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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.04.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070415017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907041501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907041501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-15
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Vcrbandstag des Verbandes Deut scher Post- und T e leg r ap h en-Assi stenten findet am 12., 13. und 14. September in Berlin statt. Die Anträge der Bezirksvereine müssen bis zum 11. Mai einge reicht sein. * Gegen die Exkaiserin EugenieistinMen- tone, wie aus Paris gemeldet wird, ein Prozeß ange strengt worden auf Zahlung von 4600000 Francs. Diese Klage hat Bezug auf eine vom Kaiser Napoleon im Jahre 1868 eingegangene Verpflichtung. * Ter König und die Königin von England werden am 18. April an Bord ihrer Jacht „Victoria and Albert" in Gaeta eintreffen, wo sie mit dem König von Italien zusammentreffen werden. (S. Letzte Dep.s * Heute wird die Reichs-Kolonialkonferenz in London eröffnet. * Ministerpräsident Wekerle hat eine Interpel lation über die Mürzsteger Beschlüsse beant wortet. lS. Ausl.) * Der neue französische Botschafter Crozier hat seine erste Audienz heim Kaiser Franz Joseph gehaht. lS. Ausl.) - Die römische „Tribuna" erfährt, KönigPetervon Serbien beabsichtige, dem König von Italien in diesem Frühling einen Besuch in Rom abzustatten. Der König von Italien werde den Besuch im Sommer erwidern. * Den Prix Hocguart, das bedeutendste Früh jahrsrennen zuParis-Longchamp gewann Mons. Des- champs' „Pitti", das 49. Biennial Mons. Caillauts' „Querido" vor „M ainteno n". — Im Przedswit- Handikap zu Wien siegte H. Mattauschs „Bliz- z a r d". — Im Ehrenpreis-Handikap zu Dres- een blieb Hr. ObrikatS „Herbert" Sieger. iS. Sport.) Vie Errichtung einer gewerblich- technischen Heicbrbebörae. Seit Jahren ist schon ein „Ausschuß für die Errichtung einer gewerblich-technischen Reichsbehörde" tätig. Aber die Öffentlichkeit hat kaum von ihm Notiz genommen. Denn es ist eine alte Erfahrung, daß dos Interesse der Allge meinheit sich nur schwer den besonderen Sorgen einzelner Gewerbe zuwendet. Und doch handelt es sich hier um eine überaus wichtige Materie, die noch dazu in einem industriell hochentwickelten Lande Aufmerksamkeit verdient. Größere Kreise mit den Bestrebungen des genannten Ausschusses näher bekannt zu machen, ist gerade jetzt an der Zeit, da er dem Reichstage eine Denkschrift vorgelegt hat, die reiches Material zur Unterstützung der gestellten Forderungen ent hält. Das große Ziel, das sich der Ausschuß gesteckt hat, ist die Beseitigung der bundesstaatlichen Grenzen für die tech nische Gesetzgebung innerhalb des Deutschen Reiches, eine Aufgabe, die sich wohl vergleichen läßt mit der von Fried rich List gelösten, der Niederlegung der zollpolitischen Gren zen der einzelnen Bundesstaaten und der damit vollzogenen einheitlichen Fundamentierung der deutschen Volkswirtschaft. Die gewaltige Entwickelung der internationalen Technik läßt es als einen unmöglichen, unerträglichen Zustand erscheinen, daß innerhalb der Reichseinheit etwa zwanzig verschiedene landesqesetzliche Bestimmungen bestehen über die Technik, die das Recht haben sollte, deutsch zu sein. Zur Beseitigung der Mißstände wird die Ausgestaltung der technischen Ge setzgebung in Form von Reichsgesetzen unter Mithilfe der industriellen Kreise und unter Leitung einer zu begründenden technisch-gewerblichen Reichszentralbehörde. Worin bestehen nun die Mißstände? Ein Beispiel für viel: „Eine erste deutsche Dcnnpskesselfabrik pflegt häufig ihre Dampfkessel in Dampfschiffe, Dampfkrane oder Dampf bagger einzubauen und sie anderen Bundesstaaten, wo der Auftraggeber domiziliert, zu schicken. Natürlich geht, wie das Gebrauch ist, das Dampfboot unter Dampf nach seinem Bestimmungsort. Da es aber nur am Bestimmungsort von den Behörden abgenommen und konzessioniert werden kann, so muß es seine Reise mit unkonzefsioniertem Dampfkessel zurücklegen. Das verbietet wiederum das Kesselgesetz. So kommen die Dampfkessel-Bauanstalten häufig in Konflikt mit dem Gesetz, ohne doch nach menschlichem Ermessen sich dem entziehen zu können. Im Falle einer Havarie sind sie unter Umständen nicht nur straffällig, sondern der Versiche rungsgesellschaft gegenüber auch rechtlos." Zieht man in Erwägung, daß die Dampfkesselgesetze und besonders ihre Ausführungsbostimmungen sich in den verschiedenen Bun desstaaten zum Teil in krassester Weise widersprechen, so kann man leicht ermessen, wie sehr der Stand der Angelegen heit dazu geeignet ist, einen blühenden Zweig der Industrie in seinem Wachstum und in seiner Entwickelung zu beengen. Und das muß die Dampfteck> nik, der älteste Zweig der Technik, über sich ergehen lassen. Dann darf man sich nicht wundern, wenn es dem jüngsten Kinde, derElcktro - technik, nicht bester ergeht. DU originalen Formen, in der die Elektrizität sich offenbart, führen häufig zu der fälschlichen Meinung, sie sei gefährlicher als andere Kräfte. Die ursprünglich rein akademische Frage nach der Gefährlich keit der elektrischen Kräfte hat zu gesetzlichen Maßnahmen geführt, die tief in unsere wirtschaftlichen Verhältnisse ein greisen. Di« Frage nach der Gefährlichkeit der elektrischen Energie entwickelte sich damit zu der wichtigsten Techniker angelegenheit. die sich darbietet. Wenn man bedenkt, daß eine große Zahl älterer technischer Vorrichtungen, deren Gefahrenwahrscheinlichkeit viel größer als die der elektrischen Starkstromeinrichtungen ist, ohne polizeiliche Ueberwachung wirken dürfen, dann wird man die Erbitterung verstehen können, die in den Kreisen der Elektrotechniker herrschte. Eine weitere, dringend der Lösung bedürftige Frage ist die der Zwangsenteignung für elektrische Kraftüber tragungsanlagen. Wer sich in deutschen Jndustriebezirken umsieht, dem kann es nicht entgehen, daß die stromabführen den Drähte oft auf den unglaublichsten Umwegen ihren Zie- len zustreben. Die Gutsbesitzer verweigern den elektrischen Kabeln den Uebergang über ihr Land, und der Staat sperrt ihnen die Landstraßen. Es ist dasselbe Bild, das wir aus der Geschichte der Ausbreitung des eisernen Schienennehes kennen. Ueber die Mängel im Gewerbeinspektions wesen heißt es: Die Gewerbeinspektion krank: erfahrungsgemäß am Formalismus, am mangelnden Verständnis der sich dauernd fortbildenden Technik und Industrie. Das fer tige Gesetz und die starre Vorschrift muffen gemildert wer den durch das elastische Verständnis des technisch gebil deten Fachmanns und Praktikers. Man beklagt, daß man in den Gewerbeinspektoren keine Freunde findet, die be strebt sind, die Industriellen zu unterstützen und gemein sam mit ihnen im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt zu arbeiten, die doch wesentlich vom Gedeihen und Blühen der Industrie abhängt. Die Gewerbeinspektion schafft häufig Beamte, die sich an den Buchstaben klammern und aus ihm allein ihre Bestimmungen ableiten. Es besteht in der Gewerbeinspektion der große Irrtum, daß das Lebendige, das sich dauernd Acndernde, von der starren Form bestimmt werden könne. Der Gewerbeinspektion fehlt das Verständnis für den schaffenden praktischen Geist, der in Technik und Industrie herrscht. Aus diesen Er örterungen folgen die meister. Klagen der Industrie. Man beklagt, daß^ Gendarmen und andere untergeordnete Polizeiorgane bei der Inspektion Verwendung finden und teilt seltsame Vorgänge mit. Man klagt über die Engherzig keit bei wichtigen Sonderbestimmungen, wie sie z. B. bei der Sonntagsordnung und bei hygienischen Vorschriften Vor kommen. Man würde es deshalb als eine Verbesserung und als «inen wünschenswerten Fortschritt begrüßen, wenn die einzelnen Gewerbeinspektionen einer Reichsbehörde unter stellt