Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.04.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070409014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907040901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907040901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-09
- Monat1907-04
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezuaS-PreiS sürLeivzia nnv Bororte durch untere Träger und SpeZ'enr« tn- Hau« gebracht: Au«, gäbe X i»ur morgen»! viettstmdrlich S inonollich I M.: ^usgad« U Imorg-n- und n'^ndtt vieneii^drlich 4SO M.. monaitik I SO M. Turch ki» Poft bezöge» ll mal ttg'ichi inneivald DeuOchland» und der te»t<chen Ko'on en »iritetiädroch .1 M., monatlich t M. au-schl. Ponb.stellgeld, für Oesirrrcch-Ungar» vieitetjSbrlich b tL 4ä b. Abonnement-Annahme: Augustu-vlatz 8, bei unseren Lräger». stiliate», Lpediteurr« und Aanahraeurlte». iowtr PostLmtera und Briefträgern. Die einzeln« Stummer tostet Iv Pf>. «edattion »so ttrpeüittonr Iobannisgatie Telephon Nr. Nr. Str. 117L. Berliner Bedakrtons-Bureau: Berlin XZV. 7, Prinz uout» jverdiaaud- E trage 1. Trlrphou 1, Str. vrt7ö. Morgen AuSaabe 8. UcipNM TagtblaU Handelszeitnng. Ämtsölatt -es Nates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. AnHei-en-Prekr für Inserate an« Leipzig u. Umgebung dä» L gespaltene Petttzettr SS Ps„ finanziell, L» zeige« AO Os.« ckeklame» 7LPs.; Von au«n>ärt» SO Pf-, Reklame« 1 M.; vom Ausland SO Pi., stnanz Anzeigen78 Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v.Behörden im amtlichen Teil tOPf. Beilagegebühr 4 M. p. Laufend exkl. Post gebühr. GefchSftsan,eigen an bevorzugter Stelle tm Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Fesierteilte Aufträge kvaur« alcht zurück« gezogen werden. Für da» Lrlchetne» au d«>li»mten Tage» and Plätzen wird lrtae Laranti« üderaomaua. Anzeige»-Annahme: A»s«ftusPl«tz 8, bet sämtlichen Filialen n. allen A,uo»«n- Lxpedüionru de- In- und Ausland«». -autzt-Atltal« Berlin: TarlDnu ckr r, Herzgt.BayrLofbuchha»Llg, Lützowstraße 10 (Tel. Vl, 4S0S). Filtal-l-rpedUtom rre»deu.MarienstrLt. Nr. 88. Var Wichtigste vom Lage. * Der Redakteur des „S i m p l i c i ss i m u?" Gnlbransson bat gegen das Urteil im Woermann- Prozeß, das auf drei Monate Gefängnis ertarn.te, Berufung angemeldet, und Wörmann hat de» veranr- wortlichen Redakteur der „Frankfurter Zeitung", Albert Büsching, wegen Beleidigung ver klagt. iS. Dtschs. N.s * Der Maler Franz von Defregger ist in München schwer erkrankt. * Auf dem Kalibergwerk Ncnbleicherode bat sich ein schweres Unglück ereignet. Ein Steiger und vier Bergleute sind verletzt worden. fS. Neues a. o. Welt.) * König Eduard ist gestern in Cartagena ein getroffen, nachdem am Morgen bereits das spanische Königspaar angelangt war. iS. Ausl.j * König Viktor ist gestern in Athen eingetrosfen. fs. Ausl.) * Tie Proklamation des Sultans von Marokko über die Besetzung von Ndjda enthält keinen Tadel des sranzosi- scheu Handstreichs. iS. Ausl.) Sperling oller Laube. Tie schwierige Lage, in der sich der bürgerliche Liberalis mus befindet, ist durch die Verhandlungen bei der General versammlung der Liberalen scharf beleuchtet worden. Fast jeder Redner, ob er zu dem Thema selbst sprach oder nicht, hat hierzu einen Beitrag geliefert. Vor allem aber V. Fr. Naumann, als