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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.05.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070522013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907052201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907052201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-22
- Monat1907-05
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WLettz»»« «M Lärmte aniemTpö-m nnd Spedv«« »S -an« „tracht: «»S- qadach n» »org«»-) atrrtriiatklich 3M, menatltch i. M, »n-gabe S Morgen« nnd ab«d-l oierteliäbrlich LöO M, »oaatltch 1^0 M. Lurch di« V«A bezogen (I «al täglich) innerdald DeniichlandS «d d«r brutsche» »oloni«, vierteljLdrtick S M, moaatltch 1 M. «l-schi. Poftbrstellgeld, für Oesreroeich-Uogarn viertetjädrtich 5 L 45 d. Hlbonnimenl^lnmch»«: Augnstneplatz 8, b«i nuferen Lräger», Filiale», Sveditenr« nnd Lnnalunesrellen, f«yi« PokLmtera «ud Briefträg««. Li« einzeln« Nmnm« toket LG Pf», Aetattta« «» SxneSttiour AobmmtSgasi« 8. Trleph. Nr. 14 SSL. Nr. 14693, Nr. 146S4. verltner «e»arttnn»-vnre«a: verUn XV. 7, Prinz Loni» Ferdinand- Straße 1. Telephon i. Nr, S27L. Morgen-Ausgabe 8. KWMr.TWMü Anzeiqen.PreiS für Inserate au« Leipzig n. Umgebung dl« Sgespalteu« PeülzeUe 25 Pf, finanziell« An- zeigen SO Pf, Reklamen 75Pf.; »an antwäri« SO Pf, Reklamen I M.; vo» Anstand 50 Pf, ftnan» Anzeigen 75 Pf, Reklamen 1.50 M. 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Schuck- reaun ist zum Gouverueur von Deutsch-Süd- westafrika ernannt worden. lS. DtschS. R.) * vom 4. bis 7. September findet, wie uuS ein Privattelegramm meldet, in der Nordsee ein Kaiser manöver der Hochseeflotte statt, wozu besonders umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden. * Ein Konsortium Leipziger Danken und Bankhäuser hat vom Rate der Stadt Leipzig 8 Millio nen Mark 4proz«tiger Leipziger Stadtanleihe fest übernommen und wird diese demnächst zur Zeichnung auflege». (Vergl. HdlS-tg.) * Bei einem DerkehrSuufall auf der Klein- bahu Eltville — Schlangenbad wurden am ersten Pfingstfeiertage etwa 30 bis 40 Personen schwer ver letzt. (S. Neues a. a. W.) * Den Hoppegartea - JubiläumSpreiS (15 000 ^l) gewann gestern Herr» Weinberg- „Fel S". (S. Sport.) camldrlertigmlgen an anreren Zeelrüzlen. von der Nordsee schreibt man «rS: Der Wert von schon maroden und von nnbawr-g'.jch« > Festungen zu» ALsteuschutz ist ost ganz verschieden gegen einander abgeschätzt worden. Als di« Franzosen 1870 keinen Angriff gegen irgendeinen deutschen Küstenpunkt unter nahmen, war man geneigt, der Landbefostigung ein« über mäßige Bedeutung beizumeffen. Dann kam eine Zeit, wo man umgckhrt nur die schwimmenden Kolosse als geeignete Verteidigung-mittel ansah. Nnd jetzt «neigt sich das Urteil wisder mehr den gepanzerten Landbatterien zu. Diese haben den Vorteil, den Torpedos und Minen un erreichbar zu sein, auch können sie nicht versenkt werden. Dageymr hoben die Schiffe an ihrer Beweglichkeit einen nicht genug zu schätzenden Vorzug. Sie können erscheinen, wo sie wollen, an Punkten, wo die Landbesestigungen keiner lei Abwchr unternehmen können. I» so wenigmr Gegensätzen erschöpft sich die Sache aber nicht. In den Zeiten der ungepanzerten Schiffe hatten die Landbesestigungen ein große- Uebergewicht