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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070424020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907042402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907042402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-24
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Mai in Aussicht genommen ist, also der Freitag vor Pfingsten. Ungewiß bleibt aber trotz aller bisherigen Nachrichten/ ob an diesem Tage eine Vertagung des Reichstags bis zum Herbst eiutritt oder ein Schluß der Session. Tie Haager Sonserenz. Wie nunmehr seststeht, hält die englische Regierung daran fest, die Frage der Beschränkung der Rüstungen vor der Haager Friedenskonferenz zur Sprache zu bringen und den Antrag zu stellen, daß dieser Vorschlag von einer Spezial kommission geprüft werden solle. Die »olontattonserrnr. Die Kolonialkonferenz beriet über die militärische Ver teidigung des Reiches. Kriegörniuister Haldane wies darauf hin, daß der südafrikanische Krieg gezeigt habe, wie durchaus notwendig die Kriegsbereitschaft sei, und sprach sich eingehend darüber aus, wie wünschenswert die Ausstellung eines groß- zügigen Planes der militärischen Organisation im ganzen britischen Reiche sei, die durch den vorgeschlagenen General stab geschaffen werden solle. Die einzelnen Premierminister sprachen sodann der Reihe nach ihre Ansichten über die Organi sation der lokalen Streitkräfte in den einzelnen Kolonien aus. — Der Generalstab, dessen Schaffung in der vou der Kolonial konferenz angenommenen Resolution als notwendig anerkannt wurde, und der aus Offizieren der Streitkräfte des ganzen Reiches zusammengesetzt sein soll, soll dazu berufen sein, Verteidigungspläne und Ratschlage für die Ausbildung und die Kriegsorganisation der Truppen der Krone in jeden! Teile des Reiches zu erteilen. Bei der Darlegung der Verteidiguugspläne der Admiralität betonte Lord Tweedmouth besonders die Notwen digkeit einer einheitlichen Kontrolle der Flotte. Tweed- numth erklärte weiter, eines der Ziele der Admiralität sei, die Seeftreitkräste auf einer solchen Höhe zu erhalten, daß sie Eugland die Oberherrschaft zur See in jedem vernünftigerweise als möglich anzuuehmenden Falle sicher«. Er wolle nicht aus weitere Bewilligungen von Mannschaften mit Geldmitteln drängen, ein Mitarbeiten der Kolonien in der ihnen selbst angenehmsten Form würde aber von ihm herzlich willkommen geheißen. Nach einer all gemeinen Diskussion wurde beschlossen, daß die Frage der Seevertcidiguug bis zu einer späteren Sitzung vertagt werden solle, und die Vertreter der Kolonien inzwischen gesondert mit der Admiralität konferieren könnten. Die Konferenz ver tagte sich sodann bis Donnerstag. — Die „Tribüne" meldet: Obgleich noch nichts bestimmtes vorgeschlagen ist, wird an genommen, daß die Kolonialkonferenz über die Ausstellung aus Buren gebildeter berittener Infanterie-Bataillone für den Dienst in Transvaal und ganz Südafrika berät. Es verlautet, Premierminister Botha sei in der Lage, die loyale Dienstleistung von Hunderten von Buren, die den Treueid geschworen haben, zuzusichern. Die Militärbehörden in Lonvon würden die Ausstellung von Burenbataillonen be grüßen, da sie überzeugt sind, daß die Politik des Vertrauens gute Ergebnisse zeitigen würde. König Victors Rede in Spezia hat nicht von Schwesternationen gehandelt, sondern von Schwesterschiffeu. Die zuerst gebrachte Fassung war ein Fehler deS Hirschschen Bureaus. „Grornale d'Italia" bespricht wie das „W. T.