Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.05.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070516023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907051602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907051602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-16
- Monat1907-05
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezuqs-Preis A«Heiqe«.PreiS für Leipzig und Vororte durch unsere Träger und Spediteure ins Haus gebracht: Aus gabe (nur morgens) vierteliahrlich 3 M., monatlich I M.; 'Ausgabe It (morgens und abends) vierteljährlich 4 50 M., monatlich 1.50 M. Durch die Post bezogen (1 mal täglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen ilolonien vielteljäbrliä> 3 M., inonatlich I M. ansschl. Poslbestellgcld, für Oenerreich-Ungarn vierteljährlich 5 L 4.5 b. Abonneinent-Äunahme: Augustusplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmejiellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 Pfg. Redaktion und Expeditiou: Iodannisgasse 8. Teleph. Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. 14694. Berliner Rcdattions-Vureau: Berlin XVV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Strane 1. Telephon I, Nr. 9275. Nr. 135. Abend-Ausgabe 8. Handelszeitung. Ämtsölatt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Donner»öta^ 16. Mai 1907. für Inserate au- Leipzig u. Umgebung di» bgespalteue PetitzrUe 2b Pf, finanzielle An zeige» 30 Pf^ Reklamen 7SPf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 W. vom Ausland 50 Pf., sinanz. Anzeigen7b Pf,, Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegebuhr b M. p. Tausend rxkl. Pog- gebühr. GeschästSanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Feslerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AuguftuSplatz 8, bei sämtliche» Filialen u. allen Aouonrrn- Expeditionen de« Ja- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker,Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg, Lüpowstraß« 10 (Tel. Vl, 4603). 101. Jahrgang. Nss Neueste vom Tage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegangenen Tkpeschen stehen auf der 3. Selle des Hauptblattes.) Jur Braunschweiger Negeiitcnwahl. * Die »Köln. Ztg." bringt in einem Berliner offiziösen Telegramm hie Anwesenheit des braunschweigischen Staats ministers Otto in Berlin mit der Regeatschastsfrage in Ver bindung. „Die letzten Verhandlungen in Braunschweig", so fährt das Blatt sort, „scheinen volle Klarheit über die Slimmung der Landtagsabgeordneten gebracht zu haben, und die Wahl des Herzogs Johann Albrecht von Mecklen burg zum Regenten ist Wohl als gesichert zu betrachten. Wir unsererseits haben immer den Standpunkt vertreten, daß den Braunschweigern vollste Freiheit der Wabl gelassen weiden lolle, mit der einzigen Einschränkung, daß Angehörige des Hauses Cumberland dem Herzogtum feruzuhalten seien. Wenn jetzt die Wahl der Braunschweiger auf den Herzog Johann Albrecht fallt und er, wie vorauszusehen ist, die Wal l annimmt, so werden sie einen Regenten gesunden haben, dec nicht nur den Braunschweigern, sondern allen Deutschen im hohen Gradd sympathisch ist." Eine Rede Haldancs. Der Kriegsminister Haldane hielt gestern im Alexandra Palace eine bemerkenswerte Rede. Bor der Eröffnung der Versammlung mußten mehrere Frauenrecht lerinnen gewaltsam aus dem Saale gebracht werden, weil sie versuchten, Ansprachen an die Versammelten zu halten (!!!) Der Kriegsminister machte in seiner Rede Anspielungen auf die ernste Lage in Indien. Die englisch-deutschen Beziehungen betreffend, hoffte er, daß diese sich bessern werden, und tadelte jene Blätter, welche versuchten, die Beziehungen beider Reiche zu verschlechtern. — Bemerkenswert ist das Eingeständnis, daß die englisch-deutschen Beziehungen einer Besserung bedürftig seien. — Ueber den zweiten Teil der Rede geht uns folgender ausführlicher Bericht zu: Für die Verhältnisse auf dem Kontinent stellte Haldane mit Befriedigung fest, daß die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und Frankreich, sowie zwischen Großbritannien und Rußland im Wachsen begriffen seien. Er vertraue darauf, daß auch die Zeit kommen werde, wo eine Besserung der Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland ebenso d^uci.y in die Erscheinung treten werde. Er glaube, baß diele Be ziehungen ebensogut sein könnten, denn es bestände kein Gegen satz zwischen beiden Ländern außer dem rechtmäßigen Gegensatz der Handelskonlurrenz. Eine Klasse von Journalisten gäbe es, die es für angezeigt halte, jeden kleinen Zwischenfall aufzubauichen. Es gäbe viele nervöse Leute in Großbritannien und in Deutschland, welche glaubten, daß die beiden Völker übereinander herfallen wollten. Dieselben Journalisten, welche heule das Land gegen Deutschland aufhetzten, hätten seinerzeit Großbritannien zur Hetze gegen Frankreich während der Dreyfusaffäre getrieben. Er sei überzengt, daß die Politik der besseren Verständigung fortschreuen werde auf der soliden Grundlage des Ve*ständniffes und der wahren Natur der gegenseitigen Verhältnis. Minister und Wahlrcfultat. Der österreichische Unterrichtsminister, von dem es hieß, daß er infolge feiner Niederlage im Wahlkampf demissioniert habe, läßt erklären, daß er vorläufig diesen Schritt nickt unternehme und jedenfalls den Ausgang der Stichwahlen, die am 23. d. M. stattsinvea, abwarlen werde. Ein Gleiches gilt von den anderen deutschen Ministern des Kabinetts, be sonders dem Eisenbahnminister, der aus einer eventuellen Niederlage bei der Stichwahl unbedingt die Konsequenzen ziehen würde. Wahl-Bulletins. Von den Wahlen liegen jetzt aus sämtlichen Kconländern, mit Ausnahme von Galizien, vollständige Wahlergebnisse vor. Danach sind gewählt 231 Aogcordnete; ersorcerlich sind 168 Stichwahlen. Die gewählten Abgeordneten verteilen sich nach ihrer Parteirichtung wie folgt: Deutsche Fortschrittspartei 7, Deutsche Volkspartei 5, Christlich-Soziale 50, Sozialdemo kraten 57, Katholisches Zentrum 28, Jnngtschechen 4, Alt- schechen 2, Tschechische Nationalsoziale 1, Tsckechi'che Agrarier 6, Klerikale Tschechen 4, Deutsche Agrarier 9, FreiaUdeulsche 3, Ruthenen 6, Rumänen 2, Italiener 10, Slowenische Volks- Partei 19, Liberale Slowenen 4, Kroaten 1, Parteilose 1, Freisinnige 1, Polnisch-Klerikale 1 und Deutsch-Klerikale 1. Ter Konflikt im englischen Flottcn-Bcrcin. Nach einer stürmischen Debatte faßte der englische Flotten- Verein in einer gestern abgehaltenen Sitzung mit 44 gegen 27 Stimmen den Beschluß, von einem Appell an das Land zum Protest gegen die jetzige Marinepolitik der Regierung Abstand zu nehmen. Eine hübsche Rechnung. Der „Tribüne" zufolge hat der englische Gesandte in Costa Rica im Auftrag der englischen Regierung der Republik 3 Wochen Bedenkzeit gelassen, die England gegenüber ein gegangene Schuld von 30 Millionen zu bezahlen. Der Betrag ist jedoch, da seit 14 Jahren keine Zinsen gezahlt worden sind, auf ca. 100 Millionen angewachfen. — Wenn p --- 1,05 ist, ergibt np" bekanntlich ungefähr 2 a. Eng land muß also einen hübschen Zinsfuß haben, wenn es nach 14 Jahren das 3 »/z fache des Anfangs-Kapitals fordert. psMrZGss. -s- Zum Tode des Prinzen Moritz wird uns aus Altenburg geschrieben: Die Beisetzung des zu Arco ver storbenen Prinzen Moritz von Sach, en-Altenburg soll am Freitag zu später Nachtstunde in der hiesigen Fürstengruft erfolgen, und zwar in aller Stille. Zu der Freitag nach mittag ftattfinücndcn Trauer entsendet der deutsche Kaiser den Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen. Trauer kundgebungen sind am hiesigen Hofe außer vom Kaiser noch von allen übrigen deutschen Fürsten und auch von einigen außerdcutschcn Regentenhänsern eingctrosfcn. Unsere Stadt hat bereits ihr Trauergewand angelegt. * Deutsch-dänischer Handelsvertrag? Nach der „Na- tionalzeitung" befindet sich ein deutfch-dänischer Handels vertrag in Vorbereitung. Anfangs Juni sollen zwei dänische Unterhändler in Berlin eintresfen, um wegen eines solchen Vertrages in Verhandlungen einzutreten. * .Kolonialdirektor Dcrnburg begibt sich im Lause des Sommers nach Miltenberg im Odenwald, wo er bei einer befreundeten Familie Wohnung nehmen wird. kp. Ein Protest der Mission. Die alljährlich in Horb ragende württembergijche evangelische Mis st o n s k o n f e r e n z hat sich auch mit dem Fall Puttkamer beschäftigt und dazu folgende Entschließung gefaßt: Die Missivnskvnferenz spricht ihr tiefstes Bedauern darüber aus, daß laut übereinstimmenden Zeitungsberichten ein öffent licher, namens des Deutschen Reiches redender Ankläger die Anweisung des Gouverneurs v. Puttkamer zu verteidigen gewagt hat, wonach den Aussagen der Missionare als nnn- dergebildeter und leichtgläubiger Leute vor Gericht weniger Glauben und Gcwichi beizumessen sei; sie sieht darin eine unerhörte Beleidigung eines um unsere Kolonien hochver dienten Standes und eine Verletzung des einfachsten Rechts bewußtseins. * Der Württembergifche Landesverband des Deutschen Flottenvercins hielt am 15. Mai in Stuttgart unter dem Vorsitz des Fürsten Karl von Urach seine Jahresver sammlung ab. Der Fürst sagte in seiner einleitenden An sprache, man könne die Beratungen in um so freudigerer Stimmung beginnen, als die Kölner Tagung einen so ver- söhnenden Verlauf gcmommen und die so unentbehrliche innere Einigkeit des Vereins wiederum erwiesen habe. Der von Hofrat Thomä erstattete Jahresbericht, der ein Bild von der sehr regen Tätigkeit des Württembergischen Landes verbandes gibt, hebt hervor, daß sich der Württcmbergi'che Landesverband von der Agitation für die Reich s- tagswabl fern gehalten luckc, da er von der An sicht au »gegangen sei, daß der Flottenverein als nicht politischer Verein, in dem Mitglieder der verschiedensten Parteien sich zusammen finden, '.richt die Aufgabe haben könne, für bestimmte politische Richtungen einzutretcn. Zum Schluß der Versammlung betonte noch Generalstaats anwalt Dr. v. Rupp, der Flottenverein Hecke auch im ver- gangeno.r Jahr den Kampf für die Flotte mit Erfolg ge rührt.- N'cht in parteipolitischer Anteilnahme an da» Komoren des Tages, sondern durch Aufklärung. Wenn Württemberg von den innern Känrpfen im Flottenverein, die ja in Köln geschlichtet worden seien, wenig oder gar 'nichts gäsvürt habe, so gsbübre dafür der maßvollen, taktvollen und doch ener gischen Leitung des Württembergischen Landesvereins Donk. II. Iß Vierter preußischer Lehrertag. Auf dem am Pfingft- sonmckend in M?gd->b'i--p z-vsamm'nt"'etcnden vierten vreuß'säun Lehreriag werden zahlreiche Delegierte von Lehrervereinen aus allen Teilen der Monarchie anwesend sein. Der goschäftsführende Ausschuß wird dem Lehrertag folgende Erklärung unterbreiten: 1. »Wenn die preußische Volksschule ihrer Ausgabe im Dienste der Volksbildung und Volkserziehung vollauf ge recht werden toll, so ist in erster Linie eine Lehrcrbesol- dung erforderlich, die der Bildung der Lehrer und der Be deutung ihrer Wirksamkeit, sowie den allgemein wirtschaft lichen Verhältnissen unserer Zeit entspricht. 2. Demnach 'aßt der preußische Lchrerverein angesichts der bevorstehende» Revision des Gesetzes vom 3. März l897 seine Wünsche bezüglich der Neuregelung der Lehrer besoldung dahin zusammen, daß n) eine einheitliche Besoldung aller Lehrer ohne die bisherige unbillige Berücksichtigung der örtlichen Verhält- nisse nach der Art der Besoldung der Lehrer an höheren Schulen geschaffen werde, daß bs den Lehrern ein Einkommen gewährt werd«, welches nach Höhe und Art des Anwachsens dem der nichtlechnischen Sekretäre in den staatlichen Betrieben und Verwaltungs- behörden gleich ist, evtl, mit den Abänderungen, welche durch eine etwaige frühere endgültige Anstellung der Lehrer und die Gewährung der vollen Mietsentschädigung an sie bedingt sind, und daß o) bei den dauernd mit einem kirchlichen Amte verbun denen Stellen das aus diesem fließende Einkommen nicht aus das Lehrergehali angcrechnet werde." Dem Lehrertag wird am Freitag eine VorstairdÄsitzung und eine Sitzung des geschäftsfübrenden Ausschusses voran gehen. eck. Ein großpolnischer Kongreß. Aus Posen wird unS gemeldet: Ein neuer großpolniicher Kongreß ist, den polni schen Blättern zufolge, für die Pfingsttage nach Lemberg e>n- berufen. An demselben nehmen sämtliche polnische Reichs tags- und Landtagsabgeordncte, sowie die Vertreter von über 1100 polnischen Vereinen der Provinz teil. Man erwartet von dem bevorstehenden Kongreß eine schärfere Haltung der polnischen Abgeordneten in der Sprachenfrage. — Der leit Wochen anhaltende Rückgang im 'Schulstreik ist in den letzten 14 Tagen .zum Stillstand gelangt. Die Zahl der noch im Streik verharrenden polnischen Schulkinder hat wieder um ein« Kleinigkeit zu genommen. Seit dem 1. Mai sind insgesamt 85 neue Lehrkräfte von der Königlichen Regie rung Posen angestcllt worden. — Tie ^abl der polnischen Lebrgemeinden, welchen von der Königlichen Regierung die Schulbeihilsen entzogen worden, betrug am 10. Mai in der Provinz 46. II. b'. Ein kleiner Anarchistenprozeß. Vor der 1. Straf kammer des Landgerichts Berlin I spielte sich gestern ein kleiner Anarchistenprozeß ab. Der Lackierer Curt Neu mann hatte vor einiger Zeit in einer öffentlichen Anar- chislenveriammlung gesagt: „Man muß die jungen Leute, noch ehe sie Soldaten werden, ausfordern, bei einem etwaigen Bürgerkriege nicht auf ihre Brüder zu schießen, sondern den Gehorsam zu verweigern und die Gewehre auf ihre Vorge setzten zu richten. Durch eine antimilitaristische Propaganda in Heer und Marine muffe man für eine umfangreiche Meuterei wirken. Nur dadurch Lnnten die Anarchisten -um Ziele gelangen." Der Staatsanwalt beantragte wegen Auf forderung zum Ungehorsam gegen die Befehle der Vorgesetz ten 3 Monate Gefängnis. Der Gerichtshof erkannte ledoch inii Rücksicht aus di: bisb-rige Unbescholtenheit und groß« Jugend des Angeklagten auf nur 20 .X. Geldstrafe eventuell 4 Tage Gefängnis. sic. Vierter allgemeiner Tag für deutsche Erziehung. Am Pfingstmontag beginnen in Weimar die Verhandlungen des Vierten allgemeinen Tages für deutsche Erziehung, oie in diesem Jahre von besonderem Interesse sind, da die Be gründung der „Gesellschaft für deutsche Erziehung" folgen soll. Vorträge werden u. a. halten: Generalsekretär Julius