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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.04.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070417012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907041701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907041701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-17
- Monat1907-04
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Beiunö.Preis Anzeiqen'^reis für Leiv»'» und Vororte durch unierr Träger und Spedbeure ins ^vur nroracht 2'u«- gabe mur morgen- vierretmdriich b M., monatlich l M>iaSgab v morgen» und abends vierteliädrlich 4KO Di., morallib 1.50 M. Durch die Poft bezogen (1 mal täglich» inneivalb Dem'chmnds und der deutschen Kolonen vieiteljädrtich 3 M., monatlich > M. ausschl Poübefttllgeld, für Oriierrrich-Ungarn vielte tja drltch b L 4äb. Bbonnement-Annahme: Augustu-platz 8, bei unseren Trägern, Filiale», Cpedileorrn und Anuahmeiiellen. sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer lostet 10 Pfg. Redaktton und Eppedtttoar IodanniSgasse 8. Televbon Nr 15L Nr. 222, Nr. 1173. Berliner RedakttonS-Bnreau: Berlin 51V. 7, Prinz Koui- Ferdinand- Straße 1. Telephon I. Nr. S27K. Nr. M. Morgen-Ausgabe 8. Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. für Inserate au- Leipzig u. Umgebung die tigespaltene Prtltzeile 25 Ps. finanzielle An- zeigen 30 Pf., Reklamen 7bPf.; von au-wärt- 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland KO Pi., fiuanz Anzeigen 75 Pf., Reklamen l.LO M. Inserate v.Behörden im amtlichen Teil lOPs. Beilagegrbühr 4 M. p. Tauirnd exkl. Post- gebühr. Geschäftsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarii. Feüerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da- Erlcheinen an beitimmtrn Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen»Annahme: AuguftuSplay 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncrn- ExpedUionea des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker.Herzgl.Bapr.Hofbuchbandlg^ Lützowstraße 10 (Tel. VI, 4603.'. Mittwoch 17. April 1907. 101. Jahrgang. Var lvIMigrte vom rage. * Der Kaiser hat dem Fürsten Lippe-Schaum- hurg anläßlich der Feier der Silberhochzeit die Schaum burg im Wesertal zum Geschenk gemacht. (S. Dtschs R.) * Der Seniorenkonvent d«S Reichstags hat für die Etatsberatung einen Kontinge ntie- rüngsplan aufgestellt, nach dem am 8. M a i der S ch l u tz der Sitzungen erfolgen könnte. (S. DtschS R) * Im Reichstag wurden gelegentlich der Etats debatte einzelne sozialpolitische Resolutionen besprochen. Schließlich wurde der Etat des Staats sekretärs angenommen. (S. Parlamentsber. 2- Beilage.) * Da» preußische Abgeordnetenhaus beschäf tigt« sich mit den Lehrpläne» der höheren Lehr anstalten. (S. Dtschs. N.s * Di« Reichst a-gSersatzwahl im 17. sächsischen Wahlkreis, Glauchau-Meerane, ist schon aus Frei tag, den 26. April angesetzt. (S. Dtschs. N.) * Die italienisch« Presse verbreitet sich aus- fuhrlich über die Bedeutung der Entrevuevon Gaeta. lS. AuÄ.) * Prof. v. Mertens hat an die „Times" ein« Zu schrift über die Reichsduma gerichtet, in der er die Unfähigkeit der Duma zu produktiver Ar beit und die Notwendigkeit, sie aufzulösen, dar- zutun sucht. (S. Ausl.) * Eine spanische Negierungsnote bestätigt daß die politische Bedeutung der Entrevue von Cartagena lediglich in einer engeren Anlehnung an England bestehe. (S. Ausl.) * Den Prix Kersage zu P ar i s» E n gh ien ge wann Mons. A. Merles „M o e t H", das Große Handi kap der Dreijäh rige» zu Wien Herrn A. Drehers Broker". knglanck; fiemcbsft im Mittelmeer. Die Obergewalt im Mittelmeer, die das britische Reich fetzt so fest in seiner gewaltigen Faust hält, datiert eigent lich erst von der Besetzung Maltas im Jahre 1800 und von den beiden großen Seesiegen bei Abukir und Trafalgar. Das voraufgehende Jahrhundert legte durch die Besetzung Gibraltars im Jahre 1704 unter einem Prinzen von Hessen- Darmstadt den Grund dazu, aber erst das darauf folgende Säkulum hat die Herrschaft bestätigt. An Schwankungen fehlte es nicht. Die Besetzung Algeriens durch Frankreich brachte die erste Verschiebung zuunaunsten Englonds hervor. Viel nachhaltiger hätte der Vorstoß Rußlands gegen die Türkei gewirkt, wenn nicht der Krimkrieg den gewaltigen Bären noch einmal hinter sein Gitter gedrängt hätte. Dann entwickelte sich durch die nationale Einigung Italiens eine neue Macht, die jedoch nicht ausschließlich zugunsten des englischen oder des französischen Einflusses ins Gewicht fiel, sondern freundschaftlich nach beiden Seiten war, bis Frank reich durch die Besetzung Tunesiens ein neues Moment der Stärke gewann, namentlich durch den strategisch so wichtigen Kriegshasen von Bizerta. Das machte England einiger maßen wieder wett, indem es die Aktien des Suezkanals an sich brachte und durch Niederwerfung des Aufstandes der Derwische den Grund zu seiner Alleinherrschaft in Aeavpten legte. Noch einmal wurde die Stellung Englands wieder be droht. Rußland hatte im Balkankriege die Türkei jo weit zu Boden geworfen, daß die Eingänge zum Schwarzen Meer zu seiner Verfügung zu stehen schienen; es würde damit den gewaltigsten und — falls die Dardanellen und der Bosporus gut behütet worden — uneinnehmbarsten Kriegshafen der Welt sein genannt haben. Ueberdies hatte es am Schluß des Jahrhunderts das Bündnis mit Frankreich, das seine maritime Position außer durch Bizerta auch noch durch An legung eines neuen Kriegshafens in Porto Vecchio auf Korsika verstärkte. Zu allem übrigen noch verlor der französisch-italienische Gegensatz an Schärfe, so daß Eng land wohl mit Sorge auf den Fortgang der Dinge blicken konnte. Nun ist wie durch einen Zauberschlag das ganze Bild verändert. Der Sieg der Japaner in Ostasicn, namentlich hinsichtlich der Flotte, der Sieg in der Tsuschima-Straße, dann die russische Revolution, haben die einst so gewaltig drohende Macht in der Osthälfte des Mittelmeeres aus geschaltet. Auf viele Jahre hinaus braucht England, obwohl es seinerseits die so lange unterstützte Türkei ihrem Schicksal überlassen hat, nicht mehr zu fürchten, daß ein russisches Ge- schwader aus den schlecht behüteten Dardanellen hervor brechen und den Handel mit dem fernen Osten stören könne; oder daß ein Kosakenheer über den Taurus, Syrien und Palästina daherziehe, um den Suezkanal zu Lande den un genügenden britisch-ägyptischen Streitkräften zu entreißen. Und Frankreich, das seit Ludwig XIV., also zwei und ein halbes Jahrhundert, auch im Mittelmeer der Nebenbuhler Englands gewesen war, wurde 1904 mit einem Mal in einen Freund verwandelt. Viel hat England es sich kosten lassen. Es gab Marokko preis, wo es seit 1830 gegen Frankreich auf der Wacht gestanden hatte, und gewann die Anerkennung ausschließlicher Herrschaft in Aegypten. Italien trat immer mehr in «in freundschaftliches Verhältnis zu Frankreich und konnte daher di« guten Beziehungen zu England auch besser kultiviere». Wo wäre jetzt noch eine Mittelmeer-Jnstanz, die gegen England ins Gewicht siele? Rußland ohnmächtg, Frank reich und Italien gute Freunde Englands, Oesterreich. Ungarn au nichts weniger als an maritime Abenteuer denkend — wer wäre sonst noch da? Deutschland und die Vereinigten Staaten verfechten keinerlei Terrttorialinter- essen im Mittelmeer. Die Türkei ist in tiefem Verfall. Es bliebe nur noch Spanien. Spanien hat einst als Freund viel für England bedeutet. Heute würde es an Feind seligkeiten gegen die mächtige französische Republik nicht mehr denken. Vollends da England und Frankreich befreun- det sind, sieht eS sich seinen Weg vorgeschrieben. Bei Licht be trachtet, ist Frankreich bei dem Abkommen über Marokko schlecht gefahren. Selbst hat es von jeher behauptet, daß es die nächste Anwartschaft auf das Maurenreich habe, das einst über Granada und Sevilla hinaus bis Toledo gereicht hat, dos Spanien gleichsam vor der Tür liegt. Nun sollte es plötzlich mit einigen lnicht einmal territorialen) Zugeständ nissen im nördlichsten Winkel Marokkos abgespeist werden, während das ganze Land im übrigen der pKnetrsfton pacikiguo Frankreichs auSgeliefert wurde. Hätte es sich rechtzeitig an die übrigen Unterzeichner der Madrider Kon greßakte von 1880 gewandt, so würde es dort sicher Beistand gegen die willkürliche Verfügung Englands und Frankreichs über das ihnen gar nicht gehörende Land gefunden haben. Allein es ließ sich einschüchtern. Ohne alle Not, denn bei so klarem Recht hätten die beiden westlichen Großmächte Wohl nicht an eine Vergewaltigung Spaniens denken können. Jetzt ist Spanien ganz in den Bannkreis Englands ein getreten. Das sieht indes nach mehr aus, als es ist. Denn um Gewinn für irgend einen Teil der bewaffneten Macht für England oder Frankreich handelt es sich dabei wohl nicht. Ter Gewinn an Häsen für die englische Flotte im Mittel meer wie an der atlantischen Küste spielt keine Nolle. Die englische Seemacht, nach beiden Seiten auf Gibraltar gestützt, beherrscht dort die Situation so vollkommen, daß das Recht, Corunna und Cartagena, Barcelona oder Port Mahon an zulaufen, wohl nicht mehr wäre, als eine Annehmlichkeit, keinenfalls eine Notwendigkeit. Frankreich hat sich seit Abschluß des Zweibundes mit Rußland dieser Ostmacht untergeordnet. Jetzt fügt es sich willig darein, sich von England bevormunden zu lassen. Sich selber sieht cs, wenn auch als eine Großmacht, so doch als eine nicht in der allerersten Reihe stehende an. Freilich gibt es eine Anzahl weitblickender Männer, die diese Decadence ihres Vaterlandes beklagen und sich vergegenwärtigen, daß England nicht einmal behauptet, aus andern als eigennützi gen Gründen zu handeln. Auch in Spanien herrscht eine Unterströmung des Grolles gegen England vor, dem man den Anheimfall Marokkos an die französische Machtsphäre zu danken haben würde, während die Abwehr dieses Schicksals lediglich der Initiative Deutschlands zuzuschreiben ist. Und endlich kommen aus Italien deutliche Zeichen des Unbe hagens über das allzu große Maß englischen Uebergewichls in allen Mittelmeerangclegenheiten. Allein was nützt das alles jetzt? Da hätte man früher vorbauen müssen. Jetzt gibt es kein Gleichgewicht im Mittelmeer. Der Sieg Japans hat es so vollständig umgestoßen, wie wohl noch beim Unter gang der russischen Flotte niemand ahnte. Erst das Weiterrollen der Ereignisse verspricht wieder einen Umschwung; erst die Zeit wird ihre Rechte geltend machen. Wie, das ist im Augenblick unberechenbar. Es können Gewitter aus Gegenden kommen, wo man jetzt wenig daran denkt, z. B. aus Indien und Aegypten, wo bciderwärts eine deutliche nativistische Selbständigkeitsregung wahrnehm bar ist, oder aus Japan, das wohl kaum Konflikten mit den Vereinigten Staaten oder Australien aus dem Wege gehen kann. vr. Zttrrrmann «der vimchaftlicde Lage u«a ivittrchMicde «ereirgebung in veurrcdlana. In voriger Woche hat Reichstagsabgeordneter Dr. Stresc- mann auf einer stark besuchten Versammlung des Vereins sächsischer Industrieller in Döbeln einen mit vielem Bei fall aufgenommenen Vortrag über wirtschaftliche Lage und wirtschaftliche Gesetzgebung in Deutschland gehalten. Wir geben den Hauptinhalt des Vortrags im Folgenden wieder: Der Redner ging aus von dem Mißverhältnis zwischen der Notwendigkeit einer Vertretung der Industrie in den ge setzgebenden Körperschaften und der Tatsache, daß sie so wenig Abgeordnete aus ihren Kreisen in die Parlamente entsende. Während früher die Intelligenz der Industrie und des Han dels an der Gesetzgebung mitgewirkt habe, habe sie heute nur geringen Anteil an der Leitung der Geschicke des Reiches. Tas erkläre sich daraus, daß gerade die Arbeiter, die doch eigentlich das größte Interesse an einer Vertretung der In dustrie in Landtag und Reichstag hätten, hypnotisiert durch sozialdemokratische Verhetzung, gegen eine Vertretung ihrer Bezirke durch Industrielle stimmten. Darum werde es auch der Regierung außerordentlich schwer, die Industrie zu unterstützen. Denn man sei geneigt, die Vermehrung der Sozialdemokratie auf die Vermehrung der Industrie zurück- zufübren und Graf Kanitz habe bei der Debatte über das Reichsamt des Innern aus diesem Grunde die Regierung vor einer Unterstützung der Industrie gewarnt. Aber nicht nur, um der Negierung ihre Aufgabe zu er leichtern, sondern um der eigenen Wähler willen fei eine Aenderung in der parlamentarischen Ver tretung der Industrie nötig. Wäre diese schon vor her eingetretcn, so wäre die Reichsfinanzreform nicht in der Weise zustande gekommen, wie es geschehen ist. Die Rcichs- tagswaylen sind eben nicht nur politisch, sondern wirtschaft lich bedeutungsvoll. Die Zurückdrängung der Sozialdemokratie bei den letzten Reichstagswahlen hält Herr Dr. Stresemann nicht nur für eine Episode, sondern für einen Wendepunkt in unserer Wirtschaftspolitik, weil die Sozialdemokratie nie positive Arbeit geleistet, sondern lediglich Jllusionspolitik getrieben hat. Vielleicht werde sich nun auch der einzelne Arbeiter überlegen, ob er dieser Partei noch nochlaufen könne, die ihm nichts geleistet habe. Dagegen hätten die nationalen Parteien eine sozial« Fürsorge ins Leben gerufen und be sonders die Industrie habe sie geleistet, mit der wir an erster Stelle in der Welt marschierten. Tas müsse doch jeder Arbeiter allmählich einseben, daß Arbeiter und Arbeitgeber auf einander angewiesen seien, zusammen arbeiten müßten und daß Verluste, di« den Arbeitgeber träfen, in ihren Folgen sich auch a» dem Arbeiter bemerkdar machen mühten. Der Redner ging nun auf die Ausgabe des nächsten Reichstags in wirtschaftlicher Beziehung ein. Die Handelsverträge sind zwar zu neun ^Zehntel erledigt. Immerhin gibt es aus diesem Gebiete noch Arbeit. Man hat nun die Sachverständigen des Bundes der Industriellen deshalb angegriffen, weil sie gegen den Abschluß der jetzigen Handelsverträge Stellung genommen hätten und weil trotz dieser bekämpften Handelsverträge eine Hochkonjunktur ein gesetzt habe. Ter Bund der Landwirte hat sich sogar in dieser Beziehung in Dresden die naive Resolution geleistet, dieie Hochkonjunktur sei eine Folge dieser Handelsverträge. Dem Ist nicht so. Unsere Hochkonjunktur hangt vielmehr mit der Hochkonjunktur der gesamten Welt zusammen. Solange die Kaufkräfte der fremden Völker andauern, können auch so hohe Zölle vertragen werden, wie wir sie jetzt haben. Zweitens kann Rußland keinen Gebrauch von den ihm gestellten gün stigen Bedingungen machen, weil bei den jetzigen Verhält nissen in Rußland dort gar keine neuen Fabr-iken gebaut werden und keine Produktion aufkommen kann. Driftens begünstigt aber die Unsicherheit der zollpolitischen Verhält nisse mit Amerika unsere Produktion. Vor Neuregelung der Handelsbedingungen mit Amerika wollen die amerikani schen Importeure eben noch möglichst viel hereinholen. Dr. Stresem"nn ging nun eingehend auf das Verhältnis zu Amerika ein, insbesondere aus die Zollschikanen und das Mißverhältnis zwischen unseren und den amerikanischen Tarifpositionen. Wir könnten Amerika gegenüber seiner Mei nung nach ganz anders auftreten, wenn wir Baumwolle pro duzierende Kolonien hätten. Solange wir aber nichts für unsere Kolonien bewilligen, können wir uns auch nicht be klagen, daß wir von Amerika so behandelt werden, wie bisher. Der Reichskanzler wird Vorschlägen, das bisherige Pro visorium auf ein Jahr zu verlängern, findet aber Wider stand auf zwei Seiten. Gewisse Kreise, z. D. Frankfurt a. HN., verlangen bessere Bedingungen oder Ablehnung aller weite ren Verhandlungen. Andererseits stellt sich der Bund der Landwirte in vieler Beziehung industriefreundlich und drängt aus den Zollkrieg mit Amerika, aber lediglich nur in der Hoffnung, daß dann hohe Zollaufschläge aus landw-rt- schaftliche Produkte gelegt werden. Bei einem Zollkrieg würden wir aber nichts profitieren. Man muß also dem Provisorium zustimmen, zumal nur günstige Bedingungen in einzelnen Artikeln erlangen sollen und eine Besserung in der Zollbehandlung -uqesichert werde. Ter einzige Trost bei dem schlechten Handelsverhäl'ius mit Amerika ist der, daß andere Länder ebenso schlecht gestellt sind wie wir England hat nicht einmal die fünf Positionen bekommen, die wir erhalten haben. Gerade unsere handelspolitischen Beziehungen mit Amerika zeigen, daß Kolonien, namentlich Baumwolle produ zierende, für uns von größter Bedeutung sind, und zwar nicht nur für unsere Textilindustrie, sondern für die gesamte handelspolitische Situation und namentlich die künftigen Handelsverträge. Dr. Stresemann ging weiter auf die vielen Angriffe gegen die Kolonien ein und erklärte es für absolut notwendig, Bahnen zu bauen. Unsere Kolonien seien durchaus nicht wertlos, unsere Baumwolle sei in Liverpool als erstklassig gehandelt worden, Samoakakao habe in Hamburg erste Preise erzielt. Ter Redner streift dann die Wichtigkeit einer umsichtigen Flottenpolitik für die Industrie und geht dann zu den so zialpolitischen Fragen über, die den Reichstag beschäftigen werden. Tie Tendenz der Mittelstandsbewegung, gerichtet auf die Erhaltung vieler selbständiger kleiner Existenzen, könne von »er sächsischen Industrie nur geteilt werden. Sie habe gar ein Interesse an der Zermalmung des Mittelstandes. Tie ächsisch« Industrie sei in den meisten Fällen aus dem Mittel- tande hervorgegangen und die Entwicklung unserer Jn- »ustrie sei eine ganz andere als die der Industrie Rheinland- Westfalens. Tort seien Fabriken mit großen Aktienkapitalien aus der Erde gestampft worden, in Sachfen sei alles aus kleinen Anfängen emporgewachsen. Ebemowenig habe die sächsische Industrie ein Interesse an der Akkumulation des Kapitals, insbesondere des Bankkapitals. Die dahingehende ungesunde Entwicklung sei gerade durch das Börsen gesetz geschaffen worden, das der Anregung der Anti semiten zu verdanken sei. Durch dieses Gesetz seien ge rade die kleinen Bankiers getroffen worden. Genau so habe die Umsatz steuer, nach der der Mittelstand gerufen habe, nicht den Erfolg gehabt, den man sich versprochen habe. Gerade die allerkapitalkrästigsten Firmen wüßten sich davon unabhängig zu machen, würfen einfach die Steuer auf den Lieferanten ab. Nach einem Hinweis auf die Wichtigkeit der Versicherung der Privatbeamten gebt der Redner zur Regelung der Heimarbeit über. Alle Parteien haben sich bereits aus einen Antrag mit 14 Positionen geeinigt, von denen 13 nichts als Polizeimaßregeln seien. Tas Ge setz über die Regelung der Heimarbeit werde wahrscheinlich den Heimarbeitern selbst die geringste Freude machen, denn wenn die vorgcschlaqenen Wöhlsahrtspolizeimaßregeln Ge setz würden, dann können die Heimarbeiter im Erzgebirge z. B. überhaupt nicht weiter arbeiten. Der Reichstag werde auch um eine Regelung der Fi- nanzrcsorm nicht herum kommen. Die Belastung des Verkehrs mit Steuern habe ein vollständiges Fiasko erlitten. Ebenso habe die Zigarettensteuer versagt; die Erhebungs kosten betrügen 30 bis 40 Prozent des Ertrages. Endlich werde man nicht um eine Reform der Branntwein steuer herum kommen. Neue Steuern müßten ge'chassen werden. Die nationale Mehrheit im Reichstage werde für ein« gerechte Verteilung dieser Steuern sorgen. Zum Eingang seiner Rede zurückkehrend, sprach schließ lich Herr Dr. Stresemann die Hoffnung aus, daß der neue Reichstag gedeihlich arbeiten und jedem Stande das geben werde, was ihm gebühre. Er bosse auch, daß die Industrie in dem neuen Reichstage die Förderung erfahren werde, auf die sic Anspruch habe. vsn vrlttttn über Sie Zchlachtteiaer Oer Mantzchurri. VI. Kurz vor Taschikiao siebt man einen Bergrücken auf der rechten Seite der Fahrtrichtung sich der Bahnstrecke nähern, der ca. 2 Kilometer östlich der Station ziemlich unver mittelt aus der Höh« von etwa 80 Meter zur Ebene absällt. Auf ihm waren aus der Ferne einige Schützengräben zu er kennen, di« die russische Stellung in d«m Gefechte andeu- teten, das hier gegen die heranmarjchierende Armee Olus am 24. Juli 1904 geschlagen worden war und mit dem Rück zug der Russen auf Haitschöng in der Nacht zum 25. Juli geendet hatte. Unsere Hoffnungen auf bessere Eisenbahn zustande von Taschikiao auS verwirklicht«» sich nicht. Die ehemalig russisch« Bahn war auch hier von de» Japaner» auf die kleinere japanische Spurweite gebracht worden, auf der die alten verbrauchten Wagen mit der Langjamkeit einer Sc- kundärbahn übelsten Rufes dahingeschleppt wurden. Scbou beim Einsteigen konnte man sich Hals und Beine brechen, denn die Trittbretter waren einen guten Meter über scm Erdboden. Das Publikum, das wir vorsanden und das bereits die Nachtfahrt von Port Arthur hinter sich i-arte, schien hier zu erwachen, denn mit Schrecken bemerkten wir, daß die Ja paner mit ihrer Morgentoilette kurz nach der Abfahrt be gannen. Auf dem Bahnhof hatten schon einige vorher mit ihren Aahnbürslchen vor dem Wagenahteil die Morgen- jäuberung eröffnet, was ja auch sehr anerkennenswert war. Jetzt aber stieg einer in Strümpfen auf die Sitzbank und begann sich oben unter dem Wagendach das Haar auszu kämmen. Tas war schon weniger angenehm, und gab Ver anlassung, die Blicke ängstlich nach dieier Gegend zu richten, um nicht in die Zone des Streuungskegels zu kommen. Andere, die bereits ihre Verschönerung vollzogen hatten, nahmen inzwischen ihr erstes Frühstück ein, das nach den Tönen des Wohlbehagens zu schließen, ihnen ganz herrlich munden mußte. Hierbei bedeckte sich der Fußboden in kurzer Frist zollhoch mit Eierschalen, Papieren, Fleisch abfallen, kurz allen Uebcrreften dieses Mahles, so daß von der sprichwörtlichen Reinlichkeit der Japaner nichts zu merken war. Andere hatten sich widerlich süßliche Ziga- retten angezündet. Um alle Gerücht« Asiens vollzumachen, stand in der Mitte, zwischen den Kuien der Reisenden, ein Korb mit übelduftenden Fischen, deren größtes Exemplar die Anwesenden dauernd mit einem riesigen, starren Auge vorwurfsvoll musterte, als mach« er sie für sein Ableben verantwortlich. Inzwischen begann jedoch die Gegend unser erhöhtes Interesse in Anspruch zu nehmen. Zur Linken allerdings blieb die flache, mit Dörfern reichlich besetzte Ebene. Zur Rechten aber -oa«n sich die Berge immer näher an die Bahn heran und hinter ihnen tauchten in der Fern« die schroffen Zacken der Gebirge aus, durch die die Armee Nodzus und noch weiter nach Osten die Kurokis ihren be- schwerlichen Weg genommen hatte. Bei Haitschöng und Anschanschan lagen ausgehobene Schützengräben und Batteriestellungen auf den Hügeln dicht an der Bahn und einzelne kleine Kreuzchen oder ein fache Holztafeln zeigten, wv Russen oder Japaner ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Ich muß gleich hierbei anführen, daß die beiderseitigen Stellungen in den Kämpfen der Russen und Japaner, ob gleich doch d«e'e Ereignisse 2 Jahre zurückuegcn, zum größten Teil noch uneinaeebnet vorhanden sind. Es liegt das hauptsächlich daran, daß die Höhenzüge nicht angebaut werden, und folglich der Chinese kein Interesse daran hat, den Boden in den alten Zustand zu versetzen. Aber auch in der Ebene ist verhältnismäßig wenig verändert worden, wohl deshalb, weil dem bequemen Chinesen die Arbeit, die großen Verteidigungsanlagen zu beseitigen, zu umständlich ist. Und selbst dort, wo der Pflug über einsache Schützen gräben gegangen ist, die ohne viel Umstände zugeschüttet werden konnten, erkennt das aufmerksame Auge immer noch die Linie des Grabens an der kleinen Bodenwelle, die sich beim Einebnen nicht vermeiden ließ. Je mehr man sich Liaoyang nähert, desto häufiger werden die Spuren der Kämpfe, die Grabstätten der Russen, sowie die Gedenktafeln für die gefallenen Japaner. Tann hebt sich schon von weitem die große Pagode ab, die in dem so genannten Kuropatkingarten in der Nähe des Bahnhofes von Liaoyang steht, und deren charakteristische Form in ihrem oberen Teil an einen Baumkuchen erinnert, dem man die Zacken gestutzt hat. Wir wurden auf dem Vahnbof von japanischen Offi zieren empfangen. Für unsere Pferde und das Gepäck war Unterkunft vorbereitet worden, so daß wir nach Beendigung des Ausladens der Frage unterer Einquartierung naher treten konnten. Obgleich wir vor dem sogenannten japa nischen Hotel gewarnt worden waren, entschieden wir uns doch für letzteres, da wir am Abend einige japanische Ofsi- ziere bei uns zu Gaste sehen muhten, und ein Chinesen quartier hierzu ungeeignet erschien. Außerdem plädierte auch unser gemieteter lapanischer Dolmetscher in der über- zeugendsten Weise für diese Wahl. Da der Bahnhof außerhalb der Mauern von Liaoyang liegt und das sogenannte Hotel sich am entgegengesetzten Ende des Ortes befindet, war ein ziemlich werter Weg zu rückzulegen. Ties geschah mit Hilfe von Trolleys. Aut dem Gleis einer ehemaligen Feldbahn läuft ein winziges Gestell mit 2 Bänkchen, die parallel zur Richtung der Fahrt äuge- bracht sind und auf dem je 2 Personen mühsam Platz haben. Ein solches offenes Kästchen zu 4 Personen heißt eine Trolley. Unsere Gesellschaft nebst Brws und dem not- wendigsten Gepäck wurde auf 5—6 solcher Wägelchen ver laden, und dann ging die Fahrt los. Hinten schob «in Kuli, erst langsam, dann schneller und schließlich, nachdem die Ge schichte in Schwung gekommen war, in wildem Galopp, unter fortwährenden Püffen auf das Fahrzeug. Sobald cs bergab ging, sprang er hinten auf und dann raste das Wägelchen in sausender Fahrt an Gräben vorbei und über so starkgefchwungene Kurven, daß man die unvermutete Schwenkung mit dem Körper nicht ausfangen konnte, sondern heftig mit dem Nachbar oder dem vis-a-vis zusammenstieß Plötzlich kommt von der anderen Seite im gleichen Tempo ein ebensolches Fahrzeug angesaust. Eine Weiche ist nicht vorhanden. Ein Gekreisch der Kulis. Abspringen derselben, Bremsen durch Entaegenstemmen ist das Werk eines Augen blickes. Trotzdem schlagen die beiden Wagen noch mit heftigem Ruck aneinander, so daß man sich festhalten muß. Das gebärt aber augenscheinlich alles so zu dieser «iaen- artigen Fahrgelegenheit. Tie uns entgegenkommenden Ja paner erheben sich schweigend, steigen in unser Vehikel über und bedeuten uns, in dem ihren Platz zu nehmen. Damit ist dieser Zwischenfall erledigt und die Kulis rasen nun mit dem neuen Fahrzeug weiter. Dieses Vergnügen des Um steigens erlebt man im Laine pon 25 Minuten 3—4mal. und ist besonders erfreulich, wenn sich nicht bloß 2 TrollcvS be- aegnen, sondern ans beiden Richtungen 3—4 in wilder Fahrt einander auf dem Fuße folgen. Deutsches Keich. Leipzig, 17. April. * Die Bückeburger Festtage. Gestern, am Tage der silbernen Hochzeit keS fürstlichen Paare-, wurde morgen- von der Galerie der Hoikirche ein Cdoral geblasen: späier wurden aus dem Weinberge Kanonenschüsse gelöst. Um ft,10 Uhr nahmen der Fürst und die Fürstin die Glück wünsche der fürstlichen Familie, de- Kaisers und der an wesenden HockzeilSgäste entgegen und empfingen später zur Graiulalion d>« Damen und Herren des Hose-, die Herren vom Gefolge des Kaiser«. Der Kaiser hat de« Fürste» di«
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