wenigstens in der Zurückweisung eines Angriffs. Jedoch gilt daS nur vom Angriff bei Tage. Bei Nacht war ein großes Objekt, z. B. di« befestigte Stadt Genua, auch von ungepanzerten Schiffen hsicht anzugreifen, weil kein Schuß fehlgehen konnte. Da- tzpgen war da- Schiff vom Lande aus kaum zu treffen, da »an e- nicht sehen, seine Entfernung nicht schätzen konnte: blieb da- Schiff in der Fahrt, so war kein Anhalt zur Er- mittlung seine- OrteS gegeben. Seit Erfindung des Pau- ^r- haben der Panzer und di« Kanone «inen Wettlauf an getreten. Der Panzer hat über 30 Zentimeter Dicke er reicht, LaS Geschütz ist ihm gewachsen geblieben. Die größten Kaliber durchschlagen diese Panzerung noch auf 3 Kilo meter Entfernung, wenn der Auftreffwinkel nicht unter 80 Grad sinkt. Nun schießen ober die schwersten Schiffs geschütze, natürlich auch die der Landbesestigungen, aus N Kilometer und mehr. Aber — der ganze Weg dieser Argumentation ist mit wenn und aber derbaut — aus solch« Entfernungen legt da- Geschoß einen steilen Bogen zurück: chjfft. «S da- Deck, so kann es diese- um so leichter durch schlagen, al- lüe Deckparqerung stet- viel schwächer ist. ES 'trifft nur nicht sticht, denn ein Irrtum in der Entfernung um uur 100 Meter macht, daß zu kur- oder zu fern ge- schofseu wird. Bombardiert dagegen ein Schiff «ine be festigte Stadt, so hat «S leicht zu treffe», weil daS Ge schoß immer irgendeinen Punkt der Stadt erreichen wird. El» gut gepanzertes Schiff kann sich einem Krieg-Ha^n, der nicht durch ein« Flotte verteidigt wird, ohne erhebliche Ge fahr ans wenige Kilometer nähern, selbst bei Tage: vollends wird de» AriegShafen «ine ernstliche Gefahr bereiret, wenn der Feind mit einer AnzoA Schiffe kommt und einige von ihn« riskieren will. Die Sache verwickelt sich meicklich durch di« unterseeischen Mine». Die submarinen Krater, die selbst ein Panzerschiff in die Lust sprengen können, werden eatweder seit ver ankert und mit Kontakt-Andern versehen (wenn sie ent- ferutrr kom Lande liegen), oder mit ^ektrischen Zündern (w«n sie so nahe beim Lande liegen, daß von hier aus die Explosion geregelt werd« kann). Endlich haben neuerdings die Ruff« auch treibend« Minen verwandt, bei denen der Kontakt mit dem feindlichen Schiff dem Zufall überlass« wird. Alle- dar hat wieder die Gefahre» für daS Schiff stark vergrößer' und sei« Uebergewicht verringert. Ob da« Zerstör« von Minen dnrch da« Explodier« von Gegen mine» zrverlkssig ist, weiß man nicht. In einem engen, dnrch Minvn gut verteidigt« Fahrwasser ist die Passage für die Ln-riff-stotte immerhin sehr heikel. Die Schlucht Lei Tsuschi»« hat guzei-t, daß Panzerschiffe selbst daun schwer stide« könne», wenn die Panzerung stand- häst also -. v auf mittlere Entfernungen. De: ganze Aus bau «f de» Deck, Schornstein«, Masten, Kommandobrücke, Hqnptstmerapparat, die Schnellfeuerbatterien usw., kann zerstört »erd« nnd Han»- ei, «oß«r Nachteil »ür Navi. -stnAU euch Gaßecht «ustcho». Luch d«r moralisch« Ein ¬ druck kann verderblich sein. In diesem Punkte fällt der Landbefestigung ein Trumpf nach dem anderen zu. Besteht sie, wie sie doch soll, ans Kuppeltürmen von stärkster Pan zerung und flacher Wölbung, so hat sie selbst wenig au-zu- stehen. Jene schvächeren Aufbaut« fehl« bei ihr ganz. Selbstverständlich