Tews-Berlin über „Mehr Bewegungsfreiheil für die Volks schule", Oberlehrer Dr. Gruhn-Berlin über „Die Notwen- digkeit der Einheitsschule", Bildhauer Dr. ObristENünchen über „Deutsche und undeutsche Kunst", Dr. med. Spietbofs- Mühlhausen über „Schule und Eltern", Professor Dr. Gur- litt-Steglitz über „Das Ziel der deutschen Erziehung". Feuilleton. David Fricdr. Strauß. Thomas Backte. nicht ein träger und leidender uns gelangt, ob mit. ob ohne sondern er muß gesucht ivcrdcn. Das Reich der Wissenschaft ist keine Demokratie, noch weniger Ochlokratie, sondern Aristokratie im edelsten Sinne. Die Besten sollen herrschen! Wissen ist Stoff, der zu unfern Willen, bevor er gewonnen werden kann; er ist das Ergebnis großer Arbeit und dieserhalb großen Opfers. Schelling. Die Halle der Wissenschaft ist der Tempel der Demokratie. Thomas Buckle. Für die Wissenschaft existiert überhaupt kein Heiliges, sondern nur ein Wahres; dieses aber verlangt keine Weihrauchwolke der Andacht, sondern Klarheit des Denkens und dec Rede. Sorrcntkner Skizzen. Von .Harald Schubert (Leipzig). I. Des Lorbeers Sehnsucht. Ueber den Foren der Konsuln und Kaiser, über der Kup pel St. Peters schwebte trauernd im flimmernden Actbe,- der Herrschcrtraum der ewigen Roma. Ein gewaltiges Mal, dem Drama der Rassen gesetzt, erschien mir die Stadt mit den Kuppeln der Paläste und Kirchen. Gleich dem ehrwür digen Schmuck aus dem Familicnjchatz eines edlen Gc- ichlcchts, der auf dem Haupte einer Fürstin glänzt, schwebte dieser Herrschcrtraum der lateinischen Rasse über Rom: ein trauernder Genius italieniscknm Blutes. Zwischen den Mauern jener Bauten, auf welche Gottgc- sandte das Meißel-eichen ihrer edlen Abkunft geritzt hatten, wimmelte neidisches Gewürm. Eine neue Plebs entweihte den Heiligen Berg, und dem Moloch der Moderne opferte der Pöbel auf den Tempeln der Vorzeit Sklavcnhände ent ehrten den Stein mit der Inschrift: Der Großen Bestie! Auf den Stirnen jener Niederen stand das Kainsmal der Hörigkeit geritzt. Das Schnaufen der Bestie verpestete die Luft, und trau ernd blickte der Genius lateinischen Blutes gen Tusculum, wo einst der Stadt zweiter Begründer gewohnt. So nannte Rom den Bürger zum Dank für rettende Tugend. Ich verließ die Campagna und stieg durch Weinberge nach Frascati hinan. Von Baum zu Baum zogen sich die Ranken der Reben im dichten Gewirr. Sie erschienen dem Auge als ein festlicher Reigen froher Bacchantinnen, welche zu irgend einem Symposion bergaufwärts strebten. Doch hielten sie inne, als warteten sie auf ein Zeichen zum Beginne des Tanzes. Dies nutzten einzelne Faune aus, um nach den festlich Gekleideten zn greifen. Mit lüsternen Armen griffen sic ziellos unter die dicht zusammen Gedrängten. Aber es waren nur Feigenbäume. Immer noch hielten die Bacchantinnen inne. Eine Er wartung und immer mehr sich steigernde Spannung lag in der Luft. Diese, welche sonndurchglüht und von unzähligen funkensprühenden Wesen belebt schien, saugte jeden Laut ein, so daß der Gesang der Frauen in den Bergen gleichsam ein zuschlafen schien. Diese Weiber trugen Gefäße auf dem Kopf und bewegten sich mit einer solchen Anmut, als sei der Rhythmus ihres Ganges ein Teil in dem stolzen Hymnus des Erwartungsfestcs. Ich aber schritt weiter bis an einen größeren Weg, der hinauf nach Tusculum führte. Zu beiden Seiten standen Lorbcerbüscbe. Sie hielten ihre Blätter dem Helden der Er wartung entgegen. Hier war cs am stillsten. Man empfand nur das weiche Kosen der glühenden Luft und ahnte die Träume, welche ans dem Boden aufsticgen. Er