und einheitliche Grundsätze eingeführt würden, welche die Kompetenzen der Gewerbeinspektionen regeln. Es ist nötig, die Gewerbeaufsicht mit einem neuen Geist zu er füllen. Erörterungen über die Gewerbeinspektion knüpfen sehr häufig an die Erfahrungen an, die von Industriellen beim Konzessionswesen gemacht worden sind. Als Grund, mangel ergibt sich da die ungleiche Auslegung und Bel>and- lung der gesetzlichen Bestimmungen, die Unvollständigkeit dieser Bestimmungen und die ungebührliche Länge, welche diese ungenügende Behandlung trotz alledem zumeist erfor dert. Der Grund für diese Uebelstände dürfte in dem Prin- zipe zu sehen sein, auf dem die Maßnahmen für das Kon zessionswesen bei uns erbaut sind. Sie gipfeln darin, daß der Unternehmer sich verpflichten muß, alle Einrichtungen zu treffen, die von der Behörde angegeben und gefordert werden. Damit wird der Behörde eine unmögliche Allwissenheit zugeschrieben. Luftrecht, Wasserfrage, Sub missionswesen, gewerblicher Rechtsschutz, Warenzeichenrecht, unlauterer Wettbe werb, Zolltarifangelegenheiten sind weitere Punkte, die einer Vereinheitlichung und Modernisierung be dürfen. Aus allen diesen Gründen heraus hält man die Errich tung einer gewerblich-technischen Reichszentralbehörde für dringend erforderlich, will im übrigen aber die Frage, ob ein Reichsamt oder eine Abteilung im Reichsamt des Innern zu schaffen sei, offen lassen. Es mag noch konstatiert werden, daß sich in dem Wunsche nach Errichtung einer solchen Reichsbehördc so ziemlich die gesamte deutsche Technik begegnet. Die Unterzeichner der Denkschrift können für sich in Anspruch nehmen, in ihrer Gesamtheit die Elite und die gewichtigsten Interessen der deutschen Techniker zu repräsentieren. Hoffentlich wird die längst spruchreife Zeitfrage trotz der vom Grafen Posa. dowsky in der Sonnabend-Sitzung geäußerten Bedenken zur Zufriedenheit eines der wichtigsten deutschen Gewerbe gelöst. Italien unO griecvenlana. (Von unserm römischen ^.-Korrespondenten.) Der deutsche Kaiser und der König von England sind nur so nebenher gelegentlich ihrer Mittelmeerkreuzsahrten nach Athen gekommen. Der König von Italien aber fährt eigens und ausschließlich an der Spitze des leistungskrästigsten und ansehnlichsten Teils seiner Kriegsflotte sowie mit Gefolge von Ministern und hohen Würdenträgern zur Erwiderung eines Besuchs nach Athen, den ihm der König der Hellenen auch nur so en ps-nant in Rom gemacht hatte. Eine derartige Aner kennung der nationalen Größe und Wichtigkeit des Griechen tums erweckt Begeisterung und freundschaftlich dankbare Ge- sinnung. ?srturiunt rnontos. Was daraus werben wird, weiß nie mand zu sagen. Auf etwas Konkretes rechnet man immerhin, glaubt allerdings, daß es den profanen Augen der mel)-r uud minder eifersüchtigen Mitwelt zunächst verborgen gehalten werden wird. Neber die Wesenheit dieses Konkreten zer- bricht man sich entsprechend stark den Kopf. Die Griechen wollen ihre Prokura in Kreta so unter der Hand ausdehnen und verstärken. Sie bedürfen zur endlichen Vollendung ihrer nationalen Einheit, wie sie selbst sagen, noch unbedingt der einen und anderen Provinz von Makedonien, sowie etlicher Distrikte von Epirus und einiger Inselchen rechts uns lin^. Sie, die Träger der approbiertesten Kultur und die phraseologisch moralischsten unter allen Völkern der Welt und gar erst des Balkans, wollen selbst verständlich auch die Hegemonie in einem Buna« der Balkanstaaten, der ihnen nicht unerwuwcyt wäre, wenn und insofern er sowohl Oesterreich wie Rußland wie Italien die Balkantüren zumachte, der Türkei impo- vieren könnte und — last not loast — eine Beschneidung der Flügel Serbiens, Montenegros, Bulgariens und Rumäniens zur Voraussetzung hätte. Nun ist das Schema, nach dem die Reden des italienischen Ministers des Auswärtigen über dieses Thema von jeher -urecht gemacht waren, dies, daß aus dem Balkan entweder ststus guo oder Autonomie auf der Basis der Nationalität herrschen solle. Ter Graf Goluchowski ebenso wie der Baron Aehrenthal haben zu diesem großartig vieldeutigen italienischen Schema schon des öfteren den korrektesten Segen gegeben; die Türkei, die gut Schach spielen gelernt hat und ihre Puppen gut kennt, hat sich auch damit abgefunden; Italien selbst und die betreffenden „Nationa litäten" nehmen bei der Auslegung des Schemas vielfach wechselnde gegensätzliche Wege. Italien will in letzter Linie darauf hinaus, daß erstens auf der anderen Seite der Adria Oesterreich nicht weiter Fuß fasse, daß zweitens die Stellung Italiens im Mittelmeer, die durch das engli'ch-französisub- spanische Bündnis neuerdings erheblich entwertet worden ist, eine Stärkung erfahre. — Was den erstgenannten Zweck betrifft, dem zuliebe die Vereinbarung mit Oesterreich über das im Falle einer Verselbständigung zu vergrößernde Albanien bereits besteht, so wäre eine italienische B:günsti- gung griechischer Aspirationen in Makedonien und Epirus sehr wohl mit ihm zu vereinbaren. Fragt sich nur, ob die balkanischen Konkurrenten Griechenlands, die bisher nach der eigenen mißtrauen« ' älltcn lbberzcugung der Griechen sich der Bevorzugung durch Italien sollen zu erfreuen gelmor lwben, damit einverstanden sind oder einverstanden Würden, falls sie selbst gleichzeitig an einer anderen Stelle einen Vor. teil erhielten, und durch eine Art Bündnis der Balkanstaaten sowohl die Türkei wie die europäischen Großmächte aus dem Balkan hinauskomplimentiert würden. Auf jeden Fall aber ist das eine komplizierte Geschichte, zu deren Erledigung das meiste noch nicht getan ist, und die vor allem die Aussöhnung -loschen Griechenland und Rumänien zur Voraussetzung hat. Das papierne Axiom vom stntrm guo ist indessen sicherlich ein nur kleines Hindernis. Was den zweitgenannten Zweck Italiens betrifft, die Verstärkung seiner Stellung im Mittel meer, so ist nicht zu verkennen, daß er durch ein Einvernehmen mit Griechenland gefördert würde. Nähme Italien in Tri polis endlich festen militärischen Stand und hätte Griechen land zur Verfügung, so könnte es in der Osthälste des Mittelmeeres die überragende und bestimmende strategische Stellung erlangen, die ihm in der Westhälfte verloren ge gangen ist. Mit der Annäherung Italiens und Griechenlands, deren Konsequenzen im einzelnen und mit Bestimmtheit heute noch nicht zu umschreiben sind, könnte das Deutsche Reich einver standen sein unter der Voraussetzung, daß der Dreibund er halten und lebenskräftig bleibt. Ja, unter dieser Voraus setzung hätte das Deutsche Reich sogar guten Grund, diese Annäherung zu fördern, zumal deutsche Interessen in der Levante und deutscher Gegensatz gegen England durch die an gedeutete Wandlung des strategischen Bildes im östlichen Mittelmeer gut auf die Rechnung kämen. Zudem würde Italien auf dem Balkan nur moralisch etwas gewinnen, und Oesterreich würde nichts zu verlieren brauchen. In Tripolis können wir via Konstantinopel sehr Wohl etwas für Italien tun, zumal die Italiener den bedingten französischen und eng lischen Segen zur Besetzung von Tripolis bereits haben, und durch eine Verwendung für sie von deutscher Seite dem Drei bunde, der uns ja noch lange nicht gleichgültig sein kann, neues Leben und neuer Bindestoff zugeführt würde. Osn Tientsin über Sie kcblacbttelcier Ser Mantzchurri. Reisebriefe eines deutschen Offiziers. IV. Ebenso wie im letzten Kriege wird auch in einem zukünf tigen Uingkou als Etappenort mit großen Kriegsmagaunen für die japanische Heeresverwaltung eine bedeutende Rolle spielen. Ich erinnere hier an den Reiterzug des Generalleutnants Mischtschenko, der in den ersten Tagen des Januars 1905 von Mulden her einen Vorstoß gegen die japanische Etappen linie, die oben erwähnte Bahn Taschikiao-Mukden, machte und auch bis Uingkou gelangte. In den beiderseitigen Heeresbewegungen war um die Zeit des Jahreswechsels ein Stillstand cingetreten. Die Russen verschanzten sich in einer ausgedehnten Stellung bei Mulde , während ihnen die Japaner in einer ebenfalls befestigten Stellung dicht gegenüber lagen. Da fiel am 1. Januar 1905 Port-Arthur. Die freigewordcnen japanischen Divisionen der belagerten Armee, die schweren Geschütze und reichliche Nachfuhr an Lebensmitteln, mußten jetzt von Port-Arthur ihren Weg nach Norden antretcn, um bei Mukden in der Entscheidung mitzuwirken. Eine nachhaltige Unterbrechung der oben erwähnten Eisenbahn hätte den Japanern große Unannehmlichkeiten bereiten können. Da brach General Mischtschenko mit einer Kavallerie division und zwei berittenen Batterien am 8. Januar 1905 südwestlich von Mukden zum Zuge nach Süden auf, um sich aegen diese Etappenlinie zu wenden. Leider hielt er das gesteckte Ziel einer nachhaltigen Unterbrechung nicht dauernd im Auge, schlug sich mit kleineren japanischen Abteilungen herum, und ließ so den Gegner Zeit gewinnen, sich auf sein Eintreffen vorzubereiten. Mischtschenko drang mit einer Kolonne bis nach Uingkou vor, wohl in der Hoffnung, hier die großen Magazine zerstören zu können, mußte aber nach kurzem Gefecht gegen die hier liegenden Etappentruppen un- verrichteter Sache wieder abziehen. Der einzige Erfolg war die Wegnahme einiger kleinen Proviantkolonnen sowie die Unterbrechung der Bahnlinie bei Taschikiao durch Sprengung einer kleinen Brücke, und bei Haitschöng — Halb wegs bis Liaoyang — durch Aufreißen der Schienen. Dieser geringe Schaden wurde von den Japanern alsbald wiener ausgebeffert. Ter Neiterzug hatte die Russen rund 40 Offiziere und 320 Mann an Toten und Verwundeten gekostet, ohne seine Auf gabe — nachhaltige Unterbrechung der Bahnlinie — erfüllt zu haben. In Uingkou fiel uns zum ersten Male das ausgesprochene Vorwiegen des japanischen Elementes auf, das sich in einer Masse von Basaren breit macht. — Des Abends waren wir beim japanischen Militärgouverneur „Leutnant Colonel Uo- kura" zum Diner geladen. Es war ein eigenartiges, ich möchte beinah sagen drückendes Gefühl, als ich in das präch tige, ehemalige russische Generalkonsulat der jetzigen Rest- dcnz des japanischen Gouverneurs, eintrat. Vor dem Ein gang waren rechts und links eroberte Geschütze aufgestellt, in einem kleinen Nebengebäude war eine Wache unterge bracht. Ohne zur Frage der Rassentheorie persönlich S.e!» lung genommen zu haben, berührte es mich in diesem Augen blick plötzlich unangenehm, an der Stätte, wo vor kurzem unser europäisches Nachbarvolk europäische Kultur verbreitet hat, die Herrschaft eines Volkes der gelben Rasse über die der weißen triumphieren zu sehen. Doch wurde dieser Eindruck bald durch die Liebenswürdig, keit unseres Gastgebers verwischt. Oberstleutnant Jokura, eine mittelgroße militärische Er- scheinung, mit kurzgeschnittenem dunklen Haar und braunem Gesicht empfing uns mit sicherem Benehmen an der Seite seiner Gemahlin. Zum ersten Male sah ich hier eine vor nehme Japanerin, die die so vielfach übertrieben geschil derte Lieblichkeit und Anmut der japanischen Weiblichkeit in hohem Grade zu eigen Halle. Ein wunderbares Oval des zarten Gesichtchens mit einer unendlich feinen Linie des Nasenrückens, die dunklen Augen und das dunkle volle Haar, dazu der rote Mund, die graziöse Anmut in den Bewegungen bei der Begrüßung und das japanische Kostüm von ausge- suchten! Geschmack der Farben, das alles stand in so natur- lichem Einklang, baß die reizende Erscheinung jeden auss angenehmste berühren mußte. Beide Gatten gehören alten Taimio-Gcschlechtern an. Außer uns waren noch einige japanische Offiziere und Beamten, sowie der deutsche Koistul geladen. Es entwickelte sich bald eine äußerst angeregte Unterhaltung, in der jeder seine Kenntnisse der französffchen und englischen Sprache, ja sogar der geläufigsten chinesischen Brocken zu Rate zog. Einige sapanijche Offiziere sprachen auch ein wenig