muß sie mit schwerstem Geschütz ausge rüstet sein. Kommt em Panzerschiff ihr nahe, so muß e- unter wesentlich nachteiliger« Umständen fechte» als die Landbefestigung. Natürlich ist noch manches Wenn und Aber dabei. Ihr« Hauptwert hat die Landbefestigung, wenn sie isoliert liegt, wenn also die vorbeigehenden Geschosse keinen anderweitigen Schad« anrichten. Lieg« di« Fort- aber hart vor größeren Städten, vor Häfen, Docks, Reparaturwerkstätten, Arsenalen, vor den Behausung« einer zahlreichen Bevölkerung, so können angreifende Schiff« dem Feinde doch enormen Scha den -ufügen. Es ist daher eine ganz naturgemäße Tendenz, die Landbefestigung« so weit vorzuschieben, daß daS eigent lich zu beschirmende Objekt schwer oder gar nicht erreichbar ist. Manchmal macht die Natur das, indem sie die Einfahrten eng gestaltet (Biserta, Spezia, vor allem die Deckung Kon stantinopels durch die Dardanellen). Manchmal ist «S un möglich, solche vorgeschobene Punkte zu gewinnen (Genua, Ancona). ES ist also völlig unmöglich, mit einem allgemein« Urteil die Frage -u erschöpfen, ob der Panzrrturm am Lande oder da- Schiff den Vorzug verdient. Für deutsche Verhältnisse neigt man neuerdings dazu, dm Landbefestigimgen eine erhöhte Berechtigung zuzu sprechen. Man spricht von der Verteidigung der EmS durch Fort- auf der Westspitze von Borkum: dort geht in wenigen Kilometern Entfernung da- einzige Fahrwasser vorüber: all« größer« Schiff« müssen dort vorbei. Bei Helgoland liegt die Sache umgekehrt. Es liegt mitten in der See, die Schiffe können, wmu sie wollen, fern bleib« oder nah« herankommen. Die Einfahrt nach Wilhelmshaven kann nicht ander- genommen werden, als wenn man von Schillig- hörn bi- Wilhelmshaven 23 Kilometer an der olden- burgisch« Küste entlang gefahren ist, wobei da- Fahrwasser nie weiter als 4 Kilometer von der Küste entfernt ist: neben bei ist letztere nur von zerstreuten Bauernhäusern besetzt: sie eignet sich also sehr zur Verteidigung durch Land befestigung««. Annähernd ebenso günstig liegeu die Dinge in der Westrmünduug, wo Bremerhaven-Geestemünde-Lshe, «in Stadikompler mit 89 000 Einwohne« und seh" große, Werten an Häsen, Dock-, Schiffen zo schirmen »st. Die jetzigen BiffestkWfgM, alt« Pcmzertürme mit ungenügender Bewaffnung, liegen ganz wenig« Kilometer von den Ort schaft«. Der Feind kann letztere zerstören, ohne sich in Von Bereich der Panzertürme zu begeben. Dagegen geht das ein zige Fahrwasser auf ein« Strecke von 20 Kilometer an dem fast unbewohnten östlichen Ufer hin, sich nirgends mehr als 5 Kilometer vo» ihm entfernend. Weit nördlich vorgeschobene Türme könnten viel zur Verteidigung der Wesermünduna tun. Gleich günstig liegen die Sach« in der Elbmünduny, nur baß dort Cuxhaven in die Verteidigung rinbezogen wer den müßt«, also nicht durch ferne Forts verteidigt werden- könnte. Hamburg liegt in der Luftlinie 90 Kilometer von Cuxhaven entfernt, es kann spielend leicht durch Minem oder versenkte Schiffe verteidigt werden. Die Aufgaben der Küstenverteidigung sind beständig im Fluß. Man darf wohl annehmen, daß die Marineverwal tung ihre guten Gründe hat, um jetzt wieder aus die so lange Zeit als minderwertig angesehene Landbefestigung zurück zukommen. ES wird auch hier heißen: ganze Arbeit zu machen, damit es nicht wieder