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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.05.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070514016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907051401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907051401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-14
- Monat1907-05
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Bezuqs-Preis Anzeigen-Preis Morgen-Ausgabe 8 NWgrr Tagcblalt Handelszeitung Amtsblatt des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig Nr. M. Dienöta« Mai >907. 101. Jahrgang. Htnun-Kiliale Berlin. CarlDuncker,Herzftl.Bayr.Hofbuchhandlg. Lützowstraße 10 (Tel. Vl. 4M3). für Leivzta und Borori« durch unser« Träger und Spediteure in- -an- gebracht: Aus. „ade nur morgen-) vierteljährlich 3 M., monatlich l M., 'iu-gabe ll (morgen- und abends) vierteliährlich 4.50 M., monatlich l.50 M Lurch di« Past bezogen (1 mal täglich! innerhalb Deutschland- und der deutschen Roloumn vierteljährlich 3 M., monatlich l M. auSschl. Postbestellgeld, für Oe il erreich-Ung ar» vterteljährlich 5 L 45 b. Abonnement-Annahm«: Augustu-platz 8, bet unseren Trägern. Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Di« einzelne Nummer tostet 10 Psg. Redaktion und Srdedttiou: Johanui-gasse 8. Telephon Nr. 153. Str. 222. Nr. 1173. Berliner RrdaktiovS-Bureau: Berlin XIV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Strotze 1. Telephon l, Nr. 9275. für A"s«rate au« Leipzig u. Umgebung die 6gespaltene Petitzrile 25 Pf, stnanrielle An- zeigen 30 Pf, Reklamen 75Pf.; von an-wärt» 30 Ps., Reklamen 1 Di.; vom Au-Iand 50 Ps.. sinanz Anzeigen75 Pf.. Reklamen 1.50 M. Jn'erate ».Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post- gebühr. Geschäftsan zeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht Rabatt nach Tari' Feilerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an deilimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: Augusta-Platz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expedilioaea de- In- und Auslandes. Var wichtigste vom rage. * Die Schwierigkeiten, die sich in der letzten Zeit einer Wahl deS Herzog- Johann Albrecht von Mecklenburg zum Regenten des Herzogtums Braun schweig entgegengestellt hatten, sollen nach einer unS zuteil gewordenen Information beider gestrigen vertraulichen LandtagSsitzung in Braunschweig beseitiat worden ^ein. Die entscheidende Sitzung sür die Wahl veS Regenten wird noch in dieser Woche erwartet. * Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg ist gestern nachmittag 1 Uhr in Arco verstorben. (S. Dtschs. R.) * Der Reichstag, der wahrscheinlich heute sich vertagt, tritt am IS. November wieder zusammen. Er nakm gestern das provisorische Handelsabkommen mit Amerika in zweiter Lesung an, ebenso eine Reihe anderer Verträge, und erledigte dann die zweite Beratung der drei Beamteogesetze. (S. 2. Beil.) * Heute finden die österreichischen Reichsrats- wählen statt, die ersten unter dem allgemeinen Wahl recht. (S. Art.) * Die ungarische Regierung hat ein neues Beamten gesetz vorzelegt, welches ein Verbot der Koalitions bildung entbält, aber gleichzeitig eine Gehaltserhöhung bringt. (S. AuSl.) * In dem Schachte eines mexikanischen Bergwerkes kamen SO Bergleute durch Feuer um. 25 Leichen wurden geborgen. * Durch einen Bergsturz wurde im Dorfe Kienthal im Berner Oberland ein Haus zerstört. Zwei Männer wurden durch Felstrümmer erschlagen. (S. Neues a. a. W.) verfiampk im vrrliner Saugeivrrbe. Der seit Wochen erwartete Riesenkampf im Berliner Baugewerbe scheint jetzt Tatsache zu werden. Der nächste Sonnabend bringt nach dem von dem Verband der Bau geschäfte gefaßten Beschluß ca. 50 000 Maurern, Zimmerern und Bauhilfsarbeitern die Entlastung. Aber mit diesen reinen