enthielt das kostbare Blut vieler Edlen und darunter jener, welche dies erwartungsvolle italienische Volk so oft befruchtet hatten mit den Träumen ihrer Seele und ihres Schwertes. An einem Lorbeerbaum stand ein anwnisckcs Mädchen, das Messer in Händen, nm dem Erwarteten den Zweig des Siegers zu schneiden. Bronzierter Purpur färbte ihre Wangen, welche glühten von dem Fieber der Sehnsucht nach jenem Einen, der sie zum Weibe wachiüsscn sollte. Und ich fühlte in mir alle die Spannung und Erwartung wieder, von welcher die Atmosphäre erfüllt war, die Sehnsucht dieses edlen italienischen Volkes nach einem befruchtenden Eroberer stamm. Ich wußte, daß mein Volk nicht mehr reich peinig war, nicht groß genug, daß sich ihm dieses stolze Weib hingcben würde, in Hoß und in Liebe. Um so übermächtiger fühlte ich die Spannung, welche aus mich eindrang in diesem Tempel, welcher die Sehnsucht als Allerheiligstes barg. Sein Gebälk trugen Karyatiden, welche Junpsraiicn dieser herben Berge waren und in seinem Vorhof wartete der Lorbeer des Opfern, esscrs. Alles erwartete den Helden, den Befruchtenden Eine Espe zitierte leise II Das Symbol des Höchste». Es dunkelte in den Tälern der Erde. Die Rübe schritt mit mildem Blick von Werkstatt -u Werkstatt und hielt die Arbeit auf. Sie ging dahin, wo an brausenden Flüssen die Menschen sich drängen, sie pochte, wo in germanischen Urwaldes Schauern die Hütte des Schmiedes stand. Die Hämmer ruhten, cs rastete die Menschheit in den Tälern und an den Flüssen der Erde, ob sie nun in dumpfiger Stadt oder mitten in blumigen Wiesen wohnten. Alle gingen sie zur Rast und betteten die heiße Stirn, müde des Tages und der lärmenden Arbeit. Doch einer war unter ihnen, der sah hinauf zu den krei senden Sternen, den Nacken zu recken, vom Schaffen ge krümmt. Dem war cs, als hätte ihr bleiches, sehnsüchtiges Flim mern besondere Botschaft an ihn. Was mochte es nur sein? Er spürte, daß ihn die ganze Nackt hindurch ein Rätsel wesen mit seinen Augen anblickte. Er mußte die Stunden hindurch, immerfort wach liegen und grübeln. An den Wänden glaubte er, Runen sehen zu müssen und konnte sic nicht enträtseln. Tcß ward seine Seele wund, also daß er deS nächsten Tages nichts schaffen konnte. Er mußte wandern, weit fort, in der Seele getroffen von zehrendem Sehnen mußte wandern ans blumigem Tale, von waldigem Hügel, ob er den Ort wohl fände, da ihm des Räu. Lösung würde. Wo in Felsenstirnen der Wille der Welt in markigen Malen gemeißelt ist, Furchen und Falten die Geschichte von der Erschaffung der Erde in runzligen Runen erzählen, hielt der Weitpcwandertc. Er wollte hinauf, die Schrift zn lesen, vielleicht, daß dort seiner Antwort harrte und selbst sich ent- rätselnd die Frage sich löse. Er drang immer weiter hinauf . . . Tie Hütten der Menschen ließ er weit unten zurück und stieg trotzig fort dem Firne zu, den heiligen Höhen. Dorthin, wo auf kärglicher Erdkrnme die verkrüppelte Föhre wurzelt im Urgestein der Erde. Sacht berührt er ihren Stamm, die doch gleich ihm sich gemüht, hinaufzu dringen. Schon hört er das Rauschen der Flügel des kreisenden Adlers, der im abgründigen Bcrgsce sich spiegelt. Das Rauschen der Ewigkeiten in dieser stillen, einsamen Welt. Da ließ schon der Wanderer den letzten, kümmerlichen Föhrenwald hinter sich zurück, mit braunen, verdorrten Nadeln. Ueber die Zinnen der höchsten Fclsenspitzen sah er jetzt das goldene Sonnenrad ausblitzen: flimmernde, huschende Sckatten warf es auf den blitzenden Schnee; gleich irrenden Gespenstern. . . Nebel steigen aus Schluchten