er über die nächsten Aufgaben des Libe ralismus referierte. Und wie er dies tat, das war zugleich ein Stück Selbstkritik, das er an sich übte, der mit dieser Rede das Gewand des liberalen Doktrinärs abstreiste, in hem nun Tr. Parih allein nach Amerika reist, während Naumann, allen Bekenntnisses zur liberalen Zukunfts aufgabe, die er mit Recht in dem Kamps des Liberalismus gegen rechts sucht, eine Arbeit auf der Basis des nationalen Blocks für möglich erachtet. Naumann übersieht dabei die Gefahren nicht, die die kon servativ-liberale Paarung mit sich bringt. Im Gegenteil. Er führte sie scharf und deutlich vor Augen. Der Weg, den die Nationalliberalen oei ihrer früheren Kartellpolitik ge gangen sind, ist ihm und seinen Freunden ein abschreckendes Beispiel. Und zu einem Teil Kat er damit gewiß recht. Tie scharfe Kritik, die im verflossenen Jahr in den eigenen Reihen des Nationalliberalismus geübt wurde, zielte ja rm letzten Grunde auch dahin, daß durch jenes Kartell die Grenze zwischen konservativen und liberalen Ideen in so verhängnisvoller Weise verwischt worden ist, daß konser vative Elemente und Gedanken unter nationalliberaler Flagge ihr verhängnisvolles Wesen treiben konnten. Diese Fußspuren sind freilich geeignet, liberale Männer zurückzu schrecken. Ebenso gewiß aber ist, daß in der Reichspolitik nun ein mal durch die letzten Wahlen eine Situation geschaffen ist, die zu gemeinsamen Aklionen eines nationalen Blockes auch nach der Bewilligung der kolonialen Forderungen zwingt. Die Regierung kann sich nicht allein auf den Liberalismus stützen, auch wenn sie es wollte. Naumann rechnete aus, daß die Freisinnige Vereinigung nur über 3^ Prozent der Reichstagsabgeordneten verfüge, mit den beiden Volks parteien über 14 Prozent. Auch mit den NationaUlderalen würden es erst 29 Prozent sein. .Und selbst wenn man dem nicht realisierbaren Gedanken nachginge, die Sozialdcmo- kratie in diesen Ring einzuschließen, so wäre noch lange nicht eine Majorität für die Negierung da. Wohl aber droht eine solche zwischen Zentrum und Konservativen. Treffend wies Naumann darauf hin, daß, wenn es zu dieser Mehrheit käme, die 56 Prozent der Neichstagsabgeordneten umsaßt, so „braucht die Regierung sich nicht um den Freisinn, nicht um die Sozialdemokratie, auch nicht einmal um die Natio- valliberalen zu kümmern. Sie kann die gesamte Linke ruhig reden lassen." Auf der andern Seite kann Bülow auch wieder nicht ohne weitere- über den 13. Dezember 190« zurück. Ihm ist darum der Liberalismus unentbehrlich. Er bildet daS Zünglein an der Wage. Selbst von den drei freisinnigen Gruppen allein gilt dies. Und darum kann der Liberalismus wieder einmal in die Politik praktisch eingreifen. Das ist es, was für Nau- mann das Maßgebende in der gegenwärtigen politischen Si tuation geworden ist, und gewiß mit Recht. Er denkt nicht daran, den Kamps gegen rechts, gegen die Konservativen und daS reaktionäre Zentrum aufzugeben. Eine Kluft zwischen zwei Weltanschauungen trennt Konservativismus und Libe ralismus. Aus politischem wie auf geistig-kulturellem Ge biet. Darum muß der letzte große Kampf des LideraliS- muS unter allen Umständen nach rechts hin auSgefochten wer den. Aber diese Zeit ist noch nicht angebrochen. So stark Nau- mann ein Zusammengehen mit der Arbeiterbewegung betont — ein taktisches Zusammengehen mit der Sozialdemokratie empfiehlt auch er zurzeit nicht, außer bei sozial- politischen Fragen. Ebenso bedenklich ist ihm der Ivon Barth vor kurzem geäußertes Gedanke eine» Zusammengehen? mit den demokratischen Zentrumsstimmen. Der mit Hilfe deS neuen Blocks erreichte Sperling in der Hand ist ihm lieber als die mit den Stimmen der So-ialdemokratte und de» Zentrum» doch nicht zu erreichend« r-«»s »>f »,« Dich, Und s» kommt »r »ei alle, «rttit Dienstag 9. April 1901 lUl. Jahrgang. der konservativen, der nationalliberalen und der Bülowschen Politik dazu, eine geduldig »abwartende Haltung gegenüber dem neuen Block zu empfehlen, unbeschadet der eigenen demo kratischen und sozialpolitischen Haltung. Dieser Stellung Naumanns widersprach Dr. Barth ganz offen, weil er bezweifelte, daß der Liberalismus aus diese Weise „auch nur einen Sperling" bekommen werde. Er wolle darum von Amerika auS mit seiner jahrzehntelang er probten Flinte noch manchen Schuß auf reaktionäres Jagd wild abgebcn. Freilich — dalö kann der mandatlose Doktri när tun. Te^ liberale Realpolitiker wiro in Naumanns Stellung — auch wenn er im einzelnen von ihr abweicht, die sehen, die durch die Situation für eine praktische Arbeit im Parlament allein möglich ist. Gewiß wird von dieser Realpolitik ans an liberalen For derungen vielleicht nur ein bescheidenes Maß in diesem Reichstag erfüllt werden, Naumann selbst bezeichnete die Börsenresorm als ein nur unbefriedigendes Minimum. Wir bezweifeln, ob das dann von ihm gestellte Minimum, die Schaffung einer gerechten Wahlkreiseinteilung, erreicht werden wird, so dringend wünschenswert sie ist. Aber cs wird dem Liberalismus in der Reichspolitik doch möglich sein, als Glied des neuen Blocks weit stärkeren Einfluß auf die Gestaltung aller neuen Gesetzesvorlagen auszuüben, als wenn er in einer unfruchtbaren Opposition verharrt, die ihn um die Möglichkeit bringt, das Zünglein an der Wage zu jein und zu bleiben. Naumanns realpolitische Stellungnahme wird ihm manches kritische Urteil aus den Reihen seiner alten Freunde eintragen. Schon aus dem Parteitag mußte er sich mit Schrader zusammen wehren: „wenn die Tadler im Reichstage gewesen wären, hätten sie es jedenfalls nicht anders gemacht". Und wiederum die alten Gegner Naumanns werden nur die Worte herauslefen, in denen er von der durch die jetzige Taktik nicht berührten großen Ausgabe sprach, den letzten Kampf nach rechts, nach der konservativen Seite hin, auszu fechten und später doch noch einmal mit der Sozialdemokratie paktieren zu können. Wer aber die Naumannsche Rede ob jektiv, wer sie gereckt beurteilt, der wird iu ihr eine ver ständige Bertreror g der fetzt einzig möglichen liberale» Politik sehen, die >zem Liberalismus Einfluß ach die Regie- rungsgeschäfte ermöglicht und die zugleich auch der Einigung des Liberalismus einen schätzenswerten Dienst leistet. Lum Milmtelwrcdrel in Sayern. lBon unserem Münchner Korrespondenten.) Graf Feilitzsch, der vor säst 26 Jahren das Porte feuille des Innern als Freiherr von Feilitzsch übernommen hatte, ist gegangen und beim Rücktritte vom Regenten mit Huldbeweisen bedacht worden. In dem allerhöchsten Hand schreiben ist der Passus bemerkenswert, in welchem dem scheidenden Minister ganz besonders für die dem Kömgs- bouse in schwerer Zeit geleisteten Dienste, d. h. bei der Königskatastrophe und der Uebcrncrhme der Regentschaft durch den Prinzen Luitpold gedankt wird. Als Feilitzsch unter König Ludwig II. sin den 70er Jahren) Polizeidirektor in München war, erhob eine gewisse Presse, voran Ehren- Sigls „Vaterland" und gleichwertige Zentrumsorgane, gegen ihn den im Publikum noch heute vielfach geglaubten Vor- wurß er habe aus egoistischen Gründen dem Könige um seine Sicherheit bange gemacht. Nach dem Tode des unglücklichen Monarchen hat Feilitzsch gegen diese Beschuldigung entschieden protestiert, rind gewiß mit Recht; denn Ludwins II. Men schenscheu und Furcht war nichts als ein Ausfluß von Wahn- idecn. Bekanntlich sind die erbärmlichsten Gerüchte über den Regenten und das Ministerium Lutz bei der Entmündigung des Königs und seinem traurigen Ende von ultramontaner Seite in die Welt gesetzt worden. Noch im vorigen Landtage wagte Dr. Heim die sehr deutliche Andeutung, als ob der Minister deS Innern wegen der damaligen Vorgänge so fest im Sattel säße. So nimmt sich die ultramontan« Königs- treue in der Nähe aus. Doch das nur nebenbei. Feilitzsch war gewiß ein treuer Diener der Krone, und ihr warmer Dank ist ihm zu gönne». Auch sonst sind ihm viele Ovationen bereitet worden oder »och zugedacht. So wird die Stadt München ihrem Ehren bürger ein Festmahl geben. Wenn man von alledem hört, könnte man wunder meinen, wie beliebt der -urückgetretene Minister war. In Wahrheit hat er sich aber «u»r wenige Freund« erworben, am wenigsten z,rter seinen Beamten. Er lastete aus ihnen mit schwerer Hand und ließ sie in sehr schwierigen Situationen gerne ohne seinen erbetenen Rat, wie immer auch hier der Man« der Vorsicht. So wand!« sich z. B-, als die Bauern von Fuchsmühl wegen ihrer Holz rechte gegen ihren Gutsherrn, den Freiherrn von Zoller, re voltierten, der Bezirksamtmann an seinen obersten Ches, um von ihm die telegraphische Rückantwort zu erhalten: Tun Sie Ihre Pflicht. Er requirierte Militär und die Folge war — die Geschichte rief damals s!895j große Aufregung hervor — unnötiges Blutvergießen. Dem Grafen Feilitzsch siel er aber unter Umständen gar nicht schwer, einen '"einer Unter gebenen zu desavouieren, und der Mangel an Schuh, da« de- rcchtigte oder unberechtigte Gefühl der Benvaltungsbeamten, der Minister werde gegebenenfalls nicht für sie eintreten, lähmte die Initiative, schädigte die TtaatSautoritäj und nützte dem Zentrum ganz gewaltig, während auch die Liberalen empfindlich darunter zu leide« hatten. Politisch ist Graf Feilitzsch vom Zentrum seinerzeit so heftig wie Graf Crailsheim bekämpft worden. Da» Ministerium Crailsheim-Feilitzsch muß fallen, so lautete da» ultramontane Schlagwort, als vor vier Jahren die „Volks seele kochte". Als die Intrigen gegen Crailsheim »um Ziele führten, schlug sich Feilitzsch sofort mit feiner Fühlung aus die Seite de« Freiherr« ». Podewils und richtete sich i» dessen Kabinett häuslich ein. Da» Zentrum sah die Aus sichtslosigkeit s«in«S Kampfe« gegen ihn. der »ei »er Kro»e z» fest stand, allmählich ein und nützte nun die Situation sür sich nach Kräften aus. Es hatte es nicht zu bereuen. Eingeweihte wissen, daß Feilitzsch schon im Ministerium Crailsheim, ohne sich selbst zu kompromittieren, manche.Konzession an das Zentrum durchgesetzt hatte. Liberal ist er, entgegen der Be- hauptung der llltramotanen, überhaupt niemals gewesen, wenn er auch im Privatgefpräch mit Liberalen erstaunlich frei sinnige Anschauungen entwickeln konnte. Und er wollte auch im Ministerium Podewils Minister bleiben, wenn auch um den Preis seiner ganzen politischen Vergangenheit, wie hier schon wiederholt in den jüngsten Jahren dargelegt wurde. Privatim hat er auch in dieser letzten Aera seiner Tätigkeit die Verantwortung, so bei der Aenderung der Wahlkreis einteilung, gerne anderen zugeschobcn. Doch sein Wirken bot auch viele Lichtseiten; die Schatten rühren, wie wir sehen, mehr von Charaktereigenschaften her. Unstreitig scheidet mit dem Grafen Feilitzsch ein großes staatsmännisches Talent, ein Mann von außergewöhnlichen Verdiensten, die er sich besonders in der Landwirtschaft er worben hat. Für Industrie und Handel, für das Empor blühen der großen Städte fehlte ihm bei allem guten Willen das volle Verständnis. Dagegen ist von ihm rühmend feine sozialpolitische Erkenntnis zu erwähnen. Neuerungssucht und Ueberfluß an Initiative konnte man ihm niemals zum Vor wurfe machen, er verbrannte sich eben nirgends gerne die Finger. Wo er aber auf Zustimmung rechnen konnte, be währte er sich auch als Gesetzgeber. Glänzende Kenntnisse und eiserner Fleiß vereinigten sich mit seltener Arbeus- kraft. Alle Gebiete feines Ressorts hatte er mit einer Sicher heit im Kopfe, wie ein Geograph die Landkarte. Es war eine Freude, von ihm eine Auskunft zu verlangen. Ausgenommen dos Bau- und Medizinalwesen ließ er auch im Landtage nie mals einen Referenten sprechen. Schon neulich habe ich bemerkt, haß er in der nruen Aera wohl unendlich viel an Vertrauen und Achtung einvüßie, aber nirgends daran gewann. Im Ministerium PodewilS wie beim Zentrum war und blieb er ein Gegenstand des Miß trauens, ein Stein des Anstoßes. Man fürchtete cbsn immer, und er hat in der Tat davon Proben gegeben, Rückfälle in seine Vergangenheit, man wurde den Argwohn gegen ihn nicht los. So bedeutet sein Rücktritt der ZentrumSpressc denn auch eine befreiende Tat. Nunmehr, so "challt cs durch den ganzer ultr^montaaen Bl'itscrwald, ist 'sie Gleichartig keit des Gesamtstaatsministeriums endlich erreicht. Nur einer derer um Podewils ist noch der liberalen Richtung ver dächtig, der Finanzminister Pfaks: man wird sofort ver stehen warum: er ist der einzige Protestant in der Re gierung. Der neue Minister des Innern B r e t r r e i ch, ein Mann von großer Befähigung unh, wenigstens bisher, auch von Selbstbewußtsein, wird als ein gefügiges Werkzeug be trachtet: „ein Gleicher tritt unter Gleiche". „Diese Ab rundung bedeutet", so heißt cs vorsichtig, „eme Vereinfachung und wesentliche Erleichterung für das Ministerium Podew.Is, welches ein unpolitisches Gesck'äftsministerium ist, nach keiner Seite sich engagiert hat und sich aus keine politische Partei stützt, das, entsprechend den >ealvolitisa>en Verhältnissen im Lande, sich einrichtet und darum einen allgemein konser vativen Zug hat." Aus dem Zentrumsjargon übersetzt beißt dos: die Ne- giecnng wird nunmehr vollkommen einig nach der Pfeife der „herrschenden Partei" tanze», sie wird die Geschäfte des Zentrums ohne dessen Verantwortung lragen. In der Tat, wie die Dinge in Bauern zurzeit liegen, ist es politisch ganz gleichgültig, wer Minister wird, es kann sich nur darum handeln, ob die Wahl auf eine» guten oder schlechten Ressort minister fällt. vir Woniallrsnkerenr. iBon unserem Londoner Xi-Korrespondenten.) Wenige Tage trennen uns vvn dem Beginne der vierten Kolonialkonserenz. Einige Kolonialminister sind bereits in Lonvon einactroffen. Namentlich diejenigen, welche zugleich als Delegierte an der ReichsschifsahrtSkonfereni teilzunehmen haben. Es sind dies namentlich The Hon. Sir Joseph G. Ward als Premier von Neuseeland, der Nachfolger Sed- dons, des frühesten Kämpen für den Reichszollverein, und The Hon. Sir William Lvne, Zollminister im Commonwealth of Australia- Beide Herren lraben seit ihrer Ankunft in London die Trommel sehr lebhaft für den Reichszollverein gerührt. Lvne ist sogar soweit neganaen, das englische Ka. oinett der „Verschwörung" acgen die Beratung des Vorzugs- zollvroblems auf der Konferenz anzuklaqen. was selbstver- stündlich einen Sturm der Empörung hervoraeruscn hat. Ganz ehrlich geht es dabei aus beiden Seiten nickt zu. Als am 18. Februar Winston Churchill im Unterhaus das offizielle, heu Einladungen zugrunde gelegte und von den Kolonien alzeptierle Programm verkündete, da waren allerdings folgende Punite v o r der Zollsraae aus die Tages ordnung gesetzt: Die Verfassung von Kolonialkonserenzen; Verteidigung des Reichs: Naturalisation; Aus wanderung; Berufungsgerichte; Einheit des Patent- und Handelsmarkenrechts; gegenseitige Zulassung zur Aus übung bestimmter Berufe; Ausdehnung der britischen Interessensphäre im Stillen Ozean; Einführung des metri schen Systems; Veto gegen Kolonialgesetze. Aber es war auch ,,Besprechung der Zollsrage, soweit dazuZeitbleibt" ins Auac gefaßt. Das Hauptgewicht legte schon damals die Regierung auf die Verleid lqunasfrage. Dies war und ist die einzige Angelegenheit, in der das liberale Kabinen zu einem positiven Ergebnis zu kommen hofft — und wohl auch wünscht. Auch die Debatte über „Verfassung von Kolo- nialkonferenzen" ist erst widerstrebend und erst auf langes Drängen Australiens, dem sich Kanada anschloß, auf die Taoesordnunfl gesetzt worden. Das „Veto a«aeu koloniale Ge. setze" war allerdings indirekt aeqen die Präserenzidee qerich- tet. Zwischen dem Commonwealth und dem Mutterlande sanveben nämlich feit über Jahresfrist Auseinandersetzungen über die australischen Schnfakrtsaesetze. Die australische Ar- beiterpartei Kat bekanntlich den Ausschluß farbiger Arbeiter von SchlNSbesatzunaen durchgesetzt. Dadurch werden vor allem die LaSkaren betroffen, ohne die die britischen Reeder uicht auSkommen zu können glaubten und die obendrein bri tische Untertanen sind. Die heftige britische Agitation hier- — sie gab den eigentlichen Anlaß zu der kolonialen SchifsahrtSkonferenz — sucht« man in Australien dadurch zu überwinden, daß man einen Gesetzentwurf einbrachte, nach dem Waren, die in britischen Schissen importiert werden, ein Vorzugszoll cingeräumi werden soll. Und zwar geschah das hinterrücks. Der Posten des High Commissioner, den jetzt Loro Nortbcote innehat. lvar temporär, unbesetzt, unv das britiicl)en Kolonialamt erfuhr von dem Gesetzentwurf erst unmittelbar vor seiner Annahme. Lord Northcote wurde später instruiert, seine Zustimmung zu suspendieren, da das Gesetz gewisse Handelsverträge zu verletzen scheine. .Sich zu der -frage dieser Vertragsverletzungen selbst auszusprechen, lehnte die britische Regierung am 18. März im Unterhaufe ab. Da in der Tat die „Frage der handelsoertraglichen Verpflich tungen" den Hebel bildet, womit die Little Engländer bisher die ernstliche staatsmännische Inangriffnahme des Zolloer einsprojekts auf den früheren Konferenzen verhindert traben, so entbehrt der Vorwurf der „Verschwörung gegen Preference" eines gewissen tatsächlichen Hintergrundes nicht, während anderseits gan-, sicher die australischen Neuseeländer und nach den allerletzten Aeußeruntzen Sir Wilfried Launers auch die kanadischen Delegierten sich in einer Art Konspiration be finden. bei dem Punkt der Tagesordnung ..Veto gegen kolo niale Gesetze", die Zollvereinsfrage in enticheidendex Weife zu behändem. Der liberalen Anlage des ReichsverteidigungsplaneS einschließlich der Haldaneschen Armeereform, diesem „letzten Versuch, ohne die allgemeine Wehrpflicht auszukommen", liegt in letzter Linie das Hauptwahlversprechen finanzieller Reform im Sinne der Einschränkung zu Grunde, während anderseits heute auch bei den Liberalen bereits Einverständ nis darüber herrscht, daß die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nur auf der „erweiterten Steuerbasis" des Schutzzolles möglich ist, nachdem die Hoffnungen der Radi kalen, die „erweiterte SteuevbasiS" in einer groß angelegten graduellen Einkommensteuer zu finden, in der Steuerkommission als hoffnungslos begraben sind. Kein Wunder also, daß einerseits das liberale Ka binett ans der Kolonialkonferenz die Frage der Zoll union in irgend einer Form in einer vertagenden Weise zu behandeln wünscht, während anderseits die Kolonien den Augenblick sür einen entscheidenden Vorstoß ge kommen erachten. Speziell Kanada befindet fick der Union gegenüber in einer handelspolitischen Lage, die die nun fast dreißigjährige Wartezeit auf ein« Klärung l>er Frage, ob an diese oder an das Mutterland der zollpolitische An'ckluß ge- sucht werden soll, unerträglich «rickfeinen läßt. Die handel-- politischen Verl-andlungen, die der neue britische Borichaner in Washington Bryce, kürzlich mit Herrn Rovt geführt hat, verfolgen allerdings den Zweck, die Spannung aus diesem Verhältnis zu verringern und dürsten diesen Erfola wlH; auch erreichen. Jedem wirklichen Kenner oer Verhältnisse erscheint ja auch die Idee eines AbialleS Kanadas, sei es auch zunächst nuz handelsvolitisch, bereits seit mindestens 5 Jal>- ren endgültig begraben. Wenn aleichnevhl die kolonialen Staatsmänner setzt eine so starke Sprache führen und die Konferenz von 1907 als ent scheidend für den föderativen Gedanken im Reiche oder für dessen praktische Ausgabe seitens der Kolonien bezeichne», so dürste diesem „bluffenden" Auftreten als endlicher prak tischer Erfolg wohl doch nur gegenüberstehen, daß erstens; die Regierung des Mutterlandes endgültig zu der konser vativen Interpretation des Handelsvertrages von 1865 zu- rückkebrt, also Kanadas Präferenzzoll und seinen Vertrag mit Australien akzeptiert, somit auch in den kanadisch-deut- schen Zollkrieg nickt eingreift und zweitens gegen Austra liens Sckifsahrtsaesekgebuna kein Veto erhebt. Daß damit überlmupt der Gedanke der handelspolitische» Föderation einen enormen, wahricheinlick einen entscheidende» Fortschritt macht, liegt auf der Hand. Denn wenn die Han dels- nndMei'" begünstigungsvcrtragsstaaten, vor allenTingen Deutschland, bei den bevorstehenden Hcuidelsvertraaserneue- rungen, fick den Ausschluß von wichtigen britischen Kolonial- inärklen nicht länger gefallen lassen, so treib: England zweifel los der Aera der ^aNsbury-BalfvnrschenVergeltnngszölle und damit einem enormenAnwachsen der protektionistiiche» Stim mung überhaupt, das liberale Kabinett aber dem berühmten „Umschwung des Pendels" entgegen, besonders wenn die ohne hin in der Zollsragr nicht pupillarnch nchcren, hinter der La- bvur Partn stehenden Klassen ins schutzzällnerische Lager über geben, womit sie bekanntlich zur Erreichung ihrer sozial politischen Ziele bereits gedroht haben. Sollten aber wider Erwarten die Handelsvertraasstaaten sich die ,,innere" Prä- serenzzollwirtsckaft gefallen lassen, so nmchst nut dem lest be gründeten Ausbau der inneren Zollbevorzugunq und dem rapiden Aufschwung der kolonialen Ervortlandwirtschasl per Druck auf die mutterländische Freihanüelswirtschast im Lause weniger Jahre so stark, daß dessen Umsturz unvermeid. lick wird besonders wenn das Kapitel „Verfassung der Ko- lonialkanferenzcn" diesem eine dauernde konstitutionelle Ba^s sichern sollte. Tenn dann habe» die Kolonien das Hest in der Hand, um bei den Reichsverteidigungssraaen und der Fl- nanzierunq der dringend gewordenen Sozialreform dem sckutzzöllnerischen Gedanken immer neue Wege zu offnen Deutsches Deich. Lew;««, 9. April. * Fischercischutz in der Nordsee. Als Fischerei kreuzer werden in diesem Jahre das Spezialschiff „Zielen" und die Torpedoboote „8 21" und „8 W' fun gieren. Ter jetzt seit zehn Jahren durch Schiffe der Kriegs- marine ausyeübte Lchutz der Hochseefischerei in der Nordsee Kat sich in icder Beziehung bewährt. Im vorigen Jahre haben ausländische Fischer die deutschen Ceetcrritorien strenge gemieden. Eine neue Ausgabe ist den deutsche» Fischereikreuzern in diesem Jahre noch dadurch gestellt «worden, daß sie Mitteilungen über den Ertrag des Fisch fanges durch Funkspruch nach Curhaven zu melden haben, o daß die Fischer danach ihre Bestimmungen treffen können. Im diese wertvolle Neuerung durchführen zu können, haben die Fischer auf See den Kommandanten der Fischercikrcuzer durck verabredete Signale zu melden, ob der Fang mäßig, gut oder sehr gut ist. Tie deutschen Hochleettscher wißen di« Tätigkeit der Fischcreikreuzer zu würdigen, so daß gegen- seitig ein sehr freundschaftliches Verhältnis herrscht. * Woermann als Kläger. Der wegen Beleidigung WoermannS verurteilte Redakteur deS „Simpl'cilsimu»'' Gul- bransson ha», wie nicht anders zu eiwaiteu war, Berufung eingelegt gegen das hohe Strafmaß von drei Monaten Gefängnis, das ihm „von RecktS wegen" ein Ham burger Amtsgericht rugesprocheu batte. Diele Berufung überbebt uns, das Urteil und vor allem die Art und Weise, wie der Prozeß sich akipielte, einer weitereu Besprechung zu unterziehen. Dazu wird noch Gelegenheit jein, wenn der Prozeß vor di-Ber«sung-i»stanz kommt. Do- viel aber muß schon heute gesagt werden, daß da« gering« Verständnis, welch«» da» Hamburger Gericht de« Wes«»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite