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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.04.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070413012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907041301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907041301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-13
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Umgebung die 6 gespaltene Petitzeilr 25 Ps, ftnanzielle Au- zetgru 30 Pf., ReNamen 75Ps.; von au-wärt- 30 Ps., Reklamen 1 M.; vom An-land 50 Pi., finanz Anzeigen 75 Pf., Reklamen 1.50 M. Inserate v.Behörden im amtlichen Teil 40Pj. Beilagegrbühr 4 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Gejchäft-anzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn. Festrrtrilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erlcheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AugustnSPlaft 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchba ndlg., Lützowstraße 10 (Tel. Vl, 4603). Nr. 102. Sonnabend 13 April 1907. 101. Jahrgang. Vas Aicdtigrle vom Lage. I * König Friedrich August besuchte am gestrigen Tage die Städte Mittweida, Rochlitz, Gerings- Walde, Hartha und Waldheim, von wo aus der König die Rückreise nach Dresden antrat. (S. Art. 1. Beil.) * Der Kaiser verlieb dem Fürsten von Monaco den Schwarzen Adler-Orden. * Auch die Stimmen O ldenburgS werden im Bundes rat gegen die Einführung von SchijfahrtSabgabeu abgegeben werden. (S. DtlchS. R.) * Im Reichstag wurde die zweite Etatslesung beim Re chSamt des Innern fortgesetzt, wobei Abg. Dr. St re sc mann «ine sehr deachtenswcrte Reoe hielt. (S. Parlam.-Ber., 2. Beilage.) »Dem Reichstag ist der ErganzungSetat zuge- gegangen, der die Mittel für die Entschädigungen der Farmer in Südwestafrika fordert. * Der Dampfer „Roon" ist gestern nackmittag um 1 Uhr mit einer aus Tsingtau kommenden Arlöiung in der Stärke von 1039 Mann wohlbehalten in Wilhelms haven eingetroffen. * Das belgische Kabinett hat seine Demission gegeben. lS. Letzte Dep.j * Der Schweizer Staoderat bat mit 40 Stimmen bei einer Siimmeneotbalmng und der Nationalrat »ul 127 gegen 3 Stimmen bei 6 Stimmeneathaltungen die neue Militärorganisatio» angenommen. * Die Schweizer Bundesversammlung hat den Handelsvertrag mit Serbien genehmigt. (S. AuSl.) * In Portugal ist die Kammer vertagt wegen eines Konfliktes über die Srudenten-Uuruheo in Coimbra. (S. AuSl.) * Die in einem Teil unserer Auflage gebrachte Nach richt, daß Großfürst Wladimir >u Berlin mit dem Fürste» von Bulgarien verhandelt habe, wird dementiert. Der GroßsÜrst ist gar nicht in Berlin gewesen. (S. AuSl.) Uno st-wniami sprach. ES sind jetzt fast 20 Jahre her, daß Friedrich Nau manns erste sozialpolitische Schriften erschienen, damals noch ganz unter religiösem Gesichtspunkt „Was tun wir gegen die glaubenslose Sozialdemokratie?" und „Der Arbeiterkatechismus", vom christlich-sozialen Standpunkte aus. Eine große Reihe von Büchern, Broschüren und ge- druckten Vorträgen sind jener ersten Publikation gefolgt, und wer in ihnen zu Hause ist, hat damit die schrittweise Ent- Wickelung Naumanns vom Mann der Inneren Mission im Geist des alten Johann Hinrich Wichern bis zum sozial liberalen Parteiführer vor Augen, der durch marxistische und staatssozialistische Gedanken hindurchgegangen ist. Fast ebensolang ist die Periode, in der Naumann aus einem schlichten sächsischen Dorfpfarrer zu einem der ersten deutschen Volksredner und dann endlich zum Parlamentarier geworden ist. Seinem