und >t'Iiiften. . . bestürzt blickt der Wanderer um sich . . . unsicher wird das Auge Di sckaut er empor. Ans der höchsten Spitze, am Ziel, steht ein hölzern Kreuz Wenige Schritte darunter eine müde, krummgewehtc Föhre mit dürren Nadeln Sie möchte hinauf, gleich ihm, nach der höchsten, fernsten Warte, Umschau zu halten über die anderen Berge sie scbnt sich und müht sich ab, die Höhe, die letzte, zu er klimmen .... und kann doch das verheißungsvolle Ziel nicht erreichen Vor ihr das Kreuz und immer wieder das Kreuz! Einem verhungerten Pfaffen gleich reckt es seine klapper dürren Arme wie beschwörend, so daß die arme Föhre nicht aufwärts kann .... Schnee wirbelt und Sonne scheint . . die Föhre ringt und kämpft, doch immer noch steht er oben, der Beschwörer ! Sic möchte hinauf, die höchsten Zinnen der Erde zu be freien vom Symbol der Knechtschaft. Aber es geht nicht, und das dürre Holz triumphiert immer wieder: Das Wahrzeichen des Höchsten! Da merkt der Gottsucher, der Baum ist er, und nimmer wird es auch ihm gelingen, das Holzkreuz zu entwurzeln. Ermattet sinkt er nieder am Stamme des Baumes: So nimm du mich aus, du Todesnackt, daß mein Geist die Fesseln von sich streift . . . und grüßt dann der neue Morgen, bin ich schon weit höher denn du, o Kreuz. Dann wird er Rechenschaft fordern von deinen Dienern für das, was sic auf Erden getan. Vao cruoi! Auf den Höhen der befreiten Berge seh' ich dich in Brand, du klapperdürrer Holzmann, und aus der Lohe wird ver jüngt sich erheben: „der Heiland der Auserwählten." Er wird nimmer niedcrttcigen zum Volke der Tiefe; denn er ist zu cdcl, als daß er nicht die Lehre von einst widerrufe! HI. Die Sonne kommt! Sic alle sah ich sich nabn, die Leid und Luft auf dieser Erde erfahren hatten. Aus den Schalten der Zweifel und den Nächten ihrer Sehnsucht pilgerten sic nach fernen Morgen landen und Menschheitswiagen. Sie waren von verschiedenem Alter, je nach der Stunde, da sic erkannt batten, daß ihnen ein Heiliges fehlte und daß sic cs suchen müßten weit, weit in der Ferne, bis die Sohlen ihrer Füße brannten und die Zunge nach einem Labetrunk lechzte, der dann so selten war, weil sie alle so dürstete Ihre geringen und hohen Berufe ivarfcn sie von sich wie nichtige Dinge und griffen zum Wandcrstab, nach den Wie gen der Menschheit zu pilgern. In den kwiligen Hainen der Völker wollte sich ein Rauschen des heiligen, gottgcborencn Geistes erbeben, und im Innern der Erd»' gärten die zischenden Gluten der feurigen Magmen, seit Erdcngcburl in Starre gebannt. Ein Erdbeben bereitete sich vor, die Vorhänge in den Tempeln der Völker zu zerreißen, wie damals, da ein Heiland ami Holze die Menschheit versöhnte. Er sollte MiSeinandcr- rcißen im Allerl>eiligften ihres nationalen Sehnens, das als enüges Licht vor den Bildern ihrer Erhabensten, Leiden den brannte. Denn der KrciS v»ar vollendet, und der Heiland, zur Zeit der Kreuzigung in ihre Herzen versenkt vor Jahrtanlenden, wollte Auscrstchnna feiern aus ihren Seelen, sich selbst und die Erdcmnenschhcit zu verklären. Als Ahnen zog es durch die Völker. . . Da machten sie sich auf; die Stollen und Bettlägerigen -er Hoffnung, und ftrobten nach der Kirche des Trostes für sie alle, die ihren Ursprung in Adams Samen batten. In ihren Träumen boulen sic ibn ans, den D-om der Ver klärten Ein jeder trug Steine aus seiner Wanderschaft, da mit er steurc zum Ganzen. Es waren die Erinnerungen an das, was ihnen von der Gottheit als Kinder gelehrt worden war und waS sich noch
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite