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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070411023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907041102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907041102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-11
- Monat1907-04
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Abgelelmtl Der Hafenbetriebsverein in Hamburg hat, wie unS ein Privattelegramm meldet, in seiner heutigen Sitzung die von den ausgesperrten Schauerleuten in der gestrigen Ver- fammlnng gemachten Vorschläge abgelehnt. Falls die Arbeiter ihre Vorschläge nicht zurückzieheu, dauert die Aus sperrung weiter an. — Also immer noch kein Frieden! Erhöhung von Bergardciterl-Hnen. Zahlreiche Grubenverwattungen in Zeitz, Weißenfels und Naumburg haben die Löhne der Bergarbeiter um täg lich 20 -s erhöht, nachdem sie mit den Konsumenten bezw. Händlern höhere Preise vereinbart haben. Taft Roosevelts Kandidat! Der Schwiegersohn des Präsidenten Roosevelt, Longwortb, der Mitglied des Kongresses ist, erklärte sich, aus Washington nach Cincinnati zurückgekehrt, einem Berichterstatter gegenüber für die Ausstellung der Kaadid atu r T afts für die Präsidentenwahl im Jahre 1908. Er bemerkte, er spreche zwar damit nur seine eigene Ansicht aus, er glaube jedoch, Taft verkörpere in ben Augen des Volkes den Geist der Regierung Roosevelts. — Man darf gespannt sein, ob die republikanische Partei diese offizielle Kandidatur akzep tieren wird. Die Tittrattaa in Lodz hat sich bedeutend verschlimmert. 4000 Arbeiter kamen nach der Aushebung der Aussperrung der Aufforderung der Bosnjakschen Baumwollfabrik, sich zur Arbeit zu melden, nach ; doch begann die streitlustige Majorität, um die Wieder aufnahme der Arbeit zu verhindern, alSbalv mit Mord und Totschlag vorzugehen. Seit Donnerstag durchziehen bewaffnete Arbeiterbanden die Stadt »nd dringen in die Wohnungen, wo sie die Einwohner terrorisieren. Gestern wurden 33 Personen getötet, tOO schwer verletzt. Die Be drohten schließen sich gleichfalls zur bewaffneten Abwehr zu sammen; es sind jetzt bereits fünf Kampsorgauisationen ver schiedener Parteirichlungen im Kampfe mit jenen. Militär und Polizei verhalten sich passiv. Die Behörde beschloß, alle Spiritusläden zu schließen. Die. Lokalbehördcn dulden b'ese Zustände absichtlich, um so den Kriegszustand in Polen weiter aufrecht erhalten zu können. In den letzten zwei Tagen richtete sich der Kampf besonders gegen die jüdischen Arbeiter. Man fürchtet, daß die Exzesse zu Pogroms werden lönnten. Die endguttigc Zusammensetzung der Tuma-Partcicn. Nach den Feststelluuaen der Kommission gruppieren sich die Mitglieder der Duma endgültig wie folgt: Sozialdemo kraten 64, revolutionäre Sozialisten 34» Volkssozialisten 14, Arbeiterpartei 100, Mohammedaner 30,Kosaken 17, KadettenSI, Polen 46, Partei der demokratischen Reformen 1, Partei lose 50, Gemäßigte und Oktobristen 32, Monarchisten 22. — Rechnet man Ine verwandten Fraktionen zu Gruppen zu sammen, so ergeben sich: Sozialisten 212, nationale Demo- raten (Polen und Mohammedaner) 76, Gemäßigte Linke 124, Reaktionäre 39, Unbestimmte 50. Die Gesamtsumme (501) verrät allerdings, baß noch nicht alle Plätze besetzt sind: wahrscheinlich sitzt der Rest im Gefängnis oder in Sibirien. Die spanische Allianzfragc. Die „Tribuna* veröffentlicht einen längeren Artikel über die Zusammenkunft in Cartagena und die dort ansgebrachten Trinksprüche. DaS halbamtliche Organ der italienischen Regierung erklärt, daß die Hypothese einer Mian; zwischen Spanien und England große Wahrscheinlichkeit