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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.04.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070420016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907042001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907042001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-20
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BezmrS>PreiS M Akkpistg und Vororte buch ««je« Tröger und Spediteure i»< Hau» gebrachte A«S- gäbe O tmrr morgen») vierretiadnich S M., monatlich 1 At.; AuSgabl 8 «morgeot und abend») virrteliSbrlich ».SO Bll, monatlich IchO M. Durch di. Poft bezogen (1 mal täglich) innerhalb Demichwud- and der deutschen «olouieu merteljädrticb 3 M, monatlich 1 M. auSscht. Pojtbestellgeld, für Oesterreich-Ungar» vierteljährlich 5 L 4öb. Abonnement-Annahme: AngustuSplatz 8, bet unseren Trägern, Filialen, Spediteuren and Annahmestellen, sowie Postämtern und Briesträg««. Di» einzelt« Namm« kostet 1- Pf». Redaktion mid Urpedittmu Iodauaidaasst 8. Telephon Nr. ISS, Nr. ML, Nr. 1173. verlkrer Nedaktions-vareiNi r v«liu dkV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon l. Nr. VL75. Moraen-Ausgabe v. ripMer TagtblB Vaupv-Atliale Berlin: TarlDuucker, HerzgUBayrHofbuchhaudlg^ LLhowstraß« 10 (Tel. Vl. 4603). Handelszeitung. Amtsblatt des Mates und des Volizeianttes der Ltadt Leipzig Anzeigen-Preis sür Inserate aus Leipzig «. Umgebung die 6 gespaltene Petttzeile Lü Pf, finanzielle An zeigen 30 Pf, ReNamrn 7üPf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland SO Pf, fioanz. Anzeigen 75 Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Brilagegebühr 4 Pt. p. Tausend exkl. Post gebühr. Äeschäftsanzeigen an bevorzrigter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tart'. Festerteilte Aufträge könne» nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätze, wird keine Garantie übernommen. Anzeige« - Annahme: AugustuSPlast 8, bei sämtliche« Filiale« «. alle« Annoncen- Expedittonea des I»- und Auslandes. Sonnabend 20. April 1007. Nr. 109 1V1. Jahrgang. Var lvichtlgrlr vsm rage. * Der Stationschef in Wilhelmshaven Admiral von Bendemann hat fein Abschiedsgesuch eingereicht. * Der Ausschuß der hessischen zweiten Kammer erklärte sich für Annahme der Regierungsvorlage zu (Künsten der Einführung einer Wertzuwachs st euer. * Im Reichstag wurde gestern nach Bewilligung der letzten 150 000 .« für die Hohkönigsburg die Etats beratung des Reichsamts des Innern beendigt und dann der Etat für die Iarmerentschädigung in Südwestafrika der Kommission überwiesen. (S. Parlaments bericht 2. Beil.) * König Friedrich August traf gestern in Zittau ein und hat dort Wohnung genommen. fS. Sachsen und Letzte Dep.) * Die Handelskammer zu Chemnitz hat ein be merkenswertes Gutachten über die Tarifgemein schaften abgegeben. (S. Letzte Dep.) * Den Prix Penelope zu Maissons-Lafitte gewann Mons. Joub-erts „All Mine". (S. Sport.) * Der Magistrat zu München hat die Einführung der vollständigen Sonntagsruhe im Handcisgewerbe wäh rend des ganzen Jahres mit Ausnahme von fünf Sonntagen beschlossen. * Die Psorle kommt den Forderungen der Aufsichts ¬ mächte in der Frage der makedonischen Gen darmerie fortgesetzt in allen Punkten entgegen. (S. Ausl.) * Ter Generalgouoerncur von Baltenlau d, von Möller, ist verabschiedet. fS. AuA.) * Es wird befürchtet, daß Raifuli Udjda ongreisen will. sS. Ai A.) * Die Arbeit im Hafen von Odessa ist wieoer aus genommen. * Der Kanzler der Universität Stockholm und eyc- malige Minister des Auswärtigen Graf Wachtmeister ist zum VorsitzendenderDirektion der Nobel' stiftung ernannt worden. * Im Bezirk Kribi (Kamerun) ist die Genickstarre aufgetreten. Die Epidemie scheint aber wieder erloschen zu sein. (S. Letzte Dep.) vom neue» deuttchen Zlaatenbuvä. Die preußischerseits beliebte Behandlung der Schissahrts- abgabenangelegenheit sängt allmählich an humoristisch zu werden. Rührende Schmelztöne wechseln ab mit leisen Drohungen: „Und folgst du nicht willig, so brauch ich Ge walt." Ach ja. der Abgeordnete Dr. Jurick hat recht — wir befinden uns wieder mitten drin in der schönsten Staaten- bündlerei. Im heutigen Stadium der Verhandlungen hat man an scheinend schon beinahe vergessen, wie denn eigentlich die leidige Geschichte angefangen hat. Uns scheint es aber sehr wichtig, immer wieder daran zu erinnern, um den ganzen Jammer dieser Politik, ihre Zerfahrenheit und Ziellosigkeit, ihre Leichtfertigkeit und Gefährlichkeit, recht deutlich werden zu lassen. Man muß sich dabei in die Zeiten Hohenlohes und Miguels, in die Aera des Kampfes um den Mittelland kanal zurückversetzen. Dann wird man schnell begreifen lernen, daß jetzt die nichtpreußischen Bundesstaaten sür die Schwäche der preußischen Regierung büßen sollen, daß sie den Preis bezahlen sollen, um den der Schein eines Erfolges gewahrt wurde. Wir betonen: nur des Scheines wegen. Denn das ist das Groteske, daß die Regierung nicht einmal den Sieg hat erkaufen können mit ihrer Preisgabe des Rechtes — an derer Leute. Die Regierung war auf allerhöchsten Befehl in den Streit gezogen, um den Rhein-Weser-Elbekanal zu er ringen. Und als das absolut nicht gelingen wollte, als so gar die zweischneidige und (nebenbei) halbe Maßregel einer Maßregelung der renitenten Beamten-Wgeordneten ver sagte, da mußte des Engagements der Krone wegen doch wenigstens ein Sieg markiert werden. Dian eroberte also mit Hilfe der Schisfahrtsabgabenklausel einen Teil der kon servativen Stimmen für den ungeheuerlich teueren untd zwecklosen Rumpfkanal. Man ließ eine Bestimmung preu ßisches Gesetz werden, die man gar nicht zu bestimmen hatte. Man setzte sich schlank, ohne jede Einschränkung, über den Verfassungsartikel von der Freiheit der Flußschisfahrt weg, um die gewaltige Aktion mit einem Scheinerfolg abschließen zu können. Das ist der Anfang der heutigen Misere. Nun saß Preußen in der Patsche. Denn ganz langsam ging den Regierungskrisen doch ein Licht darüber ans, was man eigentlich angerichtet hatte. Jahrelang schwieg man rein still. Und es ist charakteristisch für unsere bundesstaat lichen Verhältnisse, daß auch von den anderen, doch nahe genug interessierten Bundesstaaten, kein einziger die Frage anschnitt. Die Gründe für diesen OuietismuS liegen ja auf der Hand. Doch möchten wir behaupten, daß die beobachtete, sehr vornehme und sehr rücksichtsvolle Haltung einen Fehler batte. Sie machte nämlich keinen Eindruck auf Preußen. Tas war in seiner Zwangslage und bei der anscheinenden Gutwilligkeit der übrigen Flußschifsahrtsstaoten auf die Der- zweiflungSidee gekommen, es könne so unter der Hand die übgabeufreiheit für Preuße« ausheben. Ein preußischer Minister verfocht dieses angebliche preußische Recht im Land- tage mit schönem Mute, für den er verdient hatte, zum Ehrenmitglieds eines deutschen Partikularistenbundes er nannt zu werden. Nun erst regte sich der Widerstand in den betroffenen Einzelstaaten. Und nun erst, in der allerjüngsten Zeit, fragte der preußische Ministerpräsident (oder war es der Herr Reichskanzler?) beim Reichsjustizamt an, wie cs eigentlich über die preußische Gesetzesbestimmung von der Abgabcnerhebung denke. Und das gab die rücksichtslose Ant wort, die Abgabenerhebung sei eine Verfassungsoerletzung. Nun saß Preußen noch tiefer in der Patsche. Aber es dachte an den schönen Spruch: Divicko et impsra, machte ein süß saures Gesicht uud ging auf den bundesrätlichen Stimmen kauf. Wie weit es bisher damit gekommen ist, haben wir schon eingehend auseinandergesetzt. Nun bleibt noch übrig, die re vidierte preußische Auffassung der Situation zu beleuchten, wozu wir uns in das preußische Abgeordnetenhaus begeben müssen. Dort hielt der Verkehrsgewaltige, der Eisenbahn- und Kanalminister Breitenbach «ine der belustigendsten Reden. Herr v. Pappenheim, ein Politiker von der be währten Handelsfreundlichkeit der Konservativen, hatte gleich den richtigen Ton angeschlagen: die Abgaben müssen erhoben werden. Aber nicht etwa des schnöden Mammons willen! O nein, so etwas tut Preußen nicht, sondern um der Flußschiffahrt auf den Damm zu helfen. (Da sitzt sie nämlich auf dem Trockenen.) Herr Breitenbach dankte natürlich dem Redner sür „die sachliche Behandlung der von anderer Seite so leidenschaftlich erörterten Frage" und fügte dann noch einige Humoristika an. Der Minister will die Abgaben nämlich auch nicht des Geldes wegen. Aber er hat einen neuen Grund entdeckt: Es handelt sich um einen Akt der Gerechtigkeit: „Es gilt die Beseitigung der Ungleich heit, die zwischen den abgabenfreien und den abgaben pflichtigen Wasserstraßen besteht." Wozu die Gerechtigkeit doch alles gut ist! Ja, der Minister hat noch einen Gerech- tigkeitsgrund: „Es ist nicht zu billigen, daß, während die Be nutzer der Eisenbahnen den Staat voll entschädigen müssen, die Benutzer der Wasserstraßen auf Kosten aller Steuer zahler sich ei'l wichtiges V. rkehrSmillc* dienstbar m>,eu." Bravo, Herr Minister! Aber warum nur so schüchtern? Ifiat z'ustütia, paroat munckus. Ist es vielleicht zu billigen, daß immer noch so viele Wagen abgabenfrei die Landstraße auf Kosten aller Steuerzahler befahren? Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit. Also wieder her mit den Maut- Häusern und Schlagbäumen! Das ist doch noch moderne Ver kehrspolitik. Aber dann erinnerte sich Herr Breitenbach des fatalen Gutachtens aus dem Reichsjustizamt und meinte gütig: „Voraussetzung für die Erhebung von Schiffahrts abgaben werde allerdings immer sein müssen die Verstän digung mit den anderen Bundesstaaten." Also doch! „Dieser Weg sei bereits mit Erfolg beschritten worden." Wie weit man auf diesem Weg gekommen, sagte Herr Breitenbach leider nicht. Dafür aber gab er noch einige witzige Paradoxa zum besten: Es widerspreche der ganzen Politik der preußischen Eifcnbadnvcrwaltung (siehe die Um- führungspraxis), durch Flußschiffahrtsabgaben ihre Ein nahmen erhöhen zu wollen. Würde die Eisenbahnverwaltung engherzige fiskalische Interessen verfolgen, dann hätte sie gerade der Einführung der Schiffahrtsabgaben entgegen treten müssen, denn es sei doch klar, daß durch Verbesserung der SchiffahrtSwege diese den Eisenbahnwegen Konkurrenz macht. Hier ist das darin liegende Eingeständnis bemerkens wert, daß der Minister eine Verpflichtung des Staates zur Förderung des Verkehrs nicht anerkennt. Wie wäre es also, wenn man die Flußläufe systematisch versanden ließe? Aber zu guter Letzt war der Minister doch bereit, dafür einzutreten, „daß durch ein Neichsgesetz unter Mitwirkung von Bundes rat und Reichstag eine authentische Interpretation des In halts des Artikels 54 der Verfassung erfolge". Man beachte die seine Nüance. Also die Verfassung soll nicht abgeändert, sondern „authentisch interpretiert" werden. Oh, über Euch Schriftgelehrten! Während der Minister also sprach, erschien im kleinen preußischen Staatsanzeiger des Herrn Scherl eine etwas mysteriöse Notiz. Zunächst wurde da an die Klugheit der sächsischen Regierung appelliert, ob sie sich wirklich ohne dir Vorteile einer Entschädigung im Bundesrate überstimmen lassen wolle. Und dann hieß es plötzlich, freilich sei in einer Verfassungsfrage nach Bismarckscher Ueberliefcrung noch nie ein mittlerer Bundesstaat von Preußen majorisiert worden, worauf man sich in Dresden fest zu verlassen scheine. Bange machen gilt nicht. Wir erlauben uns darauf zu er widern, daß zum Ueberstimmen immer noch die Zweidrittel. Majorität gehört, und daß die noch lange nicht zusammen ist. Sollte im übrigen Preußen mit der antiquierten Bismarck- schen Tradition zu brechen beabsichtigen, so würden wir es nicht gerade sür ein Zeichen journalistischer Geschicklichkeit halten, auf diesen Umstand erst noch ausdrücklich hinzu weisen. Doch das hätten ja dann die Weisen des „Lokal- Anzeigers" mit der preußischen Regierung abzumachcn. knglsnd in vrlree und Mittelmeer. König Eduard von England weilt im Mittelmeer, und um dieselbe Zeit hören wir, daß die englische Kanalflotte, wahrscheinlich verstärkt durch einen Teil der Heimatflotte, eine Reihe von Häfen in der Nord- und Ostsee gelegentlich einer sogenannten Uebungssahrt anlausen soll. Da oben im Norden sitzt eine englische Prinzessin auf dem norwegischen Thron: ebenfalls in Spanien. Die Südspitzen beider Länder beherrschen Meerengen von großer Wichtigkeit. In Deutsch land hegte man hinsichtlich der Thronbesetzung Norwegens seinerzeit andere Hoffnungen: es ist ja noch nicht lange her, vaß jener still und heftig geführte Kampf persönlicher Po litik zu unfern Ungunsten entschieden wurde. Nicht anders ist e» uns hinsichtlich Spaniens ergangen, und ohne Freude erinnern wir uns jenes Besuches Alfons XIII. auf deutschem Boden, den er mit der Absicht, eine deutsche Prinzessin zu ehelichen, betrat. Wieder setzte die Arbeit Eduards VII. von England zäh und geschickt ein, und die Engländerin bestieg den spanischen Thron. Dies Ereignis bildet einen der Höhepunkte der persönlichen Politik Eduards. Im Norden hatte er nur die Politik dritter Staaten zu bekämpfen, denen ein Ucber- handnehmen englischen Einflusses am Baltischen Meer und dessen Zugängen bedrohlich schien. Auf der pyrcnäischen Halbinsel hat er einen alten, eingewurzelten Haß zum Ver löschen gebracht. Stellt man damit die Erfolge englischer Diplomatie in Frankreich in Parallele, wo auch alter histo rischer Haß gegen England vorhanden war, so drängt sich un willkürlich die Bemerkung auf, wie unfähig sich alle roma nischen Nationen erwiesen haben, einer kaltblütigen, aus dauernden, auf Menschen» und Rassenkenntnis basierten Einwirkung Widerstand zu leisten. Bei ihnen, sowie bei Italien, besteht auch noch das gemeinsame, daß es im letzten Grunde ihre Wehrlosigkeit zur See war, welche sie in die Netze der großen Seemacht hincintrieb. Und sieht man näher zu, so ist es eigentlich das Abwärtsgehen der franzö sischen Seemacht gewesen, welches den Anstoß zur Kapitula tion der drei Mittelmeerstaaten vor England gegeben hat. So sieht sich letzteres denn auch auf diesem Schauplatz in einer ungleich vorteilhafteren Lage als im Norden: auch ist ja das Mittelmser von unendlich viel größerer Wichtigkeit für Großbritannien als die Ostsee und deren Zugänge. Letztere hat eigentlich nur einen offensiven Wert, einen mili tärischen, wenn auch das wirtschaftliche Moment keineswegs gering angeschlagen werden soll. Eine ähnliche Kapitulation der Ostseemächte aber wird durch das Vorhandensein Deutsch lands jedenfalls bis zu einem gewissen Grade erfolgreich ver hindert. Obgleich von englischer Seite alle Mittel aufge boten werden, um Dänemark, das eigentliche Ziel ihrer offen siven Politik, gegen Deutschland aufzubringen — in letzter Zeit noch die alte Mär vom maro olarmum und ganz kürzlich das Landen deutscher Patrouillen (um Beurlaubte in Ord nung zu halten) an der Nordspitze von Jütland — scheint Dänemark doch mehr und mehr zur gesunden Uebcrzeugung zu gelangen, daß das Deutsche Reich ihm wirtschaftlich wie militärisch eine natürlichere und mächtigere Stütze ist als England. Wir sehen also genau das Umgekehrte wie im Süden: Wäre Frankreich heute noch eine Mittelmeermacht, wie vor zehn oder fünfzehn Jabren, hätte es nicht auf seinen ast, . Traum, daS westliche Mittclmeerbecken zu .inem fran zösischen See zu machen, verzichtet, so wäre der Umschwung in Spanien kaum erfolgt. Noch 1901 war der Name Gibral- tar für den Spanier ein rotes Tuch, und gegenwärtig das Gefühl: England hätte nur einen Finger zu rühren brauchen, nm den Verlust der Flotte und der Kolonien an die Ver einigten Staaten von Nordamerika zu verhindern. Der Wendepunkt trat 1902 ein; charakteristischerweise, als die Annäherung zwischen England und Frankreich leise begann. Kurz darauf verschärfte sich bekanntlich der Gegensatz zwischen England und Deutschland derartig unter gleich zeitiger Verschlechterung der französisch-deutschen Be ziehungen, daß Spanien selbstverständlich das Be dürfnis neuer Orientierung empfinden mußte. Wir nehmen an, und der erwähnte Besuch von Alfons LUI. in Deutschland lieferte dafür einen Beweis, daß die deutsche Diplomatie schon längere Zeit vorher ver sucht hat, eine politische Annäherung herbcizuführen und sich damit einen indirekten Einfluß auf die Mittelmeerpolitik zu verschaffen. Das wäre von größtem Vorteil gewesen und hätte auf der andern Seite noch seine Wirkungen auf die italienische Mittelmeerpolitik ausüben können. Mil der Heirat Alfons' XIII. waren solche Absichten endgültig ge scheitert, und den besten Beweis, wie England die Sache an sicht, gibt die Verminderung seiner Mittelmeergeschwader auf einen Bruchteil ihrer früheren Stärke. König Alfons sagte in seinem Toast auf Eduard VH. an Bord der „Numoncia", nachdem er, wie üblich, von den beiden Ländern gemeinsamen Interessen, deren Förderung usw. gesprochen hatte: er begrüße auch die englische Flotte, als ein mächtiges Werkzeug im Dienste des allgemeinen Fortschritts, ein Werkzeug, welches in jedem Augenblick be reit sei, die Absichten des Königs von England auszuführen. Wenige Tage vorher hatte die englische Presse trotz eifriger Betonung des unpolitischen Charakters dieser Besnchsreise mit dem Behagen des Besitzenden geschrieben, gute Be- z'ehungcn zu Spanien wären wegen seiner weit ausgedehn ten atlantischen und Mittelmccrküsten von größtem Wert. Gab das schon zu denken, so scheint ein in der deutschen Presse noch gar nicht gewürdigter Umstand gerade in diesem Zu sammenhang von besonderer Wichtigkeit, daß nämlich der erste Scclord der englischen Admiralität, der alte ackmiral ok tbc- kloat Sir John Fisher, sich im Gefolge Eduards VII. befand. Er pflegt sonst nicht als Reisebegleiter zu fungieren, und lediglich um das Wrack der „JLna" in Toulon in Augen schein zu nehmen, wird er auch kaum vom König dazu auf gefordert sein, Lord Fisher ist bekanntlich seit bald einem Jahrzehnt die Seele und treibende Kraft der Admiralität, er hat die im wesentlichen gegen Deutschland gerichtete Neu organisation der Flotte genial erdacht, sie folgerichtig und mit großer Energie trotz des Kabinettswechsels durchgeführt. Ihm wird das Wort zugeschriebcn, er hoffe noch so lange im Amte zu bleiben, bis die deutsche Flotte auf dem Grunde des Meeres läge. Allein aus seiner Anwesenheit und der Ge flissenheit, mit der die englische Presse immer wieder aus sie hinweist, ließ sich schon einwandfrei schließen, daß Ab machungen maritimer oder marine-politischer Natur zwischen England und Spanien bestehen und durch diese Reise for melle Sanktion erhalten haben. Worin sie bestehen können, läßt sich nach den vorliegenden Nachrichten sicher vermuten: am nächsten liegt die Annahme eines Abkommens ähnlich wie es zwischen England und Portugal bereits besteht, nämlich die freie Benutzung spanischer Häfen in Krieg und Frieden für die englische Flotte. Darin würde naturgemäß auch eine Garantie englischerseits liegen, als Schützer Spaniens ein- zutreten. Ist das oder ähnliches der Fall, so gewinnt die englische Stellung im Mittelmeer trotz augenblicklich ge ringer Flottenvertretung dort ganz enorm an Festigkeit. Zu den weit auseinander liegenden Stützpunkten Malta und Gibraltar kommt die spanische Südost- und Ostküste mit den Haupthäfen Cartagena und Barcelona, außerdem dem vor züglichen und geräumigen Hafen von Port Mahon auf der Insel Menorca. Fragt man, gegen wen sich diese neue Politik richtet, so ist die Antwort: gegen Frankreich. Wie Gibraltar gegen die westalqerischeu Häsen, wie Malta gegen Biserta, so würde Port Mahon ein Gegengewicht gegen Toulon bilden. Wir haben noch im letzten Kriege gesehen, von wie außerordentlicher Wich tigkeit für moderne Flotten das Moment der ört lichen Entfernung und somit umgekehrt die Stützpunkte sind. England würde sich im westlichen Mittelmeerbecken hiermit ein Netz strategischer Linien geschaffen haben, das ihm denkbar günstige Ausnutzung auch verhältnismäßig geringer Streit kräfte gestattet und im wörtlichen Sinne die französischen Linien durchkreuzt.. Diese Erwägung steht keineswegs im Widerspruch zur Feststellung des verhältnismäßig niedrigen Standes der französischen Flotte und einer aus ihr hervor gehenden Passivität und Anschlußbedürftigkeit der über seeischen Politik. Einsichtige Franzosen, an ihrer Spitze der augenblicklich sehr tätige Marineminister, wollen die Flotte wieder auf die Höhe bringen, quantitativ wie qualitativ. Ein umfangreiches Flottengesctz ist bewilligt worden, und man bat den Bau von sechs mächtigen Schlachtschiffen zu je 18000 Tonnen zugleich in Angriff genommen. Die Engländer, ob gleich zumal in der Marine selbst unverhüllte Mißachtung der französischen Flotte gegenüber besteht, haben diese An fänge einer aktiven und stetigen Marincpolitik ohne Freude zu Buch genommen, ebenso die schon jetzt erfolgreich ange bahnte dauernde Konzentration beinahe aller verwendungs fähigen französischen Schlachtschiffe und Panzerkreuzer. Es liegt der Gedanke auch tatsächlich nahe genug, daß die eng lisch-französischen Beziehungen sich mit Erstarkung Frank reichs zur See lockern werden, da sie eben auf seiner Schwäche beruhen. Freilich die der Regierung nahestehen den Blätter äußerten sich mit ungeteiltem Wohlwollen zum spanischen Besuch Eduards >11. und bezeichneten eS nur als natürlich, daß Frankreichs Freund auch Spaniens Freund sei, sonst aber konnte man wohl ein gewisses Mißbehagen wahrnehmen, eine Unruhe und Empfindlichkeit darüber, daß trotz der ententü oorclinlv und der so oft begeistert betonten Harmonie der Interessen England es für nötig zu halten scheint, sich militärisch« Stützpunkte in der Nähe der fran zösischen Festlandskriegshäfen zu sichern. Eine gewisse Rolle mag auch der wirtschaftliche Punkt spielen, für den Fall näm lich, daß das stark an Frankreich verschuldete Spanien sich zum Aufbau feiner Flotte oder ähnlichem England gegenüber engagiert. Diese Dinge mag die Zukunft völlig entschleiern, uuS Tcustchcn kann die teil Algeciras schon feststehende Tat sache genügen, daß jetzt beide Staaten der iberischen Halb insel politische Vasallen Großbritanniens sind, es militärisch entlasten und bei irgend welchen internationalen Veranstal tungen ihm ihre Stimmen zur Verfügung stellen werden. Sache der deutschen Politik wird es sein, den Eintritt ähnlicher Verhältnisse im Baltischen Meer zu verhindern; je stärker unsere Wehrmacht, desto leichter wird es sei«. Verlegung des wechsel; ar; Schul- jabre; vom friidling auf de» ljerbrl. Seit längerer Zeit sind von verschiedenen Seiten Wünsche laut geworden, die darauf abzielen, daß einerseits di« jetzigen Schwankungen in dem Beginne und der Dauer des Schul jahres möglichst bald — unerwartet einer etwaigen Fest legung des Osterfestes — beseitigt, anderseits die Volksschut- ferien jenen der Mittelschulen mindestens dort, wo solche bestehen, anaepaßt werden möchten. Die Prüfung dieser Wünsche hat das Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts zu Erwägungen darüber geführt, ob es sich etwa empfehle, den Wechsel des Schuljahres vom Frühling auf den Herbst zu verlegen und hierdurch den Zustand hcrbeizufübren, der in Oesterreich, Bayern und Baden bezüglich aller Volks und Mittelschulen, in Württemberg wenigstens bezüglich der höheren Knabenschulen schon jetzt besteht. Das Schuljahr könnte dann etwa von Anfang oder Mitte September bis Mitte oder Ende Juli dauern, und an Ferien wären außer den sechs Späffommerwochen etwa IV» Wochen um Weih nachten, 2 Wochen um Ostern, Woche um Pfingsten und nach 'Befinden st-> Woche um die Zeit des ResormationsfesteS einzuschalten. Die an höheren Schulen wirkende Lehrer- sclwft ist in ihrer Mehrheit einer derartigen Maßregel nicht abgeneigt, und tatsächlich läßt sich nicht verkennen, daß damit gewiss« Vorteile, namentlich sür Gymnasien, Real gymnasien und etwaige künftige Oberrealschulen verbunden wären. Zunächst würden die durch Wandelbarkeit dcS Osterfestes bedingten Schwankungen künftighin nicht mehr den für das gesamte Jahrespensum einer Klasse verfügbaren Zeitraum, sondern nur noch dessen beide Hälften betreffen, und man würde ohne allzu großes Bedenken davon absehen können, c'ue Festlegung der Oitcrierien ohne Rücksicht auf das Osterfest vorzunehmcn. dessen Feiertage, wenn sie nickt in die Ferien fallen, «ine unliebsame Unterbrechung des kaum begonnenen Sommerhalbjahres verursachen möchten. Ferner würde d:e oben angcdeutet« Gestaltung der langen Ferien zwar einer- seits das Sommerhalbjahr etwas weiter in die vorauc'etzsta heißeste Zeit hinein ausdehnen, anderseits jedoch erwünschte Gewähr dafür bieten, daß beim Wiederbeginn des Unter richts die Hitzpcriode endgültig vorüber ist. Sodann er- scheint cs vom pädagogischen Standpunkte aus ohne Zweifel wünschenswert, di« längste Unterrichtspause und den mit ibr unausbleiblich verknüpften Verlust erworbener Kenntnisse an den Schluß des Schuljahres zu verlegen. Endlich würde den im Sommer geprüften Abiturienten, sowest sie alsbald ihrer Militärpflicht genügen wollen, die Möglichkeit geboten werden, hierbei mit dem zur Ausbildung militärischer An fänger viel geeigneteren Winterhalbjahre zu beginnen, und die Hochschulen würden nach Befinden in der Lage sein, bei Zusammenstellung ihres Lehrvlanes die Rücksicht auf solche junge Leute, die zu Ostern — als Mediziner zu Michaelis — dos Studium anfanaen, etwas cinzuschränken Naturgemäß fehlt cs nicht, an Bedenken, die einer Aenderung des bcstclv'irden Zustandes entgegengesetzt werden können. Hierher gehört die Verlängerung der Sommer ferien, insofern sic für die Schüler die Gefahr, bishcr Ge lerntes zu vergessen, ,nock> steigert, und auch aus häuslickxm Gründen wohl nur einem Teile der Eltern willkommen sein wird Nicht minder gehört hierher der Umstand, daß Sachsen cben'o. wie es jetzt von den südlichen Nachbarstaaten in der Schuljahroertciluna abweicht, künftighin von seinen nörd lichen Nachbarn — deren Schulcy nur vereinzelt auch Michaeliscöten cingcfiibrt haben — sich unterscheiden würde, wenn man sich nicht etwa dort der veränderten Einrichtung anschlicßcn sollte, wofür anscheinend wenig Aussicht vor handen ist. Allerdings kann eine solche Verschiedenheit zwischen benachbarten, in regem Wechselverkrhr stehenden
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