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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070402024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907040202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907040202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-02
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Sohn des Kaisers, geb. am 27. Juli 1888, wird, wie uns ein Berliner Telegramm meldet, voraussichtlich im Herbst d. I. die Harvordu n iv«r si tä t beziehen. Die SchifsahetSabgaben. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Die in der Presse verbreitete Nachricht, daß die preußische Staats regierung ihre Absichten in betreff der Einführung von SchiffahrtsaLgaben aus natürlichen Wasserstraßen aufge geben habe, ist unzutreffend. Die Regierung ist durch 8 19 des preußischen Kanolgesetzes vom 1. April 190b verpflichtet, für die Einführung solcher Abgaben einzutreten. — Damit ist die preußische Regier»»« endlich aus ihrer neuerdings bewahrten Reserve herausgetreteu. Man weiß nun, daß sie alles daran setzen wird, um den Wünschen des Landtages in Erfüllung des Kanalgesetzes nachzukommen. Um so wichtiger ist es, im Reichstag eine Mehrheit gegen die Verfassungs änderung zustande zu bringen, die die Voraussetzung für die Einführung der Schiffahrtsabgaben bildet. Bayerische Landtag-Wahle«. Der Landtag wurde heute durch eine Entschließung des Priuzregenten aufgelöst. Die Neuwahlen sind aus den 31. Mai festgesetzt, den Tag noch dem Fronleichnamsfest. Der Anarchistenkmlgreb aufgelöst. Bekanntlich sollte die 5. Konferenz der Anarchistischen Föderation Deutschlands zu Ostern in Offenbach abgehalten werden. Sie wurde verboten. Darauf verlautete, sie werde in einem Orte in der Nähe Offenbachs stattfinden uud als Treffpunkt für die Vertreter wurde das GewerkschaftShaus iu Offenbach bezeichnet, wohin auch für den Abend des 30. März eine Volksversammlung «»berufen war, die der Auflösung verfiel, als der Redner, der Redakteur des „Anarchist' Rudolf Lange-Berli», ausführte: ,Wir sind gegen jedes Blutvergießen. Aber wenn unsere Rechte mit Füßen ge treten werden, dann weiß ich sicht, ob wir noch verpflichtet find, die Gesetze zu halten. Ich für meine Perlon halte wich überhaupt nicht für verpflichtet, Gesetze zu halten." Die Vermutung, die Konferenz werde vielleicht m Mannheim zus-mmentreten, bat sich dann bewahrheitet. Dort aber, wo sie in einem entlegenen Stadtteil aboehalten werden sollte, ist sie, wie wir schon in einem Teil der heutigen Morgen ausgabe unter den letzten Telegrammen meldeten, ebenfalls polizeilich aufgelöst worden. < - Rapallo. Die italienischen Blätter sind voll 'Details über Rapallo. Das „Giornale d'Jtalia" erblickt in der Begegnung der beiden Staatsmänner die logische ErgäiHnng und Vervoll ständigung der Begegnung des Fürsten Bülow mit Aehren- chal. Man vermutet, daß der Unterredung von Rapallo eine Begegnung zwischen Tittoni und Baron Aehrenthal folgen werde. Ueber die Konferenz im Haag erfährt das Blatt von gutunterrichteter Seite, Tittoni und Bülow seien beide der Ansicht, daß das Prinzip der allgemeinen Einschränkung der Rüstungen nicht » priori bekämpft werden dürfe. — In gut- uuterrichteteu Kreise» wird nach wie vor der Reise Tittoms eine besondere Bedeutung abgesprochen. Von Marokko be fürchtet man nichts. Ein interessanteres Thema habe sich den beiden Staatsmännern in der Konferenz im Haag ge boten. Neue politische Gesichtspunkte kämen kaum zur Sprache. Das Verhältnis Italiens zu dem Verbündeten