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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.04.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070429018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907042901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907042901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-29
- Monat1907-04
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Ämtsblatl des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. für Anserote ans Leipzig ». ümgeb«»g dt» 6aespalteue Petüzeilr 2Ü Pf, ßn-nzielle L» zeige, SO K, Ne0am« 7dU^ von auswärts SO Pf, Levomen 1 1L; vom Lnsland SO Pt, ftuon». Auzetg« 7L Pf, Reklamen l.üO M. Inserate v.Behörden im amtlichen Teil 4VPf. Beilagegrbühr ü M. p. Tausend exkl. Bost- gebühr. Geschäftsanzeige» an bevorzugter Stelle im Preis« erhöht. Rabatt »ach Tarss. FeslerteiU» Aufträge kSunen nicht zurück gezogen wer den. Kür da« Lr«deinen an deillmmten Tage» und Blühen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AuguftuSplach 8. bet sümtiichen Filiale» u. allen Annoncen- LlpedUioneu des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berit«: TarlDun cke r-Herzgl-BayrHofbuchhandlg, Lützowslraße 10 (Tel. Vl. 4M3'. Nr. 1l8. Montag 29. April 1907. 101. Jahrqanq. Var Wichtigste vom Lage. * Der Kaiser besichtigte gesteru nachmittag die H oh» königsburg und di« Fides-Kirche in Schlett- stad t. Abends traf er wieder in Straßburg ein. IS. Letzte Dep.) * Der Kronprinz ist gestern von seinem Schwe riner Aufenthalt wieder iu Potsdam eiuge- trofsen. IS. Letzte Dep.) * Der italienische Ministerrat hat zu Ver tretern Italiens auf der Haager Konfe renz ernannt den ehemaligen Minister Iusinato, den Pariser Botschafter Grafen Tornielli und den Unter staatssekretär im Ministerium des Aeußern Pompili. * Gestern wurde i« Leipzig die Hauptversamm lung desBörseuvereinS der deutschen Buch» Händler abgehalteu. IS. d. bes. Art.) * In Königsberg sind gestern die neuen Handel-Hochschul» kurse mit einem Festalte eröffnet worden. (S. Letzte Dep.) * Vorgestern abend gegen 10 Uhr erfolgte ans der Insel Stromboli eine starke Eruption mit einer Erd erschütterung. (S. Letzte Dep.) * In der vorletzten Nacht ist von Hamburg als erstes Schiff des neuen Afrikadlenstes der Hamburg-Amerika-Linie die „Kamerun", früher „Ernst Woermann", nach Kamerun in See gegangen. * Bei den gestrigen Rennen in Wien gewann die Trial-Stakes (40 000 Kronen) Herrn N. v. Szemeres br. H. „Langolo" in einem Felde von acht Pferden. Vie ba<iisck>e Minirterirrsti;. Unser badischer Mitarbeiter schreibt uuS: Die Amtsniederlegung des badischen Ministers d«S Innern Dr. Schenkel bildet den Abschluß einer bedeut- samen Epoche der inneren badischen Geschichte, die mit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts für die badischen Landtagswahlen eingeleitet wurde. Sie hat daher, auch ohne daß sie einen Systemwechsel zu bedeuten braucht, die öffentliche Meinung mehr beschäftigt, als das sonst bei Ministerwcchseln in den deutschen Mittelstaateu der Fall zu sein Pflegt. Das direkte Wahlrecht in Baden ist von Schenkels Namen unzertrennlich und sein eigenstes Verdienst. Zu seiner Ein führung wurde er berufen, nachdem sein Vorgänger Eisenlohr gerade über dieser Frage zurückgetreten war. Und die Ein führung ist ihm, nach den schwierigsten Verhandlungen zwischen der Regierung, der Ersten und Zweiten Kammer schließlich fast wider Erwarten gelungen. Aber bereits mit den ersten unter dem allgemeinen Wahlrecht im Herbst 1905 vollzogenen Wahlen setzte die Ministerkrisis ein, die jetzt, nach 114 Jahren, durch Schenkels Abgang ihren Abschluß ge funden hat. Jener erste Wahlkampf brachte bekanntlich nicht nur den Block der liberalen Parteien, sondern auch das vielberufene Stichwahlabkommen des Blocks mit der Sozial demokratie. So wenig der Minister an dem Zustande kommen dieses Stichwahlabkommens irgendwie aktiv beteiligt war, so sehr hatte er doch seine Notwendigkeit zur Behaup tung der antiultramontanen Tradition der badischen Regie rung erkannt. Und er hat aus dieser Erkenntnis seine poli tischen Konsequenzen gezogen. Damit aber setzte er sich aller- dings in direkten Gegensatz zu den Anschauungen des Groß herzogs, der seiner Mißbilligung des Stichwahlabkommens verschiedentlich den unzweideutigsten Ausdruck gegeben hat. Dieser Gegensatz ist von den Ultramontanen, die in Schenkel nicht mit Unrecht ihren schärfsten Gegner sahen, weidlich ausgeschlachtet worden. Er gab aber auch den eigenen Aktionen des Ministers häufig etwas Unsicheres und Un klares. Dabei hat Schenkel Wohl nicht immer taktisch ge schickt operiert. So war kurz vor der Stichwahl im amtlichen Negierungsorgan, der „Karlsruher Zeitung", ein Leitartikel erschienen, der nur als Billigung des Stichwahlabkommens durch die Regierung aufgefaßt werden konnte. Der Minister hat den Artikel später von seiner Person abgeschüttelt; aber die Tatsache blieb besteben, daß der Artikel im Regierungs organ unbeanstandet Ausnahme gefunden hatte. Jedenfalls hat Schenkel den Versuch gemacht, die Sozial demokratie, die mit ihren 12 Vertretern im badischen Land tage das Zünglein an der Wage bildet, als gleichberechtigte Partei auch regierungsseitig anzuerkennen, und sie so zu aktiver Beteiligung an den Aufgaben der Gesetzgebung wirk lich beranzuziehen. In Baden, wo die revisionistische Stimmung in der Sozialdemokratie schon mehr als einmal das Mißfallen der Gesamtpartei erregt hatte, waren die Voraussetzungen zu einem solchen Versuch günstiger als anders wo. Gewiß war dieser Versuch ein Wagnis. Aber ihn nur ernstlich unternommen zu haben, erscheint uns an sich schon als ein Verdienst. Es wäre zuviel gesagt, wenn man den Versuch schon jetzt als gelungen oder mißlungen zensieren wollte. Dazu war die Zeit einer parlamentarischen Session zu kurz. Aber sicherlich sind die bisherigen Resultate, trotz gelegentlich scharfer AuSbrüche gegen den Minister, nicht weniger als ungünstig gewesen. Schenkel mag gehofft haben, seinen Versuch völlig durch führen zu können, und durch sein Geling«» die Richtigkeit seiner, auf eine innerliche Ueberwindung der Sozialdemo kratie gerichteten, Politik auch an höchster Stelle erweisen zu können. Wenn er abtreten mußte, ehe er seine Taktik hat zu Ende durchführen können, so hat da- verschiedene Gründe, deren wichtigster «ach unserer Auffassung gar nicht einmal politischer, sondern rein persönlicher Natur gewesen ist. Wir «einen die sarkastisch überlegene Redeweise des Ministers, welche menschliche Empfindlichkeiten gar zu wenig beachtet, und die sich jedenfalls mehr für den Parteiführer als für den RegierungSmann eignet. Diese Art, die ihm auch in anderen Lagern Feindschaften zugezogen hat, hat er am ge flissentlichsten der Sozialdemokratie gegenüber herausgekehrt. Es hat uns manchmal geschienen, als ob er der Sozialdemo kratie gegenüber diesen persönlichen Sarkasmus sogar mit vollem Bewußtsein zur Ausgleichung oder Verschleierung seines sachlichen Entgegenkommens gegen die Sozialdemo kratie angewend«t habe. Aber das hätte dem Minister höchstens seine Stellung im Parlament erschwert, eine Be schleunigung der Krisis wäre von dieser Seite nicht zu er warten gewesen, wenn die letzten Monate nicht eine ganz unerwartete und fast unverständliche Koalition der Sozial- demokratie mit der badischen Fabrikinspektion gegen den Minister gezeitigt hätte. In der badischen Fabrikinspektion war vor einigen Monaten ein sowohl sachlicher, wie persönlicher Konflikt zwischen dem Leiter der Fabrrkinspektion, Geheimrat Brtt- mann, und der weiblichen Beamtin Fräulein Dr. Baum, au-gebrochen, der dann auch zum Ausscheiden der letzteren aus der Fabrikinspektion geführt hat In diesem Konflikt hatte daS Ministerium sich mit Recht auf die Seite der Fabrikinspektorin gestellt, und dem Leiter der Fabrik inspektion mündlich und schriftlich seine Mißbilligung aus gesprochen. Mit der gesamten politischen Presse hatte auch di« Sozialdemokratie dem Minister energisch sekundiert und tie Bittmannsche „Berprengaap" der badischen Febril- inspektiou scharf gegeißelt. D»e Stellung des Fabrlkmsprk- lcrS schien unhaltbar. Da veränderte die Sozialdemokratie einer schönen Tages die Front nnd führte die von ihr an gegriffenen Verprenßungstendenzen der Fabrikinspektion plötzlich auf den Minister selbst -nriick. Das berührte um so eigentümlicher, als Schenk«! schon vor seiner Mrrnster- schaft, als Ministerialdirektor, als der Förderer und Schützer der vorbildlichen WöriShofferschen Ausgestaltung der badischen Fabrikinspektion gegolten hatte. Die Sozialdemo kratie begründete nun -war ihre über Nacht veränderte Stellungnahme mit ihr gewordenen „genaueren Informa- tionen", die ihr nach Lage der Ding« nur auS der Fabrik inspektion selbst zuteil geworden sein könnten; aber ihre nähere Kenntnis hat sie bis heute der Oeffentltch- keit vorenthalten. Sei dem nun, wie es sei, die Rehabilitie rung des Jabrikinspektors iu der Arbeiterschaft mußte der Minister Wohl oder übel als eine Schwächung seiner Stellung dem Fabrikinspektor gegenüber und als eine Erschwerung seiner ministeriellen Tätigkeit empfinden. Weit mehr als darin aber dürfte im Ausfall der badischen Neichstagswahlen das zuletzt ausschlaggebende Moment für den Rücktritt des Ministers zu erblicken sein. Baden ist ja der einzige größere Bundesstaat, in welchem die Sozialdemo kratie bei den Reichstagswahlen keine Einbuße erlitten hat. Wir haben darüber bereits in Nr. 47 vom 16. Februar d. I. geschrieben. Daß dieser Erfolg der Sozialdemokratie in Baden auch mit der durch das Stichwahlabkommen prokla mierten und durch die Taktik der Regierung sanktionierten Bündnis- und Verhandlungsfähigkeit der Sozialdemokratie zusammenhängt, kann einem Zweifel ja auch nicht gut unter liegen. Für den, der mit Schenkel außer der äußeren Nieder werfung auch noch eine innere Ueberwindung der Sozial, demokratie kennt, ist die Abtrennung gerade der revisio nistischen Landesgruppe von dem Geschick der Gesamtpartei noch lange nicht die betrübendste Erfahrung der letzten Reichstagswahl. Aber nach der unvorhergesehenen Zurück- drängung der Sozialdemokratie im Reiche war mit einem Schlage alles so auf den Ton des Niederreitens gestimmt, daß das ziffermäßige Manko der nicht sozialdemokratischen Wählerziffern als eine starke Belastung des betreffenden Regierungskontos empfunden wurde. So hat es nicht an Stimmen gefehlt und es fehlt heute noch nicht an Strö mungen, welche aus dem Ausfall der Reichstagswahlen in Baden ein Fiasko der Schenkelschen Politik, sehr zu Unrecht, stempeln wollen. Dieser Stimmung gegenüber mag der Minister seine Position für nicht mehr oder noch nicht ge festigt genug angesehen haben. Dennoch wäre es zum mindesten vorschnell, in Schenkels Abgang trotz des wahrscheinlich etwas weiter nach rechtS neigenden Nachfolgers einen Systemwechsel in der badischen Regierung zu erblicken. Ei» Systemwcchsel wäre nur mög lich, wenn die Regierung sich auf Konzessionen gegen den Ultramontanismus einließe. Dem widerspricht aber zunächst die Persönlichkeit von Schenkels Nachfolger, des Freiherrn von Bodman, der, ein Schwager Heinrich von Treitschkes, doch, obwohl katholisch, durchaus antiultramontan gerichtet ist. Er war, nebenbei bemerkt, bei den vorletzten Reichs- tagswahlen erfolgloser liberaler Gegenkandidat des im Kon stanzer Wahlkreis ausgestellten und gewählten Ultramon tanen. Zu einem Systemwechsel nach der ultramontanen Seite hin wäre aber auch die allgemeine politische Situation am allerwenigsten angetan. Diese Situation trifft der nene Minister an, wie im Reiche, so in Baden selbst. Denn die Kooperation des Liberalismus mit der Sozialdemokratie, wie sie sich außer im Stichwahlabkommeu, besonders auch in der Wahl des sozialdemokratischen zweiten Vizepräsidenten inS Landtagspräsidium, ausdrückte, hat nicht die Regierung, sondern haben die Parteien selbst geschaffen. Schenkel hat nur regierungsseitig diese Parteikonstellation politisch der- wertbar gemacht. ES ist nicht anzunehmen und wäre vom Standpunkt einer antiultramontaneu Politik auS außer- ordentlich gewagt, wenn sein Nachfolger diese Situation, nachdem sie sich eingelebt und, bisher wenigsten-, auch sach lich bewährt hat, zu ändern suchen würde. Schenkel hat sich in dieser Situation politisch verbraucht, teil- auS persön lichen, teils auS sachlichen Gründen, die außerhalb seine- Einflusses lagen. Aber es hat sich dabei doch nur die alltägliche politische Erfahrung wiederholt, daß der erste in den Abgrund springen muß, damit der zweite unangefochten daS Gleich« fortsetzt, va- der erste hat büßen müssen. So glauben vir, daß auch die Regierungspolitik de- Herrn von Bodman vielleicht in der Form, aber nicht in der Sache wesentlich anders sein wird, als die Politik Schenkels ge wesen ist — einfach deshalb, weil das Schenkelsche Regie- rungssystem der in Baden vorhandenen ultramontan-reaktio nären Gefahr gegenüber für absehbare Zeit das einzig ver- nünftige und mögliche ist. Var vuckgetteedt <ler steichrckuma. Von unserem Petersburger Korrespondenten. Die Lösung der Agrarfrage und die Reform des Budget- rechtes bedeuten für dos politische Rußland auf Jahre hin aus den Zentralpunkt der Interessen des ganzen Landes. Beide Themen dringen auf baldige parlamentarische Arbeit; die erste Duma ist über die Agrarfrage gestolpert; nun hat es fast den Anschein, als ob die zweite an der Budgetreform verbluten werde. In der Tat — für den bureaukratischen Staat enthält gerade diese Materie so manchen an seine Existenzberechtigung rührenden Punkt. „Das Budgetrecht", so schreibt der bekannte Staatsrechtler Seydel in seinen staatsrechtlichen und politischen Abhandlungen, „bildet ein ebenso festes Fundament des konstitutionellen Baues, wie das legislative Recht der Volksvertretung. „Die Geschichte der Entwickelung des Parlamentarismus stellt deshalb im Grunde genommen den Kampf der Volksvertretungen mit den betreffenden Regierungen um die Verwaltung der Finanzen dar. Der Kampf um das Budgetrecht hat darum i» England, dem Mutterlande des Parlamentarismus, sehr lange gedauert, und erst seit Wilhelm III. ist die Frage völlig zugunsten des Unterhauses entschieden. Auch in Frankreich bat dieser Kampf ein Jahrhundert lang getobt; erst nach dem Sturze Napoleons IU. und nach Konstituie rung der dritten Republik wurde das Budgetrecht der Kammern definitiv festgelegt. Die Rechte der russischen Duma sind freilich, so beschränkt, wie sie kaum jemals iu einem Lande gewesen sind. Diese Beschränkung wird durch fünf Arten von „Panzern", um einen Ausdruck des Finanzministers Kokowzew zu gebrauchen, bewirkt, nämlich: 1) Eine Reihe von Ausgaben, wie Schuldendienst, Kaiserlicher Hof usw. im Werte von ungefähr 500 Millionen Rubeln sind völlig un- abhängig von der Genehmigung der Volksvertretung, da sie nicht gekürzt werden dürfen. 2) Die Volksvertretung kann bei allen auf Grund von Gesetzen. Verordnungen oder aller höchsten Befehlen eingestellten Dudgetposten nicht einfach Streichungen vornehmen, sondern muß zuerst die betreffen den Gesetze aufheben. Das ist natürlich eine recht weitläufige Prozedur, da ein solcher Beschluß zuerst in der Duma, dann im Reichsrat gefaßt werden und schließlich noch die kaiser liche Genehmigung erhalten muß. 3) Bei einer eventuellen Verweigerung der Budgetbestätigung bleibt das letztjährige Budget ipso jure in Kraft, wodurch eine Lahmlegung des staatlichen Lebens, wie sie kürzlich beispielsweise in Ungarn geschehen ist, ausgeschlossen ist. Obstruktion ist hier also gleich dem vollständigen Verzicht auf ein Recht. 4) Die Re gierung hat das Recht, in Kriegszeiten ohne Sanktion der Duma Anleihen abzuschließen, gleichfalls in Zeiten, wo keine Duma tagt, also im Falle der Auslösung. Im letzteren Falle ist die Regierung freilich verpflichtet, nachträglich eine Be stätigung von der Duma einzubolen. 5s Die Regierung hat das Recht, innerhalb der 420 Paragraphen des Budgets die für verschiedene Bedürfnisse bestimmten Ausgaben beliebig abzuändern, sofern nur nicht die Gesamtsumme des be treffenden Paragraphen überschritten wird. Daß hierdurch das ganze Budget willkürlich verändert werden kann, ist evident, wenn man bedenkt, daß einzelne Paragraphen 40 Millionen Rubel, ja, einige sogar 100 Millionen um fassen. Wie man aus dieser kurzen Aufzählung ersieht, ist in der Tat das Budgetrecht der Duma so stark beschnitten, daß sie fürs erste herzlich wenig an eine durchgreifende Aenderung der Finanzpolitik denken, geschweige denn daran gehen kann. Sie muß vor allem erst an eine Erweiterung ihrer Rechte gehen, um wirklich Brauchbares leisten zu können. Erfreu licherweise scheint es, daß man selbst in Regierungskreisen einzusehen beginnt, daß die bestehenden „Panzerungen" ein gedeihliches Zusammenarbeiten fast zur Unmöglichkeit machen. Heißt es doch im „Regierungsanzeiger", daß sogar die Kommission zur Ausarbeitung der Regeln, welche die „Ergänzungen zu den Grundgesetzen" darstellen, der Ansicht gewesen ist, „daß durch die sehr ungenügende Spezialisierung der einzelnen Budgetteile bei dem Vorhandensein des Rechtes der Regierung, die Summen innerhalb eines Abschnittes beliebig zu verschieben, der Exekutivgewalt eine zu große Be- wegungssreiheit eingeräumt sei, und die faktische Kontrolle der Duma ausgeschaltet werde. Bedauerlicherweise hat die Kommission es bei dieser treffenden Bemerkung bewenden lassen, da, wie es hieß, der Ministerrat sich mit dieser Frage beschäftigen wolle. Es ist beim „Wollen" geblieben. Viele von den oben angeführten Einschränkungen haben nun nicht in den Grundgesetzen, an die bekanntlich die Duma nicht rühren darf, Aufnahme gesunden, sondH^ in den „Er gänzungen zu den Grundgesetzen". Die Duma hat also die Möglichkeit, ein Gesetz zustande zu bringen, durch das alle auf Grund dieser „Regeln" bestehenden Beschränkungen auf gehoben werden. Nach der letzten Rede des Finanzministers zu urteilen, scheint es zudem ja auch, daß die Regierung einem solchen Schritte nicht unnütz Steine in den Weg legen würde. Freilich der Auffassung Kokowzews, daß die Reichs duma schon jetzt über 1280 Millionen Rubel ein entscheiden de- Urteil abgeben könne, wird man nicht so ohne weiteres beipflichte« dürfen. Sind doch in diese Summen die sehr beträchtliche» Betriebsmittelunkosten für das Branntwein monopol und d>e Staatsbahnen mit eingerechnet, die nach Ansicht der kompetenten Finanzkritik, z. B. des früheren Finanzminister- Fodorow, überhaupt nicht ins Budget ge hören. Rechnet man diese Summen (718 Millionen Rubel), die der Unterhalt der Staatsbetriebe beansprucht, ab, so bleibt wenig für die DiSponierung der Duma nach. In jedem Falle viel zu wenig, um auch nur einen bescheidenen Einfluß auf die Ausgestaltung des Budgets auszuüben. Wer die Bestimmung über den Staatssäckel hat, ist Herr im Lande. Um dieses Herrschastsrecht wird die junge Duma mit der von Erfahrung und Rücksichtslosigkeit umpanzerten veamtenschaft eine« heißeu Kampf zu bestehen habe». Deutsches Deich. Leipzig, 29. April. * Der Kaiser nnd die Loge. Die Tatsache, daß der Kaiser im Darmstädter Hoitheater Ohorns „Brüder von St. Bern hard" gesehen hat, ist dem klerikalen „Badischen Beobachter' fürchterlich in die Glieder gefahren. Das Organ dcs Pfarrers Wacker vermutet, die Freimaurer hätten die Au- führung jenes Stückes vor dem Kaiser veranlaßt, um ihn: die Benediktiner zu verleiden. Und wicht genug hiermit! „Auch Derwbvrgs Berufung", jammert der „B<ä>. Beob.", „scheint nur allzusehr das Werk der Loge zu sein." — Ties macht dem „Bad. Beob." um so größere Pein, als nach seiner Meinung Dernburg „in Wirklichkeit di« Politik des Deutschen Ruches seit einem halbe» Jlchre lenkt." — Wenn der „Bad. Beob." sein« Entdeckung dem Teufel Bitru ver dankte, so wäre es nicht wunderbar. Den» daß Bitru m.t dem „Bad. Beob." auf vertrautem Fuße steht lehrt des letz- teren Behauptung: Dernburg sei „auch a>uS Darmstadt" ge- kommen! Wer über diese Verwechselung Darmstadts mit der „Darmstädter Bank" sich noch nicht krank gelocht hat, wird dem nicht entgehen, wenn er wahrnimmt, wie der Kaiser vom „Bad. Beob." verblümt als der Loge rettungs los verfall«» geschildert wird! Im übrigen spricht aus dem Ganzen nur der lächerliche Haß gegen die Loge, deren humane und geistig fortschrittliche Gesinnung allerdings daS Gegenstück der ultramontanen Weltanschauung ist. nch. Die Hochseeflotte iu der Nordsee. Die sechswöchigen Frühjahrsübungen der Hochseeflotte beginnen am 30. April und finden in der Nordsee statt. Geschwaderweise verlassen an diesem Tage die Schiffe Kiel und gehen durch den Großen Belt um Skagen in ihr Uebungsgebiet ab. Das aus 8 Linien schiffen der „Wittelsbach"- und „Kaiser"-Klasse bestehende I. Geschwader wird von Kontreadmiral v. Holtzendorff, dos aus 8 Linienschiffen der „Deutschland"- und „Brandenburg" Klasse zusammengesetztell.Geschwader von Vizeadmiral Fische! befehligt. Die aus 2 Panzerkreuzern und 6 Kreuzern be stehende Aufklärungsgruppe führt Kontreadmiral Pohl. Zu nächst üben die Verbände einzeln. Am 10. Mai vereinigen sie sich in Helgoland unter dem Oberbefehl des Admirals Prinz Heinrich, der am Tage vorher sich in Brunsbüttel auf dem Flaggschiff „Deutschland" einschifft. Gleichzeitig treten 33 Hochseetorpedoboote, die in zwei Schul- und eine Manö- verflotille geteilt sind, der Hochseeflotte hinzu. An den folgerten Tagen finden in der Nähe Helgolands große Schieß- Übungen der gesamten Flotte statt, zu der eine ganze Reihe von Armecosfizieren an Bord der Linienschiffe kommandiert worden sind. Unter diesen und anderen, für die ganze Uebungsreise kommandierten Armeeoffizieren befinden sich Vertreter des großen Generalstabes, des preußischen, baye. rischen und sächsischen Kriegsministeriums und Artillerie offiziere. Während der Pfingstfeicrtage wird das I. Ge schwader in Wilhelmshaven weilen; das H. Geschwader und die Auftlärungsschiffe werden auf der Elbe ankern und zwil teils vor Cuxhaven, teils vor Brunsbüttel. Am 22. Mai beginnt der zweite Teil der Hebungen, der in einem gemein- samen Manöver des Floitenverbandcs besteht und die Schiffe über das ganze Gebiet der Nordsee führen wird. Erst am 9. Juni kehrt die gesamte Hochseeflotte wieder nach Kiel zurück. Die Manöver in der Nordsee sind immer von be- sonderen, Wert für die Schulung der Mannschaften und die Ausbildung der Abteilungsführer und Schifsskommandanten. Es ist übrigens das erstemal, daß Prinz Heinrich die Hebungen eines so stattlichen Flottenverbandes in der Nord see zu leiten hat. * Die Rcichseinnahmcn 1906. Der Abschluß über die gesamten Einnahmen des Reiches iw. Finanzjahre 1996 liegt nunmehr vor. Danach haben die Zölle und Verbrauchs abgaben im ganzen 925,6 Millionen ergeben, d. i. 19,6 Mil lionen weniger als 1906, aber immer noch 12Z Millionen mehr, als der Etat für 1906 vorgesehen hatte. Die Börsen- steuer hat 57,1 Millionen oder 9 Millionen über den Etats anschlag eingebracht. Die Reichspoltverwa'.tung, bei der dies mal auch die Portoerhöhung eine Rolle spielt, bat «ine Ein- nähme von 564,5 Millionen Mark oder 12,7 Millionen mehr, die Reichseisenbahnvcrwaltung von 116,5 Millionen Mark oder 9,1 Millionen mehr zu verzeichnen gelebt. Bei beiden ist zu beachten, daß es sich wcht um Reinüberschüsse bandelt. Bei der Postverwaltunq steht es vielmehr nach den Aeuße- rungen des Reichsschatzsekretärs vom Februar ziemlich fest, daß di« Steigerung der Ausgaben größer gewesen ist, als der Einnahmeüberschuß. Von den neuen Steuern hat di« Ziga- rettensteuer 6,7 Millionen, der Frachturkundcnstempel 11,5 Million«», der für Person«nfabrkarten 10,9 Millionen, die Steuer für Kraftfahrzeuge 1,2 Millionen, für Vergütungen an Auffichtsratsmitglieder 2.3 Millionen, di« Erbschaftssteuer 3,6 Millionen erbracht. Der Gesamtertrag dieser neuen Steuern beläuft sich auf 36,2 Millionen Mark. Für sämt liche Einnahmen aus Grund der neuen Steuergesetze war in den Etat eine Summe von 61,7 Millionen eingestellt worden. tb. Wo bleiben die Teuerungszulagen für die Reichs beamten? Der am Freitag dem Reichstage zugegangene Er gänzungsetat Nr. 3 enthält die vom Neichsschatziekretä- Frhr. v. Stengel angekündigten Tcnerungszirlagen für Beamte bis zum Jahresgelialt von 4200 .kl. nicht. Wie wir erfahren, wird demnächst dem Reichstage ein 4. Ergänzungsetat für 1907 zugehen, der diese Teuerungszulagen und die Mittel für die Mehrausgaben enthält, die die mit Wirkung vom 1. April 1907 ausgestatteten Reichs-, Zivil- und Militävbeamten- Vensionssonds- und Neliktennovellen verlangen, die dem Reichstage jetzt zur Beratung vorliegen. Bekanntlich sollen di« preußischen Unterbeamten für 1907 Teuerungszulagen in Höhe von 100 ^l. erholten; da das Reich nunmehr für die unteren und mittleren Beamten auch Teuerungszulagen be willigen will, so werden die nichtpreußischen Beamten der Einzelstaaten schlechter gestellt fein, als die preußischen und Reich^baamten. Dem Vernehmen nach sollen jetzt Verhand lungen stattfinden, inwieweit die nichtvreußischen Staaten in der Lage sind, ihren Beamten auch Teuerungszulagen zu bewilligen. Wenn diese Frag« geklärt ist, — man logt Wert darauf, Hand in Hand zu arbeiten — wird die versprochene Teuerungsoorlagc dem Reichstage zugehen. Es soll das Einbringen dieser Vorlage aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob di« nichtpreußischen Staaten ihren Beamten TenerungSwlager bewilligen wollen, man will nur den Ein zelstaaten Zeit lassen, sich zu überlegen, ob sie es für mit be- finden, dem Beispiel« deS Reiches und Preußens zu folgen. Di« größeren Einzelstaaten dürsten wohl auch Teuerung-- zulaaen bewilligen, um nicht einen Unterschied zwischen Reichsbcamten und Einz-lstaatsbeamten zu konstruieren und Unzufriedenheiten vorzubeugen. * Da- Boaelschutzaksetz, das dem Reichstag« übermittelt ist, verbietet da- Zerstören und da- Aufheben von Nestern
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