Debüt im Reichstage wurde darum von Jreunden wie Gegnern mit Spannung entgegengesehen. Was wird er, der in Schriften und Reden schon so vieles zu sagen gewußt hat, von der Warte des deutschen Parla ments aus zu sagen haben? Wird er über Kaisertum und Demokratie, über die Einigung des Liberalismus oder gegen die Ostelbier reden? Nein — er ist seiner politischen Jugendliebe treu geblieben. Sein erstes Wort galt der Sozialreform, galt der Arbeiterbewegung. Er wählte sich die zweite Etatsberatung deS Reichsamts des Innern aus, um bei ihr sein erstes Wort zu sprechen. Selbstverständlich konnte das nicht die Behandlung einer sozialpolitischen Detailsrage sein. Etwa die Frage der Zusammenfassung der Versicherungsgesetze, der MaximalarbeitStag oder dergleichen Einzelfragen sonst. So wichtig sie sind, so wenig ein Sozial politiker wie Naumann auf die Dauer an ihnen vorüber gehen darf, so würde es doch geradezu komisch gewirkt haben, hätte er seine Jungfernrede auf eine solche Detailfrage zu gespitzt. Er mußte bis zu einem gewissen Grade als Theore tiker sprechen, mußte der Frage nachgehen, waS für ihn, den sozialliberalen Politiker, der Kardinalpunkt in der Sozialpolitik ist. Darum ist es durchaus kein Mangel der ersten Naumannschen Rede, daß sie — übrigens in sehr beschränktem Maße — den Charakter der Verkündi gung eines „philosophischen Systems" trug, wie sie Posa- dowsky zu charakterisieren suchte, zumal sie von der Theorie aus zu ganz bestimmten praktischen politischen Forderungen kam. Der Vorwurf, Naumann sei auch als Parlamentarier nur Theoretiker, Systematiker, wird erst dann berechtig! sein, wenn er es an parlamentarischer Mitarbeit bei ein zelnen Fragen fehlen und sich hier mehr von der Theorie als von dem Verständnis für die Praxis leiten läßt. Soviel wir ihn als einen Mann kennen, der gerade auch unter geordnete Fragen bis in ihre Details zu verfolgen weiß — ist diese Gefahr nicht vorhanden. Aber das nebenbei. Was Naumann in seiner vom ganzen Hause mit ge spanntester Aufmerksamkeit verfolgten Rede am 11. April im Reichstage vortrug, als Ziel der Sozialpolitik hinstellte, eine Jndustrieverfassung zu schaffen, aus In- dustrie - II n t e r t a n e n Industrie. B ü r g e r zu machen, trägt» »atürlich heute einen ähnlich utopistischen Charakter, den lange Zeit in jedem absolutistischen Staatswesen daS Ideal des Parlamentarismus getragen hat. Und cs liegt auf der Hand, daß das Urteil über die Durchführbarkeit dieser Idee bei jedem einzelnen Beurteiler stark davon ab hängig ist, ob er diese Entwickelung selbst wünscht oder nicht. Naumann kann zweifellos für seine Idee anführen, daß sowohl vereinzelte Fabrikverfassungen, die einzelne Arbeitgeber gegeben haben, wie die vorhandenen Tarif gemeinschaften mit den hinter ihnen stehenden Organi sationen Anfänge einer solchen Entwickelung sind. Anderer seits bleibt die Frage offen, ob dieser Weg in allen ge werblichen Branchen gangbar und empfehlenswert ist. Und auf keinen Fall kann die Gesetzgebung kurzer hand derartige Jndustrieverfassungen dekretieren. Es muß hier der Entwickelung des Arbeitsverhältnisscs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlassen bleiben, ob sie zu diesem Punkt führt. Von der Gesetzgebung kann nur eins verlangt werden, und das ist eine liberale Forde rung, die ganz unabhängig auch von diesem Endziel der Naumannschen Sozialpolitik zu erheben ist: volle An erkennung der Koalitionsfreiheit der Arbeiter, ja, Schutz dieser Freiheit vor jeder Ver kümmerung. Mit diesem Postulat sprach Naumann das aus, was unserer Sozialreform trotz all ihrer Vorzüge vor der Sozialpolitik des Auslandes eben noch fehlt. Das ist der Kernpunkt jeder liberalen Sozialpolitik, im Unterschied von einer k o n »e r v a t i v e n, die sich mit Schutzgesetzen in den Betrieben und mit Arbeiterversiche. rungsgesetzen begnügt. Und wenn Graf Posadowsky an- gesichts der Naumannschen Ausführungen das natürliche Be dürfnis empfand, des Deutschen Reiches Sozialreform vor dem Vorwurf zu schützen, als könne sie sich vor dem Ausland nicht sehen lassen, so versteht man das zwar vollkommen. Nur wurde damit die Kritik Naumanns nicht entkräftet, daß die für jede liberale Sozialpolitik wichtigste Forderung, die nach der Koalitionsfreiheit und ihrem Schutz, bei uns in der Praxis noch unerfüllt geblieben ist. > Auch damit hat Naumann sicherlich den Nagel auf den Kops getroffen, däß im Bundesrat ein Haupthindernis für sozialpolitische Fortschritt« erkannt«. Ob das Hinder nis, darüber wäre mehr zu sagen, als in diesem Zusammen- Hang möglich ist. Naumann hätte aber Posadowsky stärkere Anerkennung zollen dürfen uud sollen, als er getan hat. Wer an den schweren Kampf dieses sozialpolitischen Staatsmannes mit den ihm widerstrckenden Mächten — auch in der Regierung selbst — denkt, dem tut es leid, daß Naumann ihn nur wenig ausnahm auS dem Vorwuf gegen den Bundesrat. Das gleiche Gefühl klang auch aus Posadowskys Red« wieder, so sympathisch augenscheinlich er Naumann begegnen wollte. Daß er sich mit ihm nicht über das End ziel der Naumannschen Sozialpolitik unterhielt, sondern auf die Tülle sozialpolitischer Gegenwartsausgaben hinwies, war selbstverständlich. Der Arbe^tZminister hat eine andere Aufgabe als der sozialpolitische Prophet. Und so kam es, daß er schließlich an Naumanns Rede vorbei sprach. Auch zu der praktischen Frage der Koalitionsfreiheit und des Reichsvereinsgesetzes nahm er nur in kurzen Um rissen Stellung. Aber diese Stellungnahme läßt hoffen, daß, wenn auch der Bundesrat hier wieder der Hemmschuh fein wird, der es nicht zu einem idealen Reichsvereinsgeseh in liberalem Sinn kommen *äßt, doch auf diesem wichtigen Gebiet ein Fortschritt erzielt werden wird. Und das wird dann zu den größten Verdiensten des Grafen Posa- dowsky gehören. Der OebenlrSnig. Aegyptens eigentlicher Herrscher ist plötzlich zurück getreten. 24 Jahre hat Sir Evelyn Baring das Nilland mit einer unumschränkten Machtfülle regiert, um die ihn der König von Großbritannien und Irland beneiden durfte. Noch mehr der Vizekönig von Indien, dessen Titel so viel stolzer klingt. Die Politik Indiens wird in London gemacht. Der große Mann in Kalkutta führt bloß den Königsnamen, um von den Rajas nicht verächtlich angeschaut zu werden; er ist ein schlichter Gouverneur, dessen Bedeutung noch lange nicht an die Sir Wilfried Lauriers und anderer Kolonial minister heranreicht. Auch ist seine Amtsdauer beschränkt. Sie hängt von der Herrschaftsdauer der englischen Kabinette ab; außerdem von der Notwendigkeit, den Ehrgeiz der in Eng land so zahlreichen staatsmännisch begabten Aristokraten möglichst gleichmäßig zu befriedigen; schließlich von den Dimensionen der eigenen Geldbörse, die das kostspielige Ehrenamt bald als eine Bürde empfindet. Sir Evelyn überdauerte Gladstone, Salisbury, Rosebery und Balfour. Auf ihn wartete kein Nachfolger. Der Sohn des Bankhauses Baring brauchte nicht für finanzielle Sicher stellung seiner Greisentage zu sorgen. Auch gab es in Aegypten keine Nabobs, von deren Hofhaltung das Haus des