Deutschlands werde dasselbe bleiben, wie andrerseits auch Italiens hohe Sympathie und Intimität mit England un verändert fortbesieden werde. Der Korrespondent der „Wiener N. Fr. Pr." in Rapallo hatte eine Unterredung mit einem italicmsche» Politiker, der ihm sagte: In dem Drei bundvertrag find die militärischen Verpflichtungen der drei Staaten festgestellt: von den Rüstungen ist nicht die Rede. Die drei Staaten haben deshalb freie Hand. Italien wird sich dem englischen Standpunkt in der dlbrüstungsfrage schon deshalb nicht nähern, weit Oesterreich-Ungarn seine Rüstun gen fortsetzt. Auch die Frage, ob im Dreibundvertrag ein englisch-deutscher Konflikt vorgesehen sei, beantwortete der Politiker mit Nein. Spanien »ud Frankreich. Der „Liberal" äichert von neuem Bedenken von spanischer Seite wegen der Besetzung von Udjda. Das Vorgehen Frankreichs werde weder auf die Marokkaner einen wesent lichen Eindruck machen, noch weiteren Gefahren vorbeugen. Das Platt fragt, was also der Endzweck des Vorgehens der Frauzosen sei? Frankreich versichere zwar, es werde Udjda nach Etablierung der marokkanischen Polizei räumen, und lediglich diese Beschwichtigung bewirkte, daß die Mächte zu stimmten. Aus sich widersprechenden Andeutungen eines offiziellen spanischen Regierungsorgans aber ergebe sich, daß Frankreich nicht die internationale Polizei gemeint habe, sondern speziell die Grenzpolizei. Der „Liberal" ist danach von einer monatelangen Besetzung überzeugt, doch müsse eine solche unbedingt den Widerspruch der Mächte Hervorrufen, sowie eventuell ernste Konflikte nach sich ziehen. Eine Er weiterunader Mouloujagreuze zugunsten Frankreichs bedeute zudem eine Verschlie ßung ^des Handels mit dem spanischen B«fika» and Frankreich. Es bestättgt sich, daß verschiedene Mitglieder der fran zösischen Aristokratie sich im Vatikan als Vermittler zwischen der französischen Regierung und der Kurie angeboten haben, ohne offiziell autorisiert zu sein. Der Vatikan lehnte jedoch stets derartige Angebote ab. Die Franzosen in Marokko. Oberst Reibfs hat, nachdem er erfuhr, daß der Stamm der Angad sich westlich von Udjda konzentriert habe, dem Kaib befohlen, den Stamm aufzufordern, sich unverzüglich zu zerstreuen. Der Befehl wurde sofort ausgeführt, und die Eingeborenen gingen ruhig auseinander. Die rumänische» Unruhe». Aus Czernowitz werden die Meldungen über angebliche Agrarunruhen in Radasti und Gurahumora offiziell de mentiert. Zwei Leipziger in Halle ertrunken. Ein schwerer UnglückSfall hat sich im benachbarten Halle zugetrage». Am ersten Osterfeiertage unternahm die Sanger- abteiluug de- Jüngling «Vereins zu L.-Sellerhausen einen Ausflug nach Merseburg, um dort vornehmlich den Dom zu besichtigen. Die fröhlichste Stimmung herrschte bei allen vor; war doch das Wetter so prächtig, wie man eS nur wünschen konnte, und waren doch junge Leute beisammen, die sich nach den Mühen der Wochen so recht Wohl fühlten in der Herrüchen freien Natur. AIS mau die Sehenswürdigkeiten der einstigen Bischofsstadt Merseburg iu Augenschein genommen hatte, wurde gemeinsam die Fahrt nach Halle angetreten. Dort unternahmen nun sieben juuge Leute, Damen und Herren, noch eine kleine Gondelpartie auf der Saale. Sie mieteten zwei Boote; iu dem einen saßen vier, in dem anderen drei, zwei junge Männer, namens Arno Stich und Backhof aus L.-Sellerhauseu, sowie Fräulein Iah» aus 8.