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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.05.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070521026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907052102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907052102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-21
- Monat1907-05
- Jahr1907
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Auf der Kleinbahn Eltville—Schlangenbad er folgte, wie uns aus Wiesbaden mitgeteftt wird, am Sonntag nachmittag bei gesteigertem Pfingstverkohr infolge einer Entgleisung des ersten Wagons, der umsttrrzte, ein schweres Eisenbahnunglück, bei dem ca vierzig Personen zum Teil recht schwer verletzt wurden, ftcber den Unterbau der Bahn ist schon seit langem Klage geführt worden. Neuer Bulgarcnaufstand augedroht l Eine in Sofia abgehaltene Makedonierversammlung nahm eine Resolution an, welche die Signatarmächte des Berliner Vertrages und die bulgarische Regierung auffordert, durch entsprechende Maßnahmen der systematischen Ausrottung des bulgarischen.Elements in Makedonien durch serbische, griechische und türkische Banden Einhalt zu tun. Die Resolution richtet ferner an die bulgarische Legierung das Verlangen, besonders den Bestrebungen Serbiens entgegen zutreten, welches mit Unterstützung der Türken durch Be stechung und Verrat die Bulgaren allmählich ganz zu ver drängen suche, um danach die Teilung Makedoniens durch- zusetzeu. Schließlich fordert die Resolution die revolutionäre innere Organisation auf, mit allen Mitteln den Befreiungs kampf wieder aufzunebmen. — Die Gesellschaft ist wirklich reizend: während sie den Schutz der Mächte auruft, hetzt sie in demselben Atemzuge die revolutionäre Organisa tion zu neuen Greueltaten (»Befreiungskampf mit allen Mitein") auf. — Daß die Kämpfe bereits wieder begonnen haben, ist vor einigen Tagen berichtet. Heute erfahren wir: Am 19. Mai ist eS deu türkischen Truppen gelungen, den stärksten der Stützpunkte der bulgarischen Bauden in dem Seegebiet von Jenidze einzuuehmeu. Die Bulgaren verloren dabei 50 Manu. Die Türken hatten sieben Tote, fünf schwer und eine Anzahl leicht Verwundete. Die Bulgaren drohen, alle griechischen uud türkischen Dörfer im Bezirk Jenidze zu vernichten. Amerikanische HanvclSpolittk. Die »Tribüne" meldet aus Washington: Präsident Roose velt, der von einigen unerschütterlichen Befürwortern des Schutzzollsystems stark gedrängt wird, in feiner nächsten Botschaft an den Kongreß eine Tarifrevision zu empfehlen, wird dies wahrscheinlich tun. Bon maßgebender Stelle ver lautet, daß die gegenwärtige Regierung in keine formellen Tarifverhandluugen mit Frankreich eintreten werde, bis das Handelsabkommen mit Deutschland am 1. Juli in Kraft getreten sei, und daß die Regierung deu Wunsch hege, erst die Wirkung deS Abkommens zu sehen. Zur Preference-Frage. Der llnterstaatssekretär für die Kolonien Winston Churchill hat in Edinburg über die auf der Kolonialkonferenz auf geworfene uud von der Torypartei und ihrer Presse Tag für Tag wieder vorgebrachte Forderung der Vorzugsbehandluug der Kolonien gesprochen und erklärt, daß die liberale Regierung die Tür, die zu einer Besteuerung der Nah rungsmittel führe, fest verrammelt und verriegelt habe und sie nicht öffnen würde, so lange Campbell- Äannerman Premierminister sei. Die Liberalen ständen wie ein Fels zwischen den hart arbeitenden Waffen des Volkes