Vertreters der Krone Englands nicht überstrahlt werden durfte. Der Khcdive ist auf die magere Rente eingeschränkt, welche die internationale Finanzkontrolle ihm gewährt, seit dem Europa den genialen Verschwender Ismail unter Kuratel gestellt hat. Tie Folgen der Sünde des Großvaters haben sich auf das dritte Glied vererbt. Sir Evelyn wollte nicht König scheinen, sondern König sein. Er wollte Macht, nicht Repräsentation. Er machte in Aegypten seine Politik, die in London bloß bestätigt zu werden brauchte Und sie wurde regelmäßig bestätigt. Denn in London lebte niemand, der ägyptische Verhältnisse wie Baring-Cromer überschaute. Auch wußte man, daß auf den Mann unbedingter Verlaß war. Niemand hätt« in Kairo penrisnrverricherung Sei privat angerteüten. englische Politik besser machen können. Das auswärtige Ministerium hatte allein die Aufgabe, dem ausgezeichneten Manne den Rücken frei zu halten. Frei zu halten vor Fran zosen und Türken. Auch diese Aufgabe ist ausgezeichnet geglückt. Lord Lans- downe hat Frankreich ausgeschaltet. Sir Edward Grey hat im Vorjahre den Sultan von den Grenzen Aegyptens zurück gewiesen. Freilich sitzt in Kairo noch ein Mann, mit dem Lord Cromer nicht ganz fertig geworden ist. Ein Mann, der auch verdient hätte, Aegyptens König zu werden: Mukhtar Pascha, der türkische Kommissar. Zwar gelang es, ihn machtIoszu machen. Aber einflußlos konnte er nicht werden. Tie englische Presse versucht seit Jahresfrist, für ein Ultimatum in Konstantinopel Stimmung zu machen, welches die Abberufung des Kommissars erzwingen soll. Dieser glatte Türke bietet keine Handhabe für diesen äußersten Schritt. Man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht: man fühlt ihn bloß, und nicht wenig. Die Unruhe in Aegypten ist Mukhtars Werk. Man weiß es, kann es aber nicht be weisen. Ist das der Grund von Lord Cromers Rücktritt? Hat er eingesehen, daß er nach 24 Jahren strammen Regiments, aber auf sicherem Nechtsboden, den schweren Schritt zur Brutalität tun muß? Daß die Maske fallen, die An- nexion vollzogen werden muß, welche dem Türken das Ausenthaltsrecht in Aegvvten entziehen würde? Tie Er- schöpsung des Alters klänge ja glaublich bei dem 66jährigen Manne, welcher 24 Jahre auf Posten steht. Aber miß trauisch macht der plötzliche Rücktritt. Solche Wechsel werden in normalen Zeiten Monate voraus angekündigt. Nachfolger ist geworden der von dem scheidenden Kom missar empfohlene Gehilfe. Das bedeutet natürlich, daß Sir Evelyns bisherige Politik im wesentlichen fortgesetzt werden soll. Nur vielleicht in einer Kleinigkeit nicht. Und die dürste recht, recht einschneidend sein. So einschneidend, daß sie einen neuen Namen erforderte. Dem Geist des bis herigen Vertreters dürfte auch der zu erwartende Schritt entsprechen. Europa mag neugierig sein. Ueber Lord Cromers (geadelt 1872, Viscount 1899) Nach- folger erfahren wir: Sir Eldan Gorst ist 46 Jahre alt. Gorst ist drei Jahre nach Cromer nach Aegypten gekommen, und während seines dortigen Aufenthaltes hat er sämtliche ägyptischen Departements kennen gelernt. So war er vor allem Unrerstoalssekretär in dem wichtHM "F!ttaW?parte- ment, dann Ratgeber der ägyptischen Regierung in dem nicht minder wichtigen Ministerium des Innern. Von 1898 bis 1904 war er finanzieller Ratgeber der ägyptischen Regierung. Bon da ab war er vertretender Unterstaalssekretär im Aus wärtigen Amte in London. „Niemandem hat Cromer größeres Vertrauen geschenkt, als ihm", äußerte Sir Edward Grey über den relativ noch jungen Staatsmann. Gorst ist der Sohn Sir John Gorsts, wurde in Neu-See- land geboren, studierte die Rechte, trat aber 1883 in den diplomatischen Dienst über und blieb drei Jahre im inneren Dienst, woraus er nach Aegypten kam. ohne vorher ein niedrigeres bezogen zu haben, doch werden daS kaum viele sein. Man wendet nun, bei aller Anerkennung des mit der Invaliden- und Altersversicherung beschrittenen Weges, ein, daß die Leistung an Renten im Gegensatz zu der Pension des öffentlichen Beamten selbst für den bescheidensten Lebens unterhalt bei weitem nicht ausreiche, die Vcrsicherungspflicht auch die obersten Schichten der Privatangestellten zu um fassen habe und die Beihilfe der Prinzipale wie des Reiches noch weiter ausgedehnt werden müsse. Ein Vergleich mit der Stellung des Beamten läßt sich indessen kaum rechtfertigen. Die Pension, die der Beamte oder seine Hinterbliebenen beziehen, ist ihrer Natur nach, auch wenn sie aus den Mitteln des Staates oder der Ge meinde gezahlt wird, nichts anderes als eine aufgeschobene Gehaltszahlung und stellt, soweit es sich um die Witwen- und Waisengelder handelt, oft nur eine Wiedererstattung des von dem Verstorbenen für seine Ausbildung zum Staatsdienst ausgegebenen Kapitals dar. Das Gehalt des Beamten während seiner Dienstzeit steht hinter demjenigen, welches er bei gleicher Ausnutzung seiner Zeit und Arbeits- kraft im Dienste eines privatwirtschaftlichen Unternehmens haben könnte, oft zurück und zwar um einen Betrag, den man zu einem Teil auf die Pension und zu einem andern auf die größere Sicherheit und die soziale Geltung seiner Stellung zu rechnen hat. Diese Auffassung ist übrigens durchaus keine rein theoretische, sondern findet in bestimmten Einrichtungen des Beamten-Pensionswesens auch praktisch einen Ausdruck, insofern nämlich, als die Pensionen usw. durchaus nicht überall aus dem Titel des Staatsdienstes im allgemeinen Ausgabenetat bestritten werden, die Beamten vielmehr in manchen Staaten und Gemeinden Deutschlands und gewissen Verwaltungszweigen ihren Ruhegehalt oder doch die Witwen pension und Erziehungsgelder für die Kinder durch eigene Beiträge zu besondern staatlichen oder auch privaten Pen sionskassen und Versicherungsanstalten aufzubringen haben. Von all dem abgesehen, steht der Beamte in einem andern Verhältnis zum Staat als der Privatangestellte, indem er als Organ des Staates selbst, unmittelbar und ausschließ, lich für den Staat und das Gemeinwohl wirkt, während jener als Glied einer privaten Erwerbswirtschaft in erster Linie doch für sich und seinen Prinzipal und nur mittelbar, infolge des Zusammenhanges des volkswirtschaftlichen Gesamt- organismus, auch zum besten der Allgemeinheit tätig ist. Eine wesentliche Ausdehnung der finanziellen Beihilfe des Reiches über das dem Angestellten bisher und auch dem Arbeiter nur gewährte Matz hinaus, dürfte daher kaum zu fordern sein, umsoweniger, als dann auch andere Berufs stände, insbesondere die Angehörigen des selbständigen un- teren Mittelstandes, ähnliche mit dem Reichshaushalt unver. einbare Sondervorteile für sich heischen würden. Ebensowenig ist mit einer erheblichen Steigerung der obligatorischen Bei tragsleistung der Prinzipale zu rechnen, die durch die Un fall», Kranken- und Jnvalidenkassenbeiträge schon jetzt stark belastet sind und jedenfalls nicht gehindert werden könnten, sich für weitere Lasten durch gelegentliche Einschränkung der Zahl wie der Gehälter des Personals schadlos zu halten. Ernstlich zu erwägen bleibt dagegen, ob sich nicht auch ohne neue