-Eutritzsch. Sie sichre« strom abwärts nach Giebicheustein und Trotha zu. Nicht genügend vertraut mit den Wasserverhältnissen, kamen sie hierbei dem Trothaer Wehr zu nahe. Dem einen Kahn, in dem sich vier Insassen befanden, gelang «S noch rechtzeitig zu wenden. Der andere aber mit den geuanntea drei Insassen war schon zu sehr in der Nähe des Wehres; trotz aller Bemühungen war es nicht mehr möglich, den Kahn vom Wehr abzn- bringen. Die Triebkraft der hochfluteudea Saale und die Anziehungskraft deS WehreS waren zu groß! Ein Aufschrei der drei Insassen — und der Kahn stürzte über daS Wehr. Kiel oben trieb da» aus dem Wasser emporgetauchte Boot weiter. Einem der beiden jungen Leute, Arao Stich, Sohn des Walzenmafsesabrikanten Karl Stich iu L.-Seller- hansen, Schützenhausstraße 5, war e» gelungen, auf das Boot zn kommen. Bewußtlos vor Schrecken lag er obenauf. Eine Frau in Trotha, die zufällig zum Fenster heraussah und das treibende Boot von oben wahruehmeo konnte, holte andere Leute herbei und an einer Biegung de» Flusses gelang eS, da- dem Lande ziemlich nahe gekommene Boot zu erhaschen uud de« jungen Arao Stich zu rette«. Wiederbelebungsversuch« waren glücklicherweise erfolgreich. Der junge Mann hat Schade» nicht erlitten und konnte heute schon seiner Arbeit i« Geschäfte des BaterS »achgeheu. Dagegen ertranken die Heide» andere», die überhaupt nicht wieder zu« Vorschein gekommen Ware«: der eben erst au» der Lehre getretene Ba'ckhsf an- 8. - Sellerhausen uno Frl. Jahn aus L. - Eutritzsch. Ihre Leichen sind bis jetzt noch nicht gefunden worden. poMisGes. Der Konflikt im Hamburger Hafe«. Aus Hamburg wird uns vom gestrigen Tage durch unseren Ü-Korrefpondcnten geschrieben: „Morges wird die Arbeit im Hamburger Hasen wieder ausgenommen, die Schauerleute haben sich Mr Nachtarbeit bereit erklärt." Diese Erwartung, bei der mancher kleine Geschäftsmann er leichtert aufatmete, hat sich leider nicht erfüllt, da die Reeder an ihrer neu ausgestellten Bedingung: Jahreskontrakt und Eintritt in die Lvar- und Unterstützungskaffe, sesthalten. Diese seitens der Reeder neu ausgestellte Bedingung bildet jetzt das einzige Hindernis für die Herbeiführung des Frie dens, der sich im Interesse von Handel und Schiffahrt nicht nur Hamburgs, sondern ganz Teutt'chlands täglich bringen der fühlbar macht. Trotz der Nachgiebigkeit der Schauer- leute hat sich der Konflikt letzt wieder verschärft uud eine Bei legung ist für die nächste Zeit nicht zu erwarten. Die Meige- runa der Arbeiter, in die Kaff« mit dem so schön klingenden Namen einzutreten, ist sehr verständlich, der Eintritt würde einer vollständigen Sprengung der Organisation gleichkommen. Die Statuten der Kaffe haben so viele scharfe und ein schneidende Bestimmungen, daß den Arbeitern jede Willens- bestimmnng genommen wird. Die Situation im Hasen ist geradeM »«erträglich ge worden. Der Hafen ist voller Schiffe, die Kais sind voller Waren. Während der Feiertage sind weitere Dampfer hin- Mgekommen und heute liegen annähernd 300 Damtffer im Hafen. Für die ankommenden Schiffe kann kaum noch Platz geschafft werden. Viele liegen an den Pfählen mitten im Master, an den Kais liegen sie zu dreien und vieren neben einander. Heute am L Osterfeiertage wird auf viele« Schif fen und auf den Dais gearbeitet, aber mit der Expedition geht es nur langsam vorwärts. DaS liegt in der Hauptsache an den ungeschulten Leuten, weiter aber auch a« dem fehlen den Zusammenarbeiten der fremden Arbeiter mit den organi sierte Kaiarbeitern, die eine gewiss« passive Resistenz be obachten. So ist leicht erklärlich, daß für «ine Entlöschungs oder Ladearbeit, die sonst eine Stunde erfordert, jetzt mit einer größeren Anzahl Arbeitskräfte ein« ganze Reih« von Stunden notwendig sind und trotzdem nicht so gut asSgeführt wird. Eine große Anzahl englischer Arbeitswilliger ist wieder eingetroffen, sie logieren letzt auf 10 großen Seedampfern. Die Zahl her Engländer, die die Arbeit verweigern, steigt aber ebenfalls. Gestern waren etwa 4500 Arbeitswillige auf den Schiffen einguartiert, das ist doch eigentlich «ine ge nügende Zahl, um die Arbeit zu bewältigen. In der deutschen Handelswelt ruft der lanaandauernde Konflikt lebhafte Unruhe und Sorg« hervor. Dies gebt klar anS den Firmenberichtrn hervor. Die bedeutend« Zucker firma Cohrs L Amme in Hamburg schreibt a« ihre Kom mittenten in einem Wochenbericht: Di« Handhabung der Arbeiten geht langsam nnd schleppend, daß die tägliche Ar- beitSleistung enorm wett vnter dem «wohnlichen Orümtum verbleibt. Ueberall werden die empfindlichsten Störungen nnd Verzögerungen bervorgernfe«. Manch« Seeschiffe liegen tagelang ganz still. Die UwerfiNlunq mit Gütern, bi« um- geschlagen und weiterbefordert werden sollen, steigert sich täglich und verursachen große Extrannkosten. ES kommt vor, daß transatlantisch« Dampfer, di« den AbsahrtStermin wegen Post und Passagiere «inbalten muffen, «inen Teil der Jnwar Cargo wieder auf die Ausreffe mitgenommen haben — Derartige Berichte sind nicht vereinzelt nnd sie kennzeich- »en d»e Lage genau. Die dritte Unterstützung an die Schauerlente im Betrag? von ca. 72000 ist zur Auszahlung gekommen. Aus beiden Seiten kostet der Kampf viel Geld, was wolle« diese Tau sende ober sagen gegen die Millionen, die direkt oder in direkt Handel und Schiffahrt verloren gehen. Die letzten Tage fanden keine Ruhestörungen durch die Schauerlente statt. Erst am 2. Feiertag ist dies anders ae- worden, wie schon telegraphisch gemeldet wurde. Nichts aber vermag die durch das Verhalten der Reeder vielfach erwachte Sympathie für die Schauerleute mehr zu schädigen als solche Gesetzesübertretungen. ' * wk. Bier veraltete Kriegsschiffe. Vier Kriegsschiffe sind nach langfährigeni Dienste auf den verschiedensten Gebieten aus der Liste der Kriegsschiffe gestrichen worden. Dos See- Feuilleton. IVer immer verliehen bekommt, virck immer kühner, iioetanilur. Vorurteile uock eine unglückliche biede sinck -wei Stücke, ckerea eine» schon hinreicht, einen öäsnn eu etnms gnor snckerm ru machen, als er ist. veMng. vap irgeock ein öäeofch auf decken ohne Vorurteil sein könne, ist cts» grüßte Vorurteil. »oaedo«. Mo Urteil ISPt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil. Marie von 6di»ec-6I0iend»a>. -er japanischen Literatur. Von Rudolf v. Gottschall (Leipzig). Für das aufstrebende Volk der Japaner zeigt sich jetzt überall Has vagste Interesse,- seine glänzenden Kriegstuten zu Land umld zu Wasser, seine politische Entwicklung, welche erfolgreich europäischen Vorbildern nachstrebt, haben das Augenmerk der gelehrten Forscher auf den ganzen BildMigs- gang der Nation gerichtet — und firr diesen liegen in ihren literarischen Leistungen die wichtigsten Dokumente vor. Dr. K. Florenz Professor an der Unibersität Tokio, hat in seiner „Geschichte der japanischen Literatur" (Leipzig, C. F. Amelangs Verlag 1906) ein „tsoclarä vork von grund legender Bedeutung verfaßt, welches zum ersten Male eine zusammenhängende Darstellung der gesamten literarischen Entwicklung gibt nnd die Resultat« fleißiger und gewissen hafter Forschung in einer gefälligen ansprechenden Form wiedergibt. Wissenschaftliche Zeitschriften mögen dos Werk noch allen Seiten hin würdigen; das