uud allen denen, die von dem kärglichen Wochen verdienst der ärmeren Klaffen noch einen kleinen schäbigen Profit herausschlagen wollten, und würden niemals auch nur einen Penuy eines Vorzugszolls auf ein einziges Pfefferkorn zulaffeu. Am Schluffe seiner Rede richtete er einen Appell au Lord Rosebery, sich mit den Liberalen zu vereinigen in dem großen Kampfe mit deu LordS über die Laudsrage, dem mau unabweisbar zutreibe. Oefterreichisches Partetwcscu. Die tschechischen sozialdemokratischen Abgeordneten haben beschlossen, im neuen Abgeordueteuhause eine selbständige Gruppe zu bilden. Es lebe die internationale Sozial demokratie! Die Bewegung in Indien. „Standard" meldet aus Lpcknow in Indien, das dort stationierte Eingeboreueu-Regiment sei entlasten worden, da die in: Punjab herrschenden Unruhen auf den Stamm der Umballa übergegriffen haben. Die russische BerschwörungSgeschichte. Ueber den Schluß der Dumafitzuug, in der Stolypin seine authentischen Mitteilungen über die BerschwörungS-Sache gemacht hatte, wird mitgeteilt: Das Verhalten der Sozial revolutionäre und der Mitglieder der Arbeitspartei, die sich des halb während der Besprechung der Interpellation über den An schlag gegen den Kaiser vor den Saaltüren ausgehalten batten, um das Attentat auf das Leben des Kaisers nicht mißbilligen zu müssen, wirkte äußerst verschärfend auf den weiteren Verlauf der Sitzung, iu dem zwei Interpellationen besprochen wurden, von denen sich die eine aus die bei dem Dmuamitgliede Ozol und anderen vorgenommene Haussuchung und auf die un gesetzlichen Handlungen bezog, die von der Gefängnis verwaltung m Algach (Sibirien) gegen politische Gefangene begangen sein sollten. Ministerpräsident Stolypin hält das Verhalten der Polizei in der Wobnung Ozols, die beständig zu Zusammenkünften von Revolutionären benutzt worden sei, für gesetzlich und erklärt, die Polizei werde bei ähnlichen Gelegen heiten stets so verfahren. (Beifall auf der Rechten.) Der Juftizurinister wendet sich sodann gegen die Uebertreibungen bei den Zwischenfällen in Sibirien. Verschiedene Redner der Linken machen sich über die ministeriellen Erklärungen lustig, worauf Stachowitsch auf die Nutzlosigkeit von Inter pellationen hinweist, wenn man den Worten der Minister keinen Glauben schenken wolle. Di« Duma nimmt schließlich eine Tagesordnung an, in der die Revision des Gefängnis wesens gefordert wird. Das Haus geht sodann zur Beratung der Agrarfrage über/ Ein Antrag auf Schluß der Debatte wurde abgelehnt. Dagegen wurde ein Antrag, die Debatte über die Agrarfrage noch gestern zu Ende zu bringen, ob gleich noch 50 Abgeordnete auf der Rednerliste stehen, ange nommen. Gleichwohl war der Sitzungssaal 10 Minuten später leer, so daß sich der Präsident gezwungen sah, um "Vs Uhr die Sitzung aufzuheben.— Auch der ReichSrat hat, wie die Duma, eine Entrüstungs-Erklärung beschlossen. — Gestern abend ist eine außerordentliche Sitzung des Reichs rates unter dem Vorsitze des Vizepräsidenten Gobulew abge halten worden. Dieser erklärte, der Reichsrat sei zusammeu- getreten, um Kenntnis von einer Regierungserklärung über ein vereiteltes Attentat gegen den Kaiser zu nehmen. Nach dem die Erklärung verlesen war, hielt Gobulew eine Rede, in der er namens des Reichsrates seine Entrüstung über den Anschlag unv seine Freude über dessen Mißlingen ausdrückte. Sodann beschloß der Reichsrat, ein Telegramm an den Kaiser abzusenden. Der Wortlaut des Telegramms wurde mit Hurra rufen ausgenommen, und die Mitglieder des Reichsrates sangen die Nationalhymne. Aus nicht offizieller Quelle werden noch folgende Einzelheiten mitgeteilt, deren Bestätigung im einzelnen Vorbehalten bleiben muß: Bei der Untersuchung der Ver schwörung gegen daSLeben des Zaren werden immer gefährlichere Pläne entdeckt. Darnach sollte nicht nur der Zar, sondern auch der kleine Thronfolger und ferner der einzige Bruder desZaren,Groß- Fürst^Michael, der im Palais zu Gatschin wohnte, ermordet werden. Die Morvanschläge sollten gleichzeitig ausgeführt werden. Ein Unteroffizier der Leibwache meldete seinem Vor gesetzten, Verschwörer hätten ihm 10 000 Rubel und einen Paß versprochen, damit er sofort nach dem Ausland ent fliehen könne. Die Vorgesetzten besahlen ihm, das Angebot scheinbar auzunehmen und die Unterhandlungen mit den Ver schwörern ruhig fortzusetzen, um das ganze Netz der Ver schwörung iu die Hände zu bekommen. Der Erfolg war überraschend. Bisher wurden 80 Personen fest- genommen, darunter ein Erzieher des kaiserlichen Alexander - Lyceums. Ein Dumadeputierter der Linken soll arg kompromittiert sein. Im BereinSlokal der sozialdemo kratischen Dumafraktiou wurden Haussuchungen abqehalteu, welche die ganze Nacht dauerten. Unter deu dort ver sammelten 80 Privatleuten waren 50 Frauen. Viele weigerten sich, ihre Personalien anzugeben. Zehn Personen wurden in Gewahrsam der Staatspolizei genommen; darunter drei Rechtsanwälte. Papiere wurden im Gewicht von 80 Kilo gramm beschlagnahmt. Die mitverhafteteu Dumamitglieder wurden nach genauer Untersuchung sofort wieder entlasten; sie riefen telephonisch Stolypin an, welcher erklärte, es sei nicht seine Pflicht, sich in die Angelegenheiten der Prokuratur zu mischen. politisches. Die Aussperrung im Baugewerbe. Die Wirkung der grade am Vorabend vor Pfingsten be gonnenen Aussperrung der Bauarbeiter wird sich der Feier tage wegen erst heute und morgen völlig übersehen lasten. ES scheint aber festzusteheu, daß 46 000— 48 000 Mann auSge- sperrt sind. Von deu Akkordmaurern, die noch Arbeiten zu vollenden haben, dürften noch 1500—2000 in Arbeit bleiben. Gerade sie sind in der letzten Woche fieberhaft tätig gewesen, um dringende Arbeiten fertigzustellen uud um die Rubbauten für den Innenausbau herzurichten; besonders für Läden und Geschäfts lokale, deren Eröffnung bevorstand, kommt die Aussperrung äußerst unge legen. Gn Teil ist jetzt noch im Rohbau fertig geworden, sodaß die Tischler, Schlosser, Glaser usw. ihre Arbeiten rn Angriff nehmen können. Trotzdem werden zahlreiche GeschästSlokale nicht rechtzeitig eröffnet werden. Dazu gehören einige große Hotels uud CasSS iu der Friedrich stadt, die wahrscheinlich erst zum Herbst, statt im Monat Juni, ihre Pforten öffnen werden. — Auf den Bahn höfen gab eS während der Pfingstfeier^ge großes Abschied nehmen von vielen Hunderten von Arbeitern, die Berlin für längere Zeit verlassen. Dem Drängen der Organisations leiter folgend, sind gegen 3000 Unverheiratete jetzt während der Pfingstfeiertage von Berlin abgereist. Sie werden zum Teil in der Provinz Arbeit finden, zum Teil auf der Wander schaft bleiben, bis der Krieg in Berlin entschieden ist. Die verheirateten Ausgesperrten haben in den Pfingsttagen in den Kontrollstellen bereits ihre Bücher und Karten deponiert. Die Feststellung der Zahl der Ausgesperrten wird seitens der Aroeitnehmerorganisationen erst am Mittwoch erfolgen. — Fraglich ist, wie weit die kleinen Bauqeschäfte, die nicht dem Verbände angeschlosten sind, die Aussperrung mitmachen werden. Sie sind, wie wenigstens verlautet, nicht geneigt, die Aussperrung mitzumachen. Sie werden nur dann ihre Arbeiter entlassen, wenn ihnen durch die Verweigerung des Baumaterials das Weiterarbeiten unmöglich gemacht wird. Das dürfte Ende der Woche erfolgen, da dann die Mörtel werke, wie verlautet, ihre Lieferungen eiustellen. Ebenso werden die Ziegel- und Steinlieferungen in einigen Tagen auf hören. — Wie aus den Kreisen der Unternehmer verlautet, hat inan sich hier auf einen Kampf von mindestens vier Wochen eingerichtet. Die Arbeiter sind für diese Zeit fle» rüstet, und Geldmangel wird vorläufig bei ihnen nicht em- treten. Sie sind vor allen Dingen darauf bedacht, den Arbriterzuzug von Berlin fernzuhalten. Das Organ der Maurer proklamiert für alle Provinzotte die Parole: „Daß kein baugewerblicher Arbeiter nach Berlin geht". oft. Der König von Spanien und die Kieler Woche. Der augeküudigte Besuch des Königs Alfons von Spanien zur Kieler Woche wird, wie der spanische Konsul offiziell mit- teilt, nicht stattfinden. Der König schickt nur, wie im vorigen Jahre, feine Dondersilaggenjacht „Muriska" zur Teilnahme an den Regatten. Die auswärtigen Meldunsen von einer Zusammenkunft des Königs von Spanien mit dem Kaiser Wilhelm werden hierdurch offiziell dementiert. * Gegen das Pctitionsrecht der hessischen Staats- beamten war seitens der hessischen Regierung unter Bezug nahme auf eine aus dem Jahre 1848 stammenden Verordnung in der Weise Verwahrung eingelegt worden, dich die Regie rung die vom Finanzausschuk der Zweiten Kammer zur Erledigung von Äeamtcnpetitionen erbetenen Auskünfte mil der Begründung abgelehnt hatte, daß die Beamten sich zu erst an die Regierung und erst dann an die Volksvertretung hätten wenden muffen. Trotzdem hat der Finanzausschuß ohne Rücksicht auf die längst ungültige Verordnung auf die Erteilung der Auskünfte und völlige Wahrung des Pe tittonsrechts mi Erfolg bestanden. Bravo! st. Aus Dcutschsüdwestasrika. Der furchtbaren Heu- schreckeuplage, durch welche unsere Kolonie schweren Schaden erlitten bat, hat der Himmel Einhalt geboten; ein so reich haltiger Regen, wie noch niemals zuvor, ist über den ganzen "mittleren und nördlichen Teil des Schutzgebietes hernieder gegangen; der Swakop floß in voller Breite dem Meere zu; ^dieses Anblickes konnten sich die ältesten Afrikaner nicht er innern. Durch den so ausgiebigen Regen wird natürlich überall frisches Gras wieder emporsprießen, auch an den Stellen, wo die Heuschrecken geradezu furchtbar gehaust haben. — In unserer Kolonie spricht man sonst zurzeit nur von dem furchtbaren Brande, durch den das Otavihotel in Usakos vollständig zerstört wurde. Es ist das größte Feuer gewesen, das seit vielen Jahren unsere Kolonie heimgesucht Kat. In b^-2 Stunden war das prächtige Hotel von den Flammen vernichtet. Die Sache scheint aber noch ein inter essantes Nachspiel haben zu sollen, das Hotel war seit zwei Monaten mit 115 000 ^l bei der Hanseatijchen Feuerversichc- rungsg^ellschaft versichert. Beide Inhaber des Hotels sind wegen Brandstiftung verhaftet worden, Finke in Usakos und Friedrich in Swakopmund. Das Gericht lehnte den Antrag der Berteidigcr auf Haftentlassung ab. Hoffentlich erweist sich der Verdacht hinfällig. — Handel und Wandel heben sich in unserer Kolonie immer mehr. Fortgesetzt kommen neue kapitalkräftige Kolonisten ins Land. Von Swakopmund iverden in den nächsten Monaten große Verschifftlugen von Erztransporten beginnen, die von Thumeb dort eintrcffen sollen. Die Landungsbrücke von Swakopmund erweist sich nach feder Richtung als ein Segen, die Dampfer der Wvcr- mann-Linie sind jetzt imstande, ihre Kaduno wcl srüb-r zu löschen, als selbst im Plane vorgesehen war. * Der Zeutralvcrband der Gcmcindedcamtcn hat ftebcn an die Staatsregierung und die gesetzgebenden Körper schaften eine Denkschrift übersandt, welche für eine völlige Gleichstellung in der Besoldung mit den Staatsbeamten ein tritt mit der Maßgabe, das Bcsoldungswesen der Gemeinde beamten durch gesetzliche Bestimmungen in ähnlicher Weise wie z. B. bei den Lehrern einheitlich zu regeln. * Buud der technisch-industriellen Beamten. Die Ver handlungen des 2. ordentlichen Bundestages der lechinfch- iudustriellcn Beamten setzten am Pfingstsonntag mit dem Ergänzungsbericht zu dem vorliegenden Jahresbericht über die beiden Jahre 1905 und 1906 ein. Von den mitgeteiltcn Zahlen verdient Erwägung, daß der Bund im Jahre 1901 mit einem Zfestande von 1630 Mitgliedern abschloß, die sich in den beiden folgenden Jahren auf 4625 beziebungsweffc 7082 vermehrten. Heute §ählt der Blind 9i>00 Mitglieder Entsprechend stieg die Zahl der Verwaltungsstellen von 7 im Gründungsjahr aus 48, beziehungsweise 68 in den Jahren 1905 und 1906, und beträgt heute Ä. Der Bund verfügt augenblicklich über einen Vcrmögensbestand von 90000 .ll Die übrige Zeit wurde am 1. Beratungslage mit der Erörterung über den Ausbau des sozialpolitischen Pro- aromms ausgefüllt. Außerdem wurden noch besondere Leitsätze beschlossen zur Erfinder schutzfragc zur Arbeitsgerichts- und Arbeitskammersrage und znr Penfions- und Hinterbliebcnenversichcrung der Privatbeamteri. Daneben wurden eine ganze Anzahl Re- solutionen angenommen. Davon verlangt die erste, daß der Feuilleton. — Jede große Zeit erfaßt den ganzen Menschen. Mommsen. Jede Zeit ist ein Rätsel, das nicht sie selber, sondern erst die Zukunft löst. Jhering. Ich habe es versucht, aber wir können uns weder in die vermenschliche, noch in die nach menschliche Zeit denken. Mr können nur die Arbeitsstunde, die man siebzig Jahr nennt, nach bester Kraft ausfüllen. Auerbach. Dec am meisten beschäftigte Mensch hat die "eiste Zeit. Alexander Dlnet. I. A. Hriysniaur. Ein Nekrolog von Ren« Sch icke le (Straßburg). „Sobald ich ernsthaft darüber nachdenke, so finde ich, daß die Literatur nur eine Da- scinsibercchligung Hai: sic erhebt den, der sich ihr hingibt, »über den Abscheu vor dem Leben." (Huysmans.) Diese Worte stehen im ersten Kapitel von „siä -!>»>,", worin der Gläubige von MOdan wie in einem lang verhal tenen Wutaniall um sich schlägt, seinen Meister Zola schüttelt und auf wenigen, heftigen Seiten die Theorie sowohl wie die Werke der Schule in stück« reiht. In ,,siö-bki»" oeschcch, mit »ine« Lvat, Ker Abfall vom Naturalismus, würbe ein per sönliches Kunst ideal ausgestellt und sogleich am Werk demon striert. Huysmans schrieb von dieler Stunde an keine Romane und keine Novellen mehr, er schrieb Bücher. Er bemühte sich nicht mehr um die Erfindung romanhafter Kon struktionen, er beschränkte sich darauf, die Chroniken des Herrn Durtel zu verfassen. Durtel lvar sein künstlerisch objektiviertes Ich. Soviel Lärm dieser Umschwung in der Literaturwelt aucu gemacht hat, — er war weder überraschend, noch ist er gar ein Problem, dem man nur mit besonderem Scharfsinn und auch dann nur ungefähr bcikommen könnte. Ueberraschend war schließlich nur der gewaltsam ausbrechcnde Egoismus dieses denkwürdigen Kapitels, das, stilistisch und als vollkommener Ausdruck eines Temperaments, ein Meisterwerk ist. Huysmans hat also zuerst zur Gefolgschaft Zolas gehört. Alan sah ihn in der Begleitung des Meisters, er kam nach Medan, wo Zola ein Landhaus an der Seine besaß und gao seine Novelle „Mit dem Tornister" in die Novcllenscrmm- lung, die „die Abende in Medan" genannt wurde und historische Bedeutung gewann. Diese Novelle schildert die Erlebnisse eines Rekruten während des Krieges von 1870/71: die Erfindung ist nichts, der Wert beruht einzig in der kon zisen Schreibart, in dem seltsam phantastischen Realismus der Schilderung, in der anziehenden Intimität des Kolorits. Etwas fällt aus: die schwere Magenverstimmung des Helden, der niemand anders als Huysmans selber ist. „Kna-ou-cko," ist ein kmuponiertes Tagebuch von großer Genauigkeit, und das geschrieben wurde, weil der Verfasser am galligen, manchmal entzzückend burlesken Humor, der ihm angeboren ist. Gefallen sand und Trost in der künstlerischen Verarbei tung penibler Eindrücke. Er schrieb noch ein paar andere solche Tagebücher, deren tr.igifchc Höhepunkte ein Besuch beim Zahnarzt, die un entrinnbare Pest billiger Bücher, die grausame Dummheit eines Bürgers sind. Tagebücher eines cholerischen Magen kranken, der ein großer Stilist ist und sich fatalerweise ge- Mungcn siehsi die ganze Erbärmlichkeit des kleinen, unzu friedenen Dajeins in Stil zu verwandeln. Sein Tem perament sitzt in der Empörung, im Gefühl des Unbehagens, cs ist (im weitesten Sinne) blasphemisch. Er bewäl tigt die Tinge, indem er sie Stück für Stück verelendet. Das fertige Werk ist eine minutiöse Passion der Alltäglichkeit. Dieser Veranlagung wegen hielt Huvsmans sich für einen Naturalisten. Er war nur magenkrank. Da erschien ein Buch von ihm, das den Namen Huysmans über Nacht berühmt machte: Ivo Haars." Das ließe sich etwa mit „Der Krebs" übersetzen. „I Robours" wurde das Handbuch der forciertesten Dekaderrce. Nennt es das Hohelied des Magenkranken. Es ist dies das erste Mal, daß Huysmans Phantasie bewies, daß er über die Teckwik des Tagebuches hinausging uud einen Gedanken in Zn Buch legte. Der Prinz Des Esseintes rieht sich zurück, bouc ein Haus des großen Raffinements, züchtet Seltsamkeiten und kultiviert seine verbrauchten, nur noch auf ganz ungewöhn liche Reizungen reagierenden Nerven. Seine Schnapsorgel, seine Orchideenlandscimften und Oskar Wilde sind berühmt. Sie genügen, um sich eine Vorstellung von diesem extremen ASsthetizismus zu bilden. DasBildnisdesDorian G r a y" von Wilde ist ein Buch, das der Prinz Des Esseintes nicht geschrieben hat, weil er das Romanschreiben verachtete und auch, weil er aus seinem Wege schon zu weit gekommen war. Des Esseintes ist der „sxnnnft äilobtairto", der in Baudelaires Seele lebte, den Baudelaire im Dumm kopf Brummet verehrte, ans dem Huysmans in „I kokonrs" ein Zeitpliänomen erster Ordnung gemacht hat, und den heute Richard Schaukal in absoluten, sowie angewandten Toiletten- artikeln verschleißt. Mit dem Prinzen Des Esseintes lieferte Huvsmans sich den Beweis, daß für ihn alle Möglichkeiten zu leben erschöpft seien. Der Prinz war der Traum, die Apotheose des kleinen Ministerialbeamten, der das Elend seines Daseins wie eine körperliche Krankheit empfand und nach Schönheiten, nach Aufregungen und ^wahrhaften Ent zückungen suchte. Die Apotheose war .zugleich «ine "Bankcrott- erklarug. Ich glaube, es Amr Barben d'Aurevillv, der da mals ausrief: „Der Mann, der dieses Buch schrieb, ist fertig. Enüweder schießt er stch eine Kugel vor den Kops, oder er bekehrt sich." Huysmans bekehrte sich. Auch Coppe ist katholisch geworben. Er hat seine Bekaixrung in der „Nonne 8c>nkkr«nc-o" beschrieben, einem Buch, das sein Glück in rührfamen Bürqemamilien gemocht Hai. Sern- Fall ist der eines gutmütigen Greises, der sich nach dem reinen Himmel seiner Kindheit zurücksehnt Paul Bvurqct ist ftomm wie ein Tiepolo. Auch Oscar Wildc ist fromm geworden, und Aubreu BcardsIey Hot nach dem Herzen Jesu gefchrien. Diese beiden haben sich aus letzten Enfchntterungen dahinauf gerettet. Sie »er- lanyten nach Sieb« und wach Kem Tro-st. der auS der Liebe dos Menfchensohnes strömt. Tws alles sind Flüchngc. Der Katholizismus Huvsmans scheint mir von ganz anderer Art. Zugegeben, daß er am Leben krank war und eine«.. Halt, eine Zuversicht suchte — wer kann sagen, daß er damals geglaubt bat? Es war mehr der Literat, der sich be kehrte, einer, den die Vision des Mittelalters gefangennahm Er ließ sich durch das Ausbrechendc, Gewaltsame seines Temperaments zu diesen neuen Sroffen verführen. In „IJ-ba?" schilderte er Gilles de Rsz, der ein treuer, ehr samer Ritter der Jungfrau von Orleans war uud sich auf sein Schloß Mrückzog, um Alchimie zu treiben und den Temel zu beschwören. Als Bitru nicht kam. begann er ivm die greulichsten' Opfer zu bringen, Knaben und Mädchen. Es gelang der gessisjchen Justiz, sich seiner zu bemächtigen, er wurde vor feimv Richter gestellt, verhöhnte sie, leugnete. In einer Nacht geschah da? unglaubliche: Gilles de Nez, der blutfii« Blaubart, ließ sich mit der ganzen Inbrunst (einer Natur in den scliMn Abgrund der Reue fallen, uud am anderen Akvrgen beichtete er vor dem versammelten- Volk seine Sünden uud verbrecherischen Verirrungen. So hin reißend war sein Schmerz, daß die Mtcr und Mütter der gemordeten Kinder in Tränen auSbrachcn Sie fielen auf die Knie und siebten Gott um Gnade für Gilles de Rez an: , en an blanc-ks kglencieur l'iono <Iu moveo äge rnronnn «tuns evtto enllo." .Huvsmans hatte sei mittelalterlichen Seele nahe kommen müssen, um die Einfachheit eines solchen vollendeten Satzes zu finden. Aus den letzten Seiten von „I IbKvuirs" ist zum ersten Riale der Ton angeschlagen, dem er dann b'S gu feinem Tode' nachgoganyen ist. Der Prinz Des Esseintes filmte sich in der Erschöpfung, die i!m verzehrte, nach dem Glauben, nach den entzückenden Trost-Visionen eines Gläu bigen. Mit artistischer Neugierde Kat sich Hnv-smans dem flammenden Ungeheuer genähert, das die unergründlichen Augen der Volksseele hat, der Kirche; aus ihnen ist in seine eigenen scharfen und kalten Küuftleraugcn der Gloupe di« Ekstase, das Wunder Gedrungen, sie lxrben ihn ins Kloster, ,rns Krankenlager der he-ligcn Lvdwine de Schiedam und schließlich «rach LonrbeS getrieben. Er hat sich dagegen gewehrt, mit dem Temveroment und mit der ganzen Ver achtung, die ibm eigen waren. Aber gerade dieses Tcmpe- ramenl hielt ibn fest und riß ibn zu den Orgien heftigen Ekels, Mr Selbfwernichttrno in der Ekstase hin. Er betete in grausamen, i« „häßlichen Beiwörtern, aus der Farbe
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