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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.05.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070502019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907050201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907050201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-02
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Umgebung die kgejpaltrne Petltzeile 25 Pf., finanzielle An zeigen 30 Pf^ Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Au-Iand üOPk., finanz Anzeigen75Pf., Reklamen 1.50 M. Inierate v. Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegrbükr 5 M. p. Tausend extl. Post gebühr. Geschäkt-anzeigen an broorzugler Stelle im Preise erhöht Rabatt nach Tau'. Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an begimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen «Annahme: AugnstuSplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- ExprdUioaen des Zn- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDun cke r, Herzgl-BayrHosbuchhandlg-, Lützowstraßr 10 (Tel. Vl, 4603). Nr. 121. Donnerstag 2 Mai l907. 101. ZahMliq. Var ivlcdligrtr vom rage. "Die gestrigen Reichstagsverhandlungen überden Etat de- Kanzlers berührten mehr innerpolitische Fragen, wobei sowohl Fürst Bülow wie Graf Posadowsky in die Debatte eingriffen. Der Reickskanzler sprach dabei über die Braunschweiger Frage. (S. Art. u. Parlamentsb. 2. B.) * Die gestrige Maifeier der Sozialdemokraten scheint im großen und ganzen überall ruhig verlausen zu sein. (S. Dtschs. R., AuSl. u. Letzte Dep.) * Generalstabschef F.-L. Conrad v. Hötzendorf wird sich am 28. Mar nach Berlin begeben, um sich dem Kaiser Wilhelm oorzustellen und an den Truppen übungen auf der Tempelhofer Heide und in Löberitz teilzuuehmen. * In Paris waren bis zum Mittag schon 180 Ver haftungen anläßlich der Mai-Demonstrationen vor- genommen. (S. Ausl.) * Die «onteuegrisische Regierung bestreitet den Ausbruch eurer Revolution. (S. AuSl.) * DaS persische Parlament hat die Absetzung von zwei Ministern gefordert. (S. AuSl.) *Jn Spanbau nnrrde ein Straßenbahnwagen von einem Eisenbahnzuge angefahren. 2 Per- soareu sind getötet, 11 verletzt. fS. Letzte Dep-j aem fieicimag. Die Zusammenfassung der parlamentarischen Ereignisse des ersten Tages der Kanfler-EtatSvebaite bedarf einer Er- gauzung. Nicht insofern, als ob nachträglich an den unmittel baren Eindrücken und ihrer Wiedergabe etwas zu ändern wäre, vielmehr hat eine sehr sorgfältige Nachprüfung die Richtigkeit unserer Auffassung bestätigt. Aber es mußten die schließenden Redner unberücksichtigt bleiben, deS Raumes und der Zeit wegen, und deshalb sei hier noch kurz auf ihre Auslassungen ein gegangen. Da war zunächst Herr v. Volkmar, der übrigen ziemlich alt geworden ist, und eine nicht gerade überwältigende Rede hielt, dem man aber doch gern zuhört. Es ist schon bezeichnend, daß gerade er und nicht etwa einer der Drauf gänger und Unentwegten sür die Sozialdemokraten sprach. Prinzip-elle Fragen erörterte er nicht, dasür aber ließ er manches durchblicken, was sür nnsere Auffassung der Vorgänge in seiner Partei spricht. Er gestand zu, man könne nicht mit einem Ruck abrüsten und beklagte sich nebenbei bitter über die Behand lung der Sozialdemokratie im Deutschen Reiche. Hier ver ließ den Münchner Revisionisten die Logik. Wenn die Sozial demokraten den Kampf aus Leben und Tod gegen die bürger liche Gesellschaft, wie io Dresden geschehen, selbst proklamieren, so können sie sich nicht darüber wundern, wenn sie nicht als „Liebkinder" behandelt verden. Wenn sie sich freilich so weiter eniwickeln, wie in der jüngsten Zeit, so Werren sie eine Revision der Behandlung auch von amtlicher Seite er warten löunen. Dann sprach Liebermann v. Sonnenberg in dem eigenen Stil der Uebernationalen, wobei er sogar mit Emphase sür eine persönliche Politik kämpste. Herr Schrader hielt eine sehr verständige und sehr würdige Rede, und schließ lich gab es noch einen kleinen Dieput zwilchen den Herren Semler und v. Voll mar. Herr Semler war von einem Franzosen interviewt worden, hatte aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und ungefähr gemeint, Frankreich werde die Kosten eines deutsch-englischen Krieges zu zahlen haben. Im übrigen hatten seine Worte eine friedliche Tendenz. Man siebt hieraus, daß auch das Interviewenlassen gelernt sein will. Vielleicht ist der vom besten Willen beseelte Hamburger das nächste Mal vorsichtiger. Damit war die Debatte über die äußere Politik erschöpft, und man fuhr am Mitt^ch bei der inneren Politik fort. Der große Zug der Debatte rite nur den ersten Taz gedauert, der Mittwoch war den Details geweiht und kanu nicht unter einem einheitlichen Gesichtspunkte besprochen werden. Nur ein zelne Momente und Materien seien herausgegriffen. Es lag eine wichtige Resolution Ablaß vor, die die Härten beim Verweigern der bürgerlichen Ehrenrechte infolge der Gewährung von freien Lehrmitteln, freier Krankenhaus behandlung usw. abschaffen will. Die Resolution wird im Reichstage eine Mehrheit finden. Auch für die Regierung gab Giaf v. Posadowsky eine Erklärung ab, die Abhilfe in Aussicht stellte. Dann ergriff der Reichskanzler zweimal das Wort. Einmal auf eine unqualifizierbare Rede des Welsen Götz v. Olenhusen, der von des Fürsten und Ottos (deS braun schweigischen Ministerpräsidenten) Gnade sprach, worauf naturgemäß leicht zu antworte» war. Aus der Erwide rung des Kanzler- über die Lage der braunschweigi schen Throoaugelegeuheit ist das eine Wort vielleicht hervorzuheben: Der Antrag Braunschweigs wurde ab- gelehnt, nicht weil eine Thronfolge deS Herzogs von Cumberland unmöglich war, sondern weil rhr ein BuudeSratSbeschluß eutgegenstand. DaS ist in dieser Präzision, soviel wir wissen, noch nicht amtlich gesagt worveu. Ferner eutgeguete der Kanzler dem Sozialdemo. kraten David und sagte, de» Kampf gegen die Sozial demokratie könnten die verbündeten Regierungen nur ausgeben, wenn die Sozialdemokratie sich auf den Boden der Vernunft und der Loyalität stelle. Im übrigen nahm der Kanzler einen früheren Vorwurf wegen eines angeblichen sozial- dcmokrati'chen Wahlnnsugs in Frankfurt a. M. zurück. AuS dem weiteren Verlaus derSitzung ist zunächst noch ein Intermezzo v. Olvenburg-Januschau und Graf Lerchenseld, dein bayrischen Gesandten und BundeSratSbevolliuächtigteii, zu erwähnen, bei dem Herr v. Oldenburg mit seinem un glaublich rückständigen preußischen PartikulariSmus und seiner Scharfmacher« recht schlecht abscknitt. Ferner redete Pan KulerSki und verdiente sich seine zwei Ordnungsrufe durch Ausdrücke, Gevantengänge und verhüllte Drohungen, die ungemein aufreizend und arrogant waren. Seine Drohung, hinter den preußischen Polen ständen die Polen aller anderen Lander, und seine Ausführungen über ein mögliches neues Jena legten das Be dauern nahe, daß im deutschen Parlament erst nach dem dritten OcdnungSruf aus Ausschluß von der Sitzung erkannt werden darf. Schließlich sprach auch noch Basscr- mann über die Stellung der Nationalliberalen zu den ein zelnen Resolutionen, und nach Annahme eines SchlußantragS und einigen persönlichen Bemerkungen wurde der Etat des Kanzlers und der Reichskanzlei in zweiter Lesung erledigt. DaS HauS trat trotz der späten Stunde noch in die zweite Beratung dcS Etats des Auswärtigen Amts ein. Herr von Tschirschky antwortete auf einige Beschwerden über das deutiche KonsulatSwesen. Die Debatte wurde auch über diesen EtatStitel zu Ende geführt, ohne daß von Herrn v. Tschirschky, der vom Kanzler abgegebenen Erklärung entsprechend, auf die Organ satwn untere« diplomatischen Dienstes eingegangen worden wäre, was Herr v. Vollmar mit Recht monierte. Es bleibt vor läufig ungewiß: War das Absicht oder Ungeschick? Auf jeden Fall aber wird eS nachgeholt werden müssen. Der Kanzler halte inzwischen das HauS längst verlassen, und das Interesse war allmählich sehr erlahmt. Lur Lage in bumämen. Von einer mit den rumänischen Verhältnissen vertrauten einheimischen Persönlichkeit, die zurzeit in Leipzig weilt, wird uns geschrieben: Die Bauernunruhen haben begreiflicherweise wieder mehr als sonst die Blicke Europas und namentlich Deutschlands nach Rumänien gelenkt, und die täglichen Berichte in den deutschen Tageszeitungen zeigen, welches rege Interesse man dem Donaustaat entgegenbringt. Aber leider sind die Nach richten, die hierher kommen, zum großen Teil in der einen oder anderen Weise gefärbt. Man muß sich, wenn man die innerpolitische Lage Rumäniens richtig beurteilen will, vergegenwärtigen, daß es ein Agrarstaat ist mit einer eigentümlichen Handhabung der Bewirtschaftung. Es gibt wohl freie Bauern, die ähnlich wie in Süddeutschland auf der eigenen Scholle sitzen — aber nicht wie die begnügen sie sich mit dem Ertrag eines geringen Geländes. So pachtet man sich denn soviel man kann. Dies geschieht aber nicht oder meistens nicht vom Besitzer selbst, sondern vom Zwischenhändler. Und darin liegt schon ein Krebsübel. Denn diese großen Landverpächter suchen natürlich einen möglichst großen Nutzen zu ziehen, und so leidet der Boden, und muß der Pächter teuer bezahlen. Dazu kommt, daß der landes übliche Zinsfuß 10 bis 12 Prozent beträgt das Geld also nach deutschen Begriffen sehr teuer ist, und daß bei kleineren Summe» größere Zinsen genommen w-raen als bei großen. Es ist viel von Judenverfolgungen die Rede gewesen, die bei Gelegenheiten der Bauernunruhcn stattgefunden haben sollen. Das ist wahr und nicht wahr. Wahr ist, daß Juden Schaden genommen haben, und daß die von den aufständischen Bauern in der Moldau Verfolgten zumeist Jude» gewesen sind. Aber die Ursache der Verfolgung lag nicht darin, daß es Juden waren, sondern daß diese Juden die Zwischen pächter waren, und daß die Zwischenpacht in der Moldau vorwiegend in den Händen von Juden liegt, die aber, wie der reiche Mendel in Braila, sehr ost alles tun, um die Lage der Bauern zu erleichtern. So hat dieser sofort zu Beginn des Aufstandes alle Forderungen bewilligt und die Zehntfrage so geregelt, daß von fünf Landeinheiten der Bauer nur zwei für den Besitzer und drei für sich zu bebauen hat, während das Verhältnis vorher 1 :1 war. So gewann es allerdings den Anschein, als ob es sich um Judenverfolgungen handle. Tatsächlich sind aber diese rumänischen Bauernrevolten rein wirtschaftlicher Natur gewesen und haben nichts mit Juden verfolgungen oder gar den russischen Pogroms zu tun. Man muß sich auch vergegenwärtigen, daß das jüdische Element in Rumänien sehr stark ist, und es Gegenden gibt, wo 70 bis 80 Prozent Juden sind. Dazu kommt, daß sehr viele Juden nicht als Rumänen gelten, weil sie das rumänische Bürger recht nicht haben, und wer das nicht hat, kann auch keinen Grundbesitz erwerben. Daher diese Juden sich als Zwischen pächter auftun. Ihr Typus sind die Großgrund pächter Inster und Moke Fischer. Letzterer ist österreichischer Großgrundbesitzer und Mitglied des österreichischen Reichs- ratö Viel wurde jetzt über die Entschädigungspflicht der Re gierung gesprochen, und man Kat es ihr zum Vorwurf ge macht, imtz sie die geschädigten Ausländer nicht entschädigen wolle. Das rst darauf zurückzuführcn, daß der derzeitige Ministerpräsident Sturhza in seiner nationalen Gesinnung die einzige wirtschaftliche Quelle des rumäniichen Volke- nicht cruS den Händen geben, und darum den „Ausländern", die das rumänische Bürgerrecht nicht besitzen, wohl aber, wie der schon genannte Moke Fischer, Pacht nehmen können, nichts zukommen lasten will. Liegt doch ein großer Teil der natürlichen Ursachen der Auf stände in dem systematischen AuSfaugesystem der Landbevölke rung durch einige Großarundvächter. Sturdza ist überhaupt in manchen Kreisen des Landes nicht beliebt, weil er zu schroff vorgcht in seiner unantastbaren Rechtlichkeit. Tenn er hat eine durch und durch deutsche Erziehung genossen, die seiner Anschauung entspricht. Und so ist er in seiner dem Rumänen als pedantische Schroffheit vorkommcnden Ge wissenhaftigkeit der Typus des pflichteifrigen deutschen Beamten. Er ist ja auch ein hervorragender Gelehrter und namhafter Historiker So waren unter seinem Vorgänger Cantacuzeno eine Reihe von Sinekuren geschaffen worden, Li« den Mitgliedern der konservativen Partei verliehen wurden. Als Sturdza ans Ruder kam, hob er alle diele Posten aus. Sturdza hat schon einmal den Staat vor dem drohenden Bankerott gerettet und keinen dauernden Dank geerntet. Zur Belohnung wurde er gestürzt. Jetzt hat man ihn in der allgemeinen Not wiedergeholt, aber er wird nicht lange bleiben. Schon sind starke Einflüsse geltend, Earp, das Haupt der Junimisten, die aber als Partei eigent lich noch nie recht zur Geltung kommen konnten, ans Ruder zu bringen. Das würde einen völligen Umschwung der Ver hältnisse bedeuten. Denn Earp ist in seinen volkswirtschaft lichen Anschauungen ein entschiedener Gegner Sturdzas. Und es geht das Bonmot, daß Sturdza sich schon mit vielen ver söhnt und wieder vertragen habe, mit Earp werde das aber niemals möglich sein. Earp ist ein feudaler Grandseigneur, der den Bauern noch nach mittelalterlicher Art anfioht. Ueberhcmpt Haden die rumänischen Unruhen eine bis in die kleinsten Details hinein sich erstreckende außerordentliche Achnlichkeit mit den deutschen Bauernkriegen im 16. Jahrhundert. Damit auch der Humor nicht.fehlt, hat es das Schicksal gefügt, daß die drei Häupter der drei Parteien miteinander verwandt sind. Sturdzas Frau ist eine geborene Cantacu zeno, und der junge Sturdza bat eine geborene Earp zur Frau, während Earp selbst wieder mit Cantacuzeno direkt verwandt ist. Carp hat übrigens ebenfalls in Deutsch land studiert und war bei den Bonner Preußen aktiv, ist also ein Kwrpsbruder des deutschen Kaisers. Charakteristisch ist auch die ganze Art, wie der Aufstand ausgeörochen ist. Es muß eine feste systematische gehermr Organisation bestanden haben, aber wer das Haupt war, ist nicht bekannt und wird schwerlich herausgobracht werden. Die Nachricht, daß Vasile Cogelniceanu, der Sohn des ver storbenen Ministerpräsidenten Michael Cogelniceanu des- verf^-ftct "orden sei, 'oml er Broschüren verlaßt h: oe, die die Bauern zum Aufstand aufreizten, ist in dieser Form nicht richtig. Denn eine Aufreizung zum Klastenhaß gibt es in Rumänien nicht. Es kann jeder selbst über den König schreiben, was er will. Gesetzlich möglich ist eine solche Ver haftung nur dann, wenn einer direkt eine Losung zur Em pörung ausgibt oder sich selbst an die Spitze einer solchen stellt. Das hat aber Vasile Cogelniceanu nicht getan, und so wird auch baldigst seine Freilassung gemeldet werden. Aber die Bauern sagten stets, sie hätten geschworen, Revolution zu machen, und ihren Eid müßten sie halten. Und als der Verwalter eines Gutes ihnen alle Forderungen bewilligt hatte und sie ersuchte, nun friedlich nach Haufe zu gehen, baten sie ihn, dock) zu erlauben, daß sie einige Fenster einschlayen und eine Scheune abbrennen dürften, damit sie nicht eid brüchig würden, denn sie hätten geschworen, Revolution zu machen. Ueberhaupt wußte das Landvolk oft gar nicht, was eigentlich los war, und warum man losschlug. Es war von Agitatoren aufgehetzt, und diese arbeiten mit allen Mitteln. Sie legten Aeußerungen der Königin falsch aus, verbreiteten das Gerücht, der König sei gestorben, und die Königin reite auf einem weißen Pferd durchs Land, und das aber gläubische Volk ließ sich mit fortreißen. Dafür, daß der Aufstand von langer Hand vorbereitet war, sind unwidcrleg- liche Beweise da. Als Sturdza ans Ruder kam, fand man beim Reinigen der Räume des Ministeriums uneröffnete Briefe. Sie enthielten die Mitteilung aus den einzelnen Distrikten an Sturdzas Vorgänger von den geplanten Aus ständen bis in alle Einzelheiten. Aber Cantacuzeno war in solche Sicherheit gewiegt, daß er auf nichts hörte. Als sein Möbelhändler ihn gesprächsweise fragte, ob er denn gar nichts befürchte und alle aus dem Land kommenden Nach richten unbeachtet lassen wolle, zuckte er lächelnd mit den Achseln. Günstig für Land und Negierung war, daß der Aufstand zu früh ausbrach. Geplant war er nach der Ernrezeit. Auch muß man wohl zwischen den Erhebungen in der Moldau und der Walachei unterscheiden. Was in der Moldau geschah, war ziemlich harmloser Natur, dagegen der Aufstand in der Walachei die offene Revolution. Aber dort ist die Bevölkerung stark mit bulgarischen Elementen durch setzt, und der Bulgare ist hitziger als der gemütlichere Ru mäne. Auch gilt der Bulgare als grausam. Am schlimmsten wurde in den Bezirken Dolf, Romanati, Vlasca, Mehedinti, alle in der Walachei, gehaust. Und daß dann von feiten des Militärs an manchen Orten schlimme Vergeltung geübt wurde, ist allerdings nicht unrichtig. So würbe der Ort Stefsanesci dem Erboden gleichqemacht. Aber da waren die Bauern selbst schuld, denn sie erklärten rundweg, nicht Ruhe halten zu wollen. Im übrigen aber sind solche schroffen Maßnahmen nicht mit Willen und Wissen der Regierung geschehen. Verschont von allen den Unruhen wurde die Dobrudscha. Das kommt daher, daß dort andere wirtschaftliche Verhält nisse sind. Große Furcht hatte man auch, es möchte den Bauern gelingen, die Petroleumlager von Crajowa :n Brand zu stecken, denn das hätte einen Schaden von über einer halben Milliarde ergeben und das Land, das den Besitzern dafür hätte auskommen müssen, finanziell ruiniert. Der Wunsch aller Rumänen geht dahin, König Carol möchte eiu Machtwort sprechen. Bei dem unbedingten Ver trauen und der unbegrenzten Hochachtung und Verehrung, die dieser vortreffliche Fürst im ganzen Lande bei hoch und msdrig, bei arm und reich genießt, dürfte er sicher sein, daß alles, was er auordnete, ohne weiteres bis ins einzelne auSgesührt würbe. Jedenfalls ist dos sicher, daß das unlängst erlassene Manifest des Königs bis auf den letzten Punkt aus geführt wird. Vie aeuttcbe Strafrechtsreform. Tie Majestätsbeleidigung. Als in letzter Zeit bekannt wurde, daß die in der kaiserlichen Thronrede vom 19. Februar 1907 angekündiglc Revision der strafrechtlichen Vorschriften über die Ma- iesiätsbeleiditzungcn bereits soweit gediehen sei, daß ein Ge setzentwurf über Neuregelung der betreffenden Strafoor- schriften in aller Kürze dem Reichstag zugehen werde, konnte man glauben, daß eine Teilreiorm des Strafgesetz buches hinsichtlich seiner Bestimmungen über die Majefiäts- beleidigungen geplant sei, eine Reform, die außerhalb der vor etwa vier Jahren in die Wege geleiteten allgemeinen Strafrechtsreform und unabhängig von dieser erfolge. Einer solchen Annahme hat freilich von Anfang an das Bedenken entgegcngestanden, daß einmal das allgemeine Reformwerk durch Teilreformen zweifellos ungünstig be einflußt wird, und sodann, daß das neue Strafgesetz aus einem Guß, also durch eine einheitliche Reform, geschaffen werden muß, wenn es nicht mit inneren Disharmonien be haftet sein soll. Und in der Tat kommt, wie sich aus dem Inhalte des inzwischen bekannt gewordenen Gesetzentwurfs ergibt, eine Teil re form unseres Strafgesetzbuchs in der fraglichen Richtung nicht in Betracht. Es handelt sich vielmehr nur um eine vorläufige Reform der betreffenden Straf vorschriften, um eine Reform, die bis zur Durchführung der allgemeinen Reform jene gesetzlichen Härten beseitigen soll, die sich in der Praxis bei Anwendung der Majestäts- beleidiaunasparagraphen herausgestellt haben. Diese Härten erblickt man insbesondere darin, daß der strafrechtliche Tatbestand nach der subjektiven Seite hin zu wenig begrenzt, und daß die Strafverfolgung auch in Fällen zulässig ist, in denen sie durch das Staatsintereste nicht ge fordert wird. So soll denn nach dem Entwurf künftighin eine Beleidigung des Fürsten und seines Hauses nur dann als Majestätsbeleidiguna strafbar sein, wenn sie böswillig und mit Vorbedacht begangen worden ist, und nur die öffentliche Beleidigung soll unter alle» Umständen, die nichtöffentliche jedoch nur dann verfolgt werden, wenn von der Landesjustizverwaltung hierzu Genehmigung er teilt wird. Nach 6 Monaten soll die Strafverfolgung ver jährt sein. Mit Recht ist in der Presse betont worden, eine tief gehende Reform könne in jenen Abänderungen nicht er blickt werden. Eine solche soll es aber, wie bereits hervor gehoben, auch gar nicht sein, da sie doch nur einem vor läufigen dringlichen Reformbcdürsnis abhelsen soll. Die eigentliche Reform cr'olgt mit der allgemeinen Strafrechts reform, die bereits soweit gefördert worden ist, daß zu pen meisten Gebieten unseres Strafrechts schon Vorschläge sür die neue Gesetzgebung vorliegcn; so auch für eine Neurege lung der Maiestätsbeleidigungsparagraphen. Diese letzteren Vorschläge gehen aus von Professor Dr. van Calker in Straß burg, der als Mitarbeiter am Reformwerk beteiligt ist und die fragliche Materie zur rechtsvergleichenden Bearbeitung übernommen hat.*) Es dürste von Interesse sein, im An- schluß an den obigen Gesetzentwurf diese Vorschläge kennen zu lernen: Unser heutiges Recht unterscheidet von der Majestät?- beleidigung im engeren Sinn — dos ist die Beleidigung des Kaisers und des Landesherrn — die Beleidigung des Re genten, der Mitglieder des landesherrlichen Hauses, der Bundesfürsten, der Mitglieder bundesfürstlicher Häuser und des Regenten eines Bundesstaats, und bestimmt als Strafen je nach der Intensität des beleidigenden Angriffs — ob dieser in tätlichem Vorgehen oder in wörtlicher Be- leidigung besteht — und nach der Intensität des zwischen Verletzten und Angreifer bestehenden staatsrechtlichen Bandes Zuchthausstrafe, Festungshaft oder Gefängnis strafe. Als Höchststrafe droht es bei der mittels einer Tätlichkeit begangenen Majestätsbeleidigung im engeren Sinn lebenslängliche Zuchthausstrafe oder lebenslängliche Festungshaft an. Die Mindemtrafe ist bei Majestäts beleidigung im engeren Sinn Gefängnisstrafe oder Festungshaft von 2 Monaten, bei der Beleidigung eines Mitgliedes des landesherrlichen Hauses oder des eigenen Regenten Gefängnis von einem Monat, bei der Beleidigung des Regenten eines anderen Bundesstaats Geiänguis von einer Woche. Den staatsrechtlichen Verbältniffen wird das brütige Strafrecht durch die vorstebenden Bestimmungen in doppelter Beziehung nickt gerecht, einmal, weil es den Re genten nickt, wie es dessen staatsrecktlicher ^t^lluna ent- sprechen würde, dem regierenden Fürsten, sondern oielme'or nur den Mitgliedern des fürstlichen Hauses gleickstellt, und sodann, weil cs die staatsrechtliche Stellung der Mitqli-ber der kaiserlichen Familie überhaupt nickt berücksichtigt. Die Konsequenz ist insbesondere die, daß die Beleidigung des Kronprinzen des Deutschen Reicks nur bann unter die obigen Vorschriften fallt, wenn sie von einem Preußen oder in Preußen begangen wird. Die Frage, wie der Begriff der Maiestätsbcleidignnq nach heutigem Recht zu verstehen sei, ob als eine Beleidi gung im gewöhnlichen Sinne, die nur dadurch allein eiacn- artig ist, daß sie sich gegen die Person des Fürsten rich'.ct, oder ob sie als Verletzung der Ebriurckt gegen den Trager der Staatsgewalt zu gelten habe, ist nickt ganz unbestritten. Nach der herrschenden Meinung und nuck nack der Ansicht des Reichsgerichts siebt unser Strasge'ekbuck an' dem ersteren Standpunkt, gewährt also der Würde des Staats oberhauptes als des Trägers der Staatsaewalt keinen s.'Ib- ständiaen Rechtsschutz Es können Anarinsband'-iugen. die sich geaen dieses Obsekt richten, nur insoweit bestraft werden, als sie sich gleichzeitig als Beleidignnaen im ge wöhnlichen Sinne darstellen. Es geht eben die Majestg'-Z- beleidiguna nickt über die Grenzen ber gewöhnlichen Be- leidiguna hinaus und umfaßt somit die gleichen Beackunas- formen wie diese: die einfache formale Beleidigung des 8 185, die üble Nachrede, die verlenmderifche B-steststauna und die Pe'ckimvfuna des Andenkens eine^ Verstarb>meu. In ber Rechtsprechung freilich mackt sick zuweilen bas Bedürfnis aeltend. die aeqen den .Herricker begauaen' Ckr- furcktsverletzuna. die nickt unter die Neleidiunng im Sinne des geltenden Reckt? fällt, mit Strafe in bele-en. und dies bat zu einer '.inklaren und oft wibcrsprucksr,allen Auf füllung de? Wesins der Beleidigung des Landesherr» geführt. van Calker aebt bei seinen Resormvorsch'aaen davon au?, baß der Gesetzaeber, was bisher auch in anderen Ge- fekaebunaen noch nickt genüaend aelckchen lei dem W-stn der Majestätsbeleidigung voll gereckt werb.m wüste. Die? sei die notwendige Voraussetzung sür eine befriedigende *) Bd. I, S. 91 sg. des Werkes: „Vergleichende Dar- stellung des deutschen und ausländischen Strafrechts: Vor arbeiten zur deutschen Strafrechtsreform." Verlag von Otto Liebmann in Berlin.
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