Feuilleton wird sich damit begnügen, einiAe besonders interessante Gesichtspunkte hervorzuheben und Seltsamkeiten, die für uns Abendländer nicht ohne pikanten Reiz sind. Man nannte das deutsche Volk früher «in Volk von Denkern und Dichtern. Philosophen sind di« Japaner nicht, ober ein Volk von Dichtern kann man sie wohl nennen; eS ist erstaunlich, welche Mass« von Poesie sich im Lauf« der Jahrhunderte in Japan a-usgehäuft hat und angesammelt ist in den Anthologien, die zum größten Teil offiziell, das heißt auf kaiserlichen Befehl veranstaltet wurden. Das Manyo-shu, die erste und wichtigst« Sammlung, di« später in Kommen taren von größter Dickleibigkeit erläutert wurde, war freilich eine Privatsammlung; eS bestznck aus 20 Büchern mit 4496 Gedichten. Die Zahl der Reichsanthologien beläuft sich auf 2l: »ast jeder Kaiser hatte den Ehrgeiz, sein« Regierunasära durch eine Anthologie verewigt zu sehen. Di« erste offizielle Sammlung, d«r Kvkrnsh», hat ebensiall» SV Bücher, und auch die späteren Sammlungen enthalten zwischen 1200 und 2200 Gedichte. Welche lyrische Süudflut — und wieviel wurde außer dem in der ältesten und in der neueren Zeit gedichtet! Frei lich muß man erwägen, daß die Mehrzahl dieser Gedicht« „sehr kurzatmig war", Kurzgebichtc, sogenannt« Tanka, die nur fünf Zeilen haben. Metrik gibt es ebensowenig wi« Reime. Die Silbenzählimg allein gibt di« ziemlich eng brüstige poetische Form her: die Fmnfilber und Siebensfiber wechseln in regelmäßiger Folge ab. So ist nur eine lyrische Kleinmalerei möglich, da Langgedichtc selten sind: es sind alles poetische Miniaturen, mit jener Sauberkeit ausgcffihrt, die ja auch di« bildende Kunst und das Kunstgowerbc der Japaner charakterisiert. Die Poesie in Japan war indes nicht nur für litevarische Aufzeichnungen bestimmt; si« war eine Art von Lebensele ment, und es wurden dichterisch« Fest« gefeiert, bei denen die Improvisationen eine große Rolle spielten; schon in den ältesten Zeiten gab es „Liederhecken", eine Art von Ringel reihen. Jung und alt, vornehm und gering, Männlein und Waiblein versammelten sich auf einem öffentlichen Platze, bildeten Gruppen und Reihen und sangen abwechselnd, ein zeln oder im Chor. Die im Chor gesungenen Lieder waren meistens zum Teil solche von altsm Herkommen; ober in den Gesängen der einzelnen trat die Improvisation in Kraft. Man sana dem andern aus dem Stegreif« vor und dieser antwortete rm Gegervgesang. Bei dem freien Verkehr der Geschlechter, der damals herrschte, bot sich in dieser „Lieder hecke" (lltaaaki) die beste Gelegenheit zur Anknüpfung an Liebesverhältnisse und zum offenen Liebesweiben. Der Jüngling machte sich an die Erwählte heran, ergriff sie beim langwallenben Aer-mel ihr«s Kleides und sang seine Werbung, auf welche sie singend antwortete. Ein großes „Utagoki" hatte die Kaiserin Mwtoku im Jahre 770 ver anstaltet: 230 Männer und Frauen ans vornehmen Geschlech tern nahmen daran feil, in weiße Gewänder mit grünem Muster und langflatternden Schnüren gekleidet. Reihen weise traten die Männer und Frauen aus, machten dabei Tanchewegungen nnd schwenkten ihre Aermel. Bei den spä teren Liederwettkärupfen halten zwei Wettkämpfer, der rechte und der linke, über dasselbe Thema zu improvisieren und das Lied dem Richter dorzulbringen, der daran offen Kritik übte und den einen der Kämpfer zum Sieger erklärte. In der Regel war dabei der ganze Hof versammelt; auch di« Majestäten waren gegenwärtig. Das Dichten war zum Sport geworden; man suchte sich in Künsteleien zu über bieten. Bei den Liederturnieren nach dem Jahre 1200 war die Zabl der beteiligten Wettsänger oft eine sehr große. Bei dem 1500gängigen Liederturnier des JahreS 1201 dichteten 50 Personen je hundert Lieder, also 3000 Gedichte in 1500 Gängen! Spater sand ein Liederwetttompf zwischen Alten und Jungen statt; Künstler und Ebeldcrmen fehlten nicht unter den Wettkämpfern. Dann kamen die Kettengckdicht«, die „Rcnga". au-, eine n't ,'ehr künstlich«- Aneinanderreihung Vr Halbver'k der Uta, bei welcher sich mehrere Personen beteiligten. DieS Überspiel wurde ein beliebter Sport, daß man sogar Einsätze macht« und Rock nnd Kawiftn verspielte. Ueber die Renga wurden dicke Lehr bücher geschrieben. Natürlich bestand das japanische Volk nicht aus lauter schöpferischen Dichtergeistern, und auch der Kaiser und feine Minister und Hof- l-oute waren keine poetischen Genres. Was bei diesen massen haften Dichterkämpfen und Dichterlerstungen zutage kam, waren meistens Varianten auf früher gelesene Gedichte aus den großen Sammlungen: es gehörte Mr Bildung, die Ge dichte des Kv-kin-shu auswendig zu wissen — immerhin ein Beweis dafür, wie ttef die Poesrc rm Geistesleben und im gesellschaftlichen Leben der Japaner Wurzel geschlagen hatte. Und so ist es bis auf den heutigen Dao geblieben. Das Uta- Dichten wird immer als eleganter Sport betrieben. Der Kaiser selbst fertigt täglich ein Dutzend oder mehr dieser poetischen Miniaturgemälbe am. Alljährlich im November wird am Hofe ein Liedsrthema für jedermann öffentlich aus geschrieben, aus den bis zum 10.Januar «ingelieferten Tankas werden di« sieben besten, worunter immer zwei von Höf lingen sein müssen, ausgavähit und bei dem im Januar oder Februar abgehalt en en feierlichen O-Uta-klvern (Uta-Ver sammlung) vorgetragen. An dieser Versammlung nehmen die beiden Majestäten, das kronprinzliche Paar, die höheren Mitglieder des Liederamtes -nd «ine kleine Zahl besonders Eingeladener teil. Der Verlauf der Zeremonie ist, daß zu erst die sieben ausgewahlten Gedichte von einem Sänger in hymnenartigem Gesänge vorgetragen werden, hierauf der Reihe nach die Uta der Kronprinzessin, des Kronprinzen, der Kaiserin (zweimal gesungen) und zuletzt des .Kaisers (drei mal gesungen). So poetisch gebt es an den Höfen in Europa nicht M. Wie wir gesehen, beteiligten sich an allen diesen poetischen Veranstaltungen und Wettkämpfen die Frauen wie Di« Män ner. Die Stellung der Frauen in der japanischen Literatur ist eine so hervorragende, Laß die englischen Blaustrümpfe von früher und die dQttschen Dichterinnen und Romanschrift stellerinnen von heute sich nichts Besseres wünschen können, als eine gleiche, allgemein anerkannte Bedeutung zu ge winnen. Für dos Zeitalter der Klassizität gilt die Haian- Periobe (792—1186), und in d-eser Periode sind es di« Frauen, welche in der Literatur die Führung haben und deren Werke« bis auf den Heufigen Tag in gelehrten Kommentaren er läutert werden. Da steht in erster Linie Frau Murafaki Shikibu und ibr Genji-iftvman, "welcher den Höhepunkt der klassischen Prosaliteratur bezeichnet. Sie hat einen durch Jahrhunderte dauernden Ruhm erbangt, nach dem unsere Marlitt und ihre Nachfolgerinnen wohl vergeblich streben. Wie oft haben Maker ihr Bild gemalt, wie sie in dem Tempel am Biwafee schreibt, indem sie sich dort Papier und Schreibzeug borgte und das Spiegelbild des Dkondes im See betrachtete. Der berühmte Kommentator des Rofiki in seinem vierzig bändige» Rojiki-Deu, Motoori Noringa (1730—1801), einer der gelehrtesten Altertumsforscher, hat auch Wer den Namen der Gbikibu einen langen erläuternden Kommentar geschrie ben. Die Dichterin stammte aus dem Gc'chlecbt der japani schen HvuSmaier, der Fujimara war einige Jahr« glücklich verheirayet, zog sich Hann als Witwe «in« Zeitlang ganz in die Einsamkeit Mrvck und wurde später Hofham« der Vi-e- kaiserin. Hofdamen und Kammcrftänlcin waren die meisten 'dieser Schriftstellerinnen — und die Prinzessinnen wettei M- ten darin, solche Leuchten der Literatur in ihrem Hofstaat «u besitzen. Doch waren dies« belletristischen Damen sehr leichtlebiger Art, und mit der Moral am Höfe war es schlecht bestellt, wie damals in Versailles, als der franzÄrsche Sonnenkönig und später der gekrönte Liebhaber der Pom padour herrschten^ Eine glänzende Ausnahme bildete alber Frau Murafaki Shikibu, »eine Lotosblume rm Schlamm". Gleichwohl ist ihr Geufi-Roman keine Lektüre für die Jugend. Genji, der Vater, fit ein Don Juan und sein Sohn Prinz Kaoru, der Held des zweiten Teils der Geschichte, ist es ebenfalls; doch der Vater, dem nie ein Weib widerstehen konnte, war glücklicher in seinen Liebesabenteuern. Der Enkel Genfis, Prinz Nion, bringt den Kaoru um seine Er folge, und so gibt sich auch die schöne Ukifune dem Prinzen Niou hin, der sich nachts bei ihr cingeschlichen, in der Mei nung, es sei Prinz Kaoru. Der Roman ist ein Gemälde der sittlichen Verwahrlosung der damaligen Hofkreis«, doch ohne jede Vorliebe für schlüpfrige Schilderungen und in einer klassischen Prosa abaesaßt. An Umfang übertraf der Roman wohl Gutzkows „Ritter vom Geiste" und „Zauberer von Rom" und bewies die Ausdauer der japanischen Leser und Leserinnen; er hatte 54 Kapitel uäd 4000 Seiten in Oktavsorm. Im Gegensatz zu der bescheidenen Shikibu war die Sei Shonagon. eine andere gefeierte Schriftstellerin, eine sehr herausfordernde Dame, die ihre geistige Ueberlcgenheit be sonders den Männern gegenüber geltend zu machen suchte. Sie war keine Lotosblume wie die Shikibu und führte kein«» tadellosen Lebenswandel: sie soll sehr dick und eine starke Reisweintrinkerin gewesen sein; ihre Waffe waren Hohn und Sarkasmus; sie konnte keine Rücksicht und DiskretioS. Sie hat keinen Roman versaßt, sondern ein Skizzenbuch „Kopfkissenhefte", ein sehr pikanter Titel, den wir unfern schriftstellernden Damen empfehlen können: sie schrieb darin ihre geheimsten Gedanken über di« Welt und daS Leben, über ungewöhnliche, langweilige, umangenehme Dinge nieder; die Schwächen der heiligen Männer geißelt si« mit zynischer Spottkukt. Die beliebteste Form der damaligen literarischen Erzeug nisse, die aus der Feder od«r vielmehr aus dem Pinsel der Frauen flössen, waren die Tagebücher, in denen si« ihre Er lebnisse aufzeichneten und ein« Chronik der Tagesereignisse gaben. Auch die Verfasserin des Genji-Romans hat «in Togchuch verfaßt; daneben wird erwähnt das „Tagebuch einer Eintagsfliege", ein Titel, ben oie Schriftstellerin wählte, als sie die Vergänglichkeit der Din^c betrachtete und ihr zumute war, wie einer zwischen Sein und Nichtsein schwebenden Eintagsfliege. Das Tagebuch der Jzumi Shikibu enthält viel Novellistisches. Di« Verfasserin besaß «ine um fassende Gelehrsamkeit, war eine Kennerin der japanischen, chinesischen und buddhistischen Literatur, batte großes Tcnent für poetische und prosaische Darstellung, »cigte cbcr in ihrem Lebenswandel, daß sehr viel Dclchmamkeit mit (ehr wenig Tugend Hand in Hand gehen kann; sie war -weimal o«r. heenatet, patt« äb«r wWoend choer Ehe« IM», Beyh-ftneff«
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