große Lasten für Reich und Prinzipale, durch Ver änderung der Organisation oder völlige Umgestaltung der Invaliden- und Altersversicherung der Privatangestelltcn, eventuell unter Mitbenutzung und Angliederung bewährter privater Verbands- und .Kasseneinrichtungen, eine Verein fachung und Verbilligung des Verwaltunpsapparates und in Verbindung damit eine Erhöhung der Rentenleistung er zielen lassen sollte. Es kann sich hier selbstverständlich nicht darum handeln, auf diese schwierige und verwickelte Frage eine bestimmte, eingehend begründete Antwort zu geben; Wohl aber kann man sich die Art der Fragestellung und die Gesichtspunkte, die da bei in Betracht kommen würden, einmal vergegenwärtigen und die Möglichkeiten einer solchen Umgestaltung mit den von ihr zu erhoffenden Vorteilen ins Auge fassen. Zweifel, los ist die ganze Invaliden- und Altersversicherung in erster Linie auf die industrielle Arbeiterschaft, deren häufig wechselndes Arbeits- und Lohnverhältnis, ihre Lohnklassen usw. zugeschnitten, was einen außerordentlich viclverzweigien, kostspieligen Apparat bedingt, der für eine besondere Pen sionsversicherung der Privatangestcllten in dieser Weise nicht erforderlich und auch wenig zweckmäßig wäre, gleichwohl aber von diesen, auf Kosten ihrer Nentenbemessung, mitbezahlt und relativ teurer bezahlt werden muß als von den Arbeitern. Sollte sich nicht vielleicht ein Weg finden lassen, die einer gan, andern versicherungstechnischen Grundlage und Hand- habung fähige und bedürftige Versicherung der Privatange- stellten von der allgemeinen Arbeiterversicherung auszu scheiden, um sie in einer neuen Form zu verselbständigen, sei es nun als eine besondere, nur rechnerisch in die Erschei nung tretende Abteilung oder als ein von jener getrenntes bezw. sich ihr selbständig einfügendes, mit eigner Verfassung und Verwaltung ausgcstattetes Institut? Und wäre es hierbei nicht angängig und vorteilhaft, vorhandene Vereins- und Verbandsorganisationen der Angestellten wie auch die in den großen Betrieben gegebene Organisation dem staat- lichen Versicherungswesen dienstbar zu machen, sei cs für die kollektive Einziehung der Beiträge oder durch ein Hand in Hand gehen miteinander, als Träger der Versicherung selbst? Schon jetzt sind Personen, denen von einer Versicherungs anstalt oder zugelassenen besonderen Kasseneinrichtung, Pen- sionen im Mindestbetrage der Invalidenrente, nach den Sätzen der ersten Lohnklasse bewilligt sind, auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien, und eine Bestim mung, wonach in solchen Fällen die Beiträge des Prinzi pals und die Zuschüsse des Reiches an die betr. Kasse zu zahlen wären, würde sicher eine weitgehende Entlastung der staatlichen Versicherungsanstalten gestatten und zugleich Ver sichertenbestand und Leistungsfähigkeit der privaten, unter Staatsaufsicht stehenden Kassen sehr wesentlich steigern. Schließlich würde sich ein Zustand ergeben, bei dem die An- gestelltenkassen einerseits, die Arbeitgcberkassen oder sie ver schmelzende Institute wie die geplante Düsseldorfer Vereins- Versicherungsbank, andrerseits die Hauptträger einer öffent lich-rechtlich geregelten, unter Oberaufsicht des Staates stehenden Pensionsversicherung wären und die staatliche Ver- sichcrungsan statt selbst nur noch in die Lücken einzutreten und daneben als Zentralinstanz eine bloße einheitliche Ober leitung und Kontrolle auszuüben hätte. Auch die Einrich. tung höherer Lohn- und Beitragsklassen, mit der schon 1899 mit der fünften Lohnklasse von mehr als 1150 .E neben der früheren höchsten, mit mehr als 850 Mark, ein Anfang ge macht worden ist, würde sich dann weit leichter durchführen lassen, während allerdings für die obersten Schichten der An gestellten mit mehr als 3000, 4000 oder 5000 Mark usw. nach HI. Gegenüber der Versicherung durch die Lebens, und Rentenversichcrungsinstitute, die Pensionskassen der Hand lungsgehilfen- und Privatbeamten-Bereine und die bei manchen Betrieben bestehenden, von den Arbeitgebern für ihre Angestellten geschaffene.! Kasseneinrichtungen und Fonds besitzt die den Anfang einer allgemeinen stattlichen Pensions versicherung bildende Jnvaliditäts- und Alters- versicheru ng neben manchen Mängeln zweifellos den großen Vorteil, daß sie sich, von obrigkeitSwegen und zwangs weise, fast auf die Gesamtheit aller Handlungsgehilfen und sonstigen Privatangestellten erstreckt. Außerdem eröffnet sic aber auch dem verhältnismäßig kleinen Teil, der vermöge seiner Einkommensverhältnisse jenseits der Versicherungs pflicht steht, mit Ausnahme eines verschwindenden, die obersten Gehaltsstufen einnehmenden Bruchteils, eine an nehmbare VersicherungSmöglichkeit. Namentlich ist dies der Fall, seitdem das Gesetz vom 13. Juli 1899, gerade im Hin blick auf die Privatangestellten, das Gebiet solcher Fürsorge in einigen Punkten noch erweitert hat. Es genießen danach vom vollendeten sechzehnten Lebensjahre ab die Vorteile der Jnvaliditäts- und Altersversicherung, auf Grund ihrer eigenen Beiträge, der Beiträge des Arbeitgebers und der Zuschüsse des Reichs, die „Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker, Handlungsgehilfen und Lehrlinge (ausschließlich der in Apotheken beschäftigten Gehilfen und Lehrlinge), sonstige Angestellte, deren dienstliche Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, sowie Lehrer und Erzieher, sämtlich so fern sie Lohn oder Gehalt beziehen, ihr regelmäßiger Jahres arbeitsverdienst aber zweitausend Mark nichl übersteigt." (8 1. Ziffer 2.) Die Fürsorge des Staates greift nun über den Kreis dieser versicherungspflichtigen Personen noch hinaus in Gestalt der „Freiwilligen Versicherung". Eine solche besteht in dreifacher Art: 1) als freiwillige „Weiter versicherung", d. i. „Fortsetzung" oder „Erneuerung" der Versicherung für Personen, „die aus einem die Besicherungs pflicht begründenden Verhältnis auSscheiden", 2) unter ent- sprechend höheren Beiträge der zu Versichernden, als „Selbst versicherung , d. i. freiwilliger „Eintritt" in die Besicherung für „Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Handlungs- gehilfen und sonstige Angestellte, deren dienstliche Beschäf tigung ihren Hauptberuf bildet, ferner Lehrer und Erzieher sowie SchiMührer, sämtlich sofern ihr regelmäßiger Jahres arbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt mehr als zweitausend Mark, aber nicht über dreitausend Mark beträgt" und so- fern sie bei ihrem Eintritt „daS vierzigste Lebensjahr nicht vollendet haben", endlich 3) als „Fortsetzung" oder „Er- Neuerung der Selbstversicherung" für die unter 2) genannten Personen bei bez. nach dem Ausscheiden „auS dem die Be rechtigung zur Selbstversicherung begründenden Verhält nisse" (§ 14, Abs. 1, Ziffer 1 und «bs. 2). Versagt ist die Teilnahme an der Versicherung in der einen oder andern Form, von der Beschränkung hinsichtlich des Alters unter 2) abgesehen, also nur solchen Privatangestellten, die sofort mit einem Gehalt von mehr als dreitausend Mark ansangen,
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