Bauarbeitern ist die Zahl der am Kampfe Beteilig ten keineswegs erschöpft. Betroffen werden auch die im Baugewerbe tätigen Arbeiter anderer Berufe, wie Tischler, Einsetzer. Rohrleger, Glaser, Dachdecker, Leitergeriiftbauer, Tapezierer -usw., d. h. ebenfalls wieder 50—55 000 Mann, so daß die Zahl von 100000 Arbeitern, die der Aussperrung entgegengehen, nicht zu hoch angegeben ist. Mit ingrimmi gem Hohn spricht der „Vorwärts" von dem „Pfingstgeschenk der Berliner Bauherren", entrüstet sich über die „gemein gefährliche", „privatkapitalistische Produktionsweise" — ver kündet aber zugleich siegesgewiß „die Pfingsiaussperrung der Berliner Bauherren wird den Geist des Sozialismus über Tausende von Proletariern ausgießen". Liest man diese Auslastungen, dann möchte man meinen, es handle sich um eine brutale Tat von „kapitalistischen Machthabern" armen, schlecht gelohnten und durch über lange Arbeitszeit ausgesogenen Arbeitern gegenüber. Weit gefehlt. Hier ist vielmehr ein Arbeitskampf entbrannt, bei dem das berechtigte Trachten der Arbeiter auf Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen von einer geradezu frivolen Kampfeslust erstickt worden ist. Zwischen den in Betracht kommenden Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestand bis vor wenigen Wochen auf Grund eines Arbeitsvertrages ein durchaus friedliches Arbeits- Verhältnis. Dieser bis zum 1. April gültige Arbeitsvertrag schien den Arbeitnehmern nicht mehr günstig genug. Sie erstrebten eine Verbesserung einmal durch eine Verkürzung der Arbeitszeit und dann durch Lohnerhöhung. ' So forderten sie zunächst statt der bisher gültigen neun stündigen Arbeitszeit den Achtstundentag. Als die Arbeitgeber ihn in Rücksicht auf die kurze Zeit der Saison arbeit und die durchaus nicht günstige Konjunktur im Bau gewerbe ablehnten und auch darauf hinwiesen, daß eine so verkürzte Arbeitszeit eine Mehreinstellung von Arbeitern notwendig mache, die zumeist aus räumlichen Gründen auf den Bauplätzen gar nicht möglich sei, da waren die Leiter her Arbeiterorganisation verständig genug, ihrerseits sür die weitere Tarifdauer auf die kürzere Arbeitsdauer zu verzichten und nur noch die Forderung einer Lohn erhöhung zu empfehlen. Sie schlugen dabei die Anrufung des Einigungsamtes vor. Zu einer Erhöhung des Lohnes waren denn auch die Arbeitgeber bereit. Für das erste Jahr wollten sie den Stundenlohn, der bisher 75 Pfg. beträgt, um 3, im nächsten Jahr um weitere 2, im dritten Jahr um abermals 2 Pfg. ausbestern. Somit hätte der Maurer oder Zimmerer im zweiten Jahre 80 Pfg. für die Stunde oder 7,20 sür den neunstündigen Arbeitstag verdient, später mehr. Das Schiedsgericht entschied dahin, daß die Lohn erhöhungen in einem neuen dreijährigen Tarifvertrag be willigt, von einer Aenderung der Arbeitszeit aber abgesehen werden solle. Zur Annahme dieses Schiedsspruches waren die Arbeitgeber bereit. Anders die Arbeiter. Obwohl sie von den Gewerkschaftsführern und auch von sozial demokratischen Parteiführern, wie Bebel und Singer, ja selbst vom „Vorwärts" — der dies jetzt vergessen zu haben scheint — dahin beraten wurden, diesen Schieds spruch anzu nehmen, lehnten sie ihn ab. Von diesem Beschluß an lag der Ausbruch des Arbeitskampses in der Luft. Die Arbeitgeber mußten befürchten, daß jetzt hier und dort Streiks ausbrechen würden, um die Forderungen der Arbeiter in bezug aus den Arbeitstag doch durchzusetzen oder Lohnbedingungen zu stellen, die über das zugestandenc Maß hinausgingen. Die Arbeitgeber brauchen aber Sicherheit, um ihre Kalkulationen machen zu können. Sie können nicht heute hier, morgen dort einen einzelnen Berufsgenossen einem Streik aussetzen. Dasselbe Interesse, das die Ar beiter an gleichen Arbeitsbedingungen auf allen Arbeits stätten einer Branche haben, müssen auch die Arbeitgeber verfolgen. Das ist ja auch die Vorbedingung, um zu einem Tarifverhältnis zu kommen, das den Frieden verbürgt. Und da die Arbeiter in übertriebener Kampsesstimmung, in falscher Einschätzung ihrer Kraft und in törichtem Ver trauen auf die Stärke ihrer Organisation, mehr fordern zu können meinen, als ihnen das Schiedsgericht zugesprochen hat, so kann man es nur verstehen, daß die Arbeitgeber den ihnen hingeworfenen Fehdehandschuh ausnehmen und der Gefahr drohender Einzelstrciks durch die nun beschlossene Gesamtaussperrung der Bauarbeiter zuvorkommen wollen. Treten nicht unvorhergesehene Ereignisse ein, nehmen die Arbeiter nicht noch Vernunft an und suchen nicht ihre Führer, die bisher zum Frieden rieten, diesen doch noch wiederherzustellen, indem sie einen annehmbaren Ausweg aus dem Dilemma schaffen, io gehen wir dem Drama einer Riesenaussperrung entgegen, die sehr leicht über die Gren zen von Berlin hinaus sich auch noch auf andere Städte, vielleicht auf ganz Deutschland erstrecken kann. Tann han delt es sich noch um ganz andere Zahlen, als um die schon stattliche Zahl von 100 000 Arbeitern, die jetzt durch eigene Schuld ihres Arbeitsverdienstes verlustig gehen. Wie ein solcher Kampf ausfallen muß, wenn man die Situation kühl und ruhig beurteilt, darüber kann gar kein Zweifel bestehen. Mögen die Arbeiterorganisationen über noch so gefüllte Kriegskasten verfügen, daß sie imstande sein könnten, die Zahl von IM 000 Ausgesperrten längere Zeit zu unterstützen, ohne sich finanziell völlig zu erschöpfen, ist ausgeschlossen. Zumal in diesem Fall von einer Sympathie in bürgerlichen Kreisen sür die Ausgespecrten nicht die Rede sein kann und nicht die Rede sein wird. Hier wird lediglich eine Kraftprobe von feiten der Arbeiter inszeniert, die nicht geeignet ist, auch in sozialpolitisch noch so fortschrittlich gesinnten Kreisen Stimmung für die Ar beiter zu machen. Das berechtigte Bestreben der Arbeiter, ihre Lage durch verkürzte Arbeitszeit und Lohnerhöhungen zu verbessern, hat nichts zu tun mit dieser im Uebermut selbst gegen den guten Rat der eigenen Führer begonnenen Kampfbewegung. Eine um so schwerere Verantwortung laden darum die auf sich, die den Arbeitern geraten haben, den Schiedsspruch nicht anzuerkennen und auf weiteren Forderungen zu beharren. Sie tragen durch eine solche frivole Taktik nur dazu bei, das reaktionäre sozialpolitische Scharsmachertum zu verstärken und damit gerade die Kreise zu schädigen, für deren Wohl sie angeblich kämpfen — die Kreise der Arbeiter. Am vorabem! aer Aadlen. (Bon unserem Wiener k'-Korrespondenten.) Es herrscht — so unglaublich es auch im ersten Momente klingen mag — wieder politisches Leben in Oesterreich. Tas hat die Einführung deS allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts getan. Am nächsten Dienstag besteht es seine Feuerprobe, und der politische Nerv vibriert sehr kräftig. Freilich, die Art seiner Erregung ist merkwürdig und fordert zu allerlei Betrachtungen auf. Man kann sagen: Oesterreich ist für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht noch nicht reif. Eins ist gewiß: Eine Unmasse Stichwahlen werden das Ergebnis des Wahltages sein. Ist hier dieselbe Ursache, wie jüngst in Deutschland: das starke Ringen großer Parteien, gewaltiger Strömungen? Aber nein! Der Mangel der großen Parteien ist die Ursache, der Mangel der großen Ideen. Wenn kein Führer da ist, dem sich Zehntausend« neigen, melden sich die kleinen zum Worte, die Tausende ober Hunderte als ihr Gefolge zählen. Die ärgste Zersplitterung wird sich in den deutschen Wahl kreisen ergeben. Tie Finger an beiden Händen reichen nicht aus, wollte man alle deutschen Fraktionen und Fraktiönchen anführen. Das alte Erbübel des deutschen Geistes, hier in Oesterreich besteht eS noch in voller Kraft, in seiner Sündenschönheit: Wenn drei Deutsche bei sammen sind, bilden sie vier Parteien. ES ist ein Jammer, unter dem speziell da» Deutschtum in Böhmen leiden wird, wo einzig und allein die Agrarier ihren Schnitt machen werden. Aber um das politische, um das fortschrittliche Element bandelt eS sich beute in erster Linie; Fortschritt braucht Oesterreich wie einen Bisten Brot, und daß in nationaler wie in fortschrittlicher Be ziehung die Agrarier unsichere Kantonisten sein werden, daß sie um ein ökonomisches Linsengerich. 1'' nationalen Forderungen beiseite schieben, ist leider zu befürchten. Mau erwartet nicht allzuviel von den Wahlen, von dem neuen ersten Bolk-baus«; man prognostiziert ihm keine lange Lebensdauer. Daher stammt auch der Wagemut der ganz Kleinen, ihr Glück zu versuchen. Da allgemein^ gleiche und direkte Wahlrecht muß auch in Oesterreich seine Kinderkrankheiten durchwachen; die Erziehung zum Wähler ist noch nicht vollzogen. E- fehlte auch di« große Wahlparole. Da- Ministerium Beck hat klug und vernünftig vor Beginn des Wahl kampfe- gebeten, gemüßigte, einsichtige Abgeordnete zu wählen, die die Interessen de- Staates erkennen und wahren. Da- ist ganz richtig, aber es lockt die Leute nicht vom Ofen. Ls zeigt sich, daß der Niedergang des Parlamentarismus in Oesterreich, die trostlose Zeit der Obstruktion und der Herrschaft d«S ominösen Paragraph 14, dieser verschleierte Absoluti-mu-, das poli tische Empfinde» geschwächt und gelähmt haben. Eine der wichtigsten Ageuden des neuen Parlaments wird die Regelung der Beziehungen der beiden Reich-Hälften, der neue Ausgleich mit Ungarn sein. — Niemand wird behaupten können, daß diese Frage die Wahlkampagne beherrscht habe. Hier lokale Fragen, dort pro vinzielle Neuigkeiten, nur das nahm man wahr. Der Kaiser appellierte bei seiner Abreise au- Prag an Teutfche und Tschechen, den nationalen Frieden zu schaffen — er wird auf beiden Seiten al-eine guLntits vsKÜgesble bezeichnet. Die fortschrittlichen und rückschritt lichen Parteien bekämpfen sich, aber steht man genauer zu, ist e- kein schneidiger Kampf. Man denkt heute schon an die künftigen Kompromisse. Eine reinliche Scheidung nach rechts und nach links wird unmöglich sein. Nur in nationaler Beziehung ist Eintracht vorhanden: d. h. die Tschechen weiden eine große Partei bilden und die Polen desgleichen. Die Deutschen aber? Hier sängt der große Jammer an; sie erfassen noch immer nicht den Ruf der Zeit; jede Fraktion will nach ihrer Fasson selig werden, sonst möge das ganze Deutlchlum in Oesterreich zugrunde gehen! Und die Feinde des Deutschtums in Oesterreich sind heute stärker als je! Tas wissen und erkennen und sehen alle, nur nicht die Teuljchen in Oesterreich. Und im neuen House, das 516 Ab- geordneie zahlen wird, werden nur große Massen die Entscheidung bringen; die großen Parteien werden die Herren sein. Die kleinen wrrcen nur Obstruktion treiben können. Tas ist ein radikales Mittel. Manchmal Hilst es, aus die Dauer versagt es. Man wird vom 14. Mai 1907 viel lernen können. Schade nur, daß Oesterreich schon so viel Lehrgeld gezahlt hat, und Oesterreich nicht mehr allzu lange studieren kann; die moderne Zeit braucht reise Völker, Par teien, die wissen, was sie wollen. knglttebe tziiellrövle. (Von unserem Londoner L - Korrespondenten.) Fürst Bülow wird den englischen Journalisten, die zum Besuche nach Deutschland kommen, ein Gartenfest geben. Las Gartenfest, das den deutschen Gästen im Vorjahre in London gegeben wurde, wurde etwas unvermittelter arran giert und ging von Herrn Pearsson, dem Ullstein der Lon doner Tagespreise, aus. In einem ganz ähnlich kontrastie renden Verhältnis bewegt sich zurzeit die Mitarbeit, die auf beiden Seiten des Kanals von den amtlichen Vertretern der Nationen der Herstellung angenehmerer Beziehungen ge widmet wird Teils durch die Schuld des offiziösen Telegraphen, der ja seine Nachrichten über englische Politik immer noch aus offiziöser englischer Quelle bezieht, und selbst wenn er von verläßlich deutsch denkenden Auslandsvertretern bedient wäre, manches letzt „höheren Zwecken" zuliebe, mit Still schweigen übergehen mußte, ist man in der deutschen Oeffent. lichkeit offenbar über manche bezeichnende englische Unge zogenheiten der letzten Zeit nicht ordentlich unterrichtet worden. Ter Respekt vor den „höheren Zwecken" hak aber bedenklich abgenommen, seit sie so selten, besonders im Ver kehr mit Enr'and, erreich, werden. Tie englische Regierung ferner hat ihrerseits auch sehr wenig Respekt vor diesen höheren Zwecken gezeigt, ja, die Respektlosigkeit ist infolge der stillschweigenden Hinnahme des markant unwirschen Auf tretens englischer Kabinettsmitglieder gegenüber Deutsch land entschieden im Wachsen begriffen. Ter Richter von Zalamea sagt dem edlen Ton, der seine feinste Empfindlich keit verletzt hat: „Bei allem schuldigen Respekt laß' ich euch hängen." Und wenn das englische Ministerium sich auf den Standpunkt stellt: „T-er höhere Zweck angenehmer Ver kehrsbeziehungen „bs ftnnpceck", falls wir nur unserem Verdruß über die Durchkreuzung gewisser Pläne Ausdruck geben können": so haben auch wir gar keine Veranlassung, uns ein Papagenoschloß vor den Mund zu legen. In Fork hat Herr Haldane den englischen Bataillonen das Zeugnis ausgestellt, daß sie den besten des Kontinents gewachsen seien, und gleich darauf bemerkt, daß Deutschland die doppelte Last der Rüstungen zu Lande und zu Wasser nicht tragen könne. Tie Lorbeeren, welche Herr von Einem sich bei seinen diesjährigen Etatsreden geholt hat, haben den englischen Amateurkollegen, der wesentlich weniger glorreich aus den Budgetdebatten hervorgina, nicht schlafen losten. Er hat in dieser Form seinen Tank für die Liebenswürdigkeit abgestattet, mit der man ihm am Berliner Königsplatz zu einigen Ideen über die Organisation eines Generalstabes verhalfen hat. Er weiß auch ganz gut, daß das bißchen englische Armee viel teurer ist, als das deutsche Volksheer, selbst nach der Haldaneschen Armeereform, über deren Qualitäts leistungen, wenn sie durchgeführt sein wird — sie ist kaum erst angenommen — die besten englischen Militärs wesentlich skeptischer denken, als der schottische Philosoph in erklärlicher Vatereitelkeit tut. Vor einem Monat, vor der Annahme der Reform, war der Dialektiker Haldane noch der über zeugteste Vertreter der Ueberlegenheit des kontinentalen Dolksbeeres über die englischen Bataillone. Und einer seiner Leitgedanken ging dahin, daß man einen lebten Ver such mit einem verbesserten Söldnerheer deshalb machen müsse, weil England die doppelte Last der Rüstung zur See und eines Volksheeres nicht tragen könne, sondern seine Weltstellung einbüße, wenn Britannia nicht mehr die Wogen lenke. Ter Umschwung der Ansichten bei dem englischen HeereSreorganisator mag auf gekränkte Autoreneitelkeit zu rückgehen. Denn es ist Tatsache, daß dem gelegentlich der Einemschen Rede demonstrativ geäußerten Vertrauen des deutschen Volkes zu seinem erprobten Heere in England ein starker Skeptizismus hinsichtlich des Zukunftswertes selbst der reorganisierten Armee als Gegenstück entspricht. Daß aber diese falsche Gekränktheit sich so offen äußern darf, wenn es auch, wohlüberlegt, außerhalb des amtlichen Rahmens ge schah. ist sür die Stimmung im Gesamtkabinett bezeichnend. Der Premier Eamvbell-Bannerman hat ebenfalls die Rolle des gekränkten Querkopfes zu spielen für gut ge sunden. Es ist dies eine Rolle, die von manchem englischem Premier, besonders aber von Palmerston, von Gladstone und gelegentlich von Salisbury mit viel Applaus des Der- sammlungs. und Preßpublikums gespielt worden ist, wenn es galt, Fermaten in der äußeren Politik zu verdecken, welche durch halsstarriges Intrigieren gegen einen stillen, aber machtbewnßten Gegner entstanden waren. Der englische Slanaausdruck dafür beißt „t/> sinllv" — ins Sächsische übersetzt: „tückisch tun". Herr Bannerman hat im Unter haus Fürst Bülows Ankündigung über Deutschlands Richtbeteiligung an der Nbrüstnnasdiskiission im Haag mit der Erklärung beantwortet, daß das Ministerium die In struktionen an seine Vertreter erst noch feststellen werde und sich das weitere Programm für das nächste Armee- und Marinebudaet Vorbehalten müsse. Er bat diese Erklärung in Manchester auf dem Bankett der Liberal Federation dabin vervollständigt, daß er Deutschlands Haltung sür die „Enttäuschung in der Abrüstunaskrage" verantwortlich machte. Man muß nicht vergessen, daß ein englisches Kabi nett ans Parteiministern besteht, daß angeblich im Augenblick der liberale Wähler regiert, und daß es zur Tradition jeder Parteileitung in diesem Lande gehört, das Ausland für die Nichterfüllung im Wahlkampfe gegebener unerfüllbarer Ver sprechungen verantwortlich zu machen. Aber auch englische Parteiminister können liebenswürdig sein, wenn sie wollen. Herr Bannerman war beispielsweise liebenswürdig genug, der verklausulierten St«"uvgnahme Frankreichs zur Ab rüstungsdiskussion keine Erwähnung zu tun. Während in Deutschland der offiziöse Apparat England in Seidenpapier einwickelt und ihm mit Blumensträußen aufwartet, fähri das liberale Kabinett fort, „to bull^" — tückisch zu tun. Und zwar nicht bloß außeramtlich. Herr Lindenfels ist nach mehr als zweimonatiger Anwesenheit in London un verrichteter Dinge abaereist. Die von ihm anaestredte Ver einbarung über den südwestafrikanifchen Grenzoienst ist nicht erreicht worden. Und Simon Köpper steht an dieser eng lischen Grenze! Dabei haben wir im Reichstag die bündigsten, obwohl für jeden Denkenden unnötigen Erklärungen über unsere militärischen Absichten im Schutzgebiet zur Be ruhigung der englischen Jingos abgegeben. Die ruhige und entgegenkommende Art, wie Spanien den Kamerun-Konflikt mit Deutschland behandelt, steht in scharfem Kontrast mit der mindestens nicht chevalereskeu Art, in der England seine Grenzoerpflichtungen auffaßt. Auch hier also: John Bull der Querköpfige. Es wäre Helle Torheit, mehr als empfindliche Quer köpfigkeit in dieser Attitüde sehen zu wollen. Es wäre un verdiente Ehre, sie als zielbewußte Politik zu bezeichnen. Es wäre grundfalsch, in dieser jetzt noch obwaltenden Stimmung trotziger Ratlosigkeit einen endgültigen Mißerfolg der Bülowschen Bemühungen um die deutsch-englische Annähe rung zu erblicken. Die Situation erinnert auffallend an diejenige, in der sich Bismarck 1884, in der Zeit der Samoa- streitigkeiten und der englischen Durchkreuzungen und Be hinderungen unserer afrikanischen Kolonialpolitik, befand. Bismarcks Avancen in London, erst durch Münster, später durch den eigens entsandten Herbert Bismarck, stießen eben falls aus Querköpfigkeit, auf dullvin^. Ter eiserne Kanzler wandte sich dann Frankreich zu, mit dem er sich rasch ver ständigte und auf so guten Fuß kam, daß Lord Granville den Unterstaatssekretär Mr. Meade als Svezialgesandten nach Berlin schickte, mit der besonderen Mission, den recht ab. weisenden Bismarck durch allerlei Konzessionen zu versöhnen. Wenn man sich die Fäden vergegenwärtigt, die zwischen der Wilhelmstraße uwd dem Quai d'Orsay augenblicklich ge sponnen werden, und den Fleiß verfolgt, mit dem der „Petit Parisien", das verläßlichste Organ der amtlichen Politik der Republik, das Gespenst eines ernsten Zerwürfnisses zwischen Deutschland und Frankreich zu bannen sucht, so wird man sich der Gleichartigkeit der Zeitläufte noch deutlicher bewußt. Um denselben Erfolg wie 1884/85 zu erreichen, wird es aber auch nötig sein, daß man in Berlin auch zur rechten Stunde ebenso kühl und abweisend ist, wie damals, statt den eng lischen Querköpfen mit falsch gedankten Liebenswürdigkeiten vorzeitig die heilsame Bürde gekränkter Ei elkeit abzu nehmen. An den Charmeur des kommenden Gartenfestes ist die Mahnung zu richten: „ps* ck« räle!" Ter Kunst, Zitate zu wäblen, schließe sich der Wille an, Zitate zu wägen. Und dieses stammt von einem Meister der Divlomatie, einem Meister, der obendrein zu des Kanzlers schmeichel- Hastesten Vorbildern zählt. Deutsches Deich. Leipzig. 14 Mai. * Ter Kaiser in Wiesbaden. Sonntag abend nach der Serenade ließ der Kaiser Vie Vorstände der Gesangvereine zu sicb kommen und drückte ihnen seine Anerkennung über die Leistungen der Sänger aus. Montag früh unternahm der Kaiier einen Spazierritt und hörte dann den Vortrag des Cdefs des Geh. Zivilkabinettes Zur Frühüückstasel bei dem Kaiser war der bayerische Gesandre in Berlin, Gras Lerchen- seid geladen. Die Kaiseriu Hal sich gestern nach Homburg begeben. * Prinz Moritz von Altenburg Schon als die erste Nachricht von der Erkrankung des säst . 78jährigen Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg an einer wenn auch schein bar nur leichten Lungenentzündung emtraf, lag bei dem hohen Alter des Erkrankten die Besürchtung nahe, daß die Krankheit mit dem Tode enden werd«. Auch die Mitteilung, es gebe ihm besser, konnte nur wenig Hoffnung erwecken. Sie wurde denn auch alsbald von der Meldung einer Ver schlechterung deS Zustandes abgetöst und kaum war diese birr eingetroffen, jo meldete auch schon der Draht, daß der Prinz gestern nachmittag 1 Uhr iu Arco, wo er zur Zeit der Erkrankung weilte, verstorben lei. Prinz Moritz war der um drei Jahre jüngere Bruder des re gierenden Herzogs Ernst von Sachsen-Altenburg, geboren am 24. Oktober 1829 in Eisenberg. Er bekleidete in der preußischen Armee den Rang eines Generals der Kavallerie, stand » la suite deS Leib-Gardc-Husaren-RegimenlS und deS 8. Tbührmg. Jnf.-Rzts. Nr. 153. Er war auch königlich tächsischer General der Kavallerie ä I» suite d. A. Seit dem 15. Oktober 1862 war er mit Auguste Prinzessin von Sachsen-Meiningen (geb. 1843) verbeiratet. Aus dieser Ehe stammen vier Kinder, die mit dem jetzigen Fürsten zu Schaumburg-Lippe vermäblte Prinzessin Marie Anna, die mit dem russischen Großsürsten Konstantin vermählte Prinzessin Elisabeth, ferner Prinz Ernst von Sachsen- Altenburg, der am 31. August 1871 geboren ist, und endlich die Prinzessin Luise, die seit 1895 die Gemahlin des Prinzen Eduard von Anhalt ist. s. Sin Mtnistertalerlatz betr. bas Erlernen der Ltcno- graphie ist soeben an die einzelnen RessorlS aller Dresdner Behörden ergangen. Der Minister wünicht, daß namentlich die jüngeren Beamten an dem iw Sommerhalbjahr vom Stenographischen Institut veranstalteten UnterrichtSkursuS sür BerwattuagS- und Iustizbeamte teilvebmen, da eS vier- von einen slotteren Geschäftsgang und e,ne Entlastung der höheren Beamten von lästiger und zeitraubender Schreib arbeit in Fällen von außerordentlicher GeschäslSbäusnng er hofft. Auch soll eine auSsührlichrr« Wiedergabe von Ver handlungen in den Protokollen ermöglicht werden. Zum T-be TrätzschierS. Ueber den am Lonntag auf Schloß Dorfstadt bei Falkenstein verstorbenen Freihrrru von Trützschler zum Falkenstein wird unS noch in Ergän zung zu dem von uns schon Gesagten geschrieben: Der Ver storbene gehörte seit dem Jahre 1878 den der Ersten Kammer der sächsischen Ständevertammlung durch Kgl. Ernennung zugeordneten Rittergutsbesitzern an und war seit dem Land tag« 1877,78 Mitglied bez. Schriftführer der II. (Fiaauz-- Dexutatiou dieser Kammer. Außerdem war er eia« Reche v«l
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