmohammedaniichen Bevölkerung erließ. Dieser Erlaß garantierte der Bevölkerung religiöse Frei heit, schaffte die bürgerliche und gerichtliche Autorität der muselmanischen Kirchen ab, verkündete die Gleichheit aller Glaubensbekenntnisse und Nationalitäten, beseitigte die Verfolgung und Bestrafung religiös Bekehrter, gewährte Nichtmohammedanern Zutritt zu den öffentlichen Aemtern und ordnete ihre Repräsentation im Staatsrat an. Ferner erlaubte er Fremden den Erwerb von Landbesitz, bestimmte die Einrichtung öffentlicher Schulen, die formelle Aus arbeitung der Gesetze, die Reform des Geldsystems und der Polizei und schlug die Einführung von anderen öffentlichen Verbesserungen vor. Diese Jrade hat angeblich npr, unii England darauf bestand, die Juden ausdrücklich nut einge schlossen. Palmerston schlug damals sogar vor, noch einen Schritt Weiler zu gehen und die Frage zu überlegen, ob man die Juden in Syrien, Palästina und dem Orient nicht in derselben Weis« unter englischen Schutz nehmen solle wie die Nömisch-Katholischeu umer der Vormundschaft Frankreichs stehen. Mit Rücksicht auf die enorme Vermehrung der jüdischen Bevölkerung Palästinas seit der Aufhebung des Verbots ter jüdischen Niederlassung in diesem T«»l des türkischen Reiches eröffnet dgs jetzt aus der Rumpelkammer englischer Diplo matie hervorgeholt« und frischgetünchte „Reckt" uns lieb liche Aussichten. Das englisch« Protektorat findet natürlich freudigste Zustimmung in maßgebenden alljüdischen Kreisen. Die Wiederaufrichtung Palästinas durch die Juden unter zionistischen Auspizien, die letzt von England gefördert doppelt schnell sortschveitet, gibt dem Recht, das Lord Palmerston für Enaland mit Beschlag belegte, eine «»ge ahnte Wichtigkeit. Es hat eine diel größere, unmittelbarer fühlbare praktische Bedeutung als daS Protektorat Frank reichs über die römisch-katholischen Christen, England fürchtet, daß Deutschland infolge veS Streites zwischen der Republik und dem Vatikan die Erbschaft deS wertvollen französischen Protektorates antreten wird und sucht in der Vormundschaft über die Juden «ine Verstärkung feines Ein flusses und Handhaben zu beliebiger Einmischung in Pa lästina und Syrien. Deutschland» und Rußlands Fuhfassen im heiligen Land — Rußland hat in der Nähe Jerusalem» einen Äebäudekomplex erbaut, der eine Stadt mit Käthe- drale und Klöstern umfaßt und mehr die Bezeichnung Festung verdient — läßt Englands Eifersucht nicht ruhen. Die große, schnell anwachsende jüdische Bevölkerung Pa lästinas bringt einen neuen, England höchst angenehmen Zug in die Lage der Dinge. England zeigt seine Freund schaft für die Juden bei jeder Gelegenheit. Die Zionisten haben durch die Einrichtung der Jüdischen Kolonialbank in London, die von der englischen Regierung mit beson deren Privilegien ausgestattet ist, und auch auf andere Weise die Ueberzeugung gestärkt, daß sie mit der Zustimmung und Unterstützung der britischen Regierung handeln — und vi« vsrss. Die Zionisten bereiten da- Feld für King Edwards Pläne in Palästina. DaS ganz«, weite Gebiet, da- zwischen dem Mittelmeer und Aegypten im Westen und Indien im Osten liegt, wird von den drei Mächten mit äußerster Eifersucht betrachtet und sicher in nicht sehr entfernter Zukunft enre wichtige, vielleicht sogar «ine entscheidende Rolle in dem Spiel der Reiche beanspruchen, so daß möglicherweise Lord Feuerbrand noch einmal seinem Spitznamen Ehre macht. Die Londoner „Jewish World" träumt im Verein mit der englischen Regierung schon von einem selbständigen jüdischen Staat Palästina unter britischer Oberherrschaft. Hinter diesen Plänen stehen nicht nur die Inden England-, sonder» die sich als ein Volk gleichen Stammes fühlenden Juden der ganzen Welt, gewiß eine respektable Macht der Intelligenz und des Kapitals. Unsere Diplomatie in Konstantinopel wirb aus dies« neuen englischen Quertreibereien «eaen die Bagdadbahn wie immer erst dann anfmerk''am werden, wenn es zu spät ist und sie. vor vollendeten Tatsachen stehend, sich erstaunt di« Augen reibt. vir forscbungzreire ürr kerrogr Kilols friearich r» MecHIr»d«rg nach (M- untl LenlralattillL. Ueber die geplante Forschungsreise des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg, bekanntlich eines Bruüers des Herzogs Johann Albrechi, schreibt Herr Professor Hans Meyer folgendes: Im Mai d. I. wird Se. Hoheit der Herzog Adolf Fried rich zu Mecklenburg, der von früheren Neffen her m ost afrikanischen Expeültionüangelegcnheiten erfahren ist, zu einer Forschungsexpebllion nach r^slafrila aujorechen, die von einem Topographen, einem Geologen, einem Bo taniker, einem Zoologen, einem Ethnologen und einem Mediziner begleitet wird und die planmäßige wissenschaftliche und wirtschaftliche Erforschung des nord westlichen Deutsch-Ostasrikas und der benach barten Landstriche Britlsch-Ostafrikas und des Kongostaates zum Ziele hat. , Die Expedition will Mitte Juni die deutsche Station Vuloba am Westujer des Viktoriasees verlassen, um, tu zwei Hälften geteilt, zunächst den Nordwesten unseres Schutzgebietes zu erforschen; die eine Hälfte wird im Norden den botanisch und zoologisch interessanten Bud du-Wald durchforschen uns bann nahe der deu:sa,-englisckeu Grenze zum Kiwusee Vordringen, während die andere Hälfte der Ex pedition das deutsche Ruanda durchqueren und westwärts zum Kiwusee ziehen wird. Am Kiwusee wird eine Station errichtet. Ein Teil der Expedition widmet sich von dort aus der Untersuchung der geologisch hochinteressanten Birunga-Vulkane, der andere Teil umkreist den Kiwusee und erforscht auch seine noch unbekannte Westseite. Wieder vereint, dringt dann die Expedition durch das Ge birgsland Buiembo nordwärts zum Albert-Edward- See vor, von wo eine größere Exkursion in das Ruwen zori-Gebirge gemacht werden soll. Weiterhin wird nordwärts zum Albert-Nyanza gereist und von dort ein tieferer Vorstoß in das Uellegediet ausgeführt. Auf einem andern Wege kehrt schließlich die Expedition vom Al- bcrt-Nyanza nach Bukoba und zur ostafrikanljchcn Küste zu rück. Die Dauer der ganzen Reise ist auf etwa ein Jahr veranschlagt. Aus dieiem Programm ergibt sich, daß die Ausführung des Planes von großer Bedeutung für unsere Kennt- nis vom deuisch-ojtajrikanischen Schutzgebiet und sür seine wirtschaftliche Bewertung >ein wird. Der aus einer genauen Erforschung jener nordwestlichen Grenzgebiete zu erwartende wissenschaftliche Gewinn wird namentlich deshalb groß sein, weil die beiden großen westafrikanischen und ostafrika nischen, floristisch, faunistisch und auch ethnographisch von einander total verschiedenen Regionen sich dort berühren und in diesen Uebergangs- und Mischgebieten sich erst das Ver ständnis für die Formen und die Verbreitung der diesen beiden großen Regionen eigentümlichen Pflanzen und Tiere und für die Zusammenhänge zwischen den Kongo- und den Nilvölkern ergeben kann. Eine solche Durchforschung bat Geh. Rat. Prof. Engler schon im vorigen Jahre fMitteilungcn des Kgsi botanischen Gartens zu Berlin, November 1906s dringend gefordert, na mentlich mit dem Hinweis aus das reiche Vorkommen von Kautschuk liefernden Gewächsen in den benachbarten, be reits durchforschten Wäldern des britischen Grenzgebietes sBugoma, Budonga usw.s. Wie wir zu vorstehenden Darlegungen vernehmen, ist große Aussicht vorhanden, datz ein weientlicher Teil der von dieser Expedition aus jenen hochinteressanten Gebieten zu erwartenden Sammlungen den Leipziger Museen, ins besondere dem Museum sür Völkerkunde, zugeführt werden wird.
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