-B." meldet, die falsche Meldung des Hirschscheu Telegraphenbureaus und rät der Berliner und Wiener Presse größte Vorsicht an, damit sic nicht tendenziöse Nachrichten einer Fälscherbande aufuehmen. — Was sagt das Hirschsche Bureau dazu? Ter Neubau der spanischen Flotte. Trotz aller Dementis bestätigt sich die Nteldung, daß ein spanisches Geschwader auf englischen Werften gebaut werden soll. Die spanische Regierung wirv demnächst einen Kredit von 400 Millionen Pesetas zur Ausführung dieses Planes vou den Eortes fordern. Golowins Audienz beim Zaren. Der Präsident der Duma Golowin wurde gestern in Zarsloje Sselo vom Kaiser in einer balbstündigen Audienz empfangen. Golowin überreichte dem Kaiier eine Denkschrift über die bisherige Tätigkeit der Duma. Ueber den Empfang beim Zaren erklärte Golowin, der Zar habe sich angelegcnt- lichst nach den Arbeiten der Duma erkundigtund nach An hören eines darauf bezüglichen Berichts die Erwartung geäußert, daß die Duma weiter wie bisher fruchtbringend für das Ministerium arbeiten werde. — Nach einer weiteren Nachricht über die Audienz bat übrigens der Zar dem Duma- Pläsiventen ausdrücklich erklärt, daß von einer Aus lösung der Duma nicht ^le^>eve sein könne. de Trooz. Die Kabinetts-Bildung in Belgien ist noch nickt gesichert. Der königliche Auftrag an de Trooz ist nur eventuell erteilt für den Fall, daß eine Mehrheitsbiloung gesichert wird, de Trooz erilärte sich prinzipiell bereit, bat jedoch um einige Tage Bedenkzeit zu gründlicher Sondierung der Sachlage. de Trooz gilt als ausgesprochener Reattiouär; ob ihm die dauernde Versöhnung der Imrgklerikaleu gelingen wird, erscheint zweifelhaft. Terrilortalarmcebill angenommen! Im Verlaufe der Beratung der Vorlage der Territorial armee durch das Unterhaus ' wies KriegSmimsier Haldane darauf hin, daß die Premierminister der Kolonien einstimmig erklärten, daß seine — Haldancü — Vorschläge der beste Plan für die Organisation des Heeres seien, und daß sie vorgeschlagen haben, diese Vorschläge für die Organisationen ihrer eigenen heimatlichen Streitkräfte als Muster zu nehmen, sodaß nicht nur 300 000 Mann, die die englische Territorialarmee bilden, vorhanden sein würden, sondern daß im ganzen Reiche eine Kette von Territorialstreitkräslen bestehen würde, was eiu wirkliches Gefühl der Sicherheit verleihen könnte. (Beifall.) Die Regierung betrachtet die Vorlage als Bollwerk gegen die allgemeine Aushebung. Die zwerte Lesung der Vorlage wurde mit großer Mehrheit angenommen. — Die Arbeiter partei hatte durch Macdonald vorher die Ablehnung der Vorlage verkünden lassen, in der sie den ersten Schritt zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht erblickt. politisches. Mehr Fürsorge für unsere Soldaten. tb. In der Budgetkommission des Reichstags und am Dienstag auch im Plenum des Reichstags ist man dafür warm eingetreteu, daß unseren Soldaten die Gcbührnssse ausgebessert werden. Man wünscht nicht, daß eine luxuriöse Lebensweise eintreten soll, zumal für Wohnung, Kleidung und Essen ja genügend gesorgt ist, sondern man wünscht, daß auch die allgemeinen Teuerungsverhälinisse für die Soldaten berücksichtigt werden und ihnen das Leben ein wenig gemüt licher in den Kasernen gemacht werde. Für die Arbeiter ist in den letzten Jahren genügend gesorgt worden in finanzieller als auch hygiensscher Hinsicht, auch in geistiger Hinsicht hat man manche Verbesserungen vorgenommen und hat in, Fabriken Bibliotheken, Lese- und Spielzimmer errichtet. In derselben Weise soll nun auch für unsere Soldaten vorge- gangcn werden. Die Wünsche, die im Reichstage als auch in militärischen Kressen laut werden, sind folgende: 1) ES ist bekannt, das, Soldaten ohne Zulagen von irgend einer Seite heute nicht mehr auskvmmcn, um sich Wurst zum Brot, ab und zu eine Zigarre zu leisten. Der Soldat erhält an barem Gelbe monatlich 6,60 ./(. Dafür hat er sich Putz zeug, Bürsten, Seife zu besorgen und seine Wäsche waschen zu lassen. Auch für Rasieren und Haarsckneidcn muß er be zahlen. Was ihm nach Abzug dieser Kosten übrig bleibt, ist fast nichts, auch bei äußerster Sparsamkeit. Es wird daher angeregt, die Löhnung um 1,50 .ll pro Monat zu erhöhen. obgleich dies dem Staate 18 Millionen Mark Mehrkosten verursachen wird. Das Geld wäre durch eine Weyrsteuer aufznbringen 2s Wünschenswert wäre es, wenn den ncucintrteendcn Rekruten dre Kosten für die anzuschaffenden 'Bedarfsartikel (Bürsten, Schmieren, Kämme, Spiegel, Taschentücher, Strümpfe, Putzschürze, Pantoffel, Gabel, Messer, Löffel, Spindschloß usw.) ersetzt würden, da diese Gegenstände etwa die Summe von 9 .ik ausmachen und mancher Mittellose zur Bestreitung dieser Summe schon Schulden machen muß, die er bei der knappen Löhnung nicht wieder abzahlen kann. 3) Erstattung der Kosten an Zahnärzte bei zahnärztlicher Behandlung, die bisher der Mann zu tragen hatte. 4) Bessere Beleuchtung der Stuben, um dem Manne ein angenehmes Heim zu bereiten, und ihn nickt auf Kneipen an gewiesen sein zu lassen, wenn er Briefe schreiben will. 5) Errichtung besonderer Soldatenbibliotheken, Lese zimmer, Billardzimmer, nach Art der Soldatenheime. G h. Der ueue Gouverneur von Köln. Wie wir aus zu verlässigster Quelle erfahreu, soll Generalleutnant Graf von Kirchbach, Kommandeur der 17. Division in Schwerin, an Stelle des zur Disposition gestellte» Ge- rrerals der Infanterie Freiherrn von Gall, zum Gouver neur von Köln ernannt werden. Günther Em. Graf vou Kirchbach verließ 1868 das Kadettenkorps und machte als Leutnant im Garde-Füsilier-Regiment den Feldzug 1870/71 mit, 1876 wurde er zum Generalstvb kommandiert, 1878 zum Hauptmann befördert und 1881 Kompagniechef im Königs-Grenadicr-Regiment Nr. 7. Im Jahre 1885 zum M>jutanten des Generalkommandos des V. Armeekorps ernannt, wurde er 1890 Bataillonskommandeur, 1893 Oberstleutnant im Mecklenburgischen Grenadier-Regiment Nr. 89, 1896 mit der Führung des 2. Garde-Regiments be auftragt, das er bis zu seiner Ernennung 1899 zum Ge- neralmajvr und Kommandeur der 71. Brigade behielt. 1903 als Generalleutnant zu den Offizieren der Armee versetzt, führte er bis jetzt die 17. Division in Schwerin. 8 Sächsische Laudtagswahl. Aus Zittau schreibt man uns: Der Nationalliberale Verein hat mit der am Montag abgehaltenen, vou Gästen und Mitgliedern gut besuchten Versammlung seine Agitation für die bevorstehenden Land- tagswahlen begonnen.. Der Kandidat, Herr Lehrer Pflug, hielt zunächst eine Ansprache, die im großen und ganzen eine Antwort aus die in der Versammlung des Vereins der Frei sinnigen Volkspartci vsin 25. Mär, gehaltene. Die Ausführungen erfreuten sich einer sehr beifälligen Auf nahme. In der sich anschließende» Debatte trat besonders Herr Fabrikbesitzer Zucker als Industrieller sehr war«, für >die Kandidatur Pflug ein. Die lebhafte Anteilnahme der Besucher an den Verhandlungen, ihre freudige Zustim mung zu den Ausführungen des Kandidaten berechtigen zu der Hoffnung, daß die nationalliberale Partei durch die Kan- * didatur Pflug ihren 14jährigen Besitzstand behaupten wird. Feuilleton L co Clemens Brentano. waren, -ine vauptrouen in oer nacy- ryat, oer »ammeryerr von Viiwoisweroer, welcyer gieicy' törichtsten Aberglauben« spielten «in« 1 zeitig Stallmeister des Herzogs war, der Kammerherr und N U N R Gott! Dein Himmel faßt mich in den Haaren. Deine Erde reißt mich in die Hölle. Herr! Wo soll ich doch mein Herz bewahren. Daß ich deine Schwelle sicher stelle? Also fleh ich durch die Nacht, da stießen Meine Klagen hin wie Feucrbronnen. Die mit glühnden Meeren mich umschließen; Doch inmitten hab ich Grund gewonnen. Rage hoch gleich rätselvollen Riesen. Memnons Mld. des Morgens erste Sonnen Fragend ihren Strahl zur Stirn mir schießen. Und den Traum, den Mitternacht gesponnen, llb ich tönend, um den Tag zu grüßen. hohe fürstliche Persönlichkeit und ein Abenteurer der schlimm-1 sten Sorte, nämlich der Herzog Karl von Kurland und der ehemalige Leipziger Kafseewirt Johann Georg Schrepfcr. Der erstere war der Sohn des regierenden Kurfürsten August III., wurde 1758 zum Herzog von Kur land gewählt, mußte aber 1763 dem von Katharina II. wieder eingesetzten Herzog von Biron weichen und lebte seit dem in Dresden. Im Jahre 1772 in ^cn Freimaurerbund ausgenommen, standen die sächsischen Logen unter seinem Protektorate. Schrepfer, als Sohu eines Gastwirts in Nürnberg geboren, 'war im Anfang des Siebenjährigen Krieges preußischer Husar, nachher Küper, zuletzt Kaffee wirt in Leipzig. Ob und wo er Maurer geworden, hat sich nicht foststellcn lassen. Er gab sich für einen Gei ster be sch wörer aus und behauptete, diese Kunst in der Loge erlernt zu haben. Der Loge Minerva zu Leipzig gegenüber, die ihn dieserhalb zur Rede gestellt, l>aite er sich auf den Herzog Karl von Kurland berufen, und als dieser ihn des avouierte, eine Schmähschrift gegen denselben geschrieben. Der Herzog beauftragte den Oberstleutnant v. Sydow, ihn zu züchtigen, und dieser begab sich mit einigen Unteroffizieren nach Leipzig, ließ Schrepfer auf eine Wachtstube bringen und ihm 100 Stockprügel ack posloricira. applizieren, über die er noch folgende Quittung auszustellen genötigt wurde: „Ich Endesunterschriebcner bekenne hierdurch und kraft dieses, daß ich die von Sr. K. H. des Prinzen Carl von Kurland mir dekretierten ein Hundert Prügel dato richtig erhalten habe. Leipzig, 18. September 1773. Joh. George Schrepfer." Diese Gewalttätigkeit ward mit einiger Mühe durch den Minister Gutschmidt vertuscht, und als der Schwindler ein Jahr später in Dresden als angeblicher französischer Oberst in der Uniform eines solchen und unter dem Namen Baron von Steinbach ler gab sich für den natürlichen Sohn eines französischen Prinzen auS) auftauchte, da gelang es dem kecken Patron für seine Geisterbeschwörungen und für die Vorspiegelung, als könne er über die Schätze des damals aufgehobenen Jesuitenordens verfügen, bei Männern, die dein sächsischen Hofe nahe standen, ebensowohl Glauben zu finden, wie bei dem Herzog von Kurland selbst, ja, dieser wurde bald mit ihm so vertraut, daß man den königlichen Prinzen mit dem Leipziger Kafseewirt Arm in Arm auf der Straße gehen sah. Schrepscrs Ruhm als Gcssterbeschwörcr hatte weit und breit Anhänger gefunden. Dieselben Leute, welche berichten, daß das Dresdner -Obcrkonsistorium den Philosophen Fichte als Verfasser eines Aussatzes „Ueber den Glauben an eine göttliche Weltregierung" vei der Universität Jena wegen atheistischer Lehren denunzierte, ließen sich von einem so plumpen Betrüger, wie Schrepfcr cs war, nasfüh- ren. Der Herzog von Kurland lullte ein besonderes Interesse, seinen jüngst verstorbenen Oheim, den Chevalier de Saxe, aus dem Jenseits zitieren zu lassen, sollte derselbe doch an geblich einen «roßen Schatz hinterlassen luibcn, den der .Her- zog jedoch nicht anssinden konnte. Es war also nicht allein Begierde, über den Zustand des Verstorbenen nach dem Tode etwas zu erfahren, es war auch das liebe Geld, das hier mitspielte. In einer Sommernacht des Jahres 1774 sollte der Geillerivuk vor sich gehen, und zwar im sogenannten Kur länder Palais selbst, wo der Oyeim des Herzogs gewohnt hatte. Um die mitternächtliche Stunde fanden sich in dem großen Saale des Palais 19 Personen ein, darunter außer dem Herzog der Minister v. Wurmb, der Baron von Hohen, thal, der Kammerherr von Bisckosswerder, welcher gleich Lius <8eifterbesct)w§rung inr alten Dresden. Bo» Dr. Max Dembski (Dresden). Es ist ein allgemeiner Zug des 18. Jahrhunderts, daß in ihm mit der zunehmenden, teils wahren, teils falschen Auf klärung, eben weil sie erst ein Losreißen von dem Schlimmen und Guten des ulten Glaubens, ein Erkennen mancher Irr tümer ohne Erfassen neuer Wahrheiten, ein zerrissenes Ahnen ohne Gewinnung neuer, tieferer Grundlagen war, eine seltsame Empfänglichkeit für zum Teil sehr grobe, mystische und phantastische Torheiten, für jeden Aberglauben, der sich in neuer Form ankündigte, Hand in Hand ging. Der berüchtigte Graf von St. Germain, der behauptete, 350 Jahre alt und im Besitze eines das Leben verlängernden Elixiers zu sein, C ag l i o st r o, der Messias aller trübseligen Schwärmer, kabbalistischen und pietistischen Schwachlöpfe, der Hohepriester des Aberglaubens und der Verdummung, M eßincr mit seinem tierischen Magnetismus, der Teufels banner Gaßner, der durch die materialistische Richtung seiner Schädellehre zu europäischem Ruhme gelangte Gall, selbst Lava ter, dessen Haupkstrcbcn es war, den Ideen des Nationalismus und der Aufklärung entgegen zu wirken, S t. M a r t i n , der die verschiedenen Richtungen des Mysti zismus und der Theosophie in feiner Person zu vereinigen wußte, die Schwärmcrsckte der Konvulsionäre, die Nachklänge der Goldma ch-er e i, die zahlreichen geheimen Orden und Verbrüderungen, die Rosenkreuzer und die Illuminaten und viele ähnliche Erscheinungen beweisen schlagend, wie bunt damals Unglaube und Aberglaube sich in einander mischten und wie leicht cs der plumpen Scharla tanerie siel, das zu mißbrauchen. Auch in Sachsen blieb das nicht ohne Nachklang und findet in der Wirksamkeit des Gcisterbescbwörers Schrepfcr «einen augenfälligsten Ausdruck. Es scheint, daß die sächsische Freimaurerei, wie sie in den Jahren 1771/72 durch ihre mild- lätigen Bemühungen für Milderung des außerordentlichen Nosstandes im sächsischen Erzgebirge einen wesentlichen Auf schwung nahm, doch auch in dieser Zeit, von anderer Seite her, in Richtungen gezogen wurde, welche ihrem reinen und einfachen Zwecke fremd waren. Die Hauptrollen in der nach- folgend«» Episode de« törichtsten Aberglauben« spielten «iw Geheime Kricgsrat von Hopfgarie» und de: Artillcricobevst Frühen, Adjutant des Herzogs,- man sicht, alles Leute von „Consiberation und Respektabilität", wie cs in der zeitgenös sischen Berichterstattung heißt. Schrepfer eröffnete den Ver sammelten, welche sich zuerst davon überzeugen mußten, daß alle Fenster und Türen wohl verschlossen waren, die Hand lung, welche er vorhabe, werde alle ihre Festigkeit in An- spruch nehmen, er fordere sie daher auf. sich durch ein Glas Punsch, welchen eine bereitstel-ende Bowle enthielt, zu stärken, was in ausgiebigem Maße geschah. Ueber die wei teren Vorgänge erzählt der damals in Dresden lebende Eng- länder Wraxall in seinen Heraoii-8 ok tsta ocmrt ob Lor- lin, vrenlen. ata. (London 1800), wie er versichert, nach den Angaben eines Augenzeugen, den er zwar nicht nennt, aber als einen Mann von Verstand und Mut bezeichnet, folgendes: In einer Ecke des Saales niederkniend, begann Schrepfcr hierauf die Beschwörung der Geister, welche er zu seiner Hilfe herbeiricf: eine geraume Zeit hindurch waren seine Bemühungen vergeblich, er strengte sich dabei so sehr an, daß er in heftigen Schweiß geriet und Konvulsionen nahe zu sein schien. Plötzlich hörte man an der Außenseite der Fenster ein lautes Getöse, dem ein anderes Geräusch folgte, gleich als ob mit nassen Fingern über den Rand von Gläsern gestrichen würde. Schrepfer gab an, diese Töne verkündeten ihm die Ankunft guter, ihn schützender Geister, und er schien dadurch zum Fortsahren ermutigt. Kurze Zeit darauf eH'choll ein Schrecken erregendes Gebrüll, welches von ihm als von bösen Geistern ausgehend bezeichnet ward, deren Gegenwart aber zur Entwickelung ebenfalls nötig sei. Die Mehrzahl der Gesellschaft war bereits mit Entsetzen erfüllt, mindestens in einen hohen Grad von Spannung versetzt. Als Schrevfer jetzt seine Beschwörungen sortsctzte, sprang plötzlich die Tür des Saales mit Krachen auf, und herein wälzte üch eine große, schnmrzc, rauch- oder nebelumhülltc Kugel, in deren Milte sich ein menschliches Antlitz zeigte, welches dem Cheva lier de Saxe (natürlicher Sohn Friedrich Augusts I. von der Fürstin von Teschcn) glich. Eine laute und zornige Stimme rief: „Carl, was wolle du mit mich, warum störst du mich?" Die Versammlung war so in Schrecken gesetzt, daß keiner es wagte, die Erscheinung näher zu untersuchen; der Herzog von Kurland sank auf die Knie und flehte zu Gott um Gnade, während die andern in den Beschwörer drangen, die Er- scheinunq verschwinden zu lassen. Dies schien aber nicht in Schrepscrs Macht zu liegen, beinahe eine Stunde verging in vergeblichem Bemühen. Endlich gelang cs seinen Beschwö rungen, die Äugel rollte durch die Tür, die sich hinter ihr schloß, die Versammelten begannen wieder ihre erschöpften Lebensgeister zu sammeln, als plötzlich zu ihrem Entsetzen, die Tür nochmals aufsprang, und die geheimnisvolle Kugel sich wieder ihren Augen zeigte. Selbst die Mutigsten konn ten sich jetzt eines Sckiauers der Furcht nicht erwehren. Wiederholten und gesteigerten Anstrengungen Schrepscrs wich endlich die Erscheinung, und die erschreckten Zuschauer eilten davon, in der festen llebcrzcugung, daß übernatürliche Kräfte Schrepfcr zu Gebote ständen! In einem eigenhändi gen Briefe des Herzogs von Kurland an den Prinzen Fried rich August von Braunschweig über djesc Geisterbcsclmrörung bezeichnet der Herzog das Gesehene „fast den Gdrüben über steigend". Schrepfer, der sicher ein sehr gewandter Betrüger gewesen sein muß, war übrigens klug genug, in der Wahl seiner Zuschauer vorsichtig zu sein. So erhielten z. B. in Dresden kritisch veranlagte Männer, wie die Generalmajore Bennigsen und Tettingen, der Oberst Agdolo und der Ge heime Finanzrat Ferber, auf ihren ausgesprochenen Wunsch, den magischen Operationen beizuwohnen, abschlägige Ant worten. Der starke Punsch, den Schrepfer seinen Zuschauern stets in reichlichen Quantitäten vorzusetzen pflegte, wird die- sen wohl mehr oder minder die Sinne benebelt und ihre Urteilskraft geschwächt haben. Schrepscrs Treiben wirst ein grelles Licht in die dumpfen trüben Tiefen des Mysti zismus, der, im vollsten Gegensätze zu den Fottschritten der Aufklärung, im 18. Jahrhundert aus dem Zusammenwirken von Aberglauben, sittlichem Drang und religiöser Empfin dung entstand. Schrepscrs Geisterbeschwörungen fanden ein großes und gläubiges Publikum, und zwar waren jene Leute, welche zu Schrepfer hielten, nicht alle samt und sonders nur unzurechnungsfähige Tröpfe. Keineswegs; es gab unter ihnen, wenn auch nicht außergewöhnlich scharfsinnige Köpfe, so doch Leute von gesundem Menschenverstand aus den besseren Schichten der Gesellschaft, Kaufleute, Industrielle, ja auch einige Persönlichkeiten von literarischer Bildung, einige Juristen und, wie wir gesehen haben, verschiedene Adlige, die im gewöhnlichen Leben als «an; tüchtige Mit- «lieber der menschlichen Gesellschaft angesehen wurden. Allerdings fällt es schwer, sich den scheinbaren Widerspruch zu erklären, daß verständige Leute sich von solchen Alfan zereien düpieren lassen konnten. Indessen muß man dabei erwägen, daß die Leichtgläubigkeit in mystischen Dingen geradezu eine Schwäche der damaligen Zeit war. An ge heime Wissenschaften, an Geister und Gespenster zu glauben, gehörte keineswegs zu den Ungeheuerlichkeiten. Es kam gar nicht selten vor, daß die Zeitschriften eine Gespenster geschichte in aller Breite und Ausführlichkeit erzählten uni daran zu jedermanns Nutz und Frommen einen sehr ernsten und eingehenden Kommentar knüpften, in welchem sic von der Torheit, an derlei zn glauben, überzeugen wollten und mir alleni Aufwande an antiquarischem und gelehrtem Apparat, an Beweisstellen ,rus den alten und »eueren Philosophen und Humanisten gegen den Gcspenstcrwahn zu Felde zogen. In engem Zusammenhang mit dem Streben, teils auf philosophiscl-cr Grundlage, teils aus pietistisch-mystischen An. sclxiuuiigen heraus, die Läuterung der Mcnscheisscele und womöglich die Anbahnung einer unmittelbaren oder durch die Gersterwelt vermittelten Gemeinschaft mit Gott zu er reichen, stand auch die Entwickeluna und Vcrbrcituna der beiden zu jener Zeit wichtstsstcn Logenrichtungen, von denen die schottische Loge (die „strikte Qbservanz", auch Templer- hcrronlogc genannt) sich ans die Erforschung der Mittel zur Erlanguna der „höchsten Erkenntnis" beschränkte, während die Rosenkreuzer mit Maaic und Geistcrsvuk zu dem be- zeichneten Ziele zu gelangen suchten. Für die letztere Rich- tung. die weinger verbreitete, war Schrepfer tätig, im Dienste der Jesuiten — wie wahrscheinlich gemacht worden ist —. ihnen mußte ja diese Beförderung der Verduinmuna und Knechtschaft der Geister erwünscht sein. Durch den Dresdner Gesstcrspuk übermütig gemacht, strebte Schrepfer noch nach höherem Ruhme. Im aeheimen Einverständnis mit dem Grasen Brühl und dem berüchtigten Hofprcdiger Stark, einem Jesuitcnzöglrng. ließ iich der Mi nister v. Wurmb dazu bcrbei, einen geheimen Vertrag mit Cchrepser einznachcn. dessen Ziel offenbar war. die Protek tion des Kurfürsten und der hohen Staatsbeamten für Sckrepscrs Maurcrci. also für die Befördern»« des Jesuitis. mus zu erkaufen. Dieser Plan war zu kühn, als daß er hätte aelinaen können. Die Gesellsclmst Jesu zog die Hand von ihrem Schützling ab^der sächsische .Hof löste jede Ver bindung mit ihm. und Schrepfcr wurde durch ferne zahl reichen Gläubiger so in die Enge getrieben, daß er frei willig aus dem Leben schied. Er erschoß sich am Morgen des 8. Tktobcr 1774 im Leipziger Rosentale. Schrepfer hatte seinen Hokospokus in ein förmliche« System gebracht. Er unterschied zweierlei maglsche Arbeiten,
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