gebt wie beim Nordostsee, kanal, der schon so bald der Erneuerung bedurfte. ver Münchner sioNdester prsrerz. (Von unserem Münchener Korrespondenten.) Schon vor Beginn des Prozesses, auf den sich nicht allein die Srandalsucht deutscher Provenienz unbändig freute, war es kein Geheimnis daß die Anwälte aus einen Vergleich hm- arbeiteten. Den Klägern konnte es vollauf genügen, wenn die Beweisaufnahme ihre Integrität ergab, dem Beklagten — uur einer stand ja anstelle des edlen Konsortiums — war es, je näher der Termin heranrückte, umso banger um seine Gottähnllchkeit geworden. Schon bei seinem ersten Verhör merkte man es dem Chefredakteur des frommen „Bayerischen Kuriers" an, daß er auf seinen Rückzug bedacht war. Ein kläglicherer «st in einem Gerichtssaale noch nicht erlebt worden. Der Vergleich hat den Beklagten vor einer gericht- Uchen Verurteilung scharfer Art gerettet. Umso vernichten der aber ist die moralische ausgefallen. Man hat ihm ja den gut« Glauben -ugebilligt, aber die Priorität sonder gleichen. auf solches Material gestützt, die Ehre bislang makelloser Persönlichkeiten, darunter eines Felix Mottl, vernicht« zu wollen, in d« „Erhebungen" einen SchelS al» Vertrauensmann zu benützen, von dem gegrüßt zu werd«, nicht nur „Unter den Linden" längst unerwünscht war, lnese unerhörte Frivolität bleibt, ob man nun an den „guten Glauben" glauben mag oder nicht, in vollem Um fange bestehen. Die ganze anständige Presse hat Anlaß, gegen die Behauptung d«S Herrn Siebertz zu protestier«, daß er eine publizistisch« Pflicht erfüllt habe. Im Interesse de» guten RufeS deS HoftheaterS, im Interesse deS Prinz- Regenten, der vom Beklagt« und seinem Verteidiger mit beneidenswertem Takte immer wieder hereingezog« wurde, soll die sanbere Campagne unternommen worden sein: denn der Regent könne schließlich für die Zustände l» Hoftheater — verantwortlich gemacht werden. In Wahr heit war aber die Triebfeder nicht» andere» al» die Sen- sationSlnst, al» die Befriedigung niedrigen Hasse» der Hintermänner. Auf die „Enthüllungen" gestohlener Briese die „Mottl-Affäre". Der politische Hintergrund fehlte auch hier nicht, so paradox e» auch Ning« mag. ES sollte noch ein Nachspiel m der bayerischen Kammer inszeniert werden. Der einzig« MilderungSäruud, der für den Beklagten geltend gemacht werden kann, ist die Tatsache, daß ihn Zentrum», größen trieben. Zum mindesten hatte Dr. Heim, der Ans- sichtSrat nnd Direktor im „Bayerischen Kurier", seine Hand ,m Spiele. Klatsch, überall Klatsch, würde HonS Sachs singen. Er» bärmlicher Klatsch. Die verehrlich« Damen und Herren, di« sich wochenlang um Plätze im Gerichtssaale balgt«, di« Schar«» d«r«r, die da auf so manche» pikant« Histörchen hofften, die Neider und Konkurrenten, die Wächter deutscher Sittlichkeit, zu denen die Leute vom Schlage des „Bayerischen Kurier" zunächst zählen, sie alle sind nicht auf ihre Rechnung gekommen. In zweierlei Richtung mag der Prozeß doch Gutes gewirkt haben, zunächst für München, indem vielleicht doch trotz aller „Gemütlichkeit" das eine oder andere -we,fel- hafte oder zweifellose Element unmöglich geworden ist, dann aber auch für die Allgemeinheit. Deutlicher noch als bisher mögen die anständigen Leute erkennen, mit welcher Vorsicht der allerwärts in Blüte stehende Theaterklatsch zu genieß« und zn bewerten ist. , Rein und makellos in ihrer Ehr«, in ihrem Amte sind die so schwer Beschuldigt« und Verleumdeten aus der Verhandlung hervorgegangen. Nicht einmal in dem Punkte des Ewig-Weiblichen, m welchem Theateroewaltige so leicht straucheln und unterliegen, ist ein Tadel auf sie gefallen. Aus rein menschlichen Gründen freuen war uns dessen für aste drei, aus künstlerisch« insbesondere wegen unseres Mottl. Der große Künstler ist auch ein Ehren mann, ein vollendeter Gentleman. An dieser Stell« habe ich, als die Scheiterhaufen-Artikel erschienen, als feste Ueberzeugung ausgesprochen, daß er an der Schulden- und Pumpwirtschaft seiner Frau gänzlich un- schuldig urll> unbeteiligt ist. Das hat sich glänzend er wiesen. Wohl aber ist seine Bescheidenheit und Genügsam keit, seine Noblesse auch der breitest« Oeffentlichkeit klar geworden. Wenn man eines an ihm tadeln könnte, dann wäre es die beinahe unbegreifliche Nachsicht der Frau gegenüber, die ferne Einkünfte verschwendet, sein« Nam« schändet, deren Gebaren vielleicht nur vom pathologischen Standpunkte auS gewürdigt werden kann. Man könnt'.- sich der Bewegung nicht erwehren, als der Sozius seines Rechtsvertreters als Zeuge unter Eid bekundete, welche Summen Mottl noch in den letzten Jahren für fern« Frau bezahlte, darunter einmal für «ine Blumenrechnung die Kleinigkeit von 4000 Dabei muß mau wisse«, wie diese Frau über Mottl spricht, wie sie sein Ansehen zu schädigen sucht. Er aber glaubt noch im Gerichtssaale an ihr« Besserung. Selig sind, die da glauben, bemerkte sein Vertreter, Justizrat Helbling. Auch die Romantik fehlte bei diesem Kapitel nicht. Der eben erwähnte Sozius be kundete, eine unbekannte „Dame in Schwär-" — ganz wie in „Minna von Barnhelm" — sei zu ihm mS Bureau ge kommen und legte eine große Summe auf den Tisch, oa sie dm Künstler Mottl von den Schuld« seiner Frau be frei« wollte — das Angebot wurde aber ohne Besinnen abgelehnt. Auch sonst hat Mottl fei« Amt in keiner Art miß braucht. In ehrenvollster W«ise »vurde insbesondere dec Fall Faßoenoir ausg-klcvt. Er hat allerdings auf sie als e.ne ausgezeichnete dramatische Sängerin hingewiesen, aber den Generalintendanten gebet-n, sie selbst zu hör«. Dieser vollzog dann das Engagement. Unterdessen hat sich herausgestellt, daß die Dame nur an einer Stimmerkrankung litt, als Brunhilds hat sie nach dem Urteile der ernsten Kritik die Meinung Mottls vollauf bestätigt. Besondere Beachtung verdient die Aussage des Leipziger Opern sängers Löschcke, die nicht allein den prächtigen Cha rakter dieses Zeugen Lartal, sondern auch die ganze Er bärmlichkeit der gegen Mottl geschmiedeten Machinationen. SchelS batte sich an ihn wegen Materials über den „Knaben Mottl gewandt — der „Kerl" müsse bald be erdigt werden. Löschcke aber erwiderte ihm, er sei seiner zeit völlig unwahr berichtet worden und habe Mottl Ab bitte geleistet. Trotzdem aber benützte Schels die früheren Mitteilung« und der „Bayer. Kur." druckte sie. Der Ehrenmann Bvutus-Schels, der unbeeidigt vernommen wurde, erzielte durch eine de- und wehmütige Abbitte, in der er sein ganzes Dasein revocierte und deprecierte, die Zurück nahme der anyekündigt« Klage, die Ehr«, in dm Vergleich ausgenommen zu werden, wurde ihm versagt. Noch sei hier Possart erwähnt, dem es gelang, auch diesmal bei offener Szene, pardon, vor Gericht, den Beifall des Publikums zu erwecken. Aber der Schilderung Mottls als Künstler und Menschen durfte man voll beistimmen. ^Stecken Sie dem Manne 40 Zigaretten und 4—5 Mark in die Tasche, damit er von einer Stätte seines Berufes an der anderen pünktlich «imtreff« kann, dann sind alle seine Bedürfnisse befriedigt." Und nun zum Gneralintendanten v. Speidel. Er stände heute, wenn er nicht dem Wunsche des Regenten ge folgt Ware, ar. der Spitze einer Division. Vermutlich wäre ihm Wohler, vielleicht wäre er am richtigen Platze — noch läßt es sich nicht mit aller Sicherheit entscheiden. Gewiß ist er aber ein untadeliger Kavalier. Auch dem Ehemann mußte Herr Siebert das gleiche Zeugnis ausstellen. Fräu lein Wimmer, zu der man ihm intime Beziehungen nachgefagt hatte, die er darob unter Verletzung seiner Amts- pflicht bevorzugt haben sollte, feierte einen Triumph, wie er ihr auf den Brettern noch nicht beschieden war. Nicht durch theatralische Effekte, durch ihre Bescheidenheit nah Lieblichkeit, die ihr alle Sympathien gewannen. Es wär« ihr auch ohne Eid geglaubt worden. Auch von den sonstigen Beschuldigungen gegen Herrn v. Speidel blieb nichts irgendwie Gravierendes übrig. Endlich zum OberreLiffeur Heine. Auch die Anklagen gegen ihn zerstob« wie Seifenblasen. Er bedient sich nur manchmal derber, sehr derber Ausdrücke. Herr Monnard, einer der damalig« Tischgmvss«, erzählte es als Zeuge und in höchster moralischer Entrüstung. Mag man ihm deistimmen oder nicht, cs wäre im Interesse unsere- Schau spiel- schade, wenn Heine aus seinen Kraftaussprüchen ein Strick gedreht werden könnte. Trotz allem fehlten in der Verhandlung die ästhetischen Genüsse nicht völlig. Ich habe bereit- Herrn v. Possart erwähnt. Wie er die Bitte motivierte, vom Amte eine- Sach verständigen entbunden zu werden, er, „der anderthalb Jahre lang freiwillig in der Verbannung von München gelebt hat", da- war eine kostbare Meisterleistung Die Anwälte der Kläger, unter ihnen Max Bernstein, ergänzten sich in über aus glücklicher Harmonie. Ten größten Genuß für Juristen und Lai« gewährte aber die unübertreffliche Sachkenntnis, Gewandtheit und Liebenswürdigkeit, mit der Oberlandes- gericbt-rat Mayer, der Vorsitzende in all« Preßprozeffen, die Verbundlung leitete. Die norddeutschen Herren waren davon förmlich enthusiasmiert. Serli»er psiggrten. „Mutter, nu mach man schon un koof ne Pfingststaude, aber « bist« dalli! Da» sagte ein Mann zu seiner Fran auf dcr Fra»*i«rrer Straße, al» ich gerade auf den Aviv- Omnibu» sprang. Denn der Berliner verwechselt die Ver- wandtschaft-beziehung« nun einmal aus Prinzip: er sagt nicht nur „mich" anstatt „mir" und „dich" anstatt „dir", er sagt auch zu seiner Frau „Mutter", gleichviel ob er in der Lag« ist, sie al» Mutter seiner Kinder anznsprechen oder ob er gar kein« Kinder -at. Die vielen, vielen Leute allerdings, die ihren Pfingsi bäum auf den Nein« Balkon Herausstellen, haben olle Kinder, sogar recht viele Kinder. Man kann durch di - Straßen von Berlin gehen, ohne auf Kinder zu stoßen, man kann cs nicht in Berlin X. und Berlin O. Es wim melt von Nachkommenschaft. Freilich laufen auch die Kinder von Berlin M. nicht barfuß auf der Straße umher, sic machen nicht ihre Schularbeiten in irgend einem Torwc.i, auf großen Eckstein« hockend, wie man das iu den „min deren" Gegenden der Reichshauptstadt sehen kann, aber der Unterschied in der Zahl ist so außerordentlich, daß man ganz von selbst merkt, in welchem Stadtteil die Anhänger der neo- malthusianischen Lehre sitzen. Der Berliner Pfingstbaum, da- ist noch so ein letzter Rest von Volkssitte, die aus dem Lande draußen überkommen ist und mit der sich der Berliner Spießer das Erwachen der Natur symbolisiert, indem er sich in Hemdsärmeln neben seinen Baum auf d« Balkon setzt und den Rauch einer Aus- schuhzigarre in das Helle Grün bläst. Während sich die Weihnachtsfeier in allen Teilen Deutschlands noch voll- kommen erhalt« hat, kennt man eine Pfingstfeier im Kreise der Familie überhaupt nicht mehr. Höchsten-, daß der Vater ein Böwlechen ansetzt, wenn der Waldmeister schon da ist. Als letzter äußerlicher Rest ist der Pfingstbaum übrig ge blieben. In ganz Äorddeutschland und in einig« Strichen Mitteldeutschlands. Die Volksbelustigungen, die sich früher und auf dem flachen Lande auch heute noch an die Errichtung des Maibaums anschloss«, sind m der Großstadt «-getrennt worden und existieren nur noch in Form von Juxplätz«, zu denen das Volk an den beiden Feiertagen hinpilgert. Auf dem Lande draußen hat man noch die Sitte beibehalte«, daß an einer langen Stange oben ein Kranz befestigt wird, an dem allerlei Gebrauchsgegenstände oder Zuckerwerk herumbcmmeln. Die jungen Bursch« müh« sich ab, die Stange zu erklimmen und gleiten mit einem abgekuüpst« Gegenstand in der Hand wieder herab, falls sie kräftig und geschmeidig genug waren, die Stange bis zur Spitze zu er klettern. Auch in den Äutshöfen der Mark sieht man diese Belustigung in den Pfingsttagen noch heute. All diese Gebräuche gehen letzt« Endes auf- Heidnische zurück. Aber nicht aus diesem Grunde bröckelt Jahr für Jahr mehr von ihnen ab, sondern weil die Bauernburscheu, die ihre Militärzeit in der Stadt verbracht haben, sich zu stolz und zu aufgeklärt fühlen, sich an ihnen zu beteiligen. Es ist schade drum. Denn es steckt etwas Liebliches und Ehr- würdiges zugleich in dies« alten Bräuchen. Aber der Berliner, konservativer denn je, läßt sich seinen Pfingstbaum nicht nehmen. Hunderte von Wag«, voll beladen mit Birkenbäumchen, fahren kurz vor Pfingsten durch die Straß« der Stadt und finden willige Käufer. Wenn man durch die nördlichen und östlichen Gegenden der Riesenstadt geht, so findet man fast aus jedem „Schwalben nest" (so nennt der Volksmund die kleinen Batkone, die zu Dutzenden an die Mietskasernen angeklebt sind) ein« oder mehrere Pfingstbäume. Asses, waS früher einmal einen tieferen Sinn hatte, er- scheint in der Großstadt verflacht und veräußerlicht. So ist'- auch mit dem Pfingstbrauch. Ein jeder stellt seinen Baum heraus, weil er weiß, die Nachbarn tun dasselbe. Und dos Programm ist in Tausenden von Familien zu Pfingsten daS gleiche: des Morgens streicht Mutter di« Stullen und die ganze Familie zieht hinaus ins Freie. Dort lagert man sich in dcr „Stille der Natur" und Papa zieht den Rock aus, um aä omilos zu demonstrieren, daß es nun Frühling ist. Mit der Stille der Natur aber ist's eine eigene Sache. Man muß schon «in gut Stück mit der Eisenbahn von Berlin Weg fahren, wenn man ihrer teilhaftig werden will. Denn die Wälder und Wiesen in der weiteren und weitesten Umgebung Berlins, der Grünewald und die Köpenicker und Tegeler Seen insbesondere, wimmeln von Ausslüglern. Es gibt keinen Platz, vcn dem aus der Blick nicht auf mindestens ein Dutzend Familien fällt, die sich ebenfalls zum Picknick nieder gelassen haben. Der ganze Wald ist besetzt. Und an den durch die Natur bevorzugten Stellen geht die Zahl der Be sucher in die Tausende. Die Kinder schreien und lärmen, die Rasseln knarren, die Trompetchen schmettern und der Berliner selbst, der ja auch nicht zu den Stillen gehört, macht seine schnodderigen Witze möglichst laut, damit recht viele Nachbarn seinen „Jeist" bewundern können. An dieser Qualität Naturfreude läßt sich der Berliner genügen. Ja, man kann sagen, cs find die wenigsten, deren Sehnen ein wenig tiefer geht, die den Charakter des Surrogats in dieicn Freuden erkennen. Weitaus die meisten sind sich nicht im entferntesten mehr klar darüber, warum sic eigentlich zu Pfingsten von einem Bedürfnis ins Freie hinouszuwan. Lern ergriffen werden. Ein Wandern ist eS ja auch schon lange nicht mehr. Erst geht's eine Weile mit der Elektrischen, dann geht's mit der Hochbahn oder mit der Stadtbahn und dann vielleicht wieder mit der Elektrischen. Jetzt kommt der obligate Spaziergang, der einer Volkspromenade gleicht. Viel und lang zu gehen, empfiehlt sich nicht, denn der Berliner, schlau und sparsam, bat seinen Proviant bei sich. Und da er den praktischen Rucksack nur vom Hörensagen kennt, so verteilt er Brot, Wurst, Schinke'«, Käse und Kaffee in viele Paketchen. Und ledes Jamilienglicd muß eines tragen. Und wenn nun zu diesen Paketchen noch dcr Ueberzieber kommt, nnd Stock oder Schirm und das Schmetterlingsnetz nnd abends gar noch der unvermeidliche Lampion, dann verbietet sich eine richtige Wanderung für den also Beladenen von selbst. Und der echte Berliner, der kann wohl auf belegte Brote verzichten, aber nie und nimmer aus den Kaffee, den er gemahlen mit sich führt. „Der alte Brauch wird nicht ge brochen, hier können Familien Kaffee kochen", das liest man auch heute noch an jeder kleinen bürgerlichen Restauration in und um Berlin. Und auf diese Tradition ist der Berliner stolz. Ein Restaurateur, der sich diesem Brauch nicht fügen wollte, würde in Verruf kommen. Die Mutter gibt ihr Päckchen Kaffee ab und „leiht" sich für 5 Pfennige kochendes Wasser. Die „Sahne" ist gratis. Sie empfängt die dick bäuchige Kaffeekanne und hat — Hut ab vor der sparsamen Hausfrau! — pro Tasse 10 Pfennige gespart. So einfach freilich, wie sich das liest, ist es doch nicht. Tenn jeder will seinen mitgebrachten Kaffee abgekocbt haben und der Andrang an der Nestaurationskiiche ist zu Pfingsten fürchter. lich. Ta heißt es fein Geduld hab« und Oueue bilden. Man kann selten in Berlin etwas Eigenartigeres sch«, als an hundert Frauen und „Mächens", die im Gänsemarsch hintereinander marschieren, den Kaffeetovf sorgsam in den Händen haltend. Von den Jungfrauen des Altertums, die mit Opfergaben belad« dem Altar de- ZeuS oder der Aphrodite in würdig« Schritten nahten, und der Berline rinnen, die mit dem Ksffeetopf j, der Hand znr gastlich«
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