deutsch. Tas Menu wurde nach französischer Karte serviert. Tie Weine waren gut, auch das Bier, das einer japanischen Brauerei entstammte. Ich möchte gleich hier erivähnen, daß die japanische Mili tärverwaltung uns in jeder Weise bei der Fortsetzung unse rer Reise unterstützte. Auch in Liaoyang und späterhin san den wir stets das größte Entgegenkommen. Ja, die Be gleitung durch japanische Offiziere, sowie durch kleinere Sol- datenabteilungcn bei den Ritten über die Schlachtfelder, oder in Gegenden, die durch die Hunchutzen unsicher sein sollten, wurde schließlich etwas -u viel, da wir uns hierdurch einer dauernden, wenn auch vielleicht unbeabsichtigten Beobachtung ausgesetzt sahen. Als wir nach der Einladung abends gegen 11,30 Uhr ins Hotel kamen, hörten wir von den ersten Schwierigkeiten oder „troublss", wie man hier sagen würde. Zwei Herren waren mit unserem Geväck und den Ponys auf dem Bahnhof gewesen, um das Verladen zu leiten. Ihnen beigegeben war ein japanischer Dolmetscher, den wir für die Reise gemietet hatten. Trotzdem die Wagen bereits vorher bestellt waren, entwickelte sich auf dem Bahnhof eine der Szenen, die den japanischen Bahnbeamten der Mantschurei ihren rühmlichen Ruf verschafft haben. Sie waren absolut für nichts zu haben, und machten Schwierigkeiten nach allen Regeln der Kunst. Auf Fragen erteilten ne keine Auskunft, unter dem Vorgeben, nicht englisch zu verstehen. Schließlich verstanden sie sogar nicht mehr japanisch, denn dem Dolmetscher gelang es ebensowenig, eine Verständigung zu erzielen. Es war 9 Uhr abends und alles stockfinster. Tie Tiere und ihre Begleiter hatten nach der langen Fahrt kein Unter kommen; die Leute waren ohne Essen. Der Bahnhof war 5 Kilometer von der Stadt entfernt. Di« Nacht versprach empfindlich kalt zu werven. Auf alle freundlichen V«rsuche der Anrede antworteten die Japaner nur mit einem höhnischen Grinsen oder Achsel- zucken. Soviel ich erfahren habe, sollen die betrefsenben Herren, als sie im Guten und später auch in etwas energi schen Tönen kein Resultat erzielen konnten, schließlich in nicht mißzuverstehender Weise über das rollende Material selbständig versügl haben. Tas scheint auch von Erfolg ge krönt gewesen zu sein, denn am anderen Morgen waren we nigstens die Ponys richtig verladen. Kaum hatten wir diese Erzählung genossen, jo kam der Oberboy des Hotels, dem das Wechseln von 900 Dollars Uokohamer-Banknoten in japanische Kriegsnoten übertragen worden war. Wir konnten dies bei der späten Ankunst in Uingkou nicht selbst- ständig erledigen, da alle Läden geschlossen waren. Wir waren also auf die chinesischen Kaufleute, die Freunde der Obcrboys, angewiesen. Es mußte nun aber in der Zeit von '7 Ubr abends bis 12 Ubr nachts ein ungeheurer Kurssturz an der Uingkoucr Börse stattgeiundcn haben. Denn während wir aus 900 Dollars der in Tientsin gültigen Noten ca. 940 Dollars in Kricgsnoten erhalten sollten, wie man uns in Tientsin gesagt batte, zahlte der Boy nur rund 906 Dollars aus. Alle Vorstellungen waren vergeblich. Ter Kurs war eben so. Tie Unterbons bestätigten das einstimmig. Andere lebende Wesen, die mit dem Kurs Bescheid wußten, waren zu dieser nachtschlafenden Zeit (12 Ubr Mitternacht) im Hotel nicht mebr zu seben. — Um 3 Ubr morgens sollten schon wieder die Koffer ans das Dampfboot geladen werden, das uns die japanische Militärverwaltung rur Fabrt stromauf nach dem Babnboi -"r Verfügung gestellt batte. Aul lange Untersuchungen in jffngkou konnten wir uns also nicht ein lassen. Es Kais eben kein Zureden und kein Schimpfen. Ter Bon verschwor sich hoch und heilig, er hätte keinen Cent ru wenig abacliesert. Ich sand rum ersten Mal den Klageruf der Manffchureirci'endev, „Geld. Geld und nochmals Geld", vollaus bestätigt, als ich den Kursvcrlust von 35 Dollars gleich 75 Mark berechnete. Es sollte jedoch noch bester kommen.
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