02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070410022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907041002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907041002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-10
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In Gegenwart des Königs Friedrich August wurde heute vormittag da- neue Königliche Lehrerseminar in L.-Connewitz feierlich eingeweiht. Wir berichten darüber in einem Souder- artikel dieser Nummer. Deutsch-Englische-. Die offiziöse „SLdd. ReichS-Korr." schreibt: Au die jüngste Zurückweisung falscher Angaben über eine Reise Kaiser Wilhelms nach England sucht unter Berufuag auf fremde Diplomaten kreise eine ZeitnngÄorrespondeuzGerüchte aazukuüpfeu, wonach jeueS Dementi einer deutsche» Verstimmung über Englands Vorgehen in der sogenauuteu Mrüstungsfrage entfpruugen wäre. Dies« Auslegung ist irrtümlich. Die abweichende Behandlung des EntwaffiawgSgedaukeuS hat zwischen der deutschen und der englische» Diplomatie keinerlei persön liche Spannung hervorgerufru. Die Depesche des Staats sekretär« von Tschirschkh an die Londoner „Tribüne" gibt den Beweis, daß auf deutscher Seite, wie auch auf englischer, das suLvitnr in mocko nicht außer acht gelassen wird. Jene Ausstreuungen über einen Besuch Kaiser Wilhelms in Cowes hätten unbeachtet bleiben können, wenn sie i» der Oeffentlichkeit als das erschienen wären, was sie find, nämlich das Echo eines iu privaten englischen Sportkreisen gehegten Wunsches. Sie traten aber mit so kecker Tatsächlichkeit auf, als ob die Teilnahme deS Kaisers an de» Regatten vou CoweS bis i«S einzelne zwischen den Hofe» von Berlin und Loudon geregelt sei, während in Wahrheit weder hier noch dort von eurer derartigen Vereinbarung etwa« bekannt ist. Um alle« Hm- und Her frag« zu vermeiden, war e« richtig, da« Erfundene als solche« zu kennzeichn«.::. Eine Verstimmung zwischen den leitenden Kreis« bilden und drüben konnte au« diese- Klar stellung nicht erwachsen. Namentlich keine Verstimmung zwischen Kaiser Wilhelm und König Eduard. Denn es zeugt nicht vou besonderer Sach- und PersooenkeuntniS, wenn man gerade die AbrästungSfrage al« ein« störenden Punkt in den seit der letzten Zusammenkunft unverändert gut ge bliebenen persönlichen Beziehung« der beiden Monarchen behandeln möchte. Das Kavallerie-Reglement. Wie die „Neue politische Cvrrespoudenz" bort, steht die Umarbeitung des bisherigen Kavallerie-Regle ment- bevor. Dabei werden Vereinfachung der reglemen- rarischeu Form, auch event. Nenbewaffnung mit einem als Bajonett zu verwendenden Dolch neben Lauze und Säbel, Zuteilung von Maschinengewehren, und zwar eine Abteilung für jedes Regiment aus der Kavallerie selbst heraus als dringlich« Veränderungen gewünscht, die nötig seien, um die Kavallerie selbständig zu machen. Alfonsos eilige Rückreise. Die Hofärzte stellten im Laufe deS gestrigen Tages Symptome fest, welche auf eine baldige Entbindung der Königin hindeuten. Infolgedessen wurden mehrere Telegramme an den König nach Cartageua abgesandt, worauf er sofort im Spezialzug nach Madrid abreiste, nachdem er sich von dem englischen Königspaar herzlich verab schiedet hatte. — Ueber die Entrevue wird auch geschrieben: Bei dem Festmahl, das an Bord der Jacht „Victoria and Albert" stattfand, drückten beide Herrscher ihre Befriedigung über das Zusammentreffen aus, an daS sie eine unvergeßliche Erinnerung bewahren würden. König AlsonS sagte, Königin Alexandra habe sich alle Herzen zu gewinn« gewußt, und gedachte deS ritterlichen Sinnes König Eduards. Dieser sprach den Wunsch auS, das bevorstehende glückliche Ereignis möge dem Throne Spaniens den Erben schenk«. England und die Konferenz. Campbell Banncrmann bleibt auf der Rückkehr von Cannes einige Tage in Paris; wie man in London glaubt, um sich über die Haltung der französischen Regierung auf der Haager Konferenz zu vergewissern. Inzwischen wird man in London hinsichtlich des Plaues, den Campbell Banncrmann der Konferenz vorlegen will, unruhig und spricht von einer Ge fahr, die das Land laufe, wenn ihm dieser Plan nicht zur Kritik und Diskussion unterbreitet werde. Der Kall Rittiughaus. AuS Riga wird über die schwere Verwundung eines Reichsdeutschen durch ein „Versehen" der Polizei weiter ge meldet: Das hiesige deutsche Generalkonsulat hat wegen der Verwundung des reichsdeutsch« Fabrikmeisters Ritting- haus beim Geueralgouverrreur ernste Vorstel lungen erhoben. politisches. Ignaz Auer -p. Seit dem Tode des Wilhelm Liebknecht im Jahre 1900 hat die deutsche Sozialdemokratie kaum einen schwereren persönlichen Verlust erlitten als am heutigen Tage, an dem Ignaz Auer, einer ihrer klügsten Führer, gestorben ist. Gestern traf den schon seit Jahren schwer kranken Mann ein Schlaganfall, heute er folgte, wie uns ein Telegramm aus Berlin meldet, sein Tod. Ignaz Auer war am 19. April 1846 in Dommelstädt, Niever-Bayern, geboren. Er besuchte die Volksschulen in Birnbach und Neuburg und lernte dann als Sattler in Neuhaus a. I. von 1Ä9/62. Es folgt« Wanderfahrt durch Deutschland und Oesterreich, unterbrochen vom Militärdienst beim 11. Infanterie-Regiment. Früh zeitig schloß er sich der Arbeiterbewegung an, in der er zuerst als Vorsitzender des allgemeinen deutschen Sattlerverbandes zu einer einflußreichen Stellung kau: >'1872/73). Schon bald darauf ( 1874) wurde er sozialdemokratischer Parteisekretär mit dem Wohnsitz in Hamburg. Nachdem er dieses Amt 3 Jahre verwaltet, widmete er sich redaktioneller Tätigkeit, erst an der „Berliner Fr. Presse", dann bis 1881 an der „Hamburger Gerichts zeitung". In diesen Jahr« traf ihn die Schwere des Sozialistengeietzes. War er schon 1874 in Dresden einmal auf Grund des HeimatSgesetzeS ausgewiesen worden, so wider fuhr ihm jetzl dieses Schicksal iu Berlin, in Hamburg-Altona und Harburg. 1884 wurde er in seinem Heimatland Bayern Parteisekretär, später in Berlin. Er gehörte, wie schon aus Viesen kurz« Daten hervorzeht, zu den ältesten sozial demokratischen Parteigenoffen. 1863 schloß er sich der sozia- listiscben Bewegung m München an. Und zwar stand er von Anfang an unter Marxistischem Einfluß, er bekämpfte daher die Lassalleaner, denen er einmal das scharfe Wort zurief „wir sind arm, aber ehrlich". Auf geistigem Gebiet ein Autoditalt, verstand er es, durch eisernen Fleiß sich eine tüchtige Bildung zu erwerben, dabei aber ein Mann der Praxis zu bleiben. Seine derbe bayerische Sprache blieb ihm in allen Reden treu. Er verstand es sehr volks tümlich zu sprechen. Sein Einfluß in der Partei wuchs von Jahr zu Jahr und er benutzte ihn vielfach in so kluger Weise, raß man ihn einmal nicht unzutreffend als den Staatsmann in der Tozialdemokralie bezeichnet hat. Als solcher zeigte er sich auch fpäter in der Ausgleichung von Par'teigegensätzen. Er wurde ost dazu ver wandt, den Vermittler abzugeben. Charakteristisch für dieses „staatsmännische" Talent ist auch sein Verhalten der Revisio nisten gegenüber. Als Bernstein sich wegen seiner von der bisherigen Parteitaktik und Parteilehre abweichenden Aeußerungen zu rechtfertigen hatte, rief er ihm das bekannte Wort zu: „Ebe, so was sagt man nicht, so was tut man nur." Man hat ihn darum auch nicht mit Unrecht mehr und mehr zu den gemäßigten Elementen der Partei gerechnet, den« die praktische Arbeit wichtiger war als das Theoretisieren über die richtige Lehre. Deswegen als Ketzer angesehen zu werden, davor schützte ihn seine Vergangenheit und das in ihr er worbene Vertrauen in der Partei. Die letzten Jahre trat er, ^rch Krankheit genötigt, ui der Oeffentlichkeit Zurück und e«, verlautete schon öfters, daß sein Gesundheitszustand ihn bald nötig« werde, sein Reichstagsmandat aufzugeben. Nun hat der Tod es ihm abgenommen. Seine par lamentarische Tätigkeit begann mit dem Jahre l8r7. Er vertrat stets sächsische Wahlkreise im Reichstag. Zuerst wurde er in Auerbach gewählt, aber schon 1878 verlor er dieses Mandat wieder. Dann wurde er bei einer Ersatzwahl 1880 im Wahlkreis Glauchau-Meerane gewählt, ebenso 1884. Die Kartellwahlen 1887 verdrängten ihn aus diesem Wahlkreis, den er von 1890 an dann ununterbrochen bis zu seinem Tode vertreten hat. Bei der letzten Wahl am 25. Januar erhielt er im ersten Wahlgang um etwa 2000 Stimmen weniger als 1903, aber siegte doch mit 16 675 Stimmen gegen 13 454 natioualliderate. nie. Deutsche Reichssckmld. Die Schuldenlast des Deut schen Reiches belief sich am Schluffe des Rechnungsjahres 1905 auf insgesamt 4013 500000 und an verzinslicher Schuld auf 3 54:1500000 .E, an unverzinslicher Schuld auf 470 000 000 F. Gegenüber dem Rechnungsabschluß deS Jahres 1904 ist die Neichsschuld um 260 000 OOO.kk gewachsen. * Die Posener Erzbischofssrage sollte, wie gemeldet wurde, einstweilen ungelöst bleiben, indem di« prsußiichc Regierung angeblich beabsichtigt, die Verwaltung der beiden Diözesen dem Weihbischos zu überlasten. Nach den Infor mation« der ,Hreuz-citung" ist diese Meldung unzutreffend. * An der Generalversammlung des Deutsche» Flotten vereins, die demnächst in Köln stattfindet, wird, nach der „Nattonalztg.", als Vertreter des Protektors entweder der Kronprinz oder Prinz Eitel-Friedrich teilnehmen. Vou den Verhandlungen der Hauptversammlung, die am 12. Mai stattfindet, seien folgende Punkte genannt: Rechenschafts bericht des Präsidiums, Berichterstatter der stellvertretende geschästsführende Vorsitzende, Ergebnis der seitherig« Agi tation, Richtung und Ziel der Agitation für die nächste Zu kunft, Berichterstatter: Generalmajor Keim. Der Hauptver sammlung geht am 11. Mai eiue Sitzung des Gesaurworstan- des voraus. ock. Vou der wclfischeu Demokratie. Aus Hannover mel det uns ein Privattelegramm: Die sogenannte wel- fisch-demokratische Vereinigung, die als angebliche Ab zweigung der linsstehenden West« von der offiziellen Par tei s. Z. außerordentlich viel von sich red« machte, ist gestern in einer Schöffengerichtsvcrhandlnng als Schwindel eines 18 jährigen wclfischen Jünglings namens Bierwirth entlarvt worden. In einem dem Gericht vorliegenden Betrugsfalle wurde der Schwindler wegen Mangel an Beweisen freigesprochen. Mit der wel- fisch-demokratisch« Vereinigung und ihrer angeblich mehrere Tausend Mitglieder umfaßenden Agitation sind, wie der „Hann. Courier" meldet, vor etwa einem halben Jahre die hannoversche und die übrige deutsche Presse, wie auch die zuständigen Regierungsstellen düpiert worden. * Eiu neues Zeugaiszwangsverfahren. Der Redakteur Paul Schlegel von der 'sozialdemokratischen Volkstribüne wurde in Zeugniszwangsbcrst genommen, da er in einem Prozeß gegen den Fabrikbesitzer Hornschuh in Kulmbach nicht den Genoffen Zoller, den Verkäster eines inkriminierten Artikels der „Tribüne", nennen wollte. — Es scheint, daß, je allgemeiner die Verurteilung des Zeugniszwangsver- fahrens bei Redakteuren wird je mehr sucht man es auf ,d.-r anhern Sei'.e noch onzuwenden zfleicbsam als wollt- ma.t die-Zei- mch au-.-nütze«. oiS man in Deutschland end - lich so weit ist, diese moderne Folter auszumcrzen, nnrer deren Anwendung man anständige Redakteure zu Lumpen macht, trenn sie nicht zu widerstehen vermögen. * Sogar verleumderische Beleidigung! Wie die „Frank furter Zeitung" bestätigt, ist von der Firma Woermann in Hamburg gegen sie auf Gruird des 8 187 des ReichSstroi- gefetzbuches Klage wegen verleumderischer Belei digung erhoben worden Der angeklagtc Redakteur will den Aba. Erzberger als Zeugen laden. * Abg. Liebermann von Sonnenberg teilt der „Vosi. Ztg." mit, daß er entgegen der von ihr verbreiteten Mel dung, von der wir auch Notiz nahmen — Klage bei der Staatsanwaltschaft gegen den Redakteur der „Hess. Rund schau", Herrn Wilke, eingereicht habe, und zwar schon am 16. Februar v. I., und die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren auch schon vor Monaten eingeleitct. Da die Feuilleton. Eine Wohltat, die wir einem Menschen erweisen, i > V ein gute« Wort, das wir einem sagen, ein Beispiel, f da» wir geben, stirbt nicht mit uns. Jede gute Tat wirkt durch den Empfänger auf seine Rächsten. durch > Geben von diesem weiter und weiter auf andere — . unsere guten Werke sind unsere Unsterblichkeit. Robert Gersunv. Herzogin Anna Anialia von Weimar. Zum 100jährigen Todestage (10. April). Von Paul Pasig (Weimars. Es erscheint fast als ein Din-' der Unmöglichkeit, ein so reiches, vielgestaltiges und tief eingreifendes Leben und Wir ken wie das der Herzogin-Mutter Anna Amalia von Weimar, deren hundertster Todestag sich am 10. April dieses Jahres jährt, im Rahmen eines bescheidenen Zeitungsartikels ge bührend zu w-ürdig«. Es kann daher in diesen Zeilen nur darauf ankommen, in kurzen Umrissen die im übrigen ja all bekannt« Verdienste der Fürstin mm die Anbahnung unserer sogenannten zweiten klassischen Periode zu berühren und >dcs weitern nochzuweis«, wie sie ihr nahes Verwandtschaftsver hältnis zu Friedrich dem Großen — ihre dMitter, Herzogin Philippinc Charlotte, Gemahlin des Herzogs Karl von Braunschweig, war eine Schwester des groß« Preußen königs, sie demnach dessen Nichte — dazu benutzte, die Wun den, die der Siebenjährige Krieg auch ihrem Lande schlug, nach Kräften zu heilen. Bewährte sich hier die edle Fürstin als echte Landesmutter, so rieb sie der Schmerz über die politische Lage des engeren und weiteren Vaterlandes, wie sie durch den Zusammenbruch des Fridericianischen Preußens in der unglücklich« Schlacht von Jena geschaffen wurde, vollends auf, eine fürstliche Märtyrerin, ähnlich der Königin Luise, mit der sie überhaupt manche Aehnlichkeit besaß. Siebzehnjährig vermählte sich Anna Amalia, die am 24. Oktober 1739 in Braunschweig geboren war, am 16. März 1756 mit dem um zwei Jahre älteren Herzog: Ernst August Konstantin von Sachsen-Weimar, dem sie am 3. September 1757 den Thronerben Karl August schenkte. Em Jahr später, am 8. September 1788, wurde ihr ein zweiter Söhn geboren, Prinz Friedrich Ferdinand K«- stantin, nachdem sie bereits ein Vierteljcchr zuvor den kränkelnden Gatten verloren hatte. Cs ist geradezu staunens- wert, mit welcher Energie und Sachkenntnis die ISjäbrige Fürstin ihrer doppelt« Aufgabe, ihrem Lande unter so schwierig« Ber-Swrffs« u»d de« der I kraftvollen, männlichen Leitung beraubten Söhnen Erzieherin I zu sein, gerecht zu werden suchte, doppelt staunenswert, wenn I man hinzunimmt, daß sie außerdem noch dafür Sorge trug, " die Traditionen des Elternhauses, die in der Pflege von Kunst und Wissenschaft Fürstenpflicht fahen, auch nach der neuen Heimat zu verpflanzen. Das Gymnasium in Weimar erfuhr eine durchgreifende dkeagestaltung, und der Landes universität Jena war sie eine fürsorgliche Mutter. Nachdem sie zu Erziehern ihrer Söhne zuerst Wieland s1772), da mals kurmainzischen Rat, später als militärischen Gouver- neur den preußischen Offizier Karl Ludwig von Knebel berufen und durch Eintritt des jungen Dr. Goethe, dessen Bekanntschaft Knebel während einer zur weiteren Ausbil dung der Prinzen unternommenen Reise nach Paris in Frankfurt vermittelt lxttte, in die Hofkreisc ihre mütterliche Sorge für den an seinem 13. Geburtstage mündig erklärten Erbberzvg sich erschöpft hatte, durste sie sich ganz den künst lerischen Bestrebungen widmen, die ihr am Herzen lagen, zumal der auf Goethes Vorschlag zum Generalsuperintenden ten und Hvsprediger berufene Herder, der am 2. Oktober 1776 in Weimar eintraf, ihren hohen Plänen freudig ent gegen kam. Durch die weltberühmte Seilerschc Gesellschaft wurde in Weimar das deutsche Schauspiel begründet, das L ie bhabe r t he a te r in Ettersburg und Tiefurt, auf dessen Brettern selbst der Herzog und Goethe ihre Darstellerkünstc zeigten, öffnete den Erlesenen seine Pforten, die in dem „Tiesurtcr Journal", der ureigensten Schöpsung der Herzogin Amalia, ihre leichteren Geiftesprodukte einander darboten, neben „Hätschelhauz" * *), Wieland, Herder, Knebel, Seckendorf u. a. Schiller, der erst im Jahre 1799 zu dauerndem dfirsenthalte nach Weimar übersiedelte, stand der Herzogin persönlich ferner, die gleich wohl seinem hohen Genius ungeteilte Bewunderung zollte. Die Zeiten hatten sich damals eben geändert, und trübe Erfahrungen, persönliche wie öffentliche, hatten die „Lustigen von Weimar" ernster gestimmt. Vor allem auch die Herzogin Anna Amalia, der die Not ihres Laubes jederzeit tief zu Herzen ging. Das zeigte sich schon während des Siebenjähri gen Krieges. Trnppendurchzüge und Rekrutierungen drück ten ihre Untertanen, die kaum imstande waren, sich der Not zu erwehren. Anna Amalia war in eine überaus schwierige Lage versetzt. Als ReichAfirrstin hätte sie zu Maria Theresia stehen müssen, zumal auch Kaiser Franz I. für die Gewährung alleiniger Regentschaft <1758) Dank und entschiedene Stellung gegen Preußen von ihm glaubte erwarten zu dürfen. Aber nicht nur die leibliche, noch weit mehr die geistige Verwandt - schaft zog sic zu dem großen Könw hin, mit dem sie einen lebhaft«, meist französisch« Briefwechsel uuterhielt. In der Regel unterzeichnet sic sich: „Votrv Llchent« In tön di'wdiv et trä, aw',nannte kiiöee et grumte Xmslie." Wie energisch sic gleichwohl für ihr bedrängtes Land einzutretcn wußte, beweist folgender, wörtlich wiederaeacbener Brief: „Durchlauchtigster, Großmächtigster König. JnsonLerS Herr Vetter und Gevatter! Ew. Königs. Mast. Mafor irnd ?ldfn- *) So nennt ixe Herzogin in-einem launig« Brrese an ^ive Frau Rat den .Geheimoen" Rat Goethe. . taut von Anhalt hat mit Beziehung auf eine von Hochdem- s eiben ihm zugekommene Ordre meinem Ober-Vormundschaft lichen Ministeris heute den ganz unerwarteten Auftrag ge tan, wie aus dem hiesigen Meiner ObervormunLschaftlichcu Verwesung anvertrauten Fürstentum 150 Mann Necruten zu Ew. König!. Majt. Dienst ausgehoben und geliefert wer den sollen. Bey aller der vorzüglich« schätzbaren Protection und Menagement so Ew. König!. Majt. jederzeit denen Fürst!. Sächs. Landen zuzusichern beliebet, auch dcnenselben bey ver schieden« Gelegenheiten wcrkthätig angedeihen lassen, habe ich mir beynahe nicht, daß der Major von Anhalt sothanen Antrag von Hochdcmselb« würklich desehliget worden, über reden können, oder doch wenigstens, daß bev der Sache ein Mißverständnis vorgegangen, zu glauben Anlaß nehmen müssen. Aus eben diesem Grunde hosfc ich, daß Ew. König!. Majt. gedacht« von Anhalt fördersamst mit anderer Ordre zu verseh« oder, wenn dessen Antrag sich würklich auf Hoch- dcroselb« Befehle gegründet, von mir die in der Wahrheit beruhende Vorstellung anzunehmen und bey Jhro gelten zu lassen gefällig sein werde, wie, durch die geplanten Umstände das hiesige Fürstentum dergestalt von aller jungen und dienst tauglichen Mannschaft entblösset worden, daß aus selbigen die verlangten Rekruten ohne Zugrunderichtung der Manu- facturen und des Ackerbaues, mithin ohne den völligen Ruin des Landes selbst, zu nahm« nicht möglich sein solle" usw. Der Erfolg des Schreibens entsprach leider nicht den gehegten Erwartungen. Die Siege Friedrichs erfüllten die Herzogin mit aufrichtiger Freude, und ihr Lohn Karl August suchte an den Jürstenhöfen Stimmung für den durch den König an geregten Fürstenbund gegen Oesterreichs Gelüste auf Bayern zu machen. Die letzten Brief«, die zwischen der Her zogin und ihrem alternden Oheim gewechselt wurden, be ziehen sich auf das Verhältnis Karl Augusts zum preußischen Heere. In einem Antwortschreiben des Königs (10. Januar 1786> kommt die I östliche Bemerkung vor: ,.8l s'etcus moia« »gs je me. ssrru» rcmän en pMonne a Weimar pour »voll Is ptaisir äe voua revoir nm adere diiesae et iko vou« vmdrLü«er, Llui« come Vous n'avos piu le Oerelo ck'«e äouv.uiov äe Zlatraves ootogemürcv vous ne üaurez on me züaeer'' . . . worauf die Herzogin sich be eilt u. a. zu erwidern (5. Februar): „Wenn jemals Ew. Majt. es sich gefall« lassen könnten, einen für mich so reizvollen Gedanken zu verwirckliH«, eines Tages nach Weimar zu komm«, so würde ich L-orge tragen, die ewig verehrungs würdigen durch einen Kreis junger und schöner Spinne rinnen zu ersetzen, mit der Verpflichtung, Ihnen, Sire, eine lange Reihe wahrhaft glücklicher Tage zu spinnen" ustv. In seinem setzten Briefe (Potsdam, 11. Februar 1786), der, von fremder Hand geschrieben, nur des Königs Unterschrift trägt, bedauert dieser, nicht kommen zu kö-mr«, „da ihn höhere Pflichten an sein Vaterland fessel« und die Sorgen, die er diesem schulde, eine längere HMveftnheit nicht gestatte«" . . . Am 17. August 1786 starb der König, und, merkwürdig, A n n a A malia schein: aus gewissen Anzeichen aus dies« an )icb ja nicht überraschenden Todesfall geschloss« zu haben. i Darauf bezieht sich ein Bries ihres Sohnes -cs damals in Karlsbad weilenden Herzogs, in dem es u. a. beißt <20. AÄg.): „Scherz bei Seite, so stelle ich mir die Sache io vor, Koh Sie undThusnckda ein Acchzcngchörthabcn, welches durch Gott weiß was entstanden ist; ihre Aufmerk samkeit darauf hat Ihre Nerven angespannt und endlich das durch dir Folg« Ihrer Krankheit und den Druck der Abend lust gereitzte<s) und zittcrnde<s) Nervenfhstem hat Ihrer Ein- bildung «in Phantom vorqestellt, welches wahrscheinlich nicht wirklich war." . . . Eine Reffe nach Italien <1788—17901, wo sie den Spuren ihres großen Dichters und Beraters folgte, darf als das letzte freudige Ereignis im Leben der geprüften fürstlichen Frau bezeichnet werden. Die durch den Ausbruch der französischen Revolution geschaffenen Verhält nisse um-üstcrten auch Deutschlands politischen Himmel, und der Herzog als preußische^ General r chm nfft sein: . jünge- reu Bruder, dem Prinzen Konstantin, am Feldzüge teil. Der plötzliche Tod des letzteren <6. September 1793), der in seinen Ursachen nicht ganz aufgeklärt ist (Nervenficber? Duell?!, die Katastrophe von Jena, die sie zur Flucht nötigte und den Fortbestand des Herzogtums eine zeitlang ernstlich in Frage stellte, der Tod ihres Bruders, des Herzogs von Braun- sch'weia. der sein« in kr c unalücklicben Schlacht e'baltenen Wund« erlag <10. November 1806), alles dies trug dazu bei, auch ihren Tod zu beschleunigen: War sie Loch äußerlich un innerlich längst einer Welt und auch einer Umgebung abge storben, in der sie sich nicht mehr heimisch fühlte, weil man sie in ihrem edlen, vaterländischen Empfinden, in ihrer ties« Trauer über den Zusammenbruch der stolzesten Hoffnungen richt verstand. Auch Goethe nicht, worüber sich die Fürst« mit schmerzlicher Resignation aussprach. So ver schied sie, wenn man so sagen will, an gebrochenem Herzen, am IO. April 1807 In der Stadtkirchc zu Weimar, unweit Herders letzter Ruhestätte, wurden ihre sterblichen Neber- reffe beigefetzt, und am folgenden Sonntage verkündete Goethes meisterhafter, von den >kanzeln Les Landes ver lesen« Nachruf den trauerns« Gemeinden, was sic an der verklärten Fürstin verloren batten. Wenn es am Schluffe dieses Nachrufes heißt: „Wer von uns darf sagen: Meine Leiden waren so groß als die ihrigen? Und ivenu jemand eine solche traurige Vergleichung anstcllen könnte, so würde er sich an eiyem so erhabenen Beispiele gestärkt und erguickt fühlen", so deutet Goethe mit diesen Worten an, worauf wir im Eingänge bnrwies«. Anna Amalia aebört zu jenen fürst lichen Märtyrerinnen, deren Ruhm um so Heller erstrahlt für alle Zeiten, je großer die Verdienste waren, die sie sich erivorb«. Ihr uneigennütziges politisches und soziales Wir ken zum Woble ihrer Untertan« gehört der Vergangenheit an; ihren Verdiensten um Kunst und Wissenschaft, besonder? aber um unsere klassische Literatur, gebührt der Kran,; der Unsterblichkeit. * «Srrstav Herrina«, „Der Triumph des Mannes" und „Der große Baal ' hab« eine Gemeinsamkeit: sic sind Künstlerdramen: und Liese Gemeinsamkeit ist für ihren Tickiter so charakteristisch, daß es erlaubt ist, darauf zu verweilen. Ich weiß im Augen- I blick nicht, wo und von wem es ausgesprochen wurde, welche I Gefahr es für ein« Künsüer bedeutet, die eigene Leete iw ^Rohzustand des Derbe»- «m Thema M wähl« —
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