habe. Ans alle Fälle sei aus der Zusammenkunft zu schließen, daß Svanieu aus seiner Isolierung heranszetreten sei und sich endgültig in den Machtbereich Frankreichs und Äiglauds be geben habe. Diese Tatsache sei von der größten Wichtigkeit. — Nein! Angesichts der offensiven Schwäche Spaniens doch nur von beschränkter Wichtigkeit. Von einiger Bedeutung ist, wenn Spanien seine Häfen zu Operatiousbasen für di« Flotten der Westmächte freigibl. Indessen ist Italien von Port Mahon und Cartagena aus keineswegs dringender bedroht als schon jetzt durch Toulon, Bastia und Bizerta, wozu noch die englischen Plätze Gibraltar und La Valetta treten. Wol aber bedeuten unter Umstanden Port Mahon und auch das freilich heute unbefestigte Barcellona in Englands Händen eine Gefahr für jemand anders. politisches. Deutschlands Ausfuhr nach den Vereinigten Staate«. Nach den amerikanischen Konsularberichten liegen aus 32 deutschen Industriestädten ungemein interessante sta tistische Angaben über den deutschen Export nach den Ber einigten Staaten vor. Danach hat sich die Ausfuhr im Jahre 1906 gegenüber dem Vorjahre 1905 von 126133 199 Dollar auf 152 832 455 Dollar, d. h. um 26 699 256 Dollar (oder rund um 114 806 900 Marks gleich 26,2 Prozent ge hoben. An erster Stelle des deutschen Exportes nach Amerika steht Hamburg mit 17 811864 Dollar, dann folgt Berlin mit 14 153 068, Magdeburg mit 11614 683, Leipzig mit 11438 829, Chemnitz mit 10711914, Frankfurt a. M. mit 8 881 614, Planen mit 6 275M, Nürnberg mit 6 061 466, Mannheim mit 5 697 201 und Barmen mit 5 395 830 Dollar (gleich 23 202 200 Marks. Dann erreichen noch Kv- burg, Köln und Stettin eine Ausfuhrgrcnzc von über 20 Millionen Mark, die übrigen 19 deutschen Städte bleiben unter dieser Grenze. — Ganz wesentlich ändert sich dieses Bild, wenn man die Zunahme der Ausfuhr von 1905 auf 1906 in Betracht zieht. Hier steht Stettin an erster Stelle, welches seine Ausfuhr von 1 201 118 Dollar im Jahre 1905 auf 4 706 540, also um 3 505421 Dollar (gleich 15073 400 Marks gesteigert hat. Dann folgt Magdeburg mit einer Erhöhung der Ausfuhr um 3 214 487 Dollar, Berlin um 2 886 226 Doll., Chemnrtz um 2 482120 Doll., Hamburg um 2339 437, Braunschweig um 1 518 091 Dollar, Leipzig um 1195 096, Köln um 1 155 569, Dresden um 1089 083, Nürnberg um 895 910 Dollar, Barmen um 847 432, Plauen um 626237 und Frankfurt a. M. um 541165 Dollar. Die übrigen Städte blieben hinter dieser Grenze der Steigerung der Ausfuhr um 2 Millionen Mark zurück. Nur zwei Städte, Eibenstock und Weimar, haben statt einer Erhöhung eine wesentliche Verminderung ihrer Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten erfahren. * * Das „Mitleid" des Zentrums. Die Aufstellung des katholischen Pfarrers G-randinger in Nordhalben als lioeraleu Kandidaten zur bayerischen Landtagswahl ist ein Schlag ins Kontor der Zentrumspartei. Zur Be- ruhigung der „kochenden Volksseele" beeilt sich das Parrer- blatt des bayerischen Zentrums mit der Erklärung, daß cs eine „Hetze" gegen Pfarrer Grandinger für ganz verfehlt halten würde. „Wir denken", versichert der „Bayerische Ku rier", „Herr Pfarrer Grandinger ist mündig genug, selber zu erkennen, was er vor seinem Gewissen verantworten kann; wenn jemand, irregeleitet, falsche Wege geht, io kann man ihn bemitleiden, aber man darf ihn nicht ver dammen." — Ob die öffentliche Erklärung, einen „Irre geleiteten" zu bemitleiden, mit echtem Mitleid uoch etwas zu schaffen habe, bleibe ununtersucht. Nicht mit Dttll- tchweiaen aber darf übergangen werden, welche Form das klerikale Mitleid in der „Nürnberger Volkszeitung" und in dem Stuttgarter Zentrumsblatte annimmt. Das zuerst ge nannte Organ schreibt: „Man sagt, Herr Pfarrer Glauburger sei einmal schwer gekränkt worden, und seit dieser Zeit steht er grollend abseits. Trotzdem darf der katholische Geist liche zu einem solchen Schlag ins Gesicht des ka tholischen Volkes nicht ausholen. Das katholische Volk hat Herrn Pfarrer Grandinger gewiß nichts zuleide getan. Und die katholische Presse! Was soll sie dein ka tholischen Volke sagen? — Kehre zurück, katholischer Priester, dein Platz ist beim katholischen Volkes" Wem dieser Erguß noch nicht ganz nach „M'tteid" schmeckt, der halte sich an das Stuttgarter Zentrumsblatt, das u. a. schreibt: „Pfarrer Grandinger zählt zu jenen wenigen katho lischen Geistlichen, die ans gewissen, hier nicht näher zu erörternden Gründen ans das Zen trum nicht gut zu sprechen sind." DaS „Mitleid" des Nürnberger und des Stuttgarter Zentrumsblattes bringt es also fertig, dem Pfarrer Gran dinger für seine Entscheidung auf einem der wichtigsten sachlichen Gebiete persönliche Beweggründe 'nterzusctsicven. Und das Stuttgarter Zentrumsblatt krönt die'fts Mitleids- volle Verfahren dadurch, daß cs cme Andeutung macht, als ob sür Pfarrer Grandinger jene persönlichen Beweggründe noch besonders peinlich seien! Christlicher kann der Tugend des Mitleids, deren Hebung der „Bayerische Kirrier", wenn auch in eigenartiger Weise, empsahl, nicht leicht gehuldigt werden. * Englischer Besuch in Deutschland. Infolge von Ein ladungen der städtischen Behörden von München, Nürnberg, Frankfurt und Heidelberg hat das britische Komitee zum Studium ausländischer städtischer Einrichtungen einen Be such dieser Städte unmittelbar nach Pfingsten beschlossen. Zwanzig Mitglieder des englischen Parlaments haben bereits ihren Wunsch ausgesprochen, an dem Besuche teilzunckmen. Die Besucher werden am Pfingstdienstag in Frankfurt ein treffen. Am 23. Mai gehen sic nach Homburg v. d. H. als Gäste des dortigen Stadtrats. Von dort wird die Saalburg besucht werden. In Nürnberg wird ihnen ein Bankett gc- geben. München hat den englischen Gästen einen besonders warmen Empfang zugedacht. Ein Extrazug soll sie nach den Wasserwerken führen, und für den darausfolgenden Tag ist ein Ausflug nach Partenklrchen vorgesehen worden. Am 31. Mai besuchen die englischen Gäste Heidelberg. An dem darauffolgenden Sonnabend sind sie Gäste des Konsuls Meßen in Königswinter und verbringen sodann den letzten Tag ihrer Reise, den Sonntag, in Köln. * Parlamentarische Nachrichten. Die sozialdemokratische Funktion des Reichstags -beschloß, folgende Resolution zur Beratung des Milftäredats einzubringen: Der Reichstag wolle beschließen, in den Etat für 1908 eine Erhöhung der Löhnungen der Mannschaften und Unteroffiziere der Armee einzustellen und die bisher den Mannschaften auserlegien Ausgaben für die Beschaffung vorschriftsmäßiger Gebrauchs gegenstände aus den Etat zu übernehmen. — Der Entwurf eines Richterbesoldungsgesetzes ist dem preuhl. scheu Ab g eo r d n e t e n ha u s e zugegangen. * Zur Mannheimer Zeuaaiszwangsassäre veröffentlicht der Redakteur Geck von der „Mannheimer Volksstimme" eine Erklärung, in der er mitteUt, daß er sich zur Zwangshaft mittag stellen werde. Er wendet sich mit jcharsen Worten gegen die ganze Prozedur, in der das erste Mal in Baden von der Zeugniszwangsfolter Gebrauch gemacht werde. * Gegen die Friedcnsgescllschast. Die Altonaer Polizei verbot gestern ein Plakat der deutschen Jriedensgesellschaft. Die inkriminierten Lützc der Ankündigung lauten: Sollte das Werk der Haager Friedenskonferenz scheitern, so würden die Lasten vermehrt und an Stelle der Peitsche würden Skorpionen treten. Die es daher gut mit ihrem Volke mei nen, sollen sich dem Bestreben anschließen, einen Truci zu erzeugen, der notwendig ist, die offiziellen Vertreter im Haag zu fruchtbringender Arbeit zu veranlassen. * Kleine Nachrichten. Prinz Heinrich von Preußen ist heute an Bord des Dampfers „kneifenau" des Nord deutschen Lloyds in Genua eingetrofien. — In Mar burg i. H. wählten die städtischen Vertretungen den Bürgermeister Hölzerkopf aus Iserlohn zum Ober bürgermeister. — Geh. Bergrat Prof. Dr. Franz Bey ich lag ist zum Direktor der Geologischen Landes anstalt zu Berlin ernannt worden. — Durch Verfügung des Reichsmarineamts geht die Mlösung sür das ostaira - tische Kreu.zerge sch wadcr von 1050 Personen am 26. April anstatt von Hamburg von Wilhelmshaven ab. Feuilleton. r r In der Traurigkeit liegt noch ein gewisser Zauber, eine Poesie; die Verdrießlichkeit ist alles Zaubers bar. Freiherr von Feuchtersleben. ; . ...... . Die - nach narkstivctten Giften. Von Dr. Panl Schenk (Berlin). Von verschiedenen Seiten wird die Ansicht vertreten, daß die Neigung, sich hin und wieder zu narkotisieren, in das Reich des Unbewußten hinabzulauchcn, ein ursprüngliches Attribut des ftorrco sapions sei. Huldigen doch allein dem Opiumlaster in Ehina jetzt gegen 40 Millionen Menschen. Die indische Regierung lägt gegen 600 000 Morgen indischen Bodens mit Mohnblumen bepflanzen, um daraus für China das dort vor der einheimischen Produktion bevorzugte indische Opium zu gewinnen. Dabei sterben in Indien jähr lich durchschnittlich 600 000 Menschen den Hungertod. Ein Morgen einigermaßen brauchbaren Ackerlandes würde in Indien hinreichen, um einen Menschen zu ernähren. Genau wie vor zwei Jahrhunderten, ist auch vor kurzem wieder der Opiumgenuß in China durch ein kaiserliches Edikt verboten worden. Aller Voraussicht nach wird sich, wie damals, auch heute die Neigung der von ihrer Sucht betörten Menschen stärker erweisen, als kaiserliche Edikte. Bezeichnet cs Goethe doch sogar als eine Forderung der Natur, daß der Mensch mitunter betäubt werde, ohne zu schlafen. „Daher der Genuß im Tabakrauchcn, Branntweintrinken, Opiaten." Goethe stellt mit richtiger Empfindung das Nikotin und den Alkohol neben das Narkotikum Opium, bzw. dessen Haupt alkaloid Morphium. In der Tat ist es eine Art Rausch wirkung, welche in gleicher Weise bei dem Genuß der ge nannten drei Genußgiftc erstrebt wird. Genau genommen, ist Narkose gleichbedeutend mit Betäubung, Lähmung, Erstarrung. Beim Tabakgenuß stellt sich dieses Endstadium der Vergiftung, wenn wir von der Abgeschlagenheit und Schläfrigkeit als Folge der ersten Rauchversuche absehen, beim modernen Europäer kaum mehr ein. Wahrscheinlich sind die aus den Zigarren und Zigaretten oder dem Schnupf tabak zur Resorption gelangenden Mengen von Nikotin zu gering, um die volle narkotische Wirkung hervorzurufen. Oder aber die Gewöhnung an das Gift und dementsprechend die Steigerung der Widerstandsfähigkeit erfolgt beim Niko- ti« schneller und stärker, als bei den beiden anderen Narko tins. Der Ueberwältigung des Geistes und der Sinne durch das narkotische Gift und der schließlich eintretenden voll ständigen Bewußtlosigkeit gebt ein mit Täuschungen des Ge- sübls und der Sinne verbundener Aufregungs- oder Rausch zustand einher. In diesem Zustand getrübten Bewußtseins (sofern er sich nicht zu oft einstelltt sah Goethe also merk würdigerweise ein notwendiges Ingrediens des natur- oemäßen Lebens, und sein kongenialer englischer Kollege in Avoll sogar die Quintessenz des Lebensgenusses, tft« boot ot Lio ft« bst intorüoation. Dem Poeten Byron war das Beste am Leben gleich wie ein Rausch. Ten beiden I Dichtern gehörte anscheinend die heitere Stimmung zum Be-! griff der narkotischen Wirkung unserer gebräuchlichsten Genußgifte. Ganz entgegengesetzter Ansicht ist Tolstoi. Nach ihm trinken und rauchen die Menschen und führen Opium oder Morphium in ihren Körper ein einzig in der Absicht, den unangenehmen Mahnruf des Gewissens zu be täuben. Der russische Dichterphilosoph erzählt uns von einem Koch, der seine Herrin ermordete und die begonnene grausige Tat erst zu Ende zu führen vermochte, nachdem er mit Hilfe einer Zigarette das erwachende Gewissen betäubt hatte. Für Tolstoi ist ganz allgemein die Häßlichkeit und mehr noch die Sinnlosigkeit unseres Lebens vornehmlich eine Folge des physischen Zustandes der Betäubung, in welchen sich durch Alkohol und Tabak die Mehrzahl der Menschen unserer Welt versetzt. Zu ganz ähnlichen Ansichten, wie der berühmte russische Schriftsteller, ist übrigens in gewissen Punkten die moderne Abstinenzbewegung gelangt. Auch nach ihrer Lehre erzeugt die Betäubung mit Alkohol, Tabak und Opium ein Wahn system falscher Ideen. Wer gewohnheitsmäßig Tabak raucht oder Alkohol trinkt, wird unweigerlich nikotinisicrt oder alkoholisiert: er verfällt der spezifischen Tabak- bzw. Alkohol torheit. Ohne sein tägliches Pfeifchen, sein gewohntes Quan tum Alkohol erscheinen ihm Welt und Menschen abgeschmackt, reizlos, dumm und schlecht. Wird er dagegen im Genüsse seines gewohnten Narkotikums belassen, so ist der Schaden, den er an seiner folgerichtigen Denkweise erleidet, für jeden, welcher sich des betreffenden Narkotikums nicht bedient, offen, kundig: er wird in bezug auf sein angewöhutes Uebel, wenn nicht überhaupt iu bezug auf die Grundübcl dieser Welt, mit geistiger Blindheit geschlagen. Unzweifelhaft steckt in dieser Gedankenverknüpfung etwas Richtiges. Nur ist cs mit der Folgerichtigkeit unserer Ideen eine eigene Sache. „Vor allem Hute dich vor strengen Folgerungen, denn folgerichtig ist oft Närrischstes ent. sprungen." Es scheint mir, als fände dieser Spruch Rückerts auf kein Gebiet bessere Anwendung, als gerade auf das der narkotischen Suchten. Weil es so viele Morphium- und Trunksüchtige gibt, soll logischerweisc ein jeder, der gewohn- beitsmäßig Morphium oder Alkohol genießt, morphium- bzw. alkoholsüchtig sein. Um die Sucht aus dem gewohnheits gemäßen Genuß zu erzeugen, ist aber in Wirklichkeit eine angeborene psychopathische Mindertvcrttgkeit erforderlich. Freilich ist in unserem Zeitalter, das so vielfache Spuren der Entartung zeigt, auch die herabgesetzte Widerstands fähigkeit gegen krankhafte Neigungen, die angeborene spezifisch „süchtige" Minderwertigkeit ein sehr häufiges Zeichen eben dieser Entartung. Wir können das jeden Tag auf dem Gebiet der geschlechtlichen Perversionen nicht minder, wie auf dem des krankhaften Ucbermaßcs im Ge. brauche der Genußgiftc beobachte». Die richtige spezifisch „süchtige" Minderwertigkeit läßt sich, was Heilungsaussichten und Behandlung aubetrifft, durchaus der spezifischen Tcm- peramentsanlage an die Seite setzen. Wer einmal melan cholisch oder sanguinisch veranlagt ist, der bleibt im Grunde seines Wesens sein Leben lang schwermütig oder leichtherzig. Dem wirklich Trunksüchtigen wird nach jahrelanger Absti nenz in einer Trinkerhcilstättc ein einziger Schluck Wein vielleicht bei Gelegenheit der Abcndmahlsfeier verhängnis voll. Um zu einer Erklärung zu kommen, mögen wir wohl vergleichend sagen, daß cs sich hier um die äußerste Ver minderung des Reibungswidcrstandcs aus ausgeschlifsener Gcdankenbahn oder, chemisch betrachtet, um starke Attraktion wohlverwaudter Stoffe handelt. Aber bei dreien Vergleichen wird uns sofort die Dürftigkeit unserer Vorstellungen von den materiellen Grundlagen unseres Geisteslebens klar. Was wir gewohnt sind zu tun, das wird uns gar zu leicht zum Bedürfnis. Dieses Bedürfnis wird krankhaft, wird zur Sucht in dem Augenblicke, wo wir uns gestehen müssen: e'est plus kort gue mol. Im Interesse unserer geistigen uns körperlichen Gesundheit sollten wir es mit dem Rauchen und Trinken halten wie umgekehrt unsere Vorfahren mit dem Aderlässen. Wir sollten in jeder Woche oder in jedem Monat uns bestimmte Tage vormerken, wo wir uns der gewohnten Gifte völlig enthalten. Damit du nichts entbehrst, war Catos weise Lehre: entbehre! Menschlich, allzumenschiich ist es, daß das Gemeine, das ewig Gestrige, das Recht und der Zwang der heiligen Gewohnheit einen so mächtigen Faktor bildet in unserem Leben. Aber darin zeigt sich unsere Menschenwürde, daß wir uns aus eigener Kraft von den Fesseln der Gifte befreien können, wegen deren die armen Kranken die Entziehungsanstalten aussuchen müssen. rNoderne Zsergläfer. Von Julie Jolowicz (Berlin). Wenn der Frühling erwartet wird, da Frauenbünde zärt lich bunte Blüten iu leuchtende oder malt schimmernde Gläser stellen, erwacht wohl auch ein bcftnderes Interesse an dielen gebrechlichen Kunstwerken. Von jeher haben schöne Gläser und Pokale zu den wohlqebiileten Schätzen in Bürgerhäusern und Palästen gehört, an deren Besitz sich nicht selten aber gläubische Legenden knüpften. Das Glück manches ritter lichen Geschlechtes sollte, einer Sage nach, von einem köst lich geschliffenen Pokale abhängig sein: mit seiner Vernich tung ging Ruhm und Ehre gleicherweise in Trümmer. Und beim Anblick der heiligen Schelle des Gral stieg gläubige Sehnsucht andächtig zum Himmel empor. In unserem empirischen Zeitalter freilich muffen sich die Pokale und gläsernen Schalen im allgemeinen mit sinnlicher Bewun derung begnügen. Und schließlich dienen sie ja auch, von den überzierlichen Blumengläsern an, die Pros. Karl Köpping nach venetiamischer Anregung schuf, bis zu den irisierenden Gesäßen des Amerikaners Tiffany, ja sogar bis zu den spirt- tualistischen Glasträumcreien des Franzosen Emile Galle alle einer Betätigung der Sehnsucht kulturell vorgeschrittener Menschen nach Schönheit und Veredelung. Die bei ihrem Austauchen über Gebühr gelobten Gläser Köppings. die auf schlanken, gewundenen Stengeln mit schma len Blättern breiter ausladende Blütenkelche tragen, sind bald zurückgedrängt worden. Schuld daran trug wobl eines teils ihre Zerbrechlichkeit, andcrnteils die öftere Verwen dung mangelhaften Materials, die Krankheitsrisse der Glä ser herbcisührte und sie dem Verderben weihte, auch wenn schützende Sorgfalt sie vor äußerem Unfall behütet batte. So ist es erklärlich, daß man müde wurde, sich Kleinodien ,u kamen, die einem just daun durch tückischen Zufall entrissen wurden, wenn sie durch Gewohnheit und Besiherfrcude lieb geworden waren und daß man dafür sich anderen Rich tungen znwandte, die mehr Gewähr für ein ruhiges Genießen können des Erworbenen boten. Zu den am meisten mit Gunst bedachten gebären Tiffany und Galle, die beide gleichsam bahnbrechend in ihren: Kunst- oebiete wurden und durch deren Wirken sich Zwei Gruppen bildeten: die Schutt von Nancy »nd die englische Schule, Louis Comsort Tiffany ist der erste, der die kunstgewerb liche Behauptung, das Glas müsse unbedingt das Licht durch lassen, für ein Vorurteil erklärte. Seme wunderbar metallisch schillernden Gläser, in manchmal abenteuerlichen, manchmal sogar ein wenig plumpen Formen, berechnen ihre Wirkung fast einzig aus das Farbenfpiel. Blaugrün schimmernde Piaueusedern, rötliche Tulpen, bei denen die Tönungen un- merkUch ineinander übergehen, geben oft die Vorbilder. Doch obgleich Tisfanys Gläser in allen Mnften als Kunst werke gezeigt werden, schwiegen bis heute die Stimmen der Gegner nicht, die sie wegen ihrer Tendenz verwerfen und dem Glase seine Eigentümlichkeit, die Durchsichtigkeit, ge wahrt wissen wollen, wie sie die deutschen Erzeuger der Jrisgläser, der eigentlichen Vorboten des „Favrile Glaß", respektierten- Indes, mag man nun vom Fachstaudpunkte darüber denken, wie man wolle, aus den Laien, der ohne Voraussetzungen an diese Vasen und Kelche l^erantritt, wer- den sie immer einen bestrickenden Zauber au Süden durch den sanften und doch wechsel-vollem Reiz ihrer tiefen Farben, an denen er sich erfreuen kann, wie an den bunten Flügeln eines seltsamen Schmetterlings. Künstlerisch ist Emile Galle der Bedeutendere. Es ist nicht nur leere Form,-daß er keine noch so winzige Schöpfung ohne seinen Namenszug aus den Werkstätten entläßt: er drückt auch allein, ivas er indirekt entstehen ließ, sein geistiges Gepräge auf. Mögen helfende Hände noch so viel Anteil an der Fertigstellung seiner Erzeugnisse haben, der Schöpfte und Vollender bleibt er. Galle ist eine Tichternatur; „il » la grä«, gt Io hyrism« clu poets", sagt einer seiner fran zösischen Freunde. Seinem inneren Triebe genügt er, wenn er in seiite Gläser und Vasen irgend einen dichterischen Ge danken Hineinphantasieri, dem er durch eine Inschrift Aus druck leiht. Und fast alle seinen kleinen Kunstwerke tragen einen solchen Spruch, der ihr geistiges Wesen kund geben soll, das freilich oft nur eine Spiegelung in Gallos eigenem Hirn ist und das noch so Willige ost nicht enträtseln können. Die Schönheit seiner Gläser dagegen ist eindringlich uns allen verständlich, die des Schönen Sprache überbauvt ver stehen. Auch im Erfinden und Ausführen seiner Dckora- tionsmotiae kommt Gallos Poctentum zum Durchbruch. Mit größter Feinfühligkeit geht er dem Werden der Pflanzen nach, hellsichtig erschaut er ihre blühende Pracht, ahnt er die verborgene Schönheit auch einer scheinbar unansehnlichen Blume, belauscht er den Flügclfchlag der Falter und Libellen, nimmt er den Schmelz seiner Schwingen hinüber in seine Arbeiten. Er ist einer von denen, die klug und richtig den Geist der japanischen Kunst deuteten und der das beste, was sie lehrt, erfaßte: den innigen Anschluß des Künstlers an die Natur, das liebevolle Beobachten der Tier- und Pflanzen welt und das Zugeständnis der Bedeutung auch sür ihre kleinsten Regungen und Abweichungen. Die Teclrnik GallöS ist der Glasschnitt, wie mau ihn gleichfalls au ostasiati'chcn kunstgewerblichen Arbeiten sieht, z. B. an kleinen chinesisch en Tabakssläsckxhen aus geschnittenem Ucbcrfangglas im Ber liner Kunstgewerbemuseum. Tie Art, in der Okrllö schafft, ist stets die gleiche, eben weil sic seine Individualität aus macht und wird dem bald vertraut, dessen Gedächtnis sich das Aussehen eirriger seiner Arbeiten einprägte. Indes, wenn auch die A-wsdrucksmittel dieselben bleiben, er hat immer wieder etwas Neues zu sagen, das ihm die Aufmerksamkeit seiner Freunde sichert. Der Einfluß Gallos in der Glasindustrie ist noch sicht barer als der von Tifsano, dessen Effekte wohl benutzt, aber besten Verfahren.